Volltext Seite (XML)
71. Jahrgang. AK S11 Donnerstag, 3V. Dezember 1V2K Gegründet 18SS Dnck'anIckrM: ««ckrtchl»» »»«,»«. F«n>p»»<d«k»Sainm»muiiun»r Sd S-»1 Nur Ür N-chiurlpritch«: SO 011. -V, »am I». s» L!»z«ind»r u»r dm litaNch twmmxliom guftmtuna,rm rl»u» I.x» Wk T>kzUKs*1NLVUs)k volld«»uqs»r»l» ur Mono, D«»»md,r » Ward »kn« Vo>,»u»»llu»i,»ardüt>r D>» Nnzeic,»» w«rd»n nach Doldmard >»r»chn»I. dt» mmpallla» u> mm or»il» Anzeigen-Preik: L' lutirrdalb 2ÜU V ' VN»r'»n««dttt>r >0 PI» Nu»w Au'Iräa» -«-in, Dornu»d»,a>,l, SchrtMitluna und ^aupIl>»Ich!M»N,l>m «i«rtn>,»r, » SS «1 ^ Druck u. Drrlao oon t«»»Ich » »elchard« m Dr«»d«n. PoMchrck-^onIo 10SS Dr»»d«n. Nackdru» »», m» »u.Itch»r Qu»U»nan ad, »Dre» n»r »tachr ' »uliiM" »>' v»rlan I« SckrtÜtlUck, ramden »ich, mvewadrt. mvkkkkk M ^unstsplchlpisno» »sll 1834 Vsstdsvvütii^s» (ZusIItLlstsdi'lksi -I«ia»n I. r»a. »<»erin»traa« 12 senonouave OdtO SSLkflkr.'s kirsrns Oken M Mm v»> - n c»ut eine» Oien, emp aki« ict> o»! Seilckitgung meiner reicli- tiaiiiuen ^„»»leliuns in »«»«rdranaSksn dsRSKtter ksdrikst«. Florian (rocksrtr VEsekt. s IS. 1.1 rs.01 Der Wortlaut -es Stallen-Vertrages. Ein Ausgleichs- und Schie-sverlrag auf -er Grun-lage von Locarno. - Keine Spitze gegen Paris. Scharfe Jenlrumsangriffe gegen rechts. — Zuspitzung -es Memel-Konflikts mil Litauen. — Protest -er D. D. D. gegen Lan-au. Die Unterzeichnung in Aonr. Rom. 29. Dezember. Der deutsch-italienische Ansglcichs- «ud SchiedSgerichtsvertrag. der nach den bisherigen Vcreinba» runacn am 8 Januar unterzeichne» »vcrden sollte, ist nach den veränderten Disposition des Ministerpräsidenten Mussolini, der sich aestern abend hierüber mit dem dcutschcn Aotschaster ins vernchmc« acseN« hatte, heute nachmittaa < Uhr im Palaz-o Chkgi unterzeichnet worden. Die Unterzeichnung erfolgte in schlichter Form im Arbeitszimmer des Ministerpräsidenten Mussolini. Dieser Unterzeichnete als erster, nach ihm der deutsche Botschafter Freiherr o. Neurath. Der Unterzeichnung wohnten bei UnterstaatSsekrctär des Aenßeren Gran di. Genera' sdkretär Bordonäro, KabinettSches des Ministers des Aeusteren Marche le Paulucct. deutscher B v. Prittwih und Gasfron, Generalsekretär dcS Vcr- waltungSgericktS Giannini. Ministerialdirektor im Mini sterium des Acußern Onariglia, Chef beS Vertrags- bureauS Bianchert. lW. T. B..j Die Einzelheiten -es Vertrages. Berlin, 29. Dez. Im deutsch-italienischen Vergleichs- „nd SchiedSgerichtsvertrag, der in allen wesentlichen Punkten de» von Deutschland in de» letzten Jahren mit anderen Staaten abgeschlossene» Verträgen dieser Art entspricht, ver pflichten sich die vertragschließenden Teile, die Streitigkeiten, die zwischen ihnen enistchen und nicht aus dem gewöhnliche» diplomatischen Wege in sreundschastlicher Weise geschlichtet werden können, einem Vergleichsverfahren zu unterwerfen. Falls das Vergleichsverfahren nicht zum Erfolg fithrt, wird die Streitigkeit vor ein Schiedsgericht oder vor den Ständigen Internationalen Gerichtshof im Haag gebracht werden. Streitigkeiten, sitr deren Schlichtung die vertragschließenden Teile durch andere zwischen ihnen be stehende Abmachungen an ein besonderes Verfahren gebunden sind, werden auf der Grundlage der Bestimmungen dieser Ab machungen geregelt. Die vertragschließenden Teile »vcrden eine ständige VcrgleichSkom misston bilde»», die aus süns Mitgliedern besteht. Die vertragschließenden Teile ernennen jede für sich nach freier Wahl sc ein Mit glied und berufen die drei übrigen Mitglieder im ge- »»einsamen E t n v e r st 8 n b n t s. Diese drei Mitglieder dürfen nicht Angehörige der vertragschließenden Staaten sein, noch dürfen sie auf deren Gebiet ihre» Wohnsitz haben, oder in deren Dienst stehen oder gestanden haben. Aus ihrer Mitte »vird der Vorsitzende durch die vertraaschlteßcn- den Teile gemeinsam bezeichnet. Solange nicht ein Verfahre» anhängig gemacht worden ist. steht scdcr der Parteien das Recht zu. das von ihr ernannte Mitalird abnibernfen und zu ersetzen. Unter der gleichen Voraussetzung steht eS scber der Parteien frei, die Zustimmung zur Berufung jeder der drei gemeinsam zu berufenden Mitglieder zurückzuzichcn. In diesem Falle muß unverzüglich zur gemeinsamen Berufung eines neuen Mitgliedes geschritten »vcrden. Nach dem gleiche» Verfahren werden fünf Ersatz Mitglieder ernannt. Die ständige Vergleichskommission tritt an dem Orte zu sammen, den der Vorsitzende bestimmt. Die ständige BergleichskomMission «ritt in Wirksamkeit, sobald sie von einer Partei angerufc» wird. Die vertragschließenden Teile verpflichten sich, ihr insbe sondere die Möglichkeit zu gewähren, auf ihrem Gebiete nach Maßgabe der für ihre Gerichte geltenden Bestimmungen Zeugen »n d Sachverständige zu vernchmc», und Augenschein z» nehmen. Der ständigen Berglcichskom- mission obliegt eS, die ihr unterbreiteten besonderen Fragen einer Prüsung zu unterziehen und die Ergebnisse ihrer eigenen Untersuchung in einem Bericht nieberzulegen, in dem die strittigen Punkte fcstgcstektt und Vorschläge für die Beilegung der Streitfragen gemacht werden. Jeder der Parteien wird eine Ausfertigung dcS Berichts ausgchäu- digt und die Parteien nittssen sich innerhalb von drei Monaten über die Vorschläge der Berglcichskommission anssprechcn. Der Bericht der ständigen Vcrglcichskommisfion stellt keine endgültig bindende Entscheidung dar. Wenn die Parteien untereinander über eine Rechts frage im Streiten sind und die Vorschläge der ständigen Vcrglclchs-ommlssioil nicht aunchmcn, so wird die Streitigkeit initiclS einer zu vereinbarenden Schiedsorbnung einem be sonderen Schiedsgericht oder dem ständigen Internationalen Gerichtshof im Haag unterbreitet. Die von dem Schiedsgericht oder dem ständigen Internationalen Gerichtshof gefällte Ent scheidung ist von den Parteien ' nach Tren «nd Glaube« zu erfüllen. Die vertragschließenden Teile verpflichten sich, während der Dauer des Verfahrens nach Möglichkeit jede Maßnahme zu vermeide», die der Annahnic der Vorschläge der ständigen Bcrgletchökvmmtssio» oder der Entscheidung dcS Schieds gerichts oder des ständigen Jntcrnatioiialcn Gerichtshofes vorgrcifen könnte. Das Schiedsgericht kan» auf Verlangen einer Partei vorsorgliche Maßnahmen anordnen. Ebenso kann die ständige Vergleichskommission zu gleichen» Zwecke Vorschläge machen. Der Vertrag findet zwischen den vertragschließenden Teilen auch dann Anwendung, wenn andere Mächte gleichfalls an der Streitigkeit beteiligt find. Er findet keine Anivendung auf die Fragen, d'e nach den zwischen den beiden Parteien geltende» Verträge» und dem internatio nale» Recht zu der Zuständigkeit einer der beiden Parteien gehören. Ebenso findet er keine Anwendung hinsichtlich der Rechte und Pflichten, welche die vertragschließenden Teile in ihrer Eigenschaft alöMitgltederdeSBölkerbundes haben. Auch schränkt er die Befugnisse und die Zuständigkeit des Völkerbundes in keiner Weise ein. Er gilt für die Daner von zehn Jahren. Wird er nicht sechs Monate vor Ablauf dieses Zeitraumes gekündigt, so bleibt er für fünf wettere Jahre in Kraft. Das gleiche gilt für die spätere Zeit. sWTB.s GiinMe Ausnahme -es Berlrages. Zustimmung -er italienischen Presse. Rom. 29. Dez. Die italienische Presse begrüßt im all gemeinen den Vertrag auf das wärmste. Es »vird hervor- grhoben, daß der Vertrag in der Hauptsache juristischen Charakter habe und den Zweck verfolge, etwa aukkommenüc Differenzen durch gegenseitiges Ucbcreinkoinmcn zu lösen. „Mcssaggero* beton«, daß Uber diesen formalen Charakter hinaus der Vertrag einer der b e b e n t e n d st c n Akte der europäischen Geschichte der letzten Zeit sei. Italien habe bewiese», daß eS die Mentalität der KriegSzctt überwunden habe, die ein Hindernis für eine Zusammen arbeit aus der Grundlage gegenseitigen Vertrauens bildete. Italien habe ja auch früher schon mit allen Kräften dazu bci- getragcn, daß dieser Geist, der die früheren Alliierten »nd Deutschland trennte, überwunden »verde. Deshalb könne der deutsch-italientschc Vertrag in ganz Europa aufrichtig begrüßt werden. Er sei die Fortsetzung der Politik von Locarno und Thoiry und der logische Abschluß ein ' Reihe von Ereignissen, die daraus abztclten. Deutschland wieder in eine» normalen Rahmen internationaler Beziehungen zu setzen. Deutschland und Italien hätten keine crnsthastc» Jntcrcsscnacgcnsätzc »nd könnten durch besseres Sichverstchrn nur gewinnen. Die Wtrtschast b tdcr Länder sei zur geg nscttigcn Ergänzung vor- bestimmt. Eine Zusammenarbeit beider Völker sei zu er- warten. Aebnlich unterstreicht der „Secolv". daß die dentsch- ttaltentsche Annäherung nicht als etwa- Unerwartetes auf- gefaßt werden könne, da beide Nationen niemals durch tief, gehende Gegensätze getrennt gewesen seien. Ueberdie» seien beide Rationen durch «iue« beleidigenden Friede« und eiue Mißachtung ihrer legitimen Ansprüche verletzt morde«, so daß mehr Gemeinsames als Trennendes zwischen ihnen stände. Da sie heute beide durch beoölkernugspolitische Rotmendig- kciten zur Expansion getrieben würden, bestände die Möglich keit. daß sie in Zukunft geeint ihre gemeinsame« Interessen verteidigen würden. Ruhige Ausnahme in Paris. Paris, 29. Dez. Die Nachricht von der Unterzeichnung des deutsch - italienische» Schicdsvertrageö hat in Paris ctivaS überrascht. Man hatte mit ihr nicht vor Ende Januar gc- rcchnct. Mit Genugtuung wird die Tatsache verzeichnet, daß der Austausch der Unterschriften ohne jede Formalität erfolgt ist und daß von beiden Regierungen jede Geste ver mieden worden ist, die zu Mißdeutungen Anlaß und dem Ab- kvinmen de» Charakter eines gegen eine dritte Macht gcrich- tetc» politische» Vertrages hätte geben können. Den Meldun gen ans Roin, wonach Strescmann den Gedanken einer Be gegnung mit Mussolini nicht aufgcgcbcn, sondern seine Reise nur mit Rücksicht auf die innerpolittsche Krise verschoben habe, mißt man keine Bedeutung bet. Man erkennt an, daß sich Deutschland unter Ablehnung der viel weiter gehenden ita lienischen Vorschläge beim Abschluß beS SchtedSvertrageS streng im Nahmen der durch die Abmachungen von Locarno gezogenen Grenzen gehalten und damit einen neuru Beweis von der Lonalität und der Ausrichtigkett seines Wunsches ge geben habe, das Verhältnis zwischen Frankreich durch keiner lei neue Mißverständnisse trüben zu lassen. Aeichswirkschaslsral. Von Syndikus Karl Tögcl, CoßmannSdors. DaS Rcichswirtschaftsministcriuu, hat kürzlich de» Ent wurf eines Gesetzes zur Bildung des endgültigen NeichS- »virtschaftsrateS vorgclcgt, der ein wichtiges Stück staatS» und ivirtschastspolitischcr Entwickluikg bedeutet, der aber ganz typisch zeigt, wie wenig wir noch aus der Gedankenwelt von l9l9 heraus sin). Sicht man sich den Entwurf an, so er kennt man genau die geistige Patenschaft des Marxismus. Man bringt und erhält die Zweiteilung der wirt schaftliche» Kräfte in Konsumenten und Pro duzenten. Es ist zwar richtig, daß man die Menschen in Deutschland nach solchen Oberbegriffen einteilen kann, wirt- schaftliche Spezies sind sie aber nicht, und eS ist ei» Unfug, diese Gruppe organisatorisch zu erfassen und im Neichs-wirt- schaftSrat zu verankern. DaS führt bann dazu, daß neben dem alten Handel die Konsuinvcrcine eine besondere Ver tretung erhalten und daß die deutschen Haussrauen mit einem Sitze im RWN. beglückt werden. Gewiß kann man ent wicklungsmäßig verstehen, baß in den ersten Monaten nach den Kriegs, und Hungcriahren der Standpunkt der Kon- sumenten eine starke Betonung fand. Heute aber sind wir aus den Zeiten des Warenhungers längst heraus, heute er kennen mir, daß die grüßte Menge deutscher Kon. sumenten. nämlich die Arbeiterschaft zugleich Produzenten iin wahrste» Sinne des Wortes sind, heute wissen »vir anderseits, daß gerade der größte Produzent, also zum Beispiel ein industrieller Unternehmer, in seinem Werke die größte Konsumkraft aufgcspeichcrt hat und wirk- sam »vcrden läßt. Diese unnatürliche Zweiteilung als Erbe einer wirren und schweren Zeit hat in der heutigen Ent- Wicklung keinen Platz mehr. Außerdem aber sorgt das Parlament mit seinem seinen Gefühl für Wahlprvpaganda nur zu gut, daß d e geistige Einstellung der großen Bcr- branchermassen — wenn man das falsche Wort nun einmal gebrauchen will — wirksame Berücksichtigung findet. So kann es eben auch nicht verwundern, daß der Marxismus auch insofern im Neichsw-irtschastsrat Heimat- recht erhalten soll, als er neben einer Gruppe von Arbeit- lieber» eine Gruppe von 41 Arbeitnehmern nur gewerkschast- lichcr Richtung ausnchmen will. Das bedeutet einen Zer. fall in ein Zweiparteiensystem und kann die ge- wollte Ucbcrbrückung der Gegensätze nicht bringen, lieber- aus verdächtig stimmt aber die Tatsache, daß die Vertreter der Arbeitnehmer vorgeschlagen werden sollen nur von d-cn bestehenden Gewerkschaften, Wir haben nun aber in Deutsch land auch eine gutorgairisicrte und starke Gruppe der so- genannten werksfricdlichen Arbeiter, die grundsätzlich den Marxismus und damit den Klasscnkampf ablehnen. Dies« Gruppe ist von der Vertretung iin NeichswirtschaftSrat aus geschlossen. Man will also absichtlich den Marxismus ver ewigen. Aber auch hier muß man zu einer grundsätzlich anderen Einstellung kommen. Der Reichstag wird auf Grund allgcmcincr gleicher Mahlen gewählt. ES ist an» der Zusammensetzung der Bevölkerung ohne weiteres er sichtlich. daß, wenn man einmal scheiden will zwischen Arbeit gebern »nd Arbeitnehmern, dabei die letzteren bei weitem in der Ucbcrzahl sind. Die gesetzgeberische Arbeit des Reichs tages beweist an »nciidlich vielen Beispielen, daß die Arbeit« nchmcrintercffcn Im politischen Parlament eine wirksame und gute Vertretung finden, schon aus dem Grunde, der vor- hin iin Hinblick auf kommende Wahlen mit Bezug auf die Konsumenten dargelegt worden »var. „Losgelöst von der Scheidung in Parteien" hätte der ReichswirtfchaftSrat seinen Namen zum Programm machen und die Wirtschaft als organisches Ganzes widerspiegeln müssen. Statt dessen trug man künstlich ei» Zivciparteicnsystem hinein, in dem man Arbeitgeber und Arbeitnehmer als gesonderte Gruppen »nd als Gegenstand verschiedener ErnennungS- körperschafte» einander gcgcnüberstclltc. Nun »vir einmal im PartciiomuS besangen sind, machen wir alles z»m Kampf platz der Parteien untercinander. Begreift man denn noch gar nicht, daß die Wirtschaft als solche neutral ihre Ent wicklung lucht und nichts weiß von Interessen der beiden Klaffen? Will man zu einheitlicher Wirtschaslsnifsassung kommen tndein inan dauern) Gulachtcii gegen Gutachten stellt? Wir müssen in der Wirtschaft den Marxismus und den Klasscnkampf überwinden, denn die Wirtschaft ist dazu da, »m in Arbeit und Streben dem Volke da- Leben zu er halten. »nd eS ist falsch, sie als den dauernden Kawpfplatz des Klaflenkrieg«- anzusehen. Auch hier muß der