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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 19.09.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19030919021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1903091902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1903091902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-09
- Tag 1903-09-19
-
Monat
1903-09
-
Jahr
1903
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s« der Petttion. dt, auch in der Grlchäf »Blatte« zur Nnteueichmmg auSltegt. heißt es: ,^« Stndtvervrdnetenkoiirarum wolle dem RatSdeschluffe, n rin großer Teil d» alten Anneiistiedlwse« bebaut ciaern und dafür eintreten. tfuhrung der Matemistraße §1 sehr geehrt« »ach welchen» ein großer Teil > werde» soll, seine Zustimmung verwest daß mit Ausnahme des iür die Forts nötigen ArealS. - ^ ^ " der Bebauun Borstadt al« -tzauptbedingungen für' daß Wohlbefinden der Bewohne! L-tadt bet. «in« Stadtteiles. Dieken Anforderungen wird durch breit« Straße« und freie Plätze. Die dichtbevölkerte druffer Siorftadt und der angrenzende Teil der Seevorstadt besitzen, weil zu den älteren Stadtteilen gehörig, nicht die schönen dreitdn Straßen, die diele Bedingungen hinreichend erfüllen: auch befinden l»h tn der Wilsdruffer Borsladt und dem angrenzenden Teile der Seevorstadt zur Erholung ihrer vielen Bewohner nur zwei freie Plätze, der Sternvlatz und der freie Platz Erke Freiberger und Ammonsttaße. Beide Plätze haben nur eine geringe Große und sind bei günstigem Wetter stets von spielenden Kindern so dicht besetzt, daß Erholung suchende ältere und kränkliche Personen. Rekonvaleszenten. Gebrechliche »sw. die gewünschte Ruhe und Erholung daselbst nicht finden, weshalb viele von ihnen schon letzt den alten Annensrieddof zu diesem Zwecke aussuchen. Die Wilsdruffer Borstadt und der angrenzende Teil der Seevorstadt gehören zu den Stadtteilen, die größtenteils von nur wenig be mittelten Familien und von Arbeiterfamilien bewohnt werden Den meisten dieser Familien ist es nicht möglich, größere Er holungsreisen auSzusühren oder längere Zeit aus Sommerwohnung zu ziehen. Da auch die Prlvatgarten in den genannten Stadt teilen nicht allzu häufig, und wo vorhanden, oft so von Häusern eingeschlossen sind, dag die Luft nur wenig Zutritt hat, io sind aenannte Familien, wollen sie nach des Tages Arbeit in frische, Luft Erholung suchen, da die anderen Plätze zu entfernt liege», in der Hauptsache aus diese zwei Plätze angewiesen. Dieser Zustand Ivürde noch ungünstiger werde», wenn, wie gerüchtweise ve,lautet. a unserer Bitte notwendig werden, nicht gering sind, doch dürfte der teilweise Ausgleich durch folgendes zu erreichen sein: In dem vom Rate und ven Stadtverordneten beschlossenen Bebauungsplan der Stadt Dresden ist auch eine Verbreiterung der Annenslraße von der Röhrhossgasse bis zum Ottoichen Hause in der Weise geplant, daß die Häuser an dieser Seite eingerückt werden sollen. Diese höchst kostspielige Verbreiterung ist nicht nur des Verkehrs wegen, sondern auch deshalb höchst notwendig, weil der eine AuSgang der Annenkirche so dicht an der Straßenbahn liegt, daß seine Benutzung bei Andrang höchst gefährlich ist. Wurde nun die Annenkirche. deren Umbau mit einem Kostenaus- wande von etwa 300000 Mk geplant ist. aus dem alten Annen- iriedhof neu errichtet, so dürste durch den hierdurch gewonnenen Platz eine weitere Verbreiterung der Annenslraße hinfällig werden. Die hierdurch ersparten Kosten dürften wohl zur Entschädigung der Annen- gemeinde für den Abbruch der gegenwärtigen Annenkirche und Ueberlassung des Platzes an die Stadt ganz oder doch zum größten Teste ausreichen und da alsdann die Annengemeinde einen Teil des Annenfriedhofes zur Errichtung der neuen Kirche brauchte, so vermindern sich hierdurch auch die Kosten zur Erwerbung dieses Platzes. Durch diese auch der Pietät gegen die hier ruhenden Toten entsprechende Regelung bekäme die Annenslraße die ge wünschte Breite, die Annengemeinde eine der Neuzeit entsprechende Kirche und die Wilsdruffer Vorstadt den ihr so notwendigen freien Platz." —* Parteitag der sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Der geänderte erste Absatz des Antrags Bebel u. Gen. betr. der Vizepräsidentensrage lautet wörtlich: „Der Parteitag fordert, daß dre Fraktion zwar ihren Anspruch gel- rend macht, die Stelle des 1. Vizepräsidenten und eines Schrift, führers im Reichstage durch Kandidaten aus ihrer Mitte zu ersetzen, :s aber abiehnt, höfische oder sonstige Verpflichtungen zu über. oder die Geschäfts- " " rsrs . .. . tz ... wird in unserer wirklich anwidert, gefordert, mich üb keine Erklärung, ioeshalb von dieser rein nebensächlichen Frage ein solch großes Aufheben» gemacht wird. Im übrigen ist dre Frage augenblicklich erledigt, da sich die große Masse kr Partei- genossen bereit« dagegen erklärt hat. Ich bin Von Bebel ange griffen worden, weil ich sagte: die Staatsform ist b«l Entscheidung dieser Frage gleickapltig. Nun, ich sage, angenommen, wir hätten eine blaue Republik, würden alsdann die herrschenden Rassen nicht ebenso stimmen wie heute? Ich bin der Meinung, die Herr- schenden Klaffen würden in einer Republik erst recht ihre Klaffen, rnteressm wahren, da sie alsdann Mehr mit den Staatsinteressen ß eine Ge- Ftellen zu esahr der Verbürger lichung, der Perwässerung, der Verletzung der Parteitraditwn. deS 'asst Verrats der Parterarundsätze. der Außerachtlassung de» proletari schen Klaffenbewußtseins usw. geschwebt hat. Als 1884 die Frag« an uns herantrat, ob wir uns in dem Senior«konve»t des Reichstags wählen lasten sollen, da wurde gesagt: Durch eine Anteilnahme an dem Seniorenkonvent würde der Massenkampf an Scharfe verlieren usw. Ms die Buchdrucker eine Tarisgemeinschaft ein- führlen, da wurde gesagt: dadurch werden die Arbeiter von der Bahn des Klassenkampses abgedrängt. Nun, jetzt ist man der Meinung, die Tarifaemeinschast ist ein sehr gutes Mittel, um eine Besserstellung der Arbeiter herbeizuführen. Auch die Gewerk- lchasten würden bekämpft, weil diese geeignet seien, die Partei- arundsätze zu verwässern und die Arbeiter von der Bahn des Klassenkampses abzulenken. Jetzt stehen wir auf dem Standpunkt, daß die Gewerkschaften einen wesentlichen Bestandteil der Partei bilden und zur Hebung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter ganz erheblich beitragen. Und, Genoffen, es muh doch einmal ausgesprochen werden: zwischen der Gegenwart und unseren End zielen liegt so manches, wovon sich unsere Schulweisheit vielleicht nichts träumen läßt. Das Gothasche EiniaungSprogramm hat Marx als eine Verletzung aller Partezgrnndsätze bezeichnet. 1884 wurde die Frage aufgeworfen, ob wir uns an den Landtagswahlen beteiligen sollen. Da schrieb Bebel im Züricher „Sozialdemokrat", die Beteiligung an den Landtags wahlen ist ein für alle Mal zu verwerfen, da wir alsdann genötigt wären, mit den Gegnern zu paktieren. Wenn die Gegner die Frechheit haben sollten, uns ein Mandat anzubieten sHeiterkeitl, dann müssen wir das mit Entrüstung zurückweisen. da es etwas Beschämendes wäre, durch die Gnade der Gegner in den Land tag zu kommen. Parteigenossen, seid auf der Hut! Einige Jahre darauf trat Bernstein für die Notwendigkeit der Beteiligung an den preußischen Landtagswahlen ein. Auf dem Kölner Partei tage wurde diese Ansicht, insbesondere von Bebel und Liebknecht, in schärfster Weise bekämpft. Auf dem Mainzer Parteitage 1900 war Bebel der gegenteiligen Meinung. Ihr seht also, Genosten, daß die Ansichten in der Partei über ktik im Lause der 2 , gei nehmen, die nicht durch die Reichsverfassung ordnung des Reichstages begründet sind." Der Vorsitzende. Abg. Singer, teilte heute unter großer Heiterkeit des Partei tages mit. daß ein Antrag, der verlangt, daß die Partei Bauern- güter kaufen solle, zurückgezogen sei. — Die Erörterung über die Taktik, die Vizevräsidentenfrage und den Revisionismus wurde danach fortgesetzt. Es nahm heute zunächst das Wort Abg. o Votlmar Münchens: Bebel hat gestern ein Bild von der inneren Lage der Partei entworfen, wie sie sich in seinem Kopfe ausmalt. Es ist leider bei uns Mode geworden, sobald eine Streitfrage auftaucht, daß man in der Diskussion vom Hundertsten ins Tausendste kommt, daß außer dem sehr bald das Motiv der Leidenschaft zum Ausdruck kommt, so daß es mit der ruhigen und sachlichen Erörterung vorüber ist. Das Kampffeld ist vollständig verschoben worden. Ich will jedoch versuchen, die Sache wieder ins'richtige Gleis zu bringen. Ich will Bebel mit Rlche antworten: ich bin gewohnt, mein Auditorium zu überreden und nicht zu zwingen. Bebel sagte: die Münchener haben stets revisionistische Bestrebungen ge habt. Schon im Jahre 1894 machte Bebel den Münchenern einen ähnlichen Borwurf. Er erhielt damals von dem Münchener Vertrauensmanne eine Antwort, die er sich gewiß nicht hinter den Spiegel gesteckt hat. Ich bin der Meinung, wir haben in München das Recht, Parteioersammlungen abzuhalten, auch ohne hohe parteiobrigkeitliche Genehmigung. Dem Parteivorstand steht auch glücklicherweise nicht das sächsische Bereinsgesetz zu Gebote, wonach man eine Versammlung genehmiaen und auch verbieten kann. sRute: Sehr gut!> Es kann doch keinen Zweifel unter liegen. daß Bernstein das Recht hatte, die Vizepräsidentenfragc anzureyen. Jedem Genoise, auch wenn er nicht zu den Führern gehört, steht das Recht zu. eine Frage aufzuwersen, sobald er dieselbe für die Partei von Wichtigkeit hält. Es wird fort und fort versichert: bei uns herrscht volle Meinungsfreiheit. Es ist das eigentlich ganz selbstverständlich, daß bei uns freie Meinungs äußerung herricht, dafür sind wir Sozialdemokraten. Allein, Ge nauen. ebeni'o wenig wie das Koalitionsrecht einen Wert hat. wenn es auf dem Papiere steht, bei praktischer Anwendung aber illusorisch gemacht wird, so hat die angebliche Meinungsfreiheit in unserer Partei einen Wert, wenn man auf einen Partei genossen, der sich herausnimml. eine eigene Meinung zu haben, geschwankt haben. Das ist ja auch ganz selbst rar ländlich. Eine Partei, wie die unsrige, muß mit den veränderten Verhältnissen rechnen, sie wäre sonst keine demokratische Partei, sie würde verknöchern und versumpfen. Ich bin der Meinung, der ganze Streit, der hier geführt wird, ist vom Zaune gebrochen Es lag nicht der geringste Grund vor. aus der Vizepräsidenten srage eine Hauvt- und Staatsaktion zu machen. Unser ver storbener Genosse Grillenbergcr hat sich durch die Worte Bebels in Frankfurt derartig verletzt gefühlt, daß er dies nicht vergessen konnte und unversöhnt mit dem Genossen Bebel ge storben ist. Man sollte sich hüten, über jeden barm- losen Artikel ein Geschrei zu erheben, als ob dadurch die Partei auseinandersallen könnte. Das ist in der Tat ein Verfahren, das geeignet ist. die Tätigkeit in der Partei zu verekeln. Wenn es nicht gestattet sein soll, eine eigene Meinung zu haben, dann er richte man doch einen Index, dann schosse man doch Uniform oder ein Zwangshemd an. Freiheit im Denken, einig im Han deln muß unser Grundsatz fern. Bebel hat gestern über die Süd- deutschen im allgemeinen, über die Münchener im besonderen, sich ausgelassen, daß man es im Interesse der Partei fast bedauern könnte, daß sich die Süddeutschen der Partei angeschlossen haben. Süddeutschland sei die Stätte des Revisionismus. In München gelange man durch die Bierverhältnisse sehr bald zur Verwässe rung der Parteiarundsätze usw. Ja, liebe Genossen, wir können doch nicht alle Preußen sein. s.Heiterkeit.s DaS Schlimmste ist allerdings, daß. sobald die Preußen nach München kommen, sie sich sehr bald durch den Revisionismus angezogen fühlen. Es ist Tatsache, daß auch Arbeiter sich zum sogen. Revisionis mus bekennen. Es ist doch aber unerhört, daß Bebel sich hier lsinstellt und im Kommandotöne sagte: „Ich dulde das nicht, ich verlange Aufklärung, ich werde die Parterarundsätze nicht ver wässern lassen, ich appelliere an die Massen, ich werde bis zu meinem letzten Atemzuge dafür eintreten, daß die Partei nicht in den Abgrund geführt, wird." Wenn wir eine Partei sein wollen, die die Welt, wenigstens die deutsche West erobern will, dann müssen wir die Massen haben. Ohne die Massen können wir niemals zur Macht gelange». Bebel bat mich gestern mit Millerand verglichen. Ich erkläre, ich würde einen Ministervosten schon deshalb nicht annehmen, weil ich als dann genötigt wäre, meinen ständigen Wohnsitz in Berlin zu nehmen. Ich kann das Autoritäts-Prinzip nicht aner- kennen. Ich halte es auch für gefährlich, wenn ein Einzelner seine Meinung der Allgemeinheit aufzwingen will, gleichviel, ob das von einem Fürstenthrone oder von einem Parieithrone aus geschieht. sBeifall und Lärm.) Parteigenossen, ick denke, daß weniastens vorläufig noch ans unseren Parteitagen Meinungsfrei heit herrscht. Wenn das Recht der freien Forschung bei unS verboten sein soll, dann hören wir auf, eine Kultnrvartei zu sein, dann ist es das Beste, daß das Wort „demokratisch" aus unserer Parteibezeichnung-gestrichen wird. Und wenn Bebel so sehr gegen die Lobhudelei ist. da sollte er auch gegen den oftmals geradezu wider lichen Byzantinismus in der Parteipresse austreten. sLebhaster . AklWstdo ,uch protestierl» ren Bod«, st» der Ja. »um Kuckuck, wer hat massen haben allerdin Parleigezänk. Mir atzt worben. der «SSI., geradezu ^wstxriich. ^ Partei, sie sinh ÖMere ohne" .. un« denn gewählt!' Unsere SW». » etwa« andere« erwartet, al« ein sts^ kömmt «» vor. al« sei die Kesolusim um di; sogenannten Revisionisten ,uS artet zu bringen. Wenn man dich ehrlicher. Namen »u wenn««, »u sagen erau« au« der Partei! /Widerspruch) Zeugung. der geistige Inquisitor in der P sich »u ^ner Art Parteiprosessor heran »ge,— . strebt die Alleinherrschaft nach seiner Meinung an. Er bat e« offen ausgesprochen: S« muß in der im Glauben bestehen. Widerspruch.) Er will, daß äu«erring wenigsten» für einige Zeit zurückgestellt verlangt die katholische Kirche auch nicht. W nicht unser Leben für eine Partei emsetzen. die Partei ist. Trotzdem bin ich der Meinung, durch diese Autzzsti Debatte wird zur dafür sorgen, daß rufen wird zum Kämpfe milcher Beifall in den . trat die Mittagspause ein —* Die Freiwillige Feuerwehr von Pillnitz be gebt nächsten Sonntag thr ÄsiahriaeS Bestehen. Um 3 Ubr nach mittag« wird ,um Jestzug aestellt. nach dessen Eintreffen im „Kronprinz" in Hosterwitz die Auszeichnung langgedienter Mit glieder der Wehr stattfindet. Die Jubelwehr wirb Sr. Majestät dem ' ' " "' ' ^ »min wäre L'L lutSkh. der Ms« er- Wlderspruch.j artet Einheit ie Melnungs- erde. Mehr vir können Glaubens- artet wird Die .. wird ... . ^.Posten o«. «gegen den gemeinsamen Feind. sStur- in den Reihen der Revisionisten.) — Darnach »tzdem bin ich der Memung. die Partei nnandersetzung keinen Schaden nehmen, r Klärung beitragen, und der Parteitag z jeder Genoss« wieder auf seinen Post schluß. Die dritte am gestrigen ersten glücksstelle eine örtliche Best 'ort die Wiederaufnahme der trafkammer des Landgerichts zu Chemnitz dlungstage beschloß, heut« an der Un- Mg twrzunrhmen und dieser «Handlung im diesigen Amts- suchungShaft, erachte, sond« istä gerichtssaalr folgen zu lassen. E« wurden zunächst noch einige Zeugen verhört, die neue Gesichtspunkte nicht erbrachten. Ter Staatsanwalt führte in seinem Plaidoyer aus, daß die nach dem Unglück sofort ausgenommen« Untersuchung zur Evidenz er- geben habe, daß die einzige Ursache zu der Katastrophe nur die vorzeitige Entriegelung der Weiche an dem Kuppelwerk, welches der angeklagte Stationsverwalter Reinhardt zu bedienen hatte, gewesen sei. Der Angeklagte habe sämtliche ihm zusteheode Sicher- heitsvorschriften außer Acht gelassen. Er habe sich weder überzeugt, ob der letzte Wagen de» einfabrcnden Zuge« die Weiche bereits passiert habe, noch ob er die Schlußscheiden des letzten Wagens sehen könne, oder ob der Zug stille siebe, bevor ,r tue Anordnung zum Stellen der Weiche gegeben habe. Er sei bei Ausübung seines Dienstes einem Wahrscheinlichkeitsexernpel nachgegangen, das wohl drewiertel Jahre lang zugetroffen, an dem Verhängnis- vollen 24. Juli jedoch versagt habe. Ha d** Angeklagte sich weder in dem einen noch im anderen Falle di« Sicherheit verschafft habe, beantrage er Bestrafung wegen Vergehens gegen § 316 des Straf- gesekbuches. Strasverschärsend falle in« Gewicht, daß der Un- glüwsfall 5 Tote und viele Verletzte mit sich gebracht habe, straf- mildernd ist anzuerkennen die bisherige Unbescholtenheit des An geklagten, seine bisherige Pflichttreue, sowie seine seelische Depression am UnglückStage infolge Krankheit in der Familie und infolge eigenen Unwohlseins. Der Verteidiger empfahl die Annahme mildernder Umstände und die Anrechnung der Unter- Haft. da er eine Pflichtverletzung für nicht nachgewiesen ondern unter Zusammentreffen verschiedener ungünstiger 'ersehen Wiesen habe. Der Gerichtshof fällte nach etwa halbstündiger Beratung folgen des Urteil: Der Angeklagte ist wegen Vergehens gegen 8 318. Absatz 2 deS Strafgesetzbuches zu 9 Monaten Gefängnis unter Anrechnung der seit dem 26. Juli stattgefundenen Untersuchungs- Hast, sowie zur Tragung der Kosten verurteilt worden. Als Be gründung dieses Urtei's wird angenommen, daß die Beweis aufnahme die Schuld des Angeklagten ergeben habe, daß ferner der Materialschaden, der sich auf 1200 Mk. belaufe, sowie der Schaden an der Fahrbahn, der mit 67 Mk. angenommen, werde, ein sehr bedeutender sei, Folge 5 tote Personen der übrigen Fahrgäste subjektive Verschulden des „ .... . die Beweisaufnahme erbracht worden. Die Strafgrenze für das Vergehen liege nach dem Gesetzbuche zwischen 1 Monat und 3 Jahren. Wenn das Gericht nur auf 9 Monate Gefängnis erkannt habe, so habe es zu aunsten des Angeklagten berücksichtigt die Krankheit in der Familie und eine eigene Verdauungs- Verstimmung, die auf sein GemütSleben nachteilig cingewirkt haben müssen. Die ganze Sachfolge sei bestimmend zur Ver- urteilung des Angeklagten, auch m die Kosten. Der über den Angeklagten verhängte Haftbefehl wurde aufgehoben und er von der Staatsanwaltschaft sofort auf freien Fuß gesetzt. Da ihm die Beamteneigenschaft nicht abgcsprochen worden ist, so steht die Wiederanstellung Reinhardts nach verbüßter Strafe^» erwarten. Ms Vertreter der Konigl. Generaldirektioit der Staatsbahncn wohnte den Verhandlungen in Chemnitz und Annaberg Herr Assessor v. BreScrus bei. —" Der Verein für bergbauliche Interessen in Zwickau hat beschlossen, auf seine Kosten vier dortige Aerzte in da« Ruhr- revicr zu entsenden, um an Ort und Stelle Entstehung und Wesen der Wurmkrankbeit und die Art ihrer Bekämpfung zu studieren DaS Zwickauer Kohlenrevier Ist nach wie vor von Wurmkrankbeit stet. Die neue Maßnahme ist nur getroffen, um auch in Zukunft aus alle Fälle gesichert zu sein, namentlich aber »m die von a»,SwärtS zuziehenven Arbeiter jederzeit sofort aus Wurmstankheit untersuchen zu können. und daß das Ün als schlimmste , zahlreiche verletzte und die Gefährdung hatte. Das obiektive sowohl als das ,es Angeklagten an dem Unglück sei durch gegenwärtig das Entzücken aller Kenner. Inzwischen hat Menzel '.stz Berliner Künstlerhause^eine zweite, nicht minder interessante Ausstellung veranstaltet. Sie besteht diesmal mit einer einzigen Ausnahme aus Zeichnungen, und man weiß, wie der Meister zu zeichnen versteht! Er beobachtet und zeichnet fortwährend, aus der Eisenbahn io gut, wie aus der Straße, im Theater, wie aus Hoffestlichkeiten Sein Skizzenbuch hat er immer bei sich, und lobald er etwas sieht, das ihm der Beachtung wert erscheint, nimmt er sein Buch heraus und zeichnet. Er kümmert sich nicht um etwaige Zuschauer. So hat er es in seiner Jugend gehalten, so hält er es noch heute. Infolgedessen bergen ^eine Stizzen- bücher eine Fülle wertvoller Schätze. Natürlich sind die Zeich nungen, die er dann nach den ersten flüchtigen Andeutungen oft mit unendlichem Fleiß ausstihrt, von verschiedenem Knnstwert. Aber selbst dos kleinste, in dünner Bleistiftmanier gehaltene Blätt chen zeugt von einer außerordentlichen Beobachtungsgabe, die das höchste Alter so wenig wie eine zunehmende Kurzsichtigkeit abzuschwächen vermochten. Er ist hochgradig kurzsichtig. Wenn er sich in seinem Stammcafe am Potsdamer Platze die von ihm hochgeschätzten Bilder des Londoner Witzblattes „Punch" ansshen will, dann muß er sich eines dicken Augenglaies bedienen. Um so erstaunlicher ist, wie scharf er noch immer das Wesentliche der Tinge und Menschen erkennt und mit dem Stift oder Pinsel wiederzuaeben vermag. Dabei entwickelt er eine bewundernswerte Vielseitigkeit. Er malt und zeichnet alles, was ihn fesselt, mit gleicher Vollendung. Nur schone Frauen sollte er nicht darstellen können. Aber wenn er will, kann er dies auch, wie ein köstliches Matt dieser Ausstellung beweist. Es ist ein Ausschnitt eines Atrahenbildes „Unte-- den Linden" mit einigen Damen von tadel loser Schönheit. Allerdings hat er ja nur selten in seinem langen Leben einen derartigen Vorwurf gewählt. Das Ewig-Weibliche hat ihn nie angezogen, vielleicht, weil er mit seinen überscharfen Äugen hinter so mancher schönen Eva den Schlanaenkovs auf- blitzen sah . . . Inmitten der vielen Zeichnungen befindet sich, wi« erwcchnt, nur ein einziges Oelbild, aber ein Meisterwerk. ES stellt das Innere des Pariser Gymnase-Theaters während einer Vorstellung dar, stammt aus dem Jahre 1856 und zeigt Menzel auf der vollen Höhe des Könnens, namentlich der Lichttechnik. DaS bisher unbekannte Werk hat schnell euren Liebhaber gesunden, der trotz de« hohen Preises e,n sehr gutes Geschäft gemacht hat. Nach weiteren 50 Jahren wird sich das dafür angelegte Kapital wohl reichlich verdoppelt haben. Natürlich sind derartige Veranstaltungen immer nur für einen verhältnismäßig steinen KreiS von ästhetischen Feinschmeckern. Das große Publikum kümmert sich darum nicht, das hat ganz andere Neigungen und Interessen. Das läuft nach Friedenau und verfolgt aus der dortigen Svortbahn in atemloser Spannung die stundenlange Wettfahrt der Matadore des Zweirades. Oder es drängt sich an den Kassen des Zirkus Schumann, wo ein kühner Bändiger mit seinen 25 männlichen Löwen tolle Dressurstückchen vollsührt. oder auch des Zirkus Busch, wo die anmutige „Löwen braut' Miß Heliot mit einem Dutzend grimmer Löwen flirtet und waghallige Liebkosungen austauscht. Oder eS streitet darüber, ob das „Mologirl" im Wintergarten oder das in unserem ge liebten Deutsch benannte „Motomädchen" im Passage-Theater „natürlicher" sei. Beide sollen nämlich den Eindruck erwecken, daß cs sich um wirkliche Puppen handle und nicht um lebendige Jungfrauen, die sich wie mechanische Kunstwerke bewegen. Der Trick selbst ist uralt und aus der Bühne längst heimisch. Man denke nur an das reizende Ballett „Coppelia'' mit der lieblichen Musik von Delibes. Auch „Die schone Galatbee" in SuppS« Operette schlägt in dieses Fach. Im Wiener Ballet „Die Puppen fee" ist dann die Geschichte gleich massenhaft verwertet worben. Ein ichlauer Nankee ist aber aus den Gedanken gekommen, im Zeitalter der Motore aus der alten, braven „Nürnberger Puppe" ein funkelnagelneues .Motoairl" zu machen, und diese originelle Bezeichnung hat die Sach«h>er so in Mode gebracht, daß ihm sofort >n dem deutschen „Motomädchen" eine „unlautere Wett bewerberin" erstanden ist. Er ist bis ans Berliner Kammergericht gegangen, »in sich die unbequeme Konkurrentin vom Haffe zu schaffen. Aber das Kammergericht hat welle entschieden, daß ein Angehöriger des Staates. >.n dem der unlautere Wettbewerb namentlich allen deutschen Geistesproduktiven gegenüber al« er- laubter Geschäftszweig betrieben wird, kein Recht habe, daS deutsche Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb anzurufen. So bleibt der guten Stadt Berlin neben dem amerikanischen Moto- girl auch das deutsche Motomädchen weiter erhalten, zur Freube aller, die für echte geistige Genüsse empfänglich sind. Ehamberlains Rücktritt. Der britische Kolonialminister Chamberlain ist aus dem Kabinett Balsour ausaeichieden. Mit ihm haben noch der Finanz- minister Ritchie und der Minister für Indien Lord Hamil- t o n demissioniert. Die Demissionen der drei Minister sind vom Könige angenommen worben. Chamberlain hatte am 9. d. Mts. ein Schreiben an Balsour gerichtet, in welchem er folgendes ausführte: Als er und Balsour zuerst die Aufmerksamkeit auf die Aenderungen der kommerziellen Lage Englands lenkten, batte weder der eine noch der andere die Absicht, eine rein politische Controverse zu veranlassen. Nichts destoweniger verwarfen die liberalen Parteiführer von Anfang an den Gedanken einer fiskalischen Untersuchung, machten skrupellos Gebrauch von dem alten Geschrei über Brotverteuerung und riefen so, da eine volle Diskussion rn der Oeffentlichkeit fehlte, ein großes Vorurteil hervor. Da er, Chamberlain, fühle, daß die Frage der BorzugSbeyandluna der Kolonien gegenwärtig nicht mit Hoffnung auf Erfolg betrieben werden könne, wenngleich für eine Politik der Repressalien starke Meinung vorhanden sei, glaube er seinem Programm am besten außerhalb de» Kabinetts nützen zu können und trete deshalb von seinem Posten zurück. Während man all- gemein die Gefahr unbeschränkter Konkurrenz der schutzzöllnerischen fremden Länder würdige beachte man nicht gebührend die Wichtig, keit der kolonialen Märkte und die Gefahr, daß England sie ver- liere» könne, wenn e« nicht ihrem Venangen nach Vorzugs- behandlung entspreche. Daher erschein« gegenwärtig «in Abkom- nren mit den Kolonien, welches einen Zoll, wenn auch «inen noch so geringen, auf gewisse Lebensmittel involviere, auch wenn «S von einer Herabsetzung der Besteuerung anderer Leben«mittel begleitet sei, für die Mehrheit der Wlchler unannehmbar. Cham- berlain weist auf die sehr starke Stimmung im Lande für den- jenigen Teil handelspolitischer Reformen bin, der England in den Stand setzen würde, gegen die fremden Lander Vergeltungsmaß nahmen »u treffen, die den gerechtfertigten Ansprüchen Englands auf weiteiaehende Reziprozität kerne Konzessionen machen wollen. Der Brief setzt ferner dre Notwendigkeit einer engeren Union mit den Kolonien auseinander sowohl in ihrem, al« ni Englands Interesse. Er glaube, e« sei möglich, ein« solche Union heute zu Stande zu bringen; morgen sei die« vielleicht umutztzllch. Er
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