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71. Jahrgang. AK 4» Abenö'Avsgabe Wonlag, IS. Oklodrr 112« Gegründet 18S« Drad«,»!chrtst «»chrtchl», »„,»«. 8>»rnIpr»ch»r«Samm»Inum«»k: SV 2^1 Dm ür D»<-»««k>ri>ch,! 2OS11. >S2S „t itlgUch zw»lmlUia»r 3u»»llum> N»> Sau» l.dü Wu > war» ahn» PoiIzu»«Uung»«edtihr. Ä6AUA§»ÄöI)ü!)k t!Ä>0»»ust»»r»t» >ür Li»aa> vktodir Work oh l« PI,,»«,. Dl» Anj^aen w»rd»a noch »oldmar» «»r»chn»>: «>» rinipoMa» K) mm or»i>» Anzelgm-Pk-Ik: LL"FK°:"'.L;L'-?L Ä.L'S."N« uhmkolb A» v>s>. Oft»r>»no»dUK, lO Plq. 4lu«w >>ußr»g» Vorau»d,»adlun«> SchrMI»ttunq und SaupIgeschSN»»»!!»: W»rt»»N»«g» SS ^2 Dru» u. Verlag »an ^l«plch « «»ichardl in Dr»»d«n. PvMch»ch-SonIo 10SS Dachdru» nu, m» d»ullich», Surllrnnngad» Dr«dn«r Dachr -> ,uIitMa Unverlangt» Schrinftüch« werden nicht aulbewohrl. Ae umftrtttene Pariser Schuldensrage. Die FraMon Marin bekämpft die Absichten der französischen Regierung. Der Arbeilsgerichls-Gejehenlwurf vor dem Soziaiausjchuh. — Dor -er Eröffnung -er englischen Äeichskvnferenz» Ungeklärte Widerspräche. iDurch Suaklpruch.« P«ri», IS. Okt. »Echo de Paris" glaubt berichten zu könne», daß dir Gruppe der demokratisch-republikani schen Bereinigung, all» die Fraktion Louis Marin, gegen dteNrgierung stimmen wlirde. wenn sie das Schulbenabkommen mit den Bereinigte» Staaten so wie eS abgeschlossen sei vor das Parlamenl bringen werde. „Scho de Paris" hält es siir lehr wahrscheinlich daß die Frage der Schuldenregeluna nicht io rasch vor daS Parlament gebracht werde. Mit dem Vorgeben der FraklinnS- genossen LouiS Marin steht in Widerspruch 'eine angeblich gestern noch dem Minis»errat abgegebene Erklärung, das, er, da die Mitglieder der Negierung in der Frage der Sihnldcn- regelung einig seien, niemals daran denken könne, seine De mission zu geben. (W.T.B.i Reuyorker Ablehnung in -er Frage -er Eisenbahnbons Reuyork, 18. Oktober. Meldungen aus Washington stellen sest, baß Frankreich wegen der Eiten bahnlwnS in Washington keine Schritte unternommen habe, wahrscheinlich, weil eS sich llhex dt« ablehnende Haltung Amerikas klar iei. Da« „Journal of lkommeree" erklärt, die Regierung erwart« auch in Zukunft keinen derartigen Schritt. Zunächst müßten einmal die Alli ierten sich selbst etnla sein Danach sei eS immer noch mehr als fraglich, ob eine Einigung mit Amerika möglich werde. Amerika halte an dem Standpunkt fest daß das Schulden» Problem ««b daS ReparationSproblem ganz getrennte Fragen seien. Frankreich mttsfe zunächst daS Schuldenabkommen rati fiziere«. waS ja auch im Interesse Frankreichs sei. da die Stabilisierung deS Franken ohne Ratifizierung des Schuld''»- abkommen» nicht zustande kommen könne DaS heiße aber nicht, daß Amerika danach wegen der Bonssrage mit sich reden lassen werde. ES sei überhaupt mehr als zweifelhaft, ob der amerikanische Markt fähig sei. einen solchen Niesenbetrag aus» »»nehme«. <T U.i Die Beurteilung bes Parteitags von Bordeaux. Paris. 18. Okt. Die Entschließung der Radikal-Sozialisten wird in der Presse verschiedenartig beurteilt. Die Rechts- blätter heben im allg"m"inen hervor daß die Erklärung zu zweideutig und «»klar aeb-'lten sei Nach dem »Petit Partsien" bildet« die Entschlteßuna den wichtigsten Gegenstand der Be ratungen -eS gestrigen MinisterratcS, in dem die radikalen Minister Bericht erstatteten. Da« ..Echo de Parts* gibt die Ansicht eine« Ministers wieder, daß die Wahl SarrautS zum Präsidenten der Partei als ein Ersola der Reaierung betracht"» werde» könne, vor allem als ein Erfolg Poin- caröö besten perktnlicher Freund Karraut lei. SS gebe seht kein Kartell mehr. Das Kabinett werbe seine Politik fortsehen können, da ihm der Kongreß von Bordeaux die Bahn 'reigcmacht habe. Eine neue Erklärung zur Aiiumungssrage. iDurch siuntspruch.t Paris, 18. Okt. „Petit Parisien" berichtet. Kriegsmtnister Painlev 6 habe erklärt, daß die Gerüchte einer überstürzten Nänmnna deS NhcinlandeS und über Vorbereitungen sür den Abmarsch der vesgtzungSarmee n«begrü«det seien. Wenn er eine Unterredung mit General Gulllaumat gehabt habe, so ded- lmlb um sich über die Ausführung de» Planes zu unterrichten, der schon seit mehreren Monaten scttgeiegt sei und sich seitdem nicht geändert habe. sW.T.B.i Von Gerüchten über eine „überstürzte" Räumung hat man t» Deutschland noch nicht» gehört. Wir hören hier immer nur von neuen Verzögerungen. ^ . Berli«. 17. Oktober. Wie di« Telegrckpben-Unlon hbrt. wirb der von der Enterrkesette anSgearbeltete Sntwurfzur Revision der Rheinlands rbonnanzen am Mon tag dem Minister für di« besehten Gebiete Dr Bell nach besten Rückkunst nach Berlin vorgelegt werden. Man nimmt an. daß vor der Veröffentlichung deS RevIsionSnsaneS noch etnige Ver handlungen gepflogen werden wüsten, die dem Umstande Rech nung traaen. daß es sich hier um eine Revision handelt, die für die Zukunft der BesaknnaSmetlioden im Rheinland maßgebend sein wird. ES Ist zu hoffen, baß hierbei besonder die poli tischen Nheinlandordonnanzen im Geiste -er Verständigung eine,- dnrchgrelsenden Revision unterzogen werden. Stoilanöung ekrss fronzvtt'chei, ffluzgeuqes. Rheluhansen. 1« Okt. Gestern mittag mußte eln fran- zösischeS Postflugzeug der Strecke Paris—Berlin bei Nheinhauken Infolge dichten Nebels eine Notlandung vornehmen. Der Weiterflug konnte erst heute morgen an getreten werden. lT.-U.) Kein neuer An'chlaa gegen König Alfons. Madrid. 18. Okt. Bon der Regierung wird die Nachricht dementiert, daß in Barcelona Syndikalisten verhaftet worden seien, die ein Komplott gegen den König und Prtmo de Rivera vorbereitet hätten. sT.U.) Der Aufruf zur Einführung der -andelsfreihett. Versailles -ie Ursache -er Wirtschafts krise Europas. Berlin. 18. Oktober. Der Air Mittwoch angekündigte A srus führender auch deutscher Bankiers und Jbustrteller en«ßält u. a. laut „B. Z ". folgende Namen: Geh-imrat Dr. Bosch. Geheiknrat Felix Deutsch. Dr. Karl Mel chior. Franz v. Mendelssohn. Dr. Schacht. Karl Friedrich v. Siemens. Franz Urbtg. Generaldirektor Voegler und F. H. Wttthoest. England ist u. a. ver- treten durch Sir Arthur Balfour. Montag» Norman, die Bereinigten Staaten durch I. P. Morgan. E« wirb darauf hingewlesen, daß die politische Umgestal tung in Europa nach Versailles ein schwerer Schlag für den internationalen Handel gewesen sei. Weide Gebiete, die bis dahin im freien Handelsaustausch standen, seien plötz' lich durch neue Grenzen und Zollgesctze voneinander ab gesperrt worben. Dieser Umschwung habe den Wohlstand der betroffenen Länder erheblich vermindert. Die zur Vertei digung der neue« Grenzen EurovaS cingeführten Handels verbote. Zolltarife usw. hätten sich für alle Beteiligten alS höchst nachteilig erwiesen. Das Entstehen neuer Eisenbahn- netze habe den Durchfuhrverkehr erschwert und die Trans porte verteuert. Sine künstliche Teuerung sei dadurch in ganz Europa ^ heroorgeruse« worden. Die Gesamtproduktion sei zurück» «gangen. Die Kredite hätten sich vermindert und der Beld«mla«s habe abgenomme«. Da« WtrtschaftSmantfcst. das am Mittwoch in allen euro päischen Hauptstädten veröffentlicht wirb fordert nun radikale Adkehr von der biSheriaen Wirtschaftspolitik. Die Unter zeichner. die über sechs Monate an der AauSarbettung der Denkschrift gearbeitet haben weisen am Schluß ihrer AuS- stibrunaen daraus hin daß die öffentliche Meinuna in allen Ländern bereit» zn der Erkenntnis der drohenden Gefahr gekommmen ist. Völkerbund und internationale Handels kammer sind damit beschäftigt, die Handelsbeschränkungen a ' ein Minimum z« reduzieren und einflußreiche P.-rsön- in einigen Ländern setzen sich für völlige Ans» Hebung der Zolltarife ein- Einige Staaten l>ab"n in neneren Verträgen den Handel bereits von allen Be engungen befreit. LS ist die feste Ucbcrzeugung der Unrer- zeichner. baß dke Wiederciusühr«»g h«r Handelssreibcit die beste Möglichkeit l« sich birgt. Handel »«d Kredit i« der Welt wicd-r her,«stelle«. „ Die Franzosen haben ihr« Unterschrift mit einem Bor- behalt gegeben, in dem sie die Weltschwtertgkeiten des Handel» alS Folge des Krieges betrachten und besonder» auf die finaw ztellen Schwierigkeiten Hinweisen, die der Krieg mit sich ge bracht hat. MaHan über -ie volikische Lage. Reuqprk. 17. Oktober. Der deutsche Botschafter Freiherr o Maltzan erklärte einem Vertreter deS „New Kork Herald", er sei sehr glücklich über die Aussichten, die sich in bezug aus eine ernstliche und sympathische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich ergeben Hab«. Die Lage in Deutschland bessere sich. Jedermann arbeite. Aber die zu be wältigende Aufgabe sei schwer. Anßerhalb Deutschland» halte man die Lage allgemein sür besser, als sie wirklich sei. Maltzan erklärte weiter, daß er den Eintritt Dentschland» in den Völkerbund begrüß«. lW. D V.s ;Der -euksch-öslerreichlsche gusammenschluh. Berli«, 17. Okt. Im Rahmen deS Oesterreichisch- Deutschen BolkSbunbeS sprach heute abend Bundeskanz ler a. D. Karl Renn er-Wien im Grotrian-Steinweg- Saal über daS Thema: „Oesterreichs Anschluß und der Bölkerbund." Für die AuschluHfreunde lm Reiche und in Oesterreich sei der Zusammenschluß, so führt« der Redner aus. eine Herzenssache, bedeut« Ne doch die Heimkehr eine« in die Fremde verirrten Familienmitgliedes. Darüber hinaus sei aber der Anschluß et« europäische» Pro- blem geworden. Man habe in den FrirdenSverträgen Staaten geschaffen ohne sich zu fragen, ob diese Staaten mögliche Wirtschaftsgebiete sind. Oesterreich könne alS Kleinstaat nicht leben. ES müßten zwei Linien hergcstellt werden. Donau—Rhein durch den Kanal und Donau—Ost- sec—Nordsee über Berlin. Dann wäre der Verkehr mit der Weltwirtschaft hergestellt. Bon der Intelligenz der Welt werde in absehbarer Zeit der Gedanke kommen, baß große "'»rikcha>tllche Körper aufgerichiet werden müßten. Dann ivürdcn die Staatsgrenzen aufhören. Wirffchaftögrenzen zu sein. lW.T.B.) Die „Asozialen" im Enlwurs eines neuen Strafqeiehduchs. Bon AmtsgerichtsprLsldent a. D. Kautzsch. „Asozial" nennt die dem Entwürfe von der Reich», regierung beigcgebene Begründung die Landstreicher. Bettler und Dirnen. Die Behandlung solcher Personen durch den Staat will der Entwurf wesentlich anders gestalten, als sie heute geübt wird. Seine Vorschläge in dieser Richtung sind für das ganze Volksleben von erheblicher Bedeutung. Nach dem jetzt geltenden Rechte kann gegen «soziale Per» tonen nur mit Ha ft st rasen bis zu sechs Wochen vor gegangen werden. Unter Umstäntkm ist neben der Bestrafung die Ueberwessung an die LandeSpolizetbehör-e zulässig. Da durch wir- die letztere ermächtigt, den Verurteilten aus höch stens zwei Jahre ln einer Arbettsanftalt oder in einer Besse rungsanstalt oder in einem Asyl unterzubringen oder zu ge» meinnützigen Arbeiten zu verwenden. Haftstrafe und Unrer» bringung haben sich aber, wie sie jetzt gehandhabt werden, keineswegs als hinreichend wirksam erwiesen. ES konnte da mit vor dem Kriege nicht verhindert werden, daß sich in Deutschland ständig Tausende von Menschen aus de« Land straßen hrrumtrieben und ausschließlich vom Vettel lebten» daneben auch drkrch Diebstahl, ja Raub und Brandstiftung und andere Verbrechen gemeingefährlich wurden. Infolge Ein- führnng der Arbeitslosenunterstützung sind der Landstreicher wohl weit weniger geworden. Selbstverständlich muß aber angestrcbt werden, sie völlig verschwinden zu lassen. Ebenso wenig wie dem Treiben der Landstreicher, kann auch dem der übrigen Asozialen, namentlich der Dirnen, nach dem heute geltenden Rechte mit dem wünschenswerten Erfolge begegnet werden. Der Entwurf eines neuen Strafgesetzbuchs betrachtet nun jede Bestrafung jener Personen als zweckloS. Er glaubt, nur durch ihre Unterbrtnguna in einer Arbcitsanstalt oder bei Arbeitsunfähigkeit ln einem Asyl oder durch Stellung unter Schutzaufsicht, wenn eine solche genüge, eine Besserung erreichen zu können oder die Untergebrachten dadurch wenig stens unschädlich machen zu wollen. Nötigenfalls kann die Unterbringung auf Lebenszeit erfolgen. Die in einem Ar- bettShause Verwahrten sind zur Arbeit anzuhalten und a« ein geordnetes Leben zu gewöhnen. Wer unter Schutzaufsicht gestellt ist, soll gleichfalls an ein gesetzmäßiges Leben gewöhnt, vor -er Gefahr, neue strafbare Handlungen zu begehen, be- wahrt und im wirtschaftlichen Fortkommen unterstützt werde». In eine Anstalt untergebracht werdest muh nun nach dem Ent- würfe, wer aus Arbeitsscheu oder Liederlichkeit bettelt und daraus ein Gewerbe macht, d. h. sich damit ein« Einkommens- quelle eröffnet. Im übrigen kann das Gericht nach Ermessen die Unterbringung oder Stellung unter Schutzaufsicht gegen Personen verfügen, die aus Arbeitsscheu oder Liederlichkeit betteln, ohne gerade daraus ein Gewerbe zu machen. Die gleichen Maßnahmen können, müssen aber nicht getroffen werden, wenn jemand seiner Aufsicht unterstehende und zu seiner häuslichen Gemeinschaft gehörige Kinder oder Jugend liche zum Betteln auSfchtckt oder unterläßt, sie davon abzu halten. Weiter ist die Uoberweisung gegen Personen zulässig, die, ohne ein redliches Gewerbe auSzuüben. bandenmäßig im Lande umherziehen lZigeunerj, ferner gegen Personen, die au» öffentlichen Armenmttteln unterstützt werden um- sich aus Arbeitsscheu weigern, eine ihnen von der Behörde zu- gewiesene, ihren Kräften angemessene Arbeit zu verrichten. Endlich dürfen unter gewissen Voraussetzungen Dirnen unter gebracht werden. Einen dem Arbeitshaus überwiesenen Aus länder kann die Verwaltungsbehörde statt oder nach einer Unterbringung aus dem Reichsgebiet auSweisen. Kehrt er innerhalb dreier Jahre zurück, so bann die Unterbringung nachgeholt, beziehentlich wiederholt werden. Unzweifelhaft ist die nötigenfalls auf LeVenS-cit auS- gedehnte Unterbringung geeignet, asoziale Personen auf de» rechten Weg zu bringen oder, wenn dies nicht gelingt» unschäd lich zu machen. Sie ist auch angesichts der großen Schädigung, die daS Verhalten asozialer Personen dem Volksleben fort und fort bringt, durchaus geboten. Allerdings wird sie nicht un erhebliche Kosten verursachen: denn der Aufwand, den di« Errichtung und Unterhaltung der nötigen Anstalten^ die Ver pflegung und Bekleidung der Insassen und ihre Bcaufsschti- ung erfordert, wird voraussichtlich durch den mit der Arbeit er Untergebrachten zu erzielenden Gewinn nicht gedeckt wer den. Die Kosten müsse.» aber einmal aus Erbarmen mit den immerhin beklagenswerten Verirrten und sodann zum Schuhe der Allgemeinheit aufgewendct werben. Insoweit sind mithin die Vorschläge des Entwurfs durch aus zu begrüßen Sehr bedenklich erscheint dagegen, baß er nicht » eben UnterbrtngungundStellungunter Schutzaufsicht noch Freiheitsstrafe »»läßt. Di« Schutzaufsicht wird nur in wenig«« Fällen wirksam sein, weil sie um eS zu werden, die Bereitwilligkeit be« Beaufsichtigten, sich der Aufsicht auch wirklich zu unterstellen, vorauSsetzt. Im übrigen ist. wie gesagt, nach dem Entwürfe nur da» schwere Ge. schütz der Unterbringung gegeben. Bettlern gegenüber muß dabei, um cs anznwenbcn. der n'cht Immer leicht z« führend« Beweis, daß da» Betteln auv Arbeitsscheu ober Liederlichkeit erfolge, erbracht werben. Wird er aber auch erbracht, so kann -och kaum wegen eines oder weniger Fälle deS Betteln» so»