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71. Jahrgang. AS«» Dienstag. 1». Dezember 1»r> DradlanIchkM «echrichle» Drea»«». E»rnipwch»r«Samm»Inumm»r SV 241 Nur tir NachlgrlprLch»: SO 011. l- vt» l». D»,,md« IV2« »«> iügtich jwrimuUgrr Zuftrllun» Ir», Aou» i.SVMl.. p,ftd«zug»pr«i» Mr Wona, Drvmdrr 3 Mark ohne PoitjuiieUuna»a»dUdr. vluzel»»«»« >» VI,,,«,. Dl« Anz^orn w»rd»i> nach «oldmark »rrrchnel: di» »lnlpaltla» 30 mm or»>I» Anzeigenpreise: ^ -uhrrkald i Schrtftlritunq und v«upl,rlchall,ll»ll»! w,rl„,lr«b« SS 42 Druch u. Verlag von ^leplch a> Vrlchardl in Dr«»d»n. PoMckeck-Koni» lOSS Dreod«» Nachdruck nur ml> d,ulllch»r Su»U,nangad« .Drr,dn»r Nachr.-» »ulälllg. Unverlangl» SchriniiUck, w»ri>,n nick! auld«wadrl. «S Visu5lsgs unc! Lonnsbsncis 6s36»seti2f1s-^benc> I... r uuitiuitttttt« ! ! Ksslsursnl^ D teilen ktsekmittsg Isnr-7es I : NMIMI» V/V.i.cN-V.Ii.« Marx für Vertagung der inneren Krise. Aussichlslose Pläne zur Bildung einer Weimarer Koalition.—Zerfall -er Demokratisch en Partei. Amerikas Freigabebill im Ausfchuh. - Das Arbeilsgerichksgeseh angenommen. — Verhandlungen über die Reichswehr. Besprechungen des Kanzlers mit -en Sozialdemokraten. Berlin, 1». Dez. Die imierpolitische Lage ist durch leb- hafte Bemühungen des Reichskanzlers gekennzeichnet, der seit Freitag ilnunterbrvchen mit den Sozialdemokraten verhandelt, um diese zu bewegen, er st nach dem Weihnachtsfeste beim Wiedcrznsammcntritt des Reichstages Anfang Januar -es neuen Jahres das Schwert zum Streich gegen das Kabinett zu ziehen. Der Reichskanzler hat dabei de» Sozialdemokraten gegenüber zum Ausdruck gebracht, das, auch jetzt noch, nach dem Mchlnh der Bcrhandlungen in Genf, die autzenpolitischen Gesichtspunkte im Vordergrund stehen mühten. Vs dürste, so argumentiert er, doch einen über aus blamablen Eindruck machen, wenn der soeben mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Minister Stresemann unmittelbar nach seiner Rückkehr mit seinem Kabinett gestürzt würde, und es wäre ferner ein unerwünschter Instand, wenn das Kabinett jetzt gestürzt würde und dann bis zum Wicder- MLMmcntrttt des Reichstages als bloszcs geschäftssühreiides Ministerium im Amte sein könnte. Ob cS dem Reichskanzler -clingcn wird, mit diesen Rrgnmcntcn die Sozialdemokratie zu bewegen, erst im neuen Jahre gegen ihn vorzngehcn. steht im Augenblick noch dahin. Die dritte Lesung des NachtragsctatS wird sicherlich noch vor der Weihnachtspanse stattsinden. und es lässt sich natürlich nicht verhindern, das, dabei die grosten politischen Momente zur Sprache gebracht werden. Man hält cs aber in Kreisen der Regierung für möglich, das, man eine ans eine NegternngS- krise zugcipttztc Aussprache umgehen kann. Man möchte vor allem die A b st i m m » n g e n, die für den Bestand der Negierung entscheidend sein können, bis nach der Wcihnachts- pause vertagen. In parlamcntartschenKrcisen beschäftigt man sich sehr lebhaft mit den Möglichkeiten, die sich ergeben, wenn das Kalstnctt ge- stürzt werden sollte. Die Hnnptschwtertgkciten einer vernüns» tigen Lösung dieser Frage gehen vom Zentrum aus. Hege» den Gedanken einer Regierungsbetetligung -er Dcutschnationalcn sperren sich gewisse Kreise des Zcnlrums, die in ihrer Fraktion aber einflußreich genug sind, mit Händen und Füßen. Forscht rnan nach den Gründen für dieses Verhalte», so stöstt man auf ganz überraschende Er. «cbnissc. Man hat es nicht nur mit dem gewohnheitsmäßigen Widerstand der linksgerichteten Zentrnmskreiise um Wtrth. sondern auch mit dem Widerstand selbst mehr nach rechts neigender Zcntriimspvlitikcr zu tu». So sträubt sich, wie man hört, der Abg. Stegcrwald, der Führer der christlichen Gewerkschaften, gegen eine Ausschaltung der Sozialdemokratie, weil er befürchtet, hast die Sozialdemokratie in ihrem Kampfe gegen eine Negierung, an -er Dcutschnaiionalc beteiligt sind, auch eine Aushöhlung der christlichen Gewerk schaften versuchen könnten. Ferner hat Stegerwabd Be denken gegen eine dcutschnationale Negierung, weil er glaubt, bet den für die Arbeiterschaft wichtigen Gesetzen, wie z. B. bei dem Arbeitsschuhgesctz, ein Zusammengehen mit den sozial demokratischen Gewerkschaften nicht ablehnen und nicht ver meiden zu können, wenn er nicht die Mitgliedcrzahl seiner christlichen Gewerkschaften aufs Spiel fetzen will. Dies« Zentrumskreise haben nun ganz ernsthaft den Plan der Bild««« der sog. Weimarer Koalition angeregt. Danach soll sich das Reichskab-iuctt zusoinmenschen aus Sozialdemokraten. Demokraten und Zentrum. Zn erweitern wäre es durch die Wirtschafts pakte« und die Bayrische VolkSp artet. Allerdings hat dieser Plan wenig Aussicht ans Bcrwirklichung. Dieser Plan der Weimarer Koalition lässt sich unter den heutigen Ver hältnissen nicht mehr verwirklichen. Er würde aber nicht zuletzt auch an dem Widerstand der Dentschen BolkSpartci scheitern. Der Rcichsanstenminister Dr. Stresemann könnte ln einem solchen Kabinett lediglich als Fachminister bleiben. Da aber Dr. Stresemann grasten Wert darauf legt, als Führer der Deutschen Volkspartei dem Kabinett an zugehören. so würde er sich nicht damit abstnden können. Aber das wäre noch nicht der einzige Punkt, der eine Weimarer Koalition zum Scheitern brächte. Ein weiterer und zwar recht gewichtiger ist der. dast die Demokratische Partei, die man doch immer zu den Grundclcmenten jeder Weimarer Koalition zählt, dicht vor dem Zerfall angelangt ist. Man hält eS in parlamentarischen Kreise« slir möglich und sogar wahrscheinlich, daß schon in der nächsten Zeit die Demokratische Partei sich endgültig spalten könnte. Im ganzen gesehen verstärkt sich immer mehr -er Ei», druck, daß trotz all der Schwierigkeiten und Hindernisse, die vorhanden sind, erspriestliche Verhältnisse sich tatsächlich erst dann ergeben werden, wenn inan sich dazu entschlicht, die Dcutschnationale Partei als die stärkste Vertretung des Bürgertums auch wieder an der Regierung zu beteiligen. — Der Reichskanzler hatte heute nachmittag mehrere Stunden hindurch Verhandlungen mit den Führern der RegicriiuaS- parteien über die augenblickliche Lage. An diesen Be- sprechungen nahmen auch der Ebcs der Heeresleitung General Heye und Admiral Zenker teil, da cs sich im wesentlichen um eine Aussprache über RetckiSwchr- angelegenheiten handelte, wie an anderer Stelle näher be richtet wird. Deulschnalionale Deranlworlungsbereikschaji Schlauge-Schöningcns Antwort an Dr. Scholz. Breslau. 18. Dez. Im Nahmen der Tagung des Landes- rerbaiidcs Mittelschlesicii der Deutschnationalen VolkSvartei biclt der Rcichstagöabgcvr-nete Schlange-Schöningen eine längere Rede Uber Politik und Wirtschaft, in der er u. a. ans» siiliric: Der Fraktivnövorsitzendc der Deutschen Bolkspartei Dr. Schulz hat in Königsberg vvn uns Beweise unseres Wvlstvcrhaltcns und unserer Regicrungssähigkeit verlangt. Wir haben derartige Beweise oft genug gegeben und wundern uns mir. dast man cbcnsv empfindlich gegen uns wie un- cmvsindlich gegenüber den Sozialdemokraten ist. Wir wollen Klarheit, -alle, werden wir auf unsere Taktik unbeirrt ver harre» und von Fall zu Fall entscheiden, was zur weiteren llläruna führen kan». In der E k w e r b s l o s e n f r a g e haben mir negativ der Ncgicrniia gezeigt, dast sie ohne unser« Hilfe -er sozialdemokratischen Agitationslnst verfällt. Bei -cm Gesetz gegen S ch m n tz n»d Schund haben wir ihr positiv bewiesen, dast sie »ur »>it unserer Hilfe wirkliche Ansbanarbeit zu leisten vermag Wir lehnen mit aller Bestimmtheit ab. von Gnaden irgendeiner Partei in die Negierung zu kommen, noch ricl »'eiliger gehen wir unter ein kandtnischcs Joch. Wir können den Zeitpunkt abwartcn. wo das Schwer gewicht der politischen Notwendigkeiten stärker ist. als alle Empsindlichkeiten und parlamentarischen Sircttcreicn. Wo liege» diese Nvtwcndiakeiten? Anstenvolirlsch darin, dast aus die Dauer kein Avstenminifter erfolgreich Politik treiben kann mit der Sozialdemokratie, die ihm dnrch Dennnziationcn i« den Rücken iällt und von vornherein die Bercitschast Deutsch- lands zu jeder Nachgiebigkeit osscn deklariert. Ich möchte »ist de» Ausspruch Hinweisen, -er kürzlich von Zcntrumsscite iicl: ..Fei t hat Frankreich das Wort". VS scheint mir beule schon io. als ob Frankreich zwar nicht das entscheidende Wort einer Befried»»«, Europas, sondern viele Worte für uns hat mit ebensovielcn Vertröstungen für dte Zukunft. cbne dast in den wirklich wichtigen Fragen, z. D. der Rhein- landbcsetzung, irgend etwas Wesentliches erreicht wird. Kann man ernsthaft an den auten Willen Frankreichs alauben. wenn so entscheidender Wert auf den Abbau der Festung Königsberg gelegt wird, dte doch eine Frage der deut schen Sicherheit ist? Eigener Selbstbehauptungswille oder weiterhin ansgezwuugeuer FeindeSwille. daran beainueu sich heute, wie mir scheint, mehr denn je die Geister gegenüber der Sozialdemokratie z« scheiden. Mit besonderer Eindringlichkeit wies Schlange-Schönin- gen ans die entscheidende Zukunftssrage hin: will man mit Scheidemann und Löbe die Reichswehr allmählich zu einer Truppe der Sozialdemokratie werden lasten, ober will man die Reichswehr mit der Rechten zusammen als eine Truppe des Staates erhalten? — Was die Finanzpolitik betresse, so habe Abg. Scholz in Königsberg die solide Wirtschaft des ehe maligen dentschnationalen Finanzministerv v. Sch lieben gelobt. Damals waren die Finanzen Sache des Staates, hente scheinen sie in erster Linie Sache der Agitation z« sein. Herr Rein hold behauptet, dte Wirtschaft angekurbelt z» haben. Sie ist augckurbelt in gewissen Teilen der Industrie durch Selbsthilfe und durch den Glückssall des englischen Kohlenstreiks. Die Steuererleichterungen des heutigen Fi- naiizmintsterS waren bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein, aber ln die Staatsiinanzen hat er damit ein schweres Leck geschlagen, das die Wirtschaft über kurz oder lang doch wieder mit neuen realen Opsern zustopfe» m«st, zu deren Sie« willig««« die Sozialdemokratie täglich bereit, zu deren Er füllung die Wirtschaft aber nicht mehr imstande sein wird, zu mal cS nicht gelingt, die unerträglichen DaweSlaften allmäh lich abzubauen. Dnrch bodenständige Produzentenpolitik müssen wir in erster Linie die N a h r u n g S f r e i h c t t wie- dererringen. Darin liegt zugleich die einzige Endlösung des Erwerbslosenproblcms. Mit der Sozialdemokratie wird ein organischer Wiederaufbau der Wirtschaft zum Segen des Volksganzen nie zu machen sein. Zwei Todesurleile im Donner-Prozeß. Im Donner-Prozeh wurden die beiden Angeklagten. Otto Krönert und Frau Donner, zum lode verurteilt. lAusführlicher Bericht ans Seite 6> Die Aeshmnkke. Dr. Stresemann hat in Genf in keiner starken Stellung gekämpft. Schon in den diplomatischen Vorgefechten hatte Deutschland, wie fast stets vorher, bis an die äußerste trag bare Grenze deutscher Zugeständnisse Herangehen müssen, während cs vor allen Dingen die französische, nicht zuletzt aber auch die englische Politik verstanden hatte, neue Hinder nisse aufzubauen oder alte zu verstärken, um bei dem Handels geschäft teuer zu verkaufende Tauschobjekte in der Hand zu haben. Wcizn trotzdem der deutsche Austenminister in Genf einen unbestreitbaren diplomatischen Erfolg errungen Hai, dann ist das eine erste erfreuliche Folge der Tatsache, dast dies mal die deutsche Delegation nicht mit dem jede Bewegungs freiheit hindernden Ricscngcpäck eines unverantwortliche» Optimismus, eines lauten und voreiligen Verständigungs- gcschreies um jeden Preis nach Genf gereist ist, sondern -atz die unentwegten Locarno- und Thoiru-Optimisten kleinlaut im Hintergründe gestanden, die grobe Mehrheit der dentschen Parteien aber sich die Argumente -er nationalen Opposition zu eigen gemacht haben. Hinter den deutschen Forderungen stand diesmal die sehr ernste Gefahr einer vom ganzen deut schen Volke gebilligten Abreise der deutschen Delegation auS Genf und damit eines gar zu offensichtlichen, geräuschvollen Scheiterns jener Politik, zu deren Hanptträgcrn sich Briand und Chamberlain gemacht haben und deren Schiffbruch nicht ohne Folge für die beiden Exponenten -cs neuen Kurses hätte bleiben können. Hinter den deutschen Forderungen standen ferner die recht bemerkenswerten deutsch-italienische» Verhandlungen, die in Frankreich durchaus nicht unter dem verkleinernden Gesichtswinkel betrachtet werden, unter dem sie natürlich die deutschen offiziösen Auslassungen Larstcllcn. Schltestlich mag auch — so nebensächlich sie an sich ist — die Verleihung des Nobclfricdcnspreises an Stresemann, Briand und Chamberlain im Augenblick der ernstesten Genfer Kris« einen gewissen moralischen Druck für die beiden Entente st aatsm ärmer bedeutet haben, die Politik, derentwegen di« Verleihung erfolgt ist, nicht in sensationellster Weise bankrott machen zu lasse». Die Tatsache des deutschen diplomatischen Erfolges jedenfalls kann nicht bestritten werden. Man braucht nur den unter stärkstem Einfluß von PoincarS und Foch in Paris gefassten Beschlich der Botschafterkonferenz mit dem Genfer Schlustprotokoll zu vergleichen. In Paris hieß eS noch am Freitagabend: „Die Votschafterkonserenz hat bezüg lich der Erfüllung der militärischen .Klauseln des Versailler Vertrages Deutschland nicht Entlastung erteilen können, nicht einmal unter de in Borbehaltder spätere« Behebung der letzten fe st ge stellten Ver fehlung! n." In Gens aber hat man festgcstellt: „Tic Inter alliierte Militärkoiitrollc wird am 8l. Januar lv27 auS Dentschland zurückgezogctt." Zurückgezogen ohne Vorbehalt! Man wird die Bedeutung dieses Erfolges nicht verkleinern dürfen. Man wird aber anderseits auch nicht verkennen dürfen, das, auch die Confer Beschlüsse mit sehr ernsten Be- denklichkciten belastet sind, die mit den notwendig werdenden diplomatischen und militärische» Verhandlungen noch manch« Sorge bereiten iverden. Besiegt ist in Genf nicht Briand oder die französische Politik. Im Gegenteil, Briand hat in der Einig»,,gssormel maiichcrlci durchgedrücki, was für uns zu tragen recht peinlich ist. Besiegt wurde in Genf PoincarS und sein militaristisch-nationalistischer Anhang. Und zwar besiegt nicht so sehr durch Dtrescyiann. soiidern in erster Linie durch Briand. War cs ein tniierpolitischcr PyrrhnS-Siog BrlandS, oder wird er auch für die Zukunft entscheidende Be- dcutuiig haben? Man weist eS heut« noch nicht. Aber man weist, dast trotz der Einigung in Gens die sogenannten Rcst- punkte ofsengeblicben sind. Und man kann cS unschwer vor-