Volltext Seite (XML)
71. Jahrgang. Zik 1»7 Freitag. 27. April 1827 Gegründet 1856 Drabtantckrtst! Nachricht«» Dresden Fernwrecher-Tammelnummen 2S 241 Nur iür NachioelvrSlbe! 2OO11 L?"dl,» AvrU E det iSallch E'imaliaer Zustellung irrt Sau» I.so -Llk. PoftbeiUllsvret» kür Monat AvrU z Mark oiine Pomustcllunasaebübr. Sin,e1ua«m«r to «vtenni. Die An,eigen werden nach Goldmar» berechnet: die eintvalüa« » mm breit« Anzeigen-Preise: aukcriialb 200Psg. Offertengebübr IVPfa. Aus«. Aufträge gegen Borausbemmg. Schriitleiiung und Aauvlgeichästsstclle: Martenftratze 42 Druck u. Verlag von Vievich ck Netchardt in Dresden Postscheck-Konto 10SS Dresden SM Nachdruck nur mit deullicher Quellenangabe t.Dresdner Nackr.'> »ilässtg. Unverlangte Schriftstücke werden nicht auibewabrt Das Blutbad der mexikanischen Röuber. Grauenhafte Einzelheiten -es Vahniiberfatles. — Auch Deutsche unter -en Toten? Der Einheiksskaat aus -em Parleilage -er Demokraten. — Forl-auern-er Kommunislerilerror. — Finanzkrise in Japan. 185 Opfer -er Mordbrenner. Nenyork, 21. April. Die letzt aus Mexiko vorliegenden Meldungen über den Ueberiall aus den Eiscnbahnzug der Linie Guabelajara-Mexiko Cito bestätigen nicht nur die ersten Berichte, sondern ergänzen sie durch grausige Einzelheiten. Ganz Mexiko ist ausS höchste erregt, und die Negierung hielt es sür geraten, eine Zensur sür alle Nachrichten einzusühren. Es scheint kein Zweifel mehr, daf> mindestens 185 Passagiere in den brennenden Eisenbahnwagen getötet und auherdem Sll Mann der Regicrnngstruppcn nicdergcmacht wurden. Die Nebelten sollen über 500 bis 1999 Manu versiigt haben. Sie rissen nahe Limon im Staate Ialisko die Schienen aus, so das? der Zug zunächst entgleiste Die Militäreskortc von fünfzig Mann, die den Zug begleitete, machte sich zur Verteidigung fertig, aber bereits nach kurzer Zeit mar der allergrößte Teil der Soldaten nicdergeschossen. Nachdem auch der leiste Soldat acsallcn war. stürzten sich die Rebellen ans die Passagiere, die gezwungen wurden, in die Wagen zurückzukehren Dann wurden die Wagcn- türen geschlossen und die Wagen mit Benzin begossen und angesteckt. Die Rebellen hatten an den Fenstern Ausstellung genommen. Verzweifelte Passagiere, die versuchten, a»S den Fenstern zu springen, wurde» mit dem Gewehrkolben oder durch Schüsse gezwungen, in dem Wagen zu bleiben. Einige Reisende, deren Kleider brannte» und die in wahnsinniger Verzweiflung doch ins Freie sprangen, wurden sofort erschossen. Die einsame Gegend hallte von den Schreien der nngliicklichcn Mensche» wider. Hinsichtlich der letzten zwei Wage» des ZugcS wider sprechen sich die Meldungen. Teilweise wurde erklärt, das; die Insassen dieser Wagen entkomme» konnten. Stach andere» Meldungen ist der ganze Zng völlig verbrannt. Die Leichen sind vollständig verkohlt. In den mexikanischen Zeitungen wird vielfach die Vermutung ausgesprochen, datz die Rebellen die Grau samkeiten begangen hätten, um die Regierung Ealles' vor dem Ausland in Mihkredit zu bringen. An der Stätte des Verbrechens werden dauernd weitere Leichen geborgen. Die Reisenden waren meistens Wallfahrer, die i» der Osterzett die berühmte Kathedrale Guadelasara ausgesucht hatten. Unter den Neberlebenden des Ucberfalls befindet sich auch der Vizepräsident der Bank of Mexiko, General Earrillo, der grauenhafte Einzelheiten berichtet. Die Schreie der Unglücklichen sollen Stunden hin durch hörbar gewesen sein anch dann noch, als die brennen den Wagen bereits znsammcngcsttirzt »nd nur noch glimmende Trümmerhaufen waren. Die Bewohnerschaft des Ortes Limon getraute sich aus Furcht vor Räubern zunächst nicht an die Eiscnbahnstrcckc heran. Es wurden erst Berichte nach Guadalajara gesandt, von wo in Sonderzügen Ne- gicrungstruppcn hcrbeieiltcn. Erst danach konnte die Un glücksstätte genau untersucht werden. Sämtliche ein- geschloffcncn Personen ivarcn vollständig verbrannt, so dasi zunächst nicht einmal ihre Zahl festgcstcllt werden konnte. Erst später war cs möglich, die eiahl auf Grund der bei den ein zelnen Stationen ausgcgcbciien Fahrscheine zu ermitteln. Spät abends traf die Nachricht von diesem bestialischen Akt in der Hauptstadt ei» und verursachte dort ungeheure Bestürzung. Präsident CalleS berief sofort einen Kabinettsrat ein. in dem über die zu ergreifenden Masinahmcn beraten wurde. Der ttricgsminister Amaro erhielt den Auftrag, die Ver folgung der Banditen zu übernehmen und ihrer um jeden Preis habhaft zu werden. Er begab sich an der Spitze einer Kavallerieabteilung sofort mit einem Sondcrzug nach Limon, um von dort aus die weiteren Anordnungen zu treffen. Angeblich sollen sich unter den Reisende» mehrere Nordamcrikaner, und Gerüchten zufolge auch Deutsche befunden haben. Bisher konnte jedoch etwas sicheres darüber, ob sich auch Deutsche unter den Opfern des Verbrechens befinden, noch nicht ermittelt werden. Die Gegend, in der der Ueberfall vorgenonnnen wurde, ist ein beliebter Aufenthaltsort der mexikanischen Insurgen ten. die im menschenleeren Gebirge Hausen und von hier ihre Plünderungszüge durch die westmexikanischcn Staaten unter nehmen. Schon wiederholt haben sich in dieser Gegend ein zelne llebersällc ereignet, so dasi die mexikanische Negierung sich gezwungen sah. die von den Küsten des Stillen Ozeans nach den atlantischen Häfen verkehrenden Züge ständig durch grösierc Militäreskortc» begleiten zn lassen, die unter der Führung von Offizieren stehen »nd auch mit Maschinen gewehren ansgcrüstct sind. Auch der überfallene Zug war von Soldaten begleitet. Nach Berichten von Augenzeugen wurden zahlreiche Opfer des BanditcnübcrsalleS beim Eintreffen der Regicrungstrnppen durch Messerstiche zerstückelt und im Wahnsinn schreiend aufgesunden. Zwölf Ucbcrlebrnde, zumeist Amerikaner und Engländer, konnten nach Guadclajara geschasst werden. Ein Ucberlebcnder, der mi schen mutzte, wie seine ganze Familie verbrannte, lachte, von Wahnsinn ergriffen, als man ihm von dem Vorgcfallenen be richtete. Die Opfer wurden grösstenteils sofort an der Schreckcnsstclle begraben, um Seuchen zu vermeiden. * Mexiko, 21. April. lRcutcr.s In einem vom Sekretariat des Präsidenten ausgehenden Kommnniguü werden die „katholischen Rebellen" sür das Attentat verantwortlich ge macht. Acht Flugzeuge sind beauftragt worben, die Stellung der Rebellen zn erkunden. Schwere Finanzkrise in Japan. Sturm auf -ie Banken. Tokio. 21. April. Die durch die Schlietzung der Bank von Formosa akut gewordene Finanzkrise in Japan nimmt täglich gröbere Ausmabc an. Nachdem am Mittwoch bereits drei kleinere Banken in Knnschu ihre Zahlungen ein gestellt hatten, mutzte gestern die Fisteen Bank, eines der grösiten Bankinstitute Japans, mit einem Eigcnkapital von 1l>0 Millionen und Depositen in Höhe von 899 Millionen Aen, schlichen. Im ganzen Lande hat daraufhin ein Sturm ans die Banke» eingesetzt, der noch zu weiteren Zahlungs einstellungen führen dürfte. Die Staatsbank muhte gestern allein 8 Tonnen Papiergeld mit einem Spezialzug nach Osaka schicke», um die dortigen Banken in den Stand zu setzen, ihre« Verpflichtungen nachznkommen. Der heute morgen auf die Kaffen der Tokioter Bank einsetzende Sturm hat zwei weitere Bnukinstitutc gezwungen, ihre Kassen zu schlichen. Aus der Provinz, wo die Panik noch gröber ist, werden ebenfalls Schlietzungen kleinerer Banke» gemeldet. Bis heute mittag hatte die japanische Staatsbank den bedrängten Banke» Kredite in Höhe von UM Millionen Aen vorgestreckt. An der Börse herrscht Panikstimmung. Die Bereinigung der Banken hat einstimmig beschlossen, an die Negierung die Bitte zu richten, die Lage durch eine kaiser liche Verordnung zu retten, da sonst die schlimmsten Folgen für das japanische Wirtschaftsleben zu befürchten wären. Von RegterungSscite wird mttgetcilt, bah das Kabinett sich entschlossen habe, „ausreichende Hilfe" in der gegen wärtigen Finanzkrise zur Verfügung z» stellen. Die Regie- rung habe bereits in dieser Richtung Matznahincn getroffen. * Tokio, 21. April. Die Zeitung „Asahi Shimbnn" glaubt aus guter Quelle mttteilc» zn können, das, eine Anzahl Banken und die wichtigsten Clearinghäuser morgen sür zwei Tage ihre Betriebe schltehen werden. Gleichzeitig werde -er StaatSrat über die Frage eines fünftägige» Mora toriums beraten. Ferner werde sür die nächsten Tage eine Sondersitzung des Parlaments einbcrufcn werden. jW. T. B.) Das neue japanische Kabinett. London, 21. April. Mit Ausnahme des Marine» und Kricgsministers, die beide Seniorvssiziere ihrer Waffen gattung sind, ist, wie aus Tokio berichtet wird, die neue japa nische Negierung ein reines Partcikabtnett, das aus früheren Ministern und alten Anhängern der Sciykai-P irtei zusammengesetzt ist. Von den acht bürgerlichen Ministern sind sechs Mitglieder des Unterhauses. Baron Tanaka übernimmt nur vorläufig das Autzenministerium bis zur Ernennung eines Anhenministers, für welchen Posten die Wahl zwischen dem Gesandten in Peking und dem Botschafter in Washington besteht. Ein oder zwei Anwärter für diesen Posten, die eine schärfere Politik in China befür- wortcten, sind übergangen worden. Schwere Sturm- und Feuerschäden ln Japan. London, 21. April. Blättermeldungen aus Japan zu folge hat ein Taifun Yokohama hcimaesncht nnd die Schiffahrt schwer in Mitleidenschaft gezogen. Eine dnrch den heftigen Wind hcrbcigcsiihrte Fencrsbrunst habe in der Stadt Kanazama sProvinz Jschikavoj taufcnd Häuser zerstört. Der Schaden wird auf 6 Millionen Neu geschätzt. Es wird befürchtet, dah viele Menschen «ms Leben gekommen sind. Poincarö über -ie -euksche Sprache im Elsaß. Paris, 21. April. Ministerpräsident Poincarü hat sich heute in einer Rede tn Strahburg ausführlich mit der Sprach enfrage beschäftigt. Er erklärte, man habe den Glauben erwecken wollen, dah Frankreich den elsässischen Dialekt znm Verschwinden zn bringen suche, oder verhindern wolle, das, der RcligionSuutcrricht in deutscher Sprache ge» geben werde. All das sei falsch, und es werde falsch bleiben, nicht nur ans dem Papier, sondern auch in der Wirklichkeit. Die Kinder mühten dcntsch schreiben können überall da, wo ihre Angehörigen anch dentsch sprechen, sie mühten auch deutsch sprechen können, weil sie einem Grenzlande an« gehörten, wo die deutsche Sprache sogar vor 187N gesprochen wurde. Vielleicht mühte man sogar zwischen den einzelne» Ortschaften noch Unterschiebe machen. Poincarü, Frankenkurs «nd Nheinland- ränmung. In Frankreich selbst und tn den am französischen Handels verkehr vornehmlich interessierten Ländern widmet man der Frage der Frankenstabilisierung andauernd lebhafte Auf merksamkeit. In den letzten Tagen war das Gerücht ver- breitet, daß Poincarü im Begriffe sei, die ihm schon seit längerer Zeit zugeschriebene Absicht der gesetzlichen Fest- legung des Frankenkurses unmittelbar zu verwirklichen. Man brachte mit diesem Plane die Reise des Gouverneurs der Bank von Frankreich nach London in Verbindung. In zwischen hat sich herausgestellt, dah die Annahme einer be schleunigten Frankcnstabilisierung den Tatsachen vorausctlt. Wohl aber ist das .Kabinett Poincarü unablässig darauf be dacht. nach allen Richtungen den Boden so vorzubereiten, bah die Stabilisierung des Frankenkurses im entscheidenden gün stigsten Augenblicke kraft Gesetzes sofort vollzogen werden kann. Wie sehr sich die Berhältniffe seit den hochkritischen Julitagen 1926 zugunsten des Frankenwertes geändert haben, wird insbesondere durch einen Vergleich zwischen dem da malige» und dem jetzigen Verhalten der Inhaber der Bons der nationalen Verteidigung klargestellt. Zu jenem Zeit- punkte wurden die Einlösungsschalter für die genannten An- leihcstücke stürmisch belagert von Besitzern, die um jeden Preis sich der Bons entledigen wollten, um wenigstens etwas zu rette». Im Februar dieses Jahres aber mutzte die Aus gabe von 15jährigen Schatzschcinen der gleichen Art. durch die alte Bons mit Fülligkeit im September 1927 cingetauscht wer den sollten, wegen Uebcrzeichnung geschlossen werden. Das psychologisch schwer erklärliche Vertrauen, das die französische öffentliche Meinung aus Poincarü trotz seinem Fiasko mit dem Rnhreinbruch in der Frage der Frankenrettung setzte, hat mit suggestiver Kraft auch aus das Ausland gewirkt und dort die stimmungömätzige Grundlage sür die Stützung des Frankeiikurses geschaffen. Es gilt nun die schwierige Entscheidung darüber zu treffen, auf welcher Höhe der Frankenkurs dauernd stabili siert werden soll. Das ist von höchster Bedeutung für die gesamte Nation, weil eine zu hochwertige Festlegung von fchwercn Nachteilen sür die Wirtschaft begleitet sein würde. Es müssen daher erst verschiedene wesentliche Voraussetzungen finanziellen und wirtschaftlichen Charakters erfüllt sein, ehe der endgültige Kurs kraft Gesetzes bestimmt werden kann. Da ist zunächst die Umwandlung der kurz fristigen inneren Anleihen tn eine fcstgelcgte schwe bende Schuld zu nennen. Ferner sind wesentliche Faktoren die Erzielung von Ueberschüsscn im Staatshaushalt und der Ausgleich der Zahlungsbilanz. Endlich darf auch das wichtige Problem der Kriegsschulden nicht vergehen werden. In allen diesen Punkten hat Poincars es vermocht, solche Erfolge zu erringen, datz das Vertrauen des Auslandes zum Franken seit dessen tatsächlicher Stabilisierung z» Ende des Vorjahres bis heute nicht wieder erschüttert worden ist. Das amerikanische KriegSschuldenabkommen hat zwar die parlamentarischen Klippen noch nicht endgültig umschifft. In zwischen hat aber Poincarü den Ausweg der Abschlagszahlun gen ergriffen, in der sicheren Erwartung, datz Kammer und Senat schlietzlich die Ratifikation des Abkommens nicht ver weigern werben, und nach dem gesamten Verlauf, den die Dinge bisher genommen haben, hat es auch ganz den An schein, datz sein Optimismus gerechtfertigt ist. So ist cs mög lich geworden, datz nach dem tiefen Falle des Franken auf 249 für das Psnnb im Sommer 1S2S die Bank von Frankreich im Dezember desselben Jahres bei einem Pfundkurse von 122 den Franken zum Stillstand bringen konnte. Auf diesem Niveau hat er sich bis heute fast unverändert erhalten, ab gesehen von geringen Schwankungen, wie sic auch im gegen seitigen Verhältnis der hochwertigen Valuten nicht aus« bleiben. Das bedeutet einen Frankenwert von 1b deutschen Goldpscnnigen oder von fünf Papicrfrankcn gleich einem Goldsrankcn. In diesem Stadium der Entwicklung hat Poincarü mit zwei Parteien von verschiedener grundsätzlicher Einstellung zu kämpfen. Die eine will den Franken revalorisicren, d. h., ihn wieder auf den vollen Goldwert der Vorkriegszeit bringen. Die andere ist mit dem jetzigen Kurse zufrieden, um die schweren wirtschaftlichen Erschüttcrnnaen. die eine Revalorisierung im Gefolge hätte, z» vermeiden, drängt aber auf gesetzliche Festlegung der tatsächliche» Stabilisierung. Demgegenüber steht Poincarü ans dem Standpunkte, datz eine Revalorisierung im wirtschaftlichen Interesse überhaupt nicht i» Betracht gezogen werden dürfe, und datz bei der gesctz- liehe» Stabilisierung grotze Vorsicht beobachtet werden müsse,' sie sei so lange nicht am Platze, als nicht scststehe, datz die Voraussetzungen, die zur tatsächlichen Stabilisierung geführt habe», dauernden Charakter tragen. Von dieser Plattform ans begibt sich Poincarü auf das aiitzenpolltischc Gebiet, in dem er nach einer kürzlich In der Kammer abgegebenen Er- klürung den endgültigen FrankenkurS und dessen gesetzliche