Suche löschen...
Dresdner Nachrichten : 27.10.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-190310270
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19031027
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19031027
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-10
- Tag 1903-10-27
-
Monat
1903-10
-
Jahr
1903
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 27.10.1903
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
»licht. Linder lind di« biblische« Geschichten ans der Unter» und Mittelstufe im Ginn« eine« sittlich-religiösen Snschauunasunirrricht» zu bebandeln. aus der Oberstufe ist eine ,u,°mmenAs-nk b,«UE von der Aommnswn beantragten Letnütze fanden die Zustimmung der Deriammlung. wie auch im großen und aanzen die Stoffver teilung de» voraelegtrn Lehrpläne«. Dergleichen wurden die au» der Mitte der Veriammluna gestellten Anträge angenommen: Dir Wiedergabe einer Geschichte toll von dem Kinde weder nach dem Btbeiterle. noch nach dem biblischen Gelchichtsbuche verlangt wer» den. 1a» Auswendiglernen der Lutherichen Lrtlärungen komme in ELeo^ll. ^ langjährig« Mieter, welcher seit dem Jahre 1876 in dem Haule Ztnzendorfftraße Nr. 4S. 3.. wobnt. ist der Muslttchrcr I. Vosselt, welcher trotz seine» hohen Alter» noch immer seinem musikalischen Berus nachgeben muß. Amtliche Bekanntmachungen. Auf Grund der Generalverordnung der Königs. Kreishaupt- waiinichaft zu Dresden, öffentliche Geldsammlungen betreffend, vom IS. November 1890, beziehentlich der Vorschriften in 88 103 folgende der Armenordnnna für das Königreich Sachsen vom 22. Oktober 1840 wird folgendes bestimmt: Zu jeder am hiesigen Orte stattfindenden Veranstaltung, Ausschreibung und Vornahme öffentlicher Sammlungen von Beiträgen an Geld und Geldeswert. deren Höhe oder Hingabe in das Belieben der daran sich Beteiligenden gestellt wird, ohne Rücklicht auf die beabsichtigte Verwendung des Gesammelten zu wohltätigen oder anderen Zwecken, ingleichen zu der einer öffentlichen Geldsammlung glcich- zuachtenden Veremnahmuna von Eintrittsgeld behufs der Zu lassung zu öffentlichen Versammlungen, zu denen ihrem Begriffe nach jedermann, ohne besonderen Bedingungen genügen zu müssen, Zutritt hat, bedarf es der vorher einzuholenden Genehmigung, und zwar, soweit wohltätige Zwecke in Frage kommen, des Armen- nmles, in den übrigen Fällen aber der Königlichen Polizei- Direktion. Sofern Zedoch die Sammlungen in einem weiteren Bezirke als in der Stadt Dresden oder im ganzen Lande statt- ,'inden sollen, bedarf es der Genehmigung der Königlichen Kreis- dauplmannschast oder des Königlichen Ministeriums des Innern. Wer die Einholung dieser Genehmigung unterläßt oder ohne Nach- weis dieser Genehmigung beim Sammeln betroffen wird, wird auf Grund der Landcsarmcnvrdnung in Verbindung mit der oben- erwähnten Generalvcrordnung mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft. Wegen der Samm lungen am hiesigen Orte sind die Genehmiaungsgesuch« rechtzeitig schriftlich, und zwar, soweit wohltätige Zwecke in Frage sind, beim Armenamte, in den übrigen Fällen bei der Königlichen Polizei' Direktion anzubringen. Die von der kirchlichen Behörde ange- ordneten oder genehmigten Kollekten werden von dieser Bekannt machung nicht betroffen. Das zu Ehren des am 16. August 1839 verstorbenen Hof- rats Dr. med. Christian Gottkelf Pienitz gestiftete Stipendium für einen Studenten der Medizin, vorzugsweise für Angehörige der Familie Pienitz, sodann aber für in Radeberg oder Dresden Geborene, ist vom Stadtrat anderweit zu vergeben. Das Stipen- dium beträgt ungefähr 102 Mark jährlich. Bewerbungsgesuche sind bis zum 14. November bei dem Stistsamte, Landhaus- straße Nr. 7. 3. Etage, einzureichen. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Zwischen Kaiser Wilhelm und dem Zaren soll, wie der „Wiesbadener Generalanz," meldet, am 4. November in Wiesbaden eine Zusammenkunft in Aussicht genommen sein. Bei dieser Gelegenheit soll eine Festvorstellung des ^Oberon" stattfinden. Die Beobachtung, daß die schwarz-weiß-rote deutsche Nationalflagge vielfach in unrichtiger Faroenfolge gebraucht wird, hat zu dem .Hinweise Veranlassung gegeben, daß nach den bestehenden Vorschriften die schwarze Farbe der Flagge an der Spitze der Fahnenstange zu führen ist. Das neue Militärpensionsgesetz soll nach den „Münchn. N. N." doch rückwirkende Kraft erhalten, und zwar für alle Kriegstellnehmer und Hinterbliebenen solcher und die im Frieden Verstümmelten. Unter der Ueberschrift: „Volksrccht und Juristen recht" schreibt die „Dtsch. Tgsztg": „Der Stallmeister Mwin Rosen aus Spandau war wegen tätlicher Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er einem Wüstling und mehr- fach vorbestraften Verbrecher, den jetzigen Strafgefangenen Julius Kunze, eine wohlverdiente körperliche Züchtigung zu teil werden ließ, als er ihn dabei betraf, wie er seine dreizehmähriae Tochter m unsittlicher Absicht berührte. Jeder anständige Mensch billigte und lobte das energische Verhalten des Herrn Rosen, das noch dazu geführt hat, daß Kunze verhaftet und wegen ähnlicher Atten tate in Spandau zu l^ß Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Herr Rosen hat wogen seiner Verurteilung Revision beim Kammer- gerickt eingereicht und die Hoffnung, daß jener krasse Widerspruch zwischen dem gesunden Volksempftnden und dem erwähnten Urteile beseitigt werde, ist nicht ausgeschlossen. Aber die Züch tigung des Verbrechers hat für Herrn Rösen noch eine andere peinliche Lage gehabt: Der Strafgefangene Kunze hatte gegen Rösen einen Entschädigungsanspruch aus 182 Mark geltend ge macht. und da dieiem nicht Folge gegeben wurde, geklagt. Es steht diescrhalb Termin vor dem Spandauer Amtsgericht am 30- Oktober an. Kunze verlangt für die LHrfeigen 150 Mark Schmerzensgeld, Ersatz für seine zerschlagene Brille, der Auslagen im Belerdigungsprozetz und des wegen der Termine angeblich ver lorenen Arbeitsverdienstes. Er stützt sich dabei auf die Tatsache der Verurteilung des Herrn Rösen. Nun >st ja anzunehmen, daß die Verhandlung ausgesetzt werden wird, bis das Kammergericht gesprochen hat, aber nach Lage der Dinge besteht für Herrn Rösen die Gefahr, daß er, der eine durchaus lobenswerte und in ihren Folgen (Verhaftung und Bestrafung des Verbrechers! auch für die Allgemeinheit heilsame Handlung vovgenommcn hat, auch eine Einbuße von mehreren Hundert Mark zu gewärtigen bat. Der Ver- brecher ist ein nach verschiedenen Richtungen hin gefährliches Sub- jckt und nicht nur wegen Sittlichkeitsvcrbrechens bereits zwei mal vorbestraft, sondern auch wegen Münzverbrcchens 5 Jahre im Zuchthause gewesen. Man darf auf den schlicßltchen Ausgang der Sache gespannt sein." Bei der fortgesetzten Generaldiskussion über die allgemeine politisch« Lage in der bayrischen Kammer der Abge ordneten kommt Segitz (Soz.) in einer längeren Polemik gegen die Regierung auf die jüngste Konferenz der Finanzminister in Berlin, sowie auf den Stand der Handüsvertragsverbandlunaen zu sprechen. Finanzminister v. Riedel erwidert, was die Reichs- «inonzrcform und die Konferenz der Finanzmmifter betreffe, so könne er selbstverständlich über die eingehenden Beratungen der letzten Tage keine Mitteilung machen. Die Geduld werde ohne- hin nicht lange auf die Folter gespannt werden; vorläufig müsse man daS Urteil versagen, bis Authentisches bekannt werde, ebenso wie bezüglich der Handssverträge. Auf allen Seiten herrsch« guter Wille, aber mit dem guten Willen allein sei es nicht ge tan. Man müsse darauf bestehen, daß die Interessen deS Reiches und des Landes entsprechend gewahrt werden. In Frankfurt a. M. wurde im Saale deS katholischen Ver> cinshauscs „Josefsheim" der erste deutsche Arbeiter - kongreß der nichtsozialistischen Gewerkschaften Deutschlands eröffnet. Die anwesenden Delegierten vertraten rund 556 720 organisierte Arbeiter und zwar in folgenden vier Hauptgruppen: I. christliche Gewerkschaften, 2. sonstige Berufsvereine, 8. evan gelische Arbeitervereine und 4. katholische Arbeitervereine. NamenS deS OrtSkomiteeS eröffnet« Wcrkführer Baerrn-Frank- surt a. M. (evangelischer Arbeiterverein) die Verhandlungen mit einer Begrüßung. Wir nennen uns «Deutscher Arbeiter- konareß". sagte er u. a., und wollen nach Kräften uuttun, um daS Woyl unsere» Volke» zu heben, damit ehrliche Arbeit ihren Lohn findet und daS Bibelwort wieder Anwendung finden kann: Du sollst dich durch deiner Hände Arbeit ernähren! Fleiß, Nüchtern heit, Gottesfurcht und Zufriedenheit sollen die Grundpfeiler unserer Gesellschaftsordnung sein. Dieses Ziel kann der einzelne Arbeiter nicht erreichen. Darum müssen sich die hunderttausende Arbeiter zusammenschließen. Wer die kaiserlichen Erlaffe ge lesen und verstanden hat, wird zuaestehen müssen, daß es deS Kaisers ehrlicher Wille war, den Arbeitern zu helfen. Leider sind noch nicht alle Erlasse bisher erfüllt worden. Ist das aber nicht -um wenigsten denjenigen zuzuschreiben, die die ehrlich dar- gebotene Hand unseres Kaisers schnöde zurückgewiesen haben. tStürmischer Beifall). Der Vorsitzende des Organisations komitee», Arbettersekretär Stegewald-Köln führte aus: Man habe ihnen von gewisser Seite da» Recht abgesprochen, lick „Deutscher Arbeiterkonare >" zu nennen. Nachdem soeben noch sie Vertretung der katholischen Gesellenvereine mit 60000 Mit- gliedern angrmeldet worden sei, seien hier rund 620 000 deutsche Arbeiter vertreten. Berücksichtigen wir. daß die Hirsch-Duncker- schen Gewerkschaften, außerdem auch noch etwa IM 000 Arbeiter umfassen und daß eS noch verschiedne nichtsozialistisclie Gewerk- schäften gibt, die uns vorläufig noch fern stehen, so können wir konstatieren, daß in den nichtloziaftstrschen Gewerkschaften min destens dieselbe Zahl von Arbeitern organisiert ist, als in sozial demokratischen, und wir müssen es als Anmaßung bezeichnen, uns das Recht absprechen zu wollen, uns „Deutscher Arbeiterkongreß" zu nenne». tStürmischer Beifalls. Wir glauben, daß wir weit eher dazu berechtigt sind, uns als deutsche Arbeiter zu bezeichnen, als diejenigen, welche bei jeder Gelegenheit rufen: Hoch die internationale Sozialdemokratie! Wir sind der Ansicht, daß es zu einer Bessergestaltung der Lage der Arbeiterbcvölkerung nicht nötig ist, unsere Gesellschaft in eine sozialistische umzukehren, son dern daß ein monarchistischer Staat einer Zukunftsrepublik vor zuziehen ist, um so mehr, als die letzte Zeit gelehrt hat, wie sehr die sozialistischen Führer von jener Gottglcichheit, die für einen Präsidenten eines Zukunftsstaates nötig wäre, entfernt sind iHeiterkeit und Beifall!. Wir sind keine Revolutionshelden, aber wenn sich Mißstände im Wirtschaftsleben zeigen, so werden wir zur Wurzelbürste greisen, um eine tüchtige Reinigung vorzu- nehmen. Wir halten es für eine Ungerechtigkeit, daß die Arbeit geber schwarze Listen anfertigen können und daß das Strcik- postensleben als grober Unfug behandelt wird tStürmischer Bei fall!. Dir empfinden es als einen Mißsland, daß uns unser Vereinsrecht verkümmert wird. — Es erfolgt dann die Konsti- tuicrungdes Kongresses. Zu Vorsitzenden mit gleichen Rechten wurden gewählt: Gärtner Franz Behrends-Berlin levangelischer Arbeiterverein! und Sekretär Stegewald-Köln sVerband christlicher Gewerkschaften!. An den Kaiser wurde fol gendes Huldigungstelegramm gesandt: „Ew. Majestät bringt der erste deutsche Arbeiterkongreß, der von 200 Vertretern aus allen Gauen des Reiches, der verschiedensten Berufe und Konfessionen besucht ist, seine Huldigung dar. Die hier ver tretenen mehr als 600000 Arbeiter stehen treu zu Kaiser und Reich, Fürst und Vaterland. Gestützt auf diese Grundsätze er- streben sie unter dankbarer Anerkennung des bisher Geschehenen die Wetterführung der Sozialreform unter gesetzlicher Mit wirkung und Betätigung der Selbsthilfe." — Sodann wurde in die Tagesordnung eingetreten. Der erste Verhandlungsacgen- stand betraf das Koalitio «siecht der deutschen Arbeiter und die Verei ns-Gesetzgebung. Bericht erstatter war M. Schiffer, Sekretär des Zentralverbandes christlicher Textilarbeiter in Crefeld. DaS Koalitionsrecht sei ein Naturrecht, das vom Staat nicht beeinträchtigt werden dürfe, namentlich zu ungunsten oder auch zu gunsten einer Klasse. Die Klassengesetzgebung und Klassenjustiz, die auch wir als christliche Arbeiter nicht ableugnen können und als Arbeiter schwer emp finden, ist, abgesehen von ihren verheerenden, die Gesellschafts ordnung untergrabenden Folgen, durchaus zu verwerfen. Gleiches Recht für alle — auch für Arbeiter! Der ungerechte Ausnahme zustand steht weniger auf dem Papier, als daß er in der Praxis vorhanden ist. Die Mißstände können nicht scharf genug kriti- siert werden. Wir wollen keine einseitige Bevorzugung der Arbeiter, sondern wir erstreben Freiheit für beide Teile, damit an Stelle des individuellen Arbeitsvertrages der kollektive treten kann. Wie schwer sind nicht Arbeiter für ein unbedachtes Wort bestraft worden — aber nur die Arbeiter, denn die Arbeitgeber wissen die Bestimmungen schon zu umgehen. Die ungerechte Hand habung des Koalitionsrechtes und die verschiedenartige Anwen dung desselben, sowie die künstliche Anwendung von Polizei- Verordnungen bilden die fortgesehteQuelle derErbrtterung. Aller dings gegenüber dem systematischen Terrorismus der Sozial- demokratle möge ß 153 bestehen bleiben. lLebhafter Beifall.) Streiken und Sperren verhängen dürfen wir, wenn wir es aber dem Unternehmer vorher sagen, dann werden wir bestraft, dann ist es ein Erpressungsversuch. sGelächter und Pfuirufe.) Das Vereinsaesetz ist in Deutschland derartig, daß man nicht genug die Einheit des Reiches und die Weisheit der Regierungen de wundern muß. lHeiterkeit.) 26 Staaten und ebenso viel Ver einsgesetze und die meisten von recht ehrwürdigem Alter! Es wäre an der Zeit, daß der Bundesrat endlich einen reckt großen Sprung machte. Jedes längere Zaudern bedeutet, daß der Arbeiterstand, auch: der christliche, langer leiden muß. Die hier vertretenen Arbeiter sind bereit, ihre Staatsbürgerpflichten zu erfüllen, sie wollen ober auch die vollen Bürgerrechte haben. Es komme jetzt darauf an, daß der Bundesrat erkenne, daß er 1899 mit der Zuchthausvvrlage auf falscher Bahn war und daß es an der Zeit sei, mit dem ganzen Krempel der Landesvereins- gesetze aufzuräumen. Wir verlangen volle Koalitionsfreiheit, gutes Verernsrecht! tStürmischer anhaltender Beifall.) Redner unterbreitete der Versammlung im Sinne seiner Ausführungen eine Resolution, die nach längerer Debatte angenommen wurde. Zur Eröffnung des Straßburger Oberkonsistoriums hat der Präsident des reichsländischen Klrchenkonsistoriums, Dr. Curtius, eine bemerkenswerte Ansprache gehalten, in der es heißt: „Unsere Kirchenverfassung hat die Konsequenzen gezogen aus dem protestantischen Prinzip, daß Lehre und Recht, Verkündigung des Evangeliums und Ausübung von Regierungsbcfugnissen zwei grundverschiedene Funktionen'sind, welche nur zum Schaden beider verbunden werden können. Durch diese klare Unterscheidung sind wir vor einem doppelten Schaden bewahrt worden. Wir haben kein Priestertum, daS nach Macht trachtet, aber wir haben auch keine Juristen, welche es unternehmen, Fragen der kirchlichen Lehre nach Analogie des Zivilprozesses durch Mehrheitsbeschlüsse von Kollegien zu entscheiden. Der anstößige, icdes religiöse Gefühl verletzende Begriff des Lehrprozesses ist unserem kirchlichen Leben unbekannt Für uns muß die beherrschende Maxime die apostolische Weisung sein, daß wir den Geist nicht dämpfen sollen toeder den Geist der freien Forschung noch den Geist der ver trauensvollen und ehrfurchtsvollen Aufnahme und Fortpflanzung der überlieferten Kirchenlehre. Keine Verwaltung kann den lebendigen, religiöses Leben weckenden Geist schassen. So möge sie denn vor allen Dingen beflissen sein, wo er sich zeigt und wie verschieden er sich zeigt, daS freie Spiel seiner Kräfte nicht zu hemmen." In unterrichteten Kreisen in Berlin bezeichnet man den Grafen Dönhoff-Friedrich st ein, welcher psrsona xrstissima beim Kaiser ist, als zukünftigen Obervräsidenten von Ostpreußen. Die Mitteilung des „Temvs". daß die Iestung Metz in einem Umkreise von 22 Kilometern mit einem Schutzgitter um schlossen werde, wird durch einen längeren Artikel der „Lothringer Zeitung" bestätigt. In diesem Aitlkel führt das Blatt aus. daß die Amchließung der Stadt durch Wälle und Gräben - die jetzt sortkäüt — eine genaue Kontrolle der Bevölkerung und die Be obachluna ein- und auSpalsierender Individuen ermöglichte. Es werde selbst bei schärfster Kontrolle nicht mehr gelingen, den Spionendienst zu unterbinden. Zu diesem Zwecke wird jetzt also das Gitter gebaut. Die Linke soll ungefähr wohl folgenden Lau nehmen: Von Montlgnv- wo eS wabrschcinllch bis an die Mosel geführt wird, am Fort Württemberg vorbei, über die Augnvstraße. Grange-aux-OrmeS — Horgne-au-Sablnn — und weiter die östliche Fortlinie miteinander verbindend. Bei Grange-aux-Ormes stebk bereits ein großer Teil des Gitters: es wird momentan mit schwarzer Farve angestrlchen. Die westliche Seite von Metz wird kein Gitter erhalten, da hier noch die ehemaligen Gittertore stehen geblieben sind, die im MobilmochnngSfalle sofort geschlossen wer den können. DaS Gitterwerk. daS über 2 Meter hoch ist. besteht au» starken eisernen Stangen, deren Spitzen umgeboaen sind. Dort, wo die Anlage Straßen kreuzt, werden Lücken gelassen, die im Ernstfälle durch Tore zu 'chließen sind. DaS Gitter kann ielner Bestimmung natürlich nur im Verein mit einem reichlichen Pakoulllendienst genügen. Die Befürchtungen einiger Schwarz seher. daß Metz, nachdem kaum die Walllinie gefallen sek. durch da» Gitter wteoeriim dem früheren Standpunkte nahe gebracht würde, sind völlig unzutreffend. Das Gitter behindert in Friedens zelten nicmanven. Derartige Gitter, welche einzelne Jestungssronten umgeben, sind nichts neues, sondern man findet sie in Spandau, In Köln und in vielen anderen Festungen. Wenn daS Metzer Gitter die ganze Festung umschließen soll, ist eS insofern das erste in sein« Art. Nach d« „Köln. Zig." sind die Verhandlungen über die deut- chen Schadenersatzansvrüche aus dem südafrika nischen Kriege, soweit sie die ehemalige» Burenrepnbliken betreffen, kürzlich in der Hauptsache beendigt worden. Die Ent scheidung der von England eingesetzten Schadrneriatzkommilsio» stebt aber noch auS. Sobald dir Entscheidung der Schadenersatz kommission Vvrliegt. will der britilche Oberkommisjar aus die von der Kommission anerkannten Forderungen zwei Drittel sofort aus zahlen. Insoweit Ansprüche nicht anerkannt werde» sollte», wer den weitere Schritte bel der aroßbritannischen Regierung erfolgen müssen. Die von dem deutschen Generalkonsulat in Kapstadt vcr tretenen deutschen Schadenericitzanwrüche aus der Kcipkolonie sind zum Teil bereits durch Zahlung erledigt worden. Man schreibt der „Schles. Ztg." aus Berlin: Die Bau arbetterbewegung, welche im nächsten Jahre im großen Stile unternommen werden soll, wird schon jetzt eingelettet. Nach den Ankündigungen der Agitatoren des Maurerverdandes dürste in etwa 200 Städten zu gleicher Zelt die Agitation zur Durchsüh ning des Achtstundentages einsetzen. Ter Eiter der Mitglied« deS Verbandes, ui» den Streiksond zu stärken, ist leb Halter wie je: in der Woche vom 13. bis 19. Oktober sind gegen 50000 Mark dem Streikfonds zuaesührt worden; darunter ans Berlin 14835 Mark, ans Braunschweig 1099 Mark, aus Wies baden 1600 Mark, aus Stettin und Umgegend 2324 Mark, aus BreSlan und Umgegend 8222 Mark, ans Hamburg 4455 Marl, Zahlreiche Provinzialkonserenze». auch Gankonserenze» genannt, »indcn statt, um den Plan im Einzelnen zu entwerfen. Aus diese» Konserenzen erklärte man die Baulenagitatio» für am vorteilhoi testen, denn man kan» dabei den nicht zum Verbände gehörigen Kollegen io zusetzen, daß sie schließlich mürbe werden und dein Verband beitreten Zahlreiche Beispiele dieses furchtbaren Terro rismus sind ja bekannt geworden. Ueber Parteionklage und Parteigcricht veröffentlich» die sozialdemokratische ,Münchn. Post" einen mit „V." Unter zeichneten, also offenbar von dem Abg. n. Vollmar herrührenden Artikel, der dem Nachweis gewidmet ist, daß die Entscheidung über die wcstere Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei allein Sache der Organisation des Ortes oder Wahlkreises de: Anaeschuldigtcn und eines in der vorgeschriebenen Form gebildete» Schiedsgerichtes ist. Der Parteivorstand dürfe unter keinen Um- ständen selbst Schiedsgericht spielen. Auch ein KoUektivschicds- gcricht für alle möglichen Angeklagten und Anklagen sei statuten- widrig. Der Artikel schließt: „Der etwaige Versuch, zu Augen - blickszwccken einer anderen Instanz Ausgaben zuzuweisen, welche ihrem Wcien nach gerichtlicher Art sind und das geordnete Schied? gerichtsocrfahren irgendwie zu beeinflussen im stände sind, müßte deshalb von vornherein rechtsunwirksam sein und für die Ange schuldigten, für die betroffenen Organisationen, wie für die ganze Partei jeder Autorität und Verbindlichkeit entbehren." — Der Artikel Vollmars scheint sich gegen eine am 3. Oftober im ,,Vor wärts" veröffentlichte Erklärung des Parteivorstandcs zu richten, daß die Frage der Mitarbeit von Sozialdemokraten an der bürgerlichen Presse, wenn das Material vollständig vorlicgc, „von Partei wegen zur Beratung und zur Entscheidung" gebrach« werden solle. Ungarn. Der König empfing den Grafen TiSza und be traute ihn mit der Kabinettsbildung. Unter den in der Hauptstadt lebenden, der gemein samen Armee als Reserveoffiziere angehörenden ungarischen Staatsbürgern, deren Hauptrapport am 4. November ftattfindei. ist eine Bewegung im Zuge, sich mit dem ungarischen „Jelen" und nicht mit dem vorschriftsmäßigen „Hier" zu melden. Italien. Ueber Zannrvellis Sturz wird der „Köln. Zta." aus Rom geschrieben: Es ist ein Fall ohne seines gleichen, vn sich gegenwärtig in Italien abspielt. Ein Ministerium geht, ohne daß eS diejenigen, die es beauftragt hatten, haben geben heißen. Ja noch mehr: das Ministerium geht, well es der König sorffchlckt. I» der Verfassung steht freilich, der König beruft und entläßt seine Minister. Bisher aber war Vieler Satz nicht mehr als einpapier- n« Gedanke; den» der König beries und entließ seine Minister nur. wie und wann die Kammer der Abgeordneten deS italienischen Volkes eS verlangte: er war dabei nur der Vollstrecker deS Willens dieser Körperschaft, und wahrscheinlich würde es einen Sturm im Lande entfacht haben, wenn er unter anderen Umstünden von jenem Verfassnngsartikel Gebrauch gemacht Hütte, wie n jetzt davon Gebrauch macht. An Stelle der geschriebenen Verfassung ist eben hier schon lange die ungeschriebene Tradition getreten, die auS dem König ein willenloses Werkzeug der Volksvertretung macht. Als Viktor Emanuel 111. den Tyron bestieg, glaubten manche, er werde sich auf den Geist der Verfassung Wied« besinnen und die Bahnen verlassen, die sein Vater gegangen, um zu denen seines tatkräftigen Großvaters zurückzukehren. Ist die Entlassung des Ministeriums Zanardelli jetzt ein Schritt in dies« Richtung? Wer das glaube» wollte, vergißt, daß Viktor Emanuel 1H. in den vrei Jahren seiner Regierung sich als den konstitutionellsten Fürsten im Sinne der italienischen Tradition gezeigt hat. den nian sich denken kann. Er hat nie auch nur den leisesten Versuch gemacht, den Willen der Volksvertretung zu durchkreuzen, und sich bescheiden zuiückgebalten auch da. wo er hätte schärf« hervortreten sollen. Wie kommt es nun, daß heute alles befriedigt ist über den Gang der Dinge, mit Ausnahme natürlich der Leidtragenden und ihres Anhanges? Wohl hat der König von seinem versassungsmäßtgen Recht, seine Minister abzuberufen, Gebrauch gemacht in einem Sinne, der von der bisherigen Uebuna abweicht; « hat eS sogar getan in ungewöhnlich energischer Wesse, indem er dem Ministe rium deutlich zu verstehen gab. daß es sein Vertrauen nicht mehr habe. Aber er hat damit doch nur getan, was des Volkes Wille war. Wäre die Volksvertretung versammelt gewesen, das Ministe rium Zanardelli hätte noch vor der Reffe des Königs ein Sturm der Entrüstung über die Ablage des Zaren hinweggeseat. Formell liegt affo ei» selbständiger Akt des Königs vor. der mit der konsti tutionellen Tradition nicht im Einklänge ist, tatsächlich ist er doch nur die Aussütnung dessen, was das Volk will. So verliert ec das Aussehen des Ungewöhnlichen und wird von der Mehrheit des Volkes mit Beifall ausgenommen. Die „Tribuna" meldet. Giolitti habe mit dem Führ« der Radikalen Marcora eine Besprechung gehabt, und sich brieflich an den Sozialistensührcr Tnrati gewendet, um sich genau über die Stimmung in den parlamentarischen Kreffen zu informieren. Er werde auch noch mit anderen Parlamentariern sich beraten, um dem König nach dessen Rückkehr nach Rom Mitteilen zu können, ob er die Kabinettsbildung übernehmen wolle. „Popolo Romano" bringt eine inspirierte Darstellung der Vorgänge, die die Zarenreise verhindert haben. Das Blatt erzählt: Nachdem der russische Botschafter Nelidow und der italienische Minister des Auswärtigen Morin die Einzelheiten der Reise bereits wiederholt erörtert hatten, erscheint eines Morgens Nelidow auf der Konsulta, um amtlich anzusragen, ob die italienische Regierung durchaus dafür garantieren könne, daß der Zarenbesuch ohne Zwischenfall verlaufen werde. Morin er widerte, er persönlich könne diese Versicherung nur wiederholen; da man aber eine Antwort in amtlicher Form wünsche, so werde er die Sache dem Premierminister, sowie dem Minister des Innern vortragen und Tags darauf Antwort geben. Tags darauf erklärte Venn auch Morin dem Botschafter Nelidow ami- lich, die italienische Regierung verbürge sich in der absoluteste» Weise dafür, daß das russische Kaiserpaar in Italien und Non« eine überaus respektvolle und herzliche Aufnahme finden werde. Dies befriedigte auch in Petersburg vollauf, denn der russische Minister des Auswärtigen Graf Lamsdorss sagte zu dem ab- reisendcn italienischen Botschafter Morra: „Also auf Wiedersehen in Rom!" Nachdem mehrere Tage vergangen sind, «nährend deren Nelidow und Morin alle Etikettensragen erledigt habe», erhält der italienische Minister des Aeußeren urplötzlich die Mit teilung von der russischen Botschaft, die Zarenreise sei verschoben, und zwar habe der russische Botschafter selbst hierzu geraten, da im Gegensatz zu dem günstigen Gutachten des in Rom gewesenen russischen Polizeidirektors die letzten Berichte der nach Rom ent- sanvten russischen Polizeiagenten etwas zweifelhaft gelautet hätten. „Dies," so schließt vie Note des „Popolo Romano", „ist die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit!" Spanien. Bei der Einweihung eines VolkshciulcS in Barce lona wurde eine republikanische Kundgebung ver anstaltet und machte daS Einschreiten der Polizei erforderlich, die die Ruhestörer zuriickdiängtc. Diese erwiderten mit Steinwürsen Mehrere Personen wurden verwundet. Schweiz. In der Volksabstimmung wurde die von 57 000 Schweiz« Bürgern gelorderte Revision der Verfassung, wonach sür die Bestimmung des Verhältnisses der Vertretung de« Kantone iin Nationalrat nur die Zahl der Schweiz« Bürg« rni« Ausschluß der Ausländer maßgebend sein soll, mrt sehr großer Mehrheit (291061 gegen 93460 Stimmen) verworfen, cbento mit 260 418 gegen N6143 Stimmen das Bundesgesetz betreffend Er gänzung des BnndeSstrasrechls (Bestrafung der Anstiftung oder Dresdner Nachrichten. Nr. 2»8. Sette S.»» Dienstag. 2V. Oktober L»03
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)