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«enntav. Neuer Sammlungsvvrttoß -er Staatspartel Koch Weser lest den Borsitz nieder - Ein Brief an De. Scholz Sie Belksoarlei bleibt bei »er Ablebmmi Berlin» 3. Aug. Der staatsparteiliche Führer Dr. Koch- Weser hat an Dr. Scholz, den Führer der Deutschen Volkspartei, am Freitag nachstehenden Brief gerichtet: „Sehr geehrter Herr Scholzl In den Aeußerungen aus volksparteilichen Kreisen zur Griinbung der Deutschen Staats partei wird nach wie vor die Auffassung vertreten, als hätte dabei die Absicht bestanden, gesinnungsvermandte Kräfte der Deutschen Volkspartei a u s z u s ch l i e ß e n. Diese Meinung wird auf den Umstand gestützt, daß vor der Gründung der Partei keine Verhandlungen mit führenden Mitgliedern der Deutschen Volkspartei stattgcfunden haben. Ich darf dazu er klären, daß ich mich nicht an Sie wenden konnte, weil Sie mehrfach zum Ausdruck gebracht haben, dah Sie eine Verbindung nach links nur unter der Voraus setzung des gleichzeitigen Gelingens einer Verbindung nach rechts eingehen wollten und weil Sie bei Ihren eigenen Bestrebun gen die Volksnationale Reichsveretnigung ausgeschaltet hatten. Bei diesem Stand der Dinge erschiencsmirunpassend, an einzelne Persönlichkeiten Ihrer Partei heranzutrcten, weil ich mir sagen mußte, daß Sie ohne vorherige Auseinander setzung mit Ihrer Parteiorganisation solche Entscheidungen nichl treffen würden. Ich konnte aber auch mit der Durch führung meines Entschlusses zur Einigung der dafür bereiten Kräfte nichtwarten, denn die Zeit drängte, und es bestand nach den mannigfachen Erfahrungen der letzten Jahre die Gefahr, daß der Gedanke einer großen Staatöpartei erneut in denselben langwierigen Verhandlungen der alten Parteien ersticken würde. Darum habe ich mit den dazu bereiten Kräften gehandelt — ein Vorgehen, bei dem ich, wie ich vor- ausschen mußte, auch im eigenen Lager manche Verstimmung erregt habe. Die Deutsche Staatspartci und ich persönlich haben aber alsbald nach der Gründung in mehrfachen Er klärungen bekanntgegcben, daß die Türen der neuen Partei weit offen stehen und Mitglieder auö allen gesinnungsver- wandtcn Kreisen gleichberechtigt an der Bestimmung der Führerschaft und der parlamentarischen Arbeit beteiligt sein werden, wenn sie sich zum Anschluß entschließen. Ichwieder- hole dieses Angebot. Damit komme ich zu dem sachlichen Grunde meines Schreibens: Das deutsche Volk will angesichts der Schwere der bevorstehenden Entscheidungen die Verbindung gcsinniingsverwandter Kreise zu einer großen Staatspartei. Der Kampf um eine handlungsfähige Mehrheit im neuen Reichstag verlangt geschlossenes Vorgehen großer Gruppen. Ich würde cs für ein national-politisches Unglück halten, wenn in diesem Wahlkamps unsere Parteien sich in einem kleinlichen Zank gegenübcrstehen und vielleicht sogar erörtern würden, wer am Scheitern der Einigung schuld ist. Weite Kreise der Wählerschaft wollen keine Erörterung der Schnldf rage, sondern eine Einigung. Ich möchte auf das Eindringlichste daraus Hinweisen, daß die deutsche Zukunft schwer gefährdet ist, wenn die heute bestehende Gelegenheit zu einer Einigung verpaßt wird. Angesichts dieser großen Verantwortung dürfen persön liche Fragen und taktische Meinungsverschiedenheiten keine Rolle spielen. Wenn meine Person im Wege steht, weil ich die Art der Gründung der neuen Partei zu verantworten habe, so bin ich bereit, den Weg freizumachen. Ich schlage Ihnen vor, daß zur Abschaltung aller hemmenden Empfindungen und Empfindlichkeiten hüben und drüben wir beide «ns von der Führung der neuen Partei zurückhalten und sie anderen Kräften überlasten. Ich mache diesen Vorschlag in der Gewißheit, daß bei dem Nebeneinander der beiden Parteien weder Dämpfungs versuche des Wahlkampfes noch gemeinsame Aufrufe und ähn liche kleine Mittel fruchtlosen politischen Zank verhindern werden, sondern nur ein entschlossener Wille zu völliger Neu gestaltung unter weitgehender Heranziehung neuer und junger Kräfte. In der Hoffnung, daß Sie angesichts dessen, was auf dem Spiele steht, die parteipolitische Lage nochmals prüfen werben, bin ich in alter Verehrung Ihr Koch-Weser/ Wie wir höre«, hat in Verfolg dieses seiues Schreibens Koch seine Tätigkeit im Aktionsausschuß be- reitsniedergelegt, «ud an seine Stelle ist der preußische Fiuanzminister Dr. Höpker-Aschoss getreten. » Dieser neue Vorstoß zeigt, daß sich die Staatspartei in ihrer Linksisolierung höchst unbehaglich fühlt. Sie will über alle Widerstände hinweg die Deutsche Volkspartei an ihren Wagen spannen, um sich nach der Mitte hin zu verbreiten, was nichts anderes heißt, als daß sie die Partei Stresemanns sprengen will. Denn nach den letzten Beschlüssen ihres Partciausschusses muß es als ganz ausgeschlossen gelten, daß das Gros der Volkspartet diese von den alten Demokraten gewünschte Ltnksverlagerung mitmacht. Durch die Fort» setzung der Verhandlungen, die Dr. Scholz mit der Wirt schaftspartei und mit den Konservativen angeknüpst hat, zeigt sie im Gegenteil, daß sie eine Anlehnung nach rechts sucht. Die Staatspartet mag sehen, was sie mit ihren Parolen an politischen Kräften in der Mitte sammeln kann. Die Volkspartet aber will ihre national liberalen Grund lagen erneuern und ihr Hell in einer rechtsbürgerlichen Parteiengemetnschaft suchen, deren Front gegen den Marxis mus gerichtet ist und gegen eine Koalition mit den Sozial demokraten, die nach wie vor das Ideal der Mitte bleibt. Das ist der klare Sinn der volksparteilichen Beschlüsse vom Donnerstag, und damit sind der Staatspartet die schönsten Felle wcggeschwommen. Darum setzt sie jetzt zu einem letzten und entscheidenden GtSrungSmanöver an. Sie hofft, mit der Aufwerfung der Führerfrage noch diejenigen Kreise der Volkspartet, die mit der demokratisch-jungbeutschen Partcigründung sympathisieren, zu sich herüberziehen zu können. Dr. Koch-Weser will sich selbst der Sache zum Opfer bringen und sucht mit der Aufforderung zu einem gleichen Verzicht an Dr. Scholz, den Zankapfel in die Rethen der Volkspartei zu werfen. Man sicht aber nicht, warum sich nach dem Rücktritt der beiden Parteiführer die Lage anders gestalten sollte. Nach wie vor handelt es sich darum, ob sich die Volköpartei als Bestandteil der Mitte fühlt und damit als Hilfsmannschaft für das marxistische Machtstreben, oder als der linke Flügel eines vom Willen zu grundsätzlichem Wandel getragenen RechtSblockeS, der über Drewitz, Schiele und Treviranus bis zu Westarp reicht. Die Entscheidung darüber ist eigentlich schon gefallen. Aber der neue staats parteiliche Vorstoß rollt die Frage noch einmal auf. Das Gefüge der Deutschen Volkspartei scheint aber stark genug, um auch diese Belastungsprobe auszuhalten, und den neuerdings wieder stark betonten Charakter als Rechtspartei zu bewahren. Sonst liefe sie Gefahr, bet all der „Sammlung" zwischen den eindeutig liberalen und überzeugt nationalen Parteien, die sich links und rechts von ihr kon stituiert haben, zerrieben zu werden. Die nachfolgende Ant wort führender Bolksparteiler auf Kochs Anregung zeigt jedenfalls, daß Dr. Scholz unter allen Umständen gehalten werden soll, und daß die Parteileitung auch den neuen Lockun gen gegenüber festbletbt. Scholz tritt nichl zurück Berlin, 2. August. Der Brief, den Abg. Koch- Weser an ien Führer der Deutschen Bolkspartet geschrieben hat, findet >n politischen Kreisen außerordentliches Interesse, weil durch den Rücktritt Koch-WeserS von der Staatspartet eine neue Situation geschaffen ist. Bei der Deutschen BolkSpartei stößt aber der Vorschlag, daß auch Dr. Scholz zurücktreteu solle, anf entschieden« Ablehnung. )n führenden Kreisen der DeuUchen BolkSpartei ist man Neinung, Lab Koch-Weser ohnehi ^ . det lg» daß Koch-Weser ohnehin hätte zurücktreten müssen, weil er in den letzten Tagen in steigendem Maße aus seinen eigenen Reihen angegriffen worden sei. Unter diesen Um ständen, so wird uns von führender Seite der Deutschen Bolkspartet weiter erklärt, sei eS doch befremdlich, daß auch der Rücktritt -es Führers der Deutschen Bolkspartet gefordert werde. Dr. Scholz habe noch vor einigen Tagen vom feiner Partei ei» einheitliches und iarkes Vertrauensvotum erhalten, er habe also gar hK kritischen Posten zu verlassen. Sollte seine Person wirklich Schwierig keiten für eine Zusammenfassung machen, so würde er sicher bereit sein, die Parteiführung niederzulegen, wie er es ja auch auf dem Mannheimer Parteitage bereits angekündtgt habe Nach der sachlichen Seite hin hält man e» in Kreisen der Deutschen BolkSpartei dnrchauS für möglich, daß auf Grund des Briefes von Koch-Weser nun zwischen beiden Par. teten B erhandlungen beginnen können, die aber vor den Wahlen kaum noch zur Gründung einer neuen Einheit-. Partei führen dürften. Für eine solch« Lösung sei der Wahlkamps bereits z« weit vorgeschritten. Unter diese« Umstände» ist ans jede« Kall damit ,n rechnen, daß Koch-Weser ans seine« «ries eine bestimmt« «dick«« »»» seiten der Dentsche« Volk»partei erhalte« wird. Kampf um -en Run-funk Es wurde an dieser Stelle schon des öfteren darauf hin» gewiesen, wieviel dem Rundfunk gegenüber noch zu wünschen übrig bleibt. ES mar letzthin von seiner „Ueberorgani- sation " die Rede, von der Gefahr, daß man die Programm gestaltung, also die Seele des Ganzen, noch mehr etnschränken und verstümmeln will, nur, um den kostspielig aufgezogenen äußeren Apparat ja nicht antasten zu brauchen. Eine gewisse Bürokratie sorgt dafür, daß in der Verwaltung keine allzu weitgehende „Nationalisierung" Platz greift. Eine andere, nicht minder große Gefahr droht von einer ganz anderen Sette. Jeder Hörer, soweit er national empfindet oder sich zum mindesten die Unbefangenheit seine» Urteilens gewahrt hat wird schon oft empört gewesen sein über die Dreistigkeit, mit der dieses Volksbildungsmittel in de» Dienst marxistischer, pazifistischer und kultur bolschewistischer Propaganda gestellt worden ist. Im Zorn wird dann wohl der Hörer fortgeworfen oder der Lautsprecher abgestellt, aber — was tut's? — beim Nachbarn vielleicht wird das langsam aber sicher wirkende Gift der Zersetzung als harmlose und wohltuende Unterhaltung gern ausgenommen. Die ungeheuer weitreichende und billige Ver breitungsmöglichkeit öffnet ihm Tür und Tor, und die wenigen Verantwortungsbewußten und Kritischen haben einen schwere» Kampf zu führen. Der nationalen Kreise bemächtigte sich schließlich angesichts des kulturellen Tiefstandes im allge meinen und der anmaßend sich hervorbrängenden Links- tenöenzen im Rundfunk eine gewisse Apathie, man wurde gleichgültig gegenüber dieser Entwicklung, da man sie an scheinend nicht ändern zu können glaubte. Aber schließlich ist mit solch vornehmem Standpunkt deS laisssr kairs, iaisser passsr in unserer robusten Zeit nichts zu schaffen! Wenn dem Gegner nun einmal die Ellbogenpolitik beliebt, muß man ihn mit derselben Taktik bekämpfen. Wen» er versucht, sich ein modernes Volksbildungsmittel, wie es der Rundfunk ist, für seine einseitige Volks-„Aufklärung" zu erobern, und zusehends mit Erfolg, dann darf man dem nicht ruhig zusehen sondern muß aktiv zu Gegenmaßnahme» schreiten. — Wie ist es denn soweit gekommen, daß unsere Sender ein willfähriges Instrument marxistisch-pazifistischer Propaganda geworden sind? Sowohl die Sozialdemo, kratenals auch die K o m m u n i st e n haben sich ihre mäch tigen Hörerorgantsationen geschaffen, die ge trennt marschieren, aber vereint schlagen, indem sie einen un geheuren Einfluß auf die Programmgestaltung ausüben, durch die Nundfunkzensoren, die sie stellen su. a. Herrn Heilmannj alles protegieren, was Schrittmacher der Entpersönlichung is^ und totschweigen und verdrängen, was national und freiheit lich denkt. Es ist bezeichnend, daß bei der letzten Tagung der Reichsrundfunkgesellschaft anläßlich ihres fünf jährigen Bestehens die Aussprache im Zeichen derKlassen« kampf-Forberungeu der Linken stand, baß daS hochpolitische Thema auf der Tagesordnung stand: „Aus wirkung des Rundfunks auf die sozialistische Struktur unserer Zeit", und daß die marxistischen Wortführer, die das Feld beherrschten, die Zusicherung er hielten, daß künftighin bei der Programmgestaltung di« Standes- bzw. die Klasseninteressen stärker als bisher zu berücksichtigen sind! Das sind Sturmzeichen! Und so sind sie denn wohl endlich auch von dem allzu langmütigen Bürgertum gedeutet worden. Endlich rafft man sich dazu auf, auf den groben Klotz einen groben Keil zu setzen, und sich gleichfalls zu „organisieren". Bereits in den nächsten Tagen werben mir Näheres hören von dem Plan, alle nationalgcsinnten Rundfunkhörer — und daS dürfte immer noch die überwältigende Majorität sein! — in einen Schutzverband zusammenzufassen; verlegerische und journalistische Persönlichkeiten der Rcichshauptstadt haben gemeinsam mit Gleichgesinnten im ganzen Lande die nötigen Vorarbeiten geleistet und werden jetzt an die Oeffentlichkeit treten, um sie aufzurütteln zu gemeinsamer Abwehr. Die Notwendigkeit einer solchen Aktion liegt klar auf bet Hand,- nur wird sie sich vor Auswüchsen zu hüten haben, bis ihre innere Berechtigung und ihren Erfolg schmälern könnten. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, irgendwelcher Engherzig keit und Prüderie das Wort zu reden, alles, was echte Kunst, echte Wissenschaft und ehrlich und tief empfundene Meinung ist, muß durch den Rundfunk ungehindert zur Sprache kommen, und zweitens — das hängt damit zusammen! — muß von vornherein jede parteipolitische Ein stellung ausgeschaltet sein. Wir leiben in diesen Wochen sowieso schon allzusehr an den Irrungen und Wirrun gen der Parteischtcksale, der Laie findet sich kaum durch das Labyrinth hindurch; wie unerquicklich wäre eS, wenn all diese Streitereien in den neuen Schutzbund htneingetragen würben! Wenn er seine Aufgabe erfüllen soll, darf er nicht auf solche Weise lahmgelegt werben, sondern in ihm muß das gesamte Bürgertum aller Schattierungen zusammen- wirken, sofern es nur ein gesundes Selbstbewußtsetn hat, um seinen geschloffenen Kulturwillen — im Gegensatz zu jeder Zersetzung und Entpersönlichung — »ur Geltung »« vrtugeui