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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 08.10.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19031008019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1903100801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1903100801
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-10
- Tag 1903-10-08
-
Monat
1903-10
-
Jahr
1903
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 08.10.1903
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sind bezogen, 1 Sch Pflege aus. 38 sind die Diaspora sei ern der Lühe der Verwendungen steht Düsseldorf mit 185061,28 Mark "Iler. Berlin mit 111129.41 Mark an vierter Stelle. Bon den 15 tzauptverrinen haben 13 eine höhere, 1k die gleiche. 17 eine geringere Einnahme gehabt. Preußen hat aufgebrackl 721 288.34 Mart und erhalten S2l03k,60 Mart, da» Deutsche Reich 1445 755,23 Mark bez. 817 403,20 Mark. Den Vereinen fielen an Stillungen 101 673.69 Mark zu. Au» der Totenliste sind zu nennen der Präsident de» Obrrrirchenrat» Dr. Barkbausen. Ober- boiprebiger v. Bilsinger-Stuttaart. Odrr-Konsistorialrat Nvel- Berltn, Superintendent Schrlck-Rosenthal, Prof. Dr. Schultz- Göttingen. Bet der Schilderung der Tätigkeit der Hanptvereine gedenkt der Bericht auch der Unterstützungskasse der evangelisch- lutherischen Kirche Rußlands, welche «Ine Einnahme von l>8 283 Rubel und eine Ausgabe von 121075 Rubel gehabt hat. Al» sichtbare Zeichen der Arbeit werden genannt 50 Einweihungen und 40 Grundsteinleaungen von Kirchen und Belhäusern. 1 Pfarr haus. 6 Schulen, 1 Tiakonisirnhaus (Bukarest), 2 Gemeindehäuser Schule begonnen. 19 Gemeinden scheiden aus der sind neu ausgenommen Aus der Uebersicht über erwähnt, dag Böhmen 1898 23 Kirchen. 28 Geist- ltche, 48 Orte mit PredigtgotteSdirnst und 1902 45 Kirchen und 7 Bethäuirr, 60 Geistliche und 128 Orte mit PredigtavtieSdienst Halle. Auch unter den Tschechen Oesterreichs scheint die Erinnerung an die evangelische Vergangenheit zu erwachen. Be sonder» leidet dort das evangelische Schulwesen. Denn indem der Staat die Schule konfessionslos, tatsächlich aber katholisch machte, maßten die Piotestanlen. wenn sie ihre Schulen erhalten wollte», die Lasten sowohl für diese wir auch für die öffentlichen Schulen tragen. Unter solchem Truck hat Schlesien nur noch 4, Kärnten nur noch 2 protestantische Schulen. Hille bleten die in Schlesien eingerichteten Sammcluätten für de» Religionsunterricht. Not wendig ist die Erhaltung der evangelischen Seminare in Bielitz für Deutsche und in EzaSlau für Tschechen. In Wien, Prag und Bielitz sind neben Gallncukirchen Diukonissenhänter begründet, weiche aber die Nachfrage nach Schwestern nicht befriedigen können. — Heute vormittag um 10 Uhr beginnt in der 1. Etage des Grundstückes Prager Straße 28 eine hochinteressante Schaustellung, die Vorführung einer mechanilch-a st rono mischen Welt- Uhr. die von dem Villmger Uhrmacher Herrn August Noll in fünfjähriger Arbeit mit einem Auslagcnauswande von 24 000 Mk. gebaut wurde. Die Uhr ist, wie sie dastcdt, 3 Nieter 75 Zenti meter hoch. Das reich ornamentierte Gehäuse aus gebeiztem Nuß- baum stammt aus Schwentngen und die künstlerischen Holzfiguren sind in Horb geschnitzt, alles Schwarzwälder Arbeit. Ist doch ans dem badischen und würtlembergischen Schwarzwald, in Schramberg. Schwentngen, Billingen, Tnberg und Jurtwangen die Uhie»- indnstrie heimisch: vom kleinsten Jockele bis zur prächtigsten Kunstlchr im Salon des Millionärs gehen ihre Erzeugnisse tu alle füns Weltteile. Auch dir hier »usgcstellte W e l t - U h r ist ein bedeutendes Kunstwerk, das den Beifall und die Freude, die Bewunderung und Anerkennung von Loten und Kennern finden wird und daS der berühmten Uhr im Straßburger Münster in nichts Nachsicht. Die Uhr stellt die Vorderansicht einer schönen Kirche mit Portal und Seitenhallen dar und ist jo berechnet, daß sie hundert Jahre tadellos sunklionirrt. Während dieser Zeit zeigt die Uhr nicht nur die Sekunden, Minuten, Vterrelstunoen und Stunden, Tage, Wochen, Monate und Jahre, sondern auch die beweglichen Hauvtseste der Christenheit, unter Berücksichtigung der Schalttage. Am Mittelbau des Werkes führen Stufen zu einem Kirchenportal. Vormittags Punkt 9 Uhr öffnen sich dessen Pforten, und man sicht hinein in das Innere des Gotteshauses, rn dem sich Andächtige m Schwarzwälder Tracht bewegen. Ein feierlicher Choral er tönt aus dem Hintergründe. Ueber dem Portal im Rundbogen befinden sich vier Oelgemälde. In der Nacht zum 25. Dezember tritt das Bild mit der Geburt Jesu in feinen Rahmen, und die Musik spielt in vollen Tönen die Arie: „Stille Nacht, heilige Nacht". Dann wechseln die Bilder wieder am Charfrcitag, zu Ostern und Pfingsten. Weiter sieht man rechts und links vom Pottal in meistcrh " Im ganzen Mittelbaues Stunden und Minuten anzeigend. Gelungene GngelSstm beiden Seiten geben auf Glocken die Zeichen der Stunden und Minuten. Zwischen Testbildern und Zifferblatt wechseln Datum und Namen von Tagen und Monaten, ebenso die Jahreszahlen. Rechts und links der Engelsfiguren sieht man einen Nachtwächter mit Hellebarde und Horn und einen Trompeter, während mehr im Hintergründe ein Hahn und ein Kuckuck ausgestellt sind. Ter Nachtwächter tutet in der Nacht von 10 bis 2 Uhr die Stunden, während der Trompeter nur einmal im Jahre, in der Silvester nacht um 12 Uhr, ein herrliches, von dem Musikwerk begleitetes Lied svwlt. Der Hahn kräht früh und nachmittags um 3 Uhr si'in Kikeriki, und der Kuckuck ruft jedes Jahr von Frühlinas Anfang bis Ende Juli täglich dreimal sein frisches: „Kuckuck". Aus der Linksseite des Kunsttvcrkcs sitzt unten auf einem Thron eine icköue geschnitzte Chnstusfigur. Mit jedem Stunvcmchiage Minen sich rechts und links vor ihr die Türen, die zwölf Apostel schreiten heraus, neigen das Hanpt. empfangen den Segen und verschwinden wieder. Nur JudaS, der Verräter, geht trotzig vorüber, lieber diesen Bildern sieht man in einer Nische das Skelett des TodeZ. Mit dem Viettelslundenicblag tritt vor ihn bin ein Kind, mit dem Halbstundcnicblag ein Jüngling, mit dem Dreivikttclscblage ein Mann und mit dem vollen Schlage endlich ein Kreis. Vor ihm hebt der Sensenmann zweimal seine Hippe zum Zeichen, daß der Meirich nun unabänderlich reis ist zum Grade. Ein sinnige« Gegenstück in der Darstellung der Haupt- sluscn des menschlichen Lebens sind ans der rechten Seite die vier slakreSzeiten. Am 21 März erscheint eine Jungfrau, mit frischen Blumen bekränzt, als Bild des blütenreichcn Frühlings. Sie macht am 21. Juni einem i» Bancrutracht erscheinenden Manne Platz, der mit Sichel und einem Bund goldener Archen den Sommer versinnbildlicht. Beim Herbstanfänge erscheint eine flei ßige Winzerin und am 21. Dezember ein Greis, das Bild des Winters. Während so hier die Jahreszeiten vorüberzichen. wan dern damnter an jedem Morgen und Abend mit den, 6. Glocken- icdlage 6 ernst dreinschauende Kapuzinermönche beiend zur Kircde. Während des Umzuges ertönt seicrliches Glockengeläute und dazu erschallen die gemessenen Akkorde ciucs Chorals. Diese Gruppe macht einen tiefen Eindruck. Endlich ist am Fuße des Kuiist- wcrles ein astronomisch richtig gehendes Tcllurium ausgestellt. 9m ganzen birgt das Uhrwerk im Innern acht Triebwerke. Das Hauptuhrwerk arbeitet mit konstanter Kraft, ein Ausziehen ist jähr lich nur einmal erforderlich. Die Berechnungen für das Kalcnder- >ahr sind sür 100 Jahre hinaus getroffen. Das ganze Werk wiegt 52 Zentner. Für die Besucher ist es zu empfehlen, daß sie immer etwa 10 Minuten vor dem Stimdewchlag erscheine»: das ganze Werk funktioniert dann von selbst und bietet viel des Interessanten. Anssührltcke Erklärungen finden vormittags nm 10, 11 und 12 Uhr, nachmittags um 3, 4. 5. 6 und 7 Uhr statt. - Aus Antrag der Hamburger Kriminalpolizei ist hin Kaufmann namens Schmitz verhaftet worden, der mit Ehefrau und der 16>ührige Tochter eines Hambinger Kaufmanns flüchtig geworden ist, nachdem er die Frau durch die unwahren Angaben, er sei Offizier und Besitzer eines Vermögens von meh reren Hunderttausend Mark, überlistet hat. Gegen Schmitz soll das Strafverfahren wegen Entführung eröffnet werden. Gesellschaft, die Sänger, Tänzer, Mimiker, Gitarristen vereinigt, statt. — DaS gegenwärtig im Avollotbeater zur Auffüh rung gelangende Programm bietet allabendlich reiche Abwechs lung. das schneidige Damen-Ensemble Hammonia, sowie sämtliche Spezialitäten werden nur noch kurze Zeit verbleiben. — Der Bezirks- und Bürgerverein DreSden-Friedrich- stadt veranstaltet am 14. 5. M. abends 8 Uhr im .Krystall- valast", Schäterstraße 45, ein „Jahrmarktsfcst in Jrtedrichstadt" mit großen Attraktionen. — In dem Annastifte «u'Schweifershain bei Waldheim finden konfirmierte Mädchen aus ländlichen Familien Unterricht in Haushaltungsarbeiten, weiblichen Handarbeiten und in FortbildungSsächern. Der Unterricht beginnt Ostern und dauerst in der Rege! ein Jahr. Die Aufzunehmcnden dürfen nicht unter 15 und nicht über 22 Jahre zählen, sie müssen gesund und sein. Blutarme Mädchen pflegen den körperlichen und 'sen zu sein. Das Ostern 1904 ab bezahlen. 4. No Bewerbungen um eine dieser Stellen des kräftig .... , .. geistigen Anforderungen der Anstalt nicht gewachst Ministerium des Innern, welches die den Zöglingen deS Stifts gebotenen Vorteile weiter zugänglich machen und zu gleichem Vorgehen an anderen Orten anregen möchte, wird für vier dazu Geeignete, würdige und bedürftige Mädchen aus verschiedenen Landesteilen das Unterrichts- und PflcgxZeld auf ein Jahr von >nd blS zum 15. Movember 1903 „an die Leitung deS Anna tists, Herrn Pfarrer Rost in Schweikershain bet Waldheim", christlich zu richten, und zwar unter Beifügung der nötigen Papiere, als Tauf-, Impf- und Konfirmationsschein, ärztliches Gesundheitszeugnis, vom Ortsgeistlichen ausgestelltes Zeugnis über das sittliche Wohlverhalten der Bewerberin und Zeugnis der Gemeindebehörde über die Bedürftigkeit der Bewerberin. Schwurgericht. In einer geheimen Sitzung wird gegen den aus Overoderwitz gebürtigen, in Neichenberg wohnhaft gewesenen Handelsmann Karl Heinrich Meuiel wegen Notzucht und StttitchkeltSverbrecheiiS nach 8 176,3 des Strafgesetzbuches ver handelt. Der Angeklagte vergewaltigte ein noch nicht 14,ähriges Mädchen und wird unter Ausschluß mildernder Umstände zu 4 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt. Die Anklage vertrat Staatsanwalt Dr. Gerhardt, während die Ver teidigung in den Händen deS Rechtsanwalts HanS Kvhlmann lag — Landgericht. Wegen Betrugs haben sich vor der 2. Strafkammer zu verantworten der 1875 in Bernau geborene Koch Karl Emil Paul Vielecke und der noch unbestrafte Versiche- rungs-Jnspektor Ernst Paul Lerche. B. wird vom Gericht als gemeingefährlicher Gewohnheitsbetrüger bezeichnet und ist am 21. September d. I. vom gegenwärtig tagenden Schwurgericht wegen schwerer Urkundenfälschung und Rückfallbetrugs zu 1 Jahr 6 Monaten Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt worden. Anfang April trafen sich die Angeklagten in einem Pieschener Gasthause und beschlossen, den Wirt um 30 Mk. zu erleichtern. Beide schlossen ein Schcingeschäft über ein Regal im Werte von 30 Mk. ab. L. hatte zwar nichts zu verkaufen, allein Bielecke erklärte sich bereit, als Käufer sofort 30 Mk. zu zahlen, wenn er nur nicht sein Geld daheim „vergessen" hätte. Der Wirt zahlte auf Ansuchen an Lerche die 30 Mk., erhielt aber nichts wieder, während die Betrüger die Beute teilten. Vielecke betrog im April und Mai Uhreirhäiidler in Kötzschenbroda und Dresden um Uhren, Ketten und Ringe im Werte von 330 Akk. unter der falschen Vor- spiegelung, es werde ihm demnächst eine Erbschaft und eine Hypothek ausbczahlt. In der Nacht zum 17. Mai machte B. in Dresden die Bekanntschaft zweier Mädchen, fuhr mit ihnen mittels Droschke in ein Cafs. flüsterte der einen süße Worte ins Ohr und bewog sie zur Heraabe der Uhr, welche der Galan beim Kellner verpfändete, worauf er vom Erlös Zeche und Troschkenfahrt be zahlte. Auf der Heimfahrt erzählte B. dem Kutscher, er komme vom Nennen und habe 500 Mk. am Totalisator verloren: füi ein Darlehen würde er sich sehr erkenntlich zeigen. Der Kutsche: traute dem noblen Herrn und borgte ihm 20 Mk. auf Nimmer wiederschen. B. ließ sich vor einer Weinstube absetzen, trat ein, borgte der Wirtin 20 Mk. ab, vergeudete das Geld in der Frohn- '"e, gab sich dort als königlicher Küchenchef aus und prellte Nieherin eines bezog er, obwohl ' W um 36 Mk. Darlehen. Am nächsten „^yeiralet, als Garyön ein möbliertes irtin 14 Mk. und von einem ihm fremden die ^ Tage . „ . Zimmer, lieh von der Mädchen einen goldenen Nina und verschwand. Er wird zu einer Gesamtstrafe von 5 Jahren Zuchthaus, 1350 Mk. Geldstrafe oder weiteren 180 Tagen Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust ver> urteilt, während Lerche mit 2 Monaten Gefängnis davonkommt — Wegen Kuppelei hat sich in geheimer Sitzung die Hausbesitzerin und Zimmervermieterin Bertha Auguste Bormann geb. Türke aus Ossa zu verantworten. Das Urteil lautet auf 2 Wochen Gefängnis. Herzog DaS neue englische Kabinett und Chamberlain. Der Rücktritt des Herzogs von Devonshire vom Vor- sitz im Geheimen Staatsrat ist tatsächlich gleichbedeutend mit seinem Ausscheiden aus dem Kabmett, da er diesem lediglich in seiner Eigenschaft als Präsident des Privy' Council ohne sonstiges Portefeuille angehört hat. Um den Herzog von Devonshire im Kabinett zu erhalten, wurden von Balfour die größten Anstrengungen gemacht. Der Herzog hatte schon gleich- zeitig mit Ritchie und dem Lord Hamilton ausscheiden wollen, allein er blieb, als er von Balfour erfuhr, daß Herr Chamberlain ebenfalls um die Entlassung angesucht habe, eine Nachricht, die Herr Balfour den anderen beiden freihändlerischen Ministern, die er los zu werden wünschte, bekanntlich vorenthiclt. Balfour er klärte damals dem Herzog, er würde mit dem ganzen Kabinett zurücktreten, wenn der Herzog sich der Opposition gegen die Zoll politik der Regierung anschließe. Ter Herzog semerseits stellte für sein Verbleiben die Bedingung, daß die Regierung keine schritte unternehme, die nach seinem Dafürhalten gegen die Grundsätze des Freihandels verstoßen. Die Erkenntnis, daß diese Bedingung nicht eingehakten worden ist, kam dem spät, aber sie kam ihm doch. In dem rekonstruierten Kabinett ist keine einzige Persönlichkeit, an welche man irgendwelche Erwartungen an knüpfen könnte. Selbst daß Austen Chamberlain 'schatz- kcmzler geworden, ist, wie die Dinge liegen, recht gleichgültig. Solange Devonshire im Kabinett verblieb, mochte es für den alten Chamberlain sehr wichtig sein, in diesem seinen Sohn und Sekretär als Vertrauensmann sitzen zu haben, was die Gegner des Alten auch gegen die Kandidatur des Sohnes geltend machten: nachdem der Herzog gegangen, könnte sich für Austen die neue Würde leicht nur als cm Danaergeschenk erweisen. Einen gewissen pikanten Hintergrund scheint die Ernennung Brodricks, des bisherigen Kriegsministers zum Staatssekretär für Indien zu haben. Es soll, wie englische Blätter mittciltcn, König Eduard selbst gewesen sein, der darauf drang, daß Brodrick das Kriegsporteseu.lle ab genommen werde, während Balfour es ihm lassen wollte. Nach dieser Version wäre also der .König mit seinem Willen durchs gedrungen, was angesichts der Stellung, welche die englische Ver fassung dem Monarchen in diesen Angelegenheiten zumeist, Beach tung verdiente. Brodricks Nachfolger ist der bisherige Parla- mentssekrctär des Marineamtes Arnold Fester. Foster hat sehr viel guten Willen, aber er dürfte als Kriegsunnistcr in seinen Maßnahmen ebenso wenig durch Sachkenntnis beeinflußt werden, wie als Parlamentssckretär in seinen Reden. Alfred LYttlcton, der Nachfolger Chamberlains, ist in England nicht unbekannt. Wenn auch bisher noch nicht als Politiker, so Hai er sich doch als Sportsman schon in hervorragender Weise ausgezeichnet. Als liberaler Unionist wurde Lyttlcton zum ersten Male im Jahre 1895 von Leamington ins Parlament entsandt. Ein fast ebenso bekannter Sportsman wie Lyttlcton ist der Hon. Andrew Graham Murray, bisheriger Generalvroknrator für Schottland, der als Mitglied hervorragender Golsklubs ein gut Teil Geschicklichkeit in das Kabinett mitbringcn mag. Wenn also nichts anderes, so wird man von dem neuen Ministerium Balfour doch mim bestens „guten Sport" zu sehen bekommen. Chamberlain beginnt inzwischen bereits die Bearbeitung der Wähler in schutzzöllnerischem Sinne, und zwar, wie es von einem Manne seines Schlages erwartet werden darf, in einer selbst für England außergewöhnlich energischen Weise. Er hat in der Kongreß-Straße in Birmingham ein großes Fabrik gebäude gemietet und dort eine Druckerei eingerichtet, mit Buch binderei und all den Industrien, die dazu gehören, um Broschüren, Flugblätter, Rundschreiben usw. in Massen vollständig herzustcllen. Mt diesen sollen ganz Großbritannien und die Kolonien über schüttet werden. De Druckerei arbeitet Taa und Nacht und 60 Mädchen sind „vorläufig" airgestellt, »m die Adressen zu schreiben. 50 Männer machen die Drucksachen versandfähig und 50 andere besorgen die weitere Verpackung, sowie die Beförderung zur Bahn und zur Post. Chamberlain, der alles in den Hauptpunkten selber angibt, muß natürlich noch unzählige Briefe diktieren, manche "rend Besprechungen obhalten sprechen. Das ist eine igteit, der woyl nur wenige gewachsen sind, umso weniger, wenn sie noch dabei schwer an Gicht und Rheumatismus leiden, wie der Exministcr. Welche bizarren Wege die Propaganda manchmal wandelt, geht aus dem Schreiben eines bedeutenden Whiskyfabrikanten hervor, der sich an Chamberlain mit der Frage wandte, ob er auf seine Flaschen nicht einen Zettel mit den Motten: „Unterstützt die ^iskalrcform" kleben solle. Die Antwort war: gesichert. Ueber 60000 Karten waren »ur GlaSaower Versamm- lung verlangt worden. Die dortige Andreas-Halle saht aber nur 5000 Personen. Eintrittskarten wurden daher in London zum Preise von 40 Mark gehandelt. Hunderte von Personen waren in Birmingham auf dem Bahnhose, um Chamberlain nach Glas ow abfahren zu sehen. Chamberlain erhielt beim Beginn seiner ltede eine enchusiastijche Ovation von den Zuhörern und nahni dann das Wort wie folgt: Er fürchte firn nicht davor, nach Glasgow zu kommen, um freie Einfuhr zu bekämpfen und Vor- ugszölle zu predigen: dies fei keine PatteiversMnmlung. und er »ehandle keine Parteifrage, er fei kein Parteiführer mehr, sondern ein Außenstehender, er halte jedoch noch loyal zu der Partei, aus deren Führer Balfour jeder stolz sein könne, er stimme mit Bal- fours Prinzipien und seiner Politik überein und bewundere seinen Mut und scme Gewandtheit unter bedenklichen Schwierigkeiten Wiederholt hob Chamberlain seine unerschüttette Freundschaft zu Balfour hervor und erklärte dann, das Land müsse für die fiskalische Frage erzogen werden, wie er selbst dafür erzogen werden mußte. Der Kamps, aus den er das Land vorberciten wolle, würde im Falle der Niederlage den Verlust des von chm unter den Nationen eingenommenen Platzes zur Folge haben; der Handel Englands stagniere seit 30 Jahren in der Tat. Dev britische Export sei um 20 Millionen Pfund gewachsen gegm 110 Millionen der Union und 56 Millionen Deutschlands, auch der Charakter des britischen Handels ändere sich, indem der Export von Fabrikaten geringer würde, der Import zunähme. Die britischen Exporte an fremde Länder hätten jährlich um 46 Milli- onen Pfund abgenommen, doch die Expotte an die Kolobicu hätten um 40 Millionen Pfund zugcnommcn. Der koloniale Handel sei ein höchst wichtiger und wertvoller Posten. Die briti schen Importe von fremden Ländern seien in den letzten 30 Jahren von 49 auf 163 Millionen Pfund gestiegen. Wenn der koloniale Handel im Wachstum nicht mit der Aoncchme des auswärtigen Handels und der Zunahme der Bevölkerung Schrill halte, würde England zu einer Nation fünften Ranges herabsinken und das Schicksal der orientalischen Reiche teilen, doch er glaube nicht an den Untergang des Sternes Englands und die Torheit des briti schen Volles. (Lauter Beifall.) Er schlage vor, emen Zoll von 5 Proz. auf freund es Fl eis ch und Molkereiprodukte mit und den Kolonien eine wesentliche Früchte zu gewähre«. Er uraÄe /T des Zolles auf Tee und nur die Hälfte des Zuckerzollcs zu erhöhen und eine engprechende Herab setzung des Zolles aus Kaffee und Kakao einlreten zu lassen. Tie neuen Zölle würden die Ausgaben des ländlichen Arbeiters um 16sh Jarchmg wöchentlich und die des Handwerkers um 19>/a Farthing erhöhen, aber der Betrag würde sich durch Aufhebung der Zölle für den ländlichen Arbeiter auf 17 und für den Hand werker auf Illsch Farthing stellen. Des sei die Voraussetzung, daß der gesamte Zoll von den Konsumenten gezahlt werde: aber er glaube, daß der Zoll hauptsächlich von dem Auslande gezahlt werden würde. Nach seiner Schätzung würden die Minderein nahmen des Schatzamtes 2800000 Pfd. St. jährlich betragen, aber er schlage vor, das wieder einzubringen durch eine Maß regel, die manchmal Vergeltung, manchmal Reziprozität genannt wird, nämlich durch einen Zoll von 10 Prozent auf fremde Manufakturwaren. Dieser Zoll würde 9 Millionen ergeben, die er, wenn er Schatzkanzler wäre, dazu verwenden würde, den Ausfall von 2 800 000 Pfd. St. zu decke en und eine weitere Er mäßigung der Nahrungsmittelzölle und der übrigen Zölle, die das Land belasten, eintreten zu lassen. Zum Schluß seiner Rede erklärte Chamberlain, er kämpfe sür das Reich und bitte das Land, nichts zu tun, was auf einen Zerfall des Reiches hinarbeiten könnte. Es ist ein sehr kluger taktischer Schachzug von dem schlauen Juchs Chamberlain, daß er Herrn Balfour einfach in einer Fülle von Komplimenten erstickt, ihn „tot lobt" und so Herrn Balfour öffentlich für sich reklamiert, nachdem Balfour sich bis jetzt nicht hat entschließen können, seinerseits daS entscheidende Wort zu gunsten Chamberlains auszusprechen. Chamberlain erklärt nun vor aller Welt: „Balfour ist ganz mein Mann'." und fesselt ihn dadurch an seinen Triumphwagen, sodaß er im Siegeszuge Chamberlains mitgerissen wird, er mag wollen oder nicht. In der Besprechung der Rode Chamberlains findet der „Standard", daß seine Gründe schwankend und viele seiner Voraussetzungen hypothetisch und unbewiesen seien. — ,,Daily Mail" meint, der Irrtum in Chamberlains Plan sei sein Vor schlag, beide Teile feines Programms zugleich anzuwendcn. Das Blatt glaubt, daß die Steuer auf fremde Manufakturwaren der Steuer auf Nahrungsmittel vorausgchen müsse. — Die „Morning Post" hält den Plan für billig, einfach und aus führbar, und glaubt, Chamberlain sei es bestimmt, die Annahme seiner Politik viel früher zu sehen, als das Volk und das Reich es annähmen. — „Daily Chronic! e" führt aus, für jedes Pfund, das in den Staatsschatz nach dem Plane Chamberlains fließt, würden zwei Pfund aus den Taschen der Bürger genommen. Was die Wicdervcrgeltung betreffe, so zeige die Rede eine große Abweichung von der Rede Balfours in Sheffield, denn Balfour sage, er wünsche nur ermächtigt zu werden, von Zeit zu Zeit Vergeltung zu übcn, während Chamberlain auf einem Geuernltarif bestehe, der für seinen Plan notwendig sei. Es hieße die Kolonien arg schwächen, wenn er sage, daß sie sich vom Muttcr- lande trennen, wenn der englische Arbeiter Einwendungen erhebe, daß seine Nahrungsmittel zu deren gunsten besteuert seien. — „Daily News" führen aus, cs sei unmöglich zu sagen, wie Chamberlain sich die Idee in den Kopf gesetzt habe, daß die Kolo nien von dem Mutterlande sich trennen, wenn man nicht die Nahrungsmittel besteuere. Memals hätten die Kolonien der- nrttges geäußert. Beide Blätter, „Darin Chronicle" und „Daily News" meinen, Ehambcrlams Ansprüche in dieser Beziehung seien die schärfste Verurteilung seiner Kolomalverwaltung. >en Tat! eS wird „Ja", unter gleichzeitiger Anerkennung der „patrroti Jetzt heißt es wieder: Chamberlain hilf! Uw ihm wohl gelingen, die öffentliche Meinung von dem trübseligen Bilde schwankender Personen, wie sie das neue Kabinett aufwcist, abzulenken auf seine stählerne und zugleich elastische Persönlichkeit. Er brauchte für seine erste große Agitationsrede in Glasgow keine Reklame der Art, wie sie Londoner Blätter mit der Behauptung trieben, Kaiser Wilhelm habe sich mittels besonderer Einrichtungen die sofortige Ucbcrmittlung des Textes Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Ueber die Antwort, die der ReichSschatz- sekretär dem Vorstände deS Verbandes Deutscher Ban k- beamtenbei seiner nculichcn Audienz gegeben, berichtetdie »Preuß. Korr.": Staatssekretär Freiherr v o n Stengel äußerte sich ln seiner Antwort beiläufig wie folgt: Er bemerke zunächst, daß sür sein Ressort sa nur die Umsatzsteuer«» Frage komme, während die eigent lichc Börsen ge ietzgebung in das Ressort des Reichsamts des Innern falle. Es sei auch ihm recht unerwünscht, daß die Umsätze an den Börsen in solchem Maße zurückgcgaiigen seien. Er persön lich sei aber der Meinung, daß sür den Rückgang des Verkehrs nicht allein die Börsen- und Börsensteuergksetzgebung verantwortlich zu machen sei, sondern daß auch die allgemein ungünstige Wirt tchaftliche Lage der letzten Jahre daran die Schuld trage. Es sei die Lage der Börse in anderen Ländern, in denen eine solche Gesetzgebung nicht bestehe, zur Zeit auch sehr unbefriedigend. Tic Herren Anwesenden könnten aber überzeugt sein, daß diese Frage mit Sorgfalt und Wohlwollen geprüft werde, und er persönlich sei. soweit sein Einfluß reiche, gern bereit, die auf möglichste Beseiti gung bestehender Mißstände gerichteten Bestrebungen zn unter stützen. Speziell dem Reichsschatzamte könne es nicht gleichgültig sein, daß die Erträgnisse der Börscnsteuer so gesunken seien. Der gegenwärtige Zustand sei für die ReichSsinanzen sehr bedauerlich, unv Io gingen hier die Interessen der zunächst beteiligten Kreise mit denen der Finrinzverwaltuna in gewissem Sinne Hand i» Hand. Mit der nochmaligen Versicherung einer durchaus wohl wollenden und gründlichen Behandlung der ganzen Angelegenheit endete die Unterredung. — Die „N. Pol. Korr." teilt mit, es sei mit Sicherbeit anzunchmcn, daß dem nächsten Reichstag der Ent wurf einer Novelle zum Börsengesetz zugchen werde. Auf dem Deutsch-sozialen Parteitag in Hamburg sprach anr zweiten Tage zunächst der Vorsitzende des Deutsch- nationalen Handliinqsgehilfen-Verbandes. BürgerschaftSmitglied Schack-Hamburg über „Die Nationalsozialen und der Liberalis mus". indem er die Fusion mit der Freisinnigen Vereinigung scharf kritisierte. In der Debatte empfahl Dr. Klans-Kiel, nach dem Muster der friesischen Inselbewohner Gott um einen gesegneten Strand zu bitten und von den Planken deS national-sozialen Schiffe? so viel als irgend möglich für die Deutsch-soziale Partei heranzuziehen. — Liebermann von Sonnenberg bemerkte hierzu: Nun werde man gewiß in der Presse von den „antisemitischen Strandräubern" sprechen (Heiterkeit), aber eS sei doch nicht zu ver kennen. daß die National-sozialen seiner Zeit auch bei den Anti semiten Strandräuberel getrieben hätten, und daß gegenwärtig auch alle anderen Parteien bei den National-sozialen ebenfalls auf Ucberlaufer fahndeten. Aus diesem Grunde stimme er dem Vor redner durchaus zn. ffcranf Oberamtsrichter Brandts- Dresdner Nachrichten. Rr. 27«. Sette 3.»» Donnerstag. 8. Oktober 1»«»
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