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91. Jahrgang. AL 210. Drahtanschrift: Nachrichten Dresden. Fernsprecher-Sammelnummer: LS »41. Nur für NachigrsprLche: »0011. L8SV »- . /5 -77S//VE-4V/ /^/-/77S ^^/-LV70^/ MF Donnerstag» 2. August 1917. ^ Echriflleitung und Hai AgeschSftsstell»: Marienstrafte 28 4». Druck u. Verlag von Liepsch L Sieichardt in Dresden. »lertelllhrNch in Dresden und varorten bei Meim-Iiger Zulraaun, <an S-nn- und Montagen nur l yfriZoinon.Nnoiso Di- -inspal,ige Zeile l-iwa S Silben» U Pf., Borzua,Mtz« u. «n,eigen in Nummern muh a-nn.n. «imnalj lewie bet einmaliger Zustellung durch die Pos! (ohne B-slellgeidl S SO M., monatlich I. r» M. I Lbli^uibjui i forec^e. g,jer,„gen i!. Toris. 20»/o Teuerung«zuschIag. — Auew.AuIir. geg. Borau Nachdruck nur mit deutlicher Quellenangabe «„Dresdner Nachr."> rulillig. — Unverlangte Schrisistllcke werben nicht ausbewahrt. . Borauedezahl. — B-iegbl. 10 Ps. kstsnkis-Lsknmuncluissser:: Kslvkvrm-Lsknossts Vs ssnä naek Königl, ^ok-Apotkelrs, Dresden, Lsorgentvr. Vsrssncj NÄLti Luswärts. Der Bormarsch auf Czernorvitz. Weiterer VeiSndegewinn in Lstgaiizien und der Bukowina. — Blutige Disziplin im russischen Heere. — Der russische Arbelter- vud Soldatenrat und die Friedenssrage. — Frankreich und der „Berstiindiguugssriede". — Der Reichskanzler in Wien. Der deutsche Abendbericht. «erlin. 1. August 1917, abends. lAmtlich. W. T. B.j Auf dem Gchlachtfelde in Flandern hat sich «ach ruhigem Morgen der Feucrkamps nachmittags wieder ge steigert. , Im Oste« wichtig« Fortschritte i» Richtung aus Czernowitz. Lesterrelchlsch-ungarlscher Kriegsbericht. Wie«. 1.> Augvst. Amtlich wird verlautbart: festlicher Kriegsschauplatz. Nördlich des Casiuu-Tales brachen abermals hef tige Angriffe des Feindes zusammen. Das Szekler Iu- fanterie-Regimcut Nr. 8L kämpft hier mit bewährter Kraft. Fm Gebiet derDrciländerccke gingen unsere Truppe« überraschend gegen die vo« den Russe« defekte Höhe vor. Der Gegaer «nrde geworfen. In der südlichen Buko wina find wir im Nordringe« auf Kimpolung. Süd westlich und nordwestlich von Ezernowitz wurde er neuter. durch Gegenstöbe gestützter Widerstand des Feindes in heftigen Kämpfen gebrochen. Die Russen weichen. Auch im Mündungöwinkel des Zbrucz erzielten die Verbün dete« weitere Fortschritte. Italienischer und Balkan-Kriegsschauplatz. Unverändert. l«. T. B.f DerEhesdeS Generalstabs. Balsourr „Friedens»»!". Die russische Formel „Ein Friede ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen" labt die Politiker des Vielvcr- bandeS nicht zur Ruhe kommen. In den Geheimsitzungcn der französischen Kammer hat cs deswegen bereits einen gewaltigen Sturm gegeben, über dessen Ursache die Ent hüllungen des Reichskanzlers Dr. Michaelis bctrcsss des französisch-russischen Geheimvcrtragcs Helles Licht ver breitet haben. Nunmehr ist auch die englische Regierung im Nnterhause gedrängt morde», sich über ihre Politik hinsicht lich der Annexionen zu äuhcr» und darauf hat der Minister des Auswärtigen Balsvur eine ausführliche Antwort er teilt, die ihn als Meister der Kunst'zeigt, mit vielen Worten nichts zn sagen und das Wesentliche zu verschweigen. Bal- four verfügt über eine erheblich andere Art der staats- männischcn Bcredtsamkcit, als diejenige ist, die wir bei Lloyd George gewohnt sind. Er vermeidet volltönende Phrasen und gehässige Angriffe gegen die feindlichen Mächte, geht vorsichtig abtastcnd Satz für Satz vorwärts und binter- läht am Ende bei seinen Hörern und Lesern die Empsin- düng, dab sic genau so klug sind wie am Anfang. Eine be stimmte englische Unart, die im britischen Volkscharakter tief begründet ist, vermag er allerdings auch nicht zu ver leugnen: wie alle englischen Staatsmänner und Politiker ohne Unterschied huldigt auch Valfour der Gewohnheit des „oant", jener eigenartigen heuchlerischen Sucht aller Eng länder, das Britentum als das auSerwähltc Volk der Erde hinzusiellen, das in seinem ganze» Tun und Lassen alle Moral und Gerechtigkeit der Welt vereinigt, so dab schon jede einfache Anzweiflung dieser höheren Bestimmung der britischen Nation als unerlaubt erscheint und vollends ein Angriff auf dos geheiligte britische Land und Volk, und sei er auch durch das Gebot der höchsten Notwehr hcraus- geforücrt, nach dieser Ausfassung ein fluchwürdiges Ver brechen an der gesamten Menschheit darstcllt. Den Eng ländern selbst dagegen ist alles erlaubt, und wenn sie gegen andere etwas verüben, worüber sie, falls es gegen sie selbst gerichtet wäre, Zetcrmordiv schreien würden, so handeln sic ganz selbstlos und uneigennützig und rufen immer die Ztbiltsation, Kultur und Menschlichkeit als Zeugen für ihre «höheren Ideale" an. Nach diesem Rezept ist auch Valfour in seiner „Frlc- denSrede" verfahre». Er versichert pathetisch, mit der groben Geste heuchlerischer Selbstgefälligkeit, dab England nur um solcher Ziele willen in den Krieg gezogen sei, an deren Selbstlosigkeit niemand, -er die öffentliche Meinung -eS Landes kenne, zweifeln werde, und er erhofft einen dauernden Friedenszustanü von dem Wachsen der natio nalen Moralität. Ohne moraltriescnde Ergüsse geht cs nun einmal bei britischen Staatsmännern nicht ab. aber keiner kommt auf den naheliegenden Gedanken, dab Eng land doch vor allem bei sich anfangcn möchte, zu morali siere», nachdem es in seiner schrankenlosen Unmoral so weit gegangen ist. den Weltkrieg zu entfesseln und Europa in ein Meer von Blut, Jammer und Tränen zu verwandeln. Wie cs mit der „Selbstlosigkeit" der englischen Kriegsziclc steht, mag Herr Valfour sich gefälligst von Sen gefangenen britischen Offizieren sagen lassen, die rund heraus erklärt haben, England sei die heuchlerischste Nation der Welt, und es glaube kein Mensch mehr an die angeblichen selbstlosen und idealen britischen Beweggründe zum Kriege. In der Sache selbst lehnt Valfour jede klare und un zweideutige Stellungnahme ab. Er beaucmt sich lediglich zu der Erklärung, daß England nicht die Absicht habe, seine Besitzungen auf dem europäischen Kontinent zu 'vermehren. Eilt solcher Verzicht ist natürlich wieder furchtbar „selbstlos", weil England ans dem Kontinent nichts mehr braucht, vor allem, wenn es Ealais ohne kriegerische „Annexionen" von Frankreich auf dem Wege friedlicher Vereinbarung ausgcliesert erhält. Anbcrhalb des europäischen Kontinents aber: ja. Bauer, das ist natürlich ganz was anderes! Davon spricht man zurzeit einfach nicht. Baisour denkt gar nicht daran, sich und seinen Nachfolgern hier irgendwie die Hände zu binden, weil nie mand voraussehen könne, in welchem Zustande sich die Welt befinden würde, wenn diese anbereuropüischcn Pro bleme zur Entscheidung kämen. Das heißt mit anderen Worten, England behält zunächst einmal, was es hat, und üaS ist schon ein ganzer Batzen! Die griechischen Inseln mit ihrer beherrschenden Lage vor den Dardanellen lLemnos und Tcncdvö), Aegypten, Arabien. Mesopotamien, der süd liche Teil Syriens und dcr Haupttcil der deutschen Kolonien. Wenn beim Abschluß des Krieges die Lage für England günstig ist, wird eS aber nicht nur dies alles behalten, son dern auch sonst noch einstccken, was cs bekommen kann. So und nicht anders sind die geruhsamen philosophischen Worte Balsours: „Es wäre unweisc, die Zukunft Vorhersagen zu wollen" zu deuten, wenn man sic ans der nach dem Tallen- randschen Vcrfahi-en des Berbcrgens der wahren Ge danken behandelten Sprache der britischen Diplomatie ins nackte Nealpolitischc übertrügt. Im übrigen findet sich in der ganzen Rede von irgendwelcher durchgreifender Revi sion der ansschivcifcnden Kriegsziclc des'Viclverbandcs, wie sie früher wiederholt verkündet worden sind, auch nicht eine Spur. Mit keiner Andeutung gibt Balsvur kund, daß die britische Regierung ans das wahnwitzige Programm der Zertrümmerung Deutschlands zu verzichten bereit sei. Im Gegenteil, der französische Anspruch aus Elsaß-Lothringen wird ausdrücklich anerkannt, und bezüg lich Oesterreich-Ungarns gebraucht Valfour Wen dungen, die keinen anderen Schluß znlasscn, als datz mit einer kraftvollen österreichisch-ungarischen Zentralgcwalt zugunsten der einzelnen Nationalitäten aufgeräumt, der österreichisch-ungarische Gesamtstaat also vernichtet werden soll. - Was Herr Valfour sonst noch über die innere Neu ordnung des Dciitschcn Reiches znm Beiten gibt, verrat nur zu deutlich das Bestreben, uns durch die Segnungen einer „Demokratie" nach cnglisch-amcrikanisch-franzvsischcm Muster mit ihrer sklavischen Abhängigkeit von der Hoch finanz in einen Zustand hincinzutreibc», der unsere mili tärische' und wirtschaftliche Kraft zum Erlahmen bringt, so -atz wir uns schließlich unseren Feinden auf Gnade und Ungnade ausliefcrn müßten. Ein solches Deutschland malt Valfour uns vor, wenn er von einem -rutschen Gemeinwesen der Zukunft spricht, „das nicht mehr von den finsteren Plänen einer Weltherrschaft korrumpiert ist". Mo wirklich Nimmersatte Wcltycrrschaftsbcgier und mammonistische Korruption im höchsten Grade vorhanden sind, weiß nachgerade jedes Kind. Bet unseren Feinden regieren diese beiden dämonischen Mächte so unbeschränkt, daß sie den Weltkrieg trotz aller Friedcnsbrstrebuiigcn der Mittelmächte zu entzünden vermochten. Für uns aber gilt heute noch wie am Anfang des Krieges und in alle Znkunst das Mort^unscrcs. Kaisers vom 91. Juli 1917, daß nicht für Schatten hohlen Ehrgeizes deutsches Blut und deutscher Fleiß eingesetzt wird, nicht für Pläne der Eroberung und Knechtung, sondern für ein starkes und freies Reich, i» dem unsere Kinder sicher wohnen sollen. Das ist unsere Antwort an Herrn Valfour. Frankreich und der „Verstii»disiUttgsfriede". lieber die Stellungnahme Frankreichs zu einem Vcr- ständiglingsfricüe» schreibt der Pariser Korrespondent Mors, dessen gute Beziehungen zur französischen Negie rung bekannt sind, in den „Baseler Nachr." vom 25. Juli: Welche Fragen der auswärtigen Politik man auch be trachtet, jede zeigt, daß ohne völlige Niederzwing- ung des einen Gegners durch den anderen ein Frieden nicht denkbar ist. Man kennt Len sranzösischen Standpunkt in der elsaß-loihringischcn Frage. Er hat sich seit Beginn des Krieges nicht geändert. Ein Kabinett, dessen Haltung in der elsaß-lothringische» Frage schivankend wäre, würde sofort hinweggesegt werden. Tic Franzosen behaupten, daß die Elsaß-Lothringer nach wie vor an Frankreich hängen. Es kommt aber gar nicht daraus a». ob sie i» der Mehrzahl zu Deutschland oder Frankreich neigen. Worauf es ankommt, das ist der Ausgang des Krieges. Vorausgesetzt, daß er für den Verband günstig ist und den Wille» Frankreichs und seiner Bundesgenossen durchsetzt, also der Sieg des Verbandes, so wird man auch damit rechnen müssen, daß ganz Elsaß-Lothringen wieder französisch wird. Würde nun Deutschland sich aber auch zur Rückgabe Elsaß-Lothringens bcgucmcn, so blieben noch andere Fragen übrig, deren Lösung kaum möglich ist. A u ch eine Demokratisierung Deutschlands würde den Frieden nicht bringen. Frankreich muß Entschädigun gen und Restitutionen verlangen. Die französische Negie rung erklärt, daß sic nicht auf materielle Unterstützung zum Wiederaufbau des verwüsteten Gebietes verzichten kann. Es handelt sich darum, der Bevölkerung von Nvrdfrank- reich die Mittel an die Hand zu geben, sich in ihrem Lande wieder nähren zu können. Mau findet in Frankreich, daß die Gerechtigkeit verlangt, daß der Angreifer wcnigslcns einen Teil des von ihm aiigcrichleten Schadens wieder gni- macht. Kein Mensch kann glauben, daß Deutschland diese Forderung Frankreichs freiwillig anuimmt. Es wäre daher eine Illusion, an einen baldigen Frieden zu glauben. lW. T. B.j Schluß der Rede Ribols. Ribot schloß seine im Vorabend Blatt ausführlich mit geteilte Rede mit folgenden Ausführungen: Am Tage »ach der Veröffentlichung der Beschlüsse, die am 5. Juli in der in Potsdam abgehaltenen Beratung gefaßt wurden, wo alle Konscancuzcil des an Serbien abzuiendenden Ulii matums ins Auge gefaßt wurden, des Ultimatums, aus dem der Krieg entstehe» mußte, am Tage nach der Bei vsfcnllichnng versucht der Kanzler diese Ablenkung, Es ih eine gewisse Unverschämtheit, wenn man derartige Vergüt Wortungen hat, Rechenschaft über unsere Absichten zu ver lange». Ohnehin wenden wir uns nicht an Deutschland, sondern an alle diejenigen, die als Zeugen oder Mit- wirkcnde dieses Kampfes, den nur seit drei Jahren ans halte», wissen, daß iin Grunde der Seele des französischen Voltes eine tiefe Anhänglichkeit an die Grundsätze der Ge rechtigkcit, an die Achtung vor dem Völkerrecht und — ich kann sagen, ans die Gefahr hin, von unseren Feinden nicht verstanden zu werden —, an wahre Großmut lebt. Die Erklärung wurde mit großer Aufmerksamkeit an- gchört und fand zu wiederholten Malen Sen einmütigen Beifall der Kammer. Ter Erklärung folgte leine Erörte rnug. lW. T. V.i Die angebliche Potsdamer Beratung ikt inzwischen bereits svcrgl. Vorabend-Blattl kategorisch de mentiert morde». Hcrvö über die Kricgoziclc des Verbandes. h. Hcrvä schreibt: Die Sowjet-Delegierten sind nach Paris gekommen, um eine Revision der Krieg-Ziele oder der Verträge diirchzusetzen, die von den Alliierten zur Zeit des Zarismus geschlossen worden sind und die die russischen Revolutionäre im Archiv des Aus- landsministcriinnS gesunden haben. Ich habe die Texte dieser Verträge nicht gelesen, aber cs ist wahrschein lich. daß Frankreich von Rußland die Anerkennung der Rechtmäßigkcit seines Anspruches ans Elsaß-Loth ringen verlangte und vielleicht freie Hand in be zug der Garanrien, wie es sich gegen Preußen auf dem linken Nhei nufer sichern würde. Ebenso äußerst wahrscheinlich ist cs, daß Rußland sich von den Alli ierten K v n stantinvpcl mit Ober- A rmcnie » zu- sp rechen ließ. Die -asiatischen Provinzen der Türkei sollten zum Teil umtcr das englische Protektorat k!> für Meso potamien und Bagdad, zum anderen Teil unter das fran zösische Protektorat über Syrien »nd Damaskus fallen. Ich sehe in all dem nichts Skandalöses, mit Ausnahme von dem. was sich anf Armenien bezieht, das man als autonomen unabhängige» Staat unter die Garantie aller Mächte Halle stellen solle». Ich persönlich hätte mich nicht gegen ein Konstan- linopcl gewehrt, das in der.Taschc eines demvlkralifchcn Ruß.