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71. Jahrgang. H 381 Donnerstag, 29. Juli 1929 GegrUnder 188« Dradianlchrtft, 8«rnspr,ch»r. Smnm,>numm-ri 2V241. «ur lür Nachtg^prLch«! 20 011. »l^osnihr L?1! dt» 2l. 8uU >020 V,I läattch rw»unaUa»r Jukellun, «r« «au, t^o Mark vrgugs 12-eouy» Poftd«iug»pr»I» Illr Mona! Null z Mart, ahn» PoftiuN»llun«,g«dudr. NI».^»I»»««»» I» P>«mt,. Dt, «n,»Io«i w«r>»n nach «oldmark drr,chn»t: dt» »tntpallta, » mm dr»tl» Anzetg-n^r-,,-! ^G.7'.:xL'!'° ' ' "Uk»rt>otd 200 > ib Mo, gam>ll«nonr»tg»n und Ä«Uena,nlch« »dne 20 Ma^ die 00 mm dr»t>« «-klam-z-o- Ido Pia. " >,,odl > "öla VNrrtrnaedMir ü) Pla. Ausw. Auftrita» o«,»n Porau»d»,<,dl SchrtM-iIunq and «^uptgetchdlliflkll^ Marienitra », ^»8/42. Druck u. Vertao von Otrplch ck Sletchardt m Druden. PllMcheck.Aonw 1OS8 Or»,dr». Nachdruck nur mtt drulltcher 2u»U»ni>naad» ,Dre»dn«r Nackr.'> zuldllio. UnElanol» SckrlNNUck» Mrrdrn nick nuiorroadrl. IZacl Zckanäau ^>tts>punl<t äse LAohsIsosi-öühmisotisn Zotnvslr. Lobvsllrug-tisltsstslls ösrliri— lOessctsn—^isn. Unisotcoost kür 2000 f'sesoiisn !r> sioisLbsn OsststAossen uns stesmctsnhsimsn bis rum l,oxosbots>. stüe gots unci biiiigs Vsepllsgong sorgsn bis sm kRstrs ksllribiicbsii Osst- uoct 5ps>sssi3osso, bis siisr, ^sspeOobso gsesckt wsrbsr,. f'snsioo vor« d/lü. 6.—, Usöseosstitoog von d4><. 1.25 sn. Ltrsi^sobsbn, Oampssastikk onb Huto vsomittsio iobnvnbs /^osüögs in bis Umgsdoog. — ^usüunst borvb bss Sokksrirlski (/^m i^sr-kt). Zer Potemlin-Skandal geht Wetter. Freigabe des gekürzten Films ohne Aenderung der Hetztendenz. Poinearö vor -em Kammerausschutz. — Coolidge gegen Milderung -er Schuldenabkommen. — England und die Besahungssliirke. Ein neuer Entscheid -er Filmpriisungsslelle. Nerlin. S8. Juli. Der Mm „Panzerkreuzer Potcmkin", tcr vor einiger Zeit von der Filmoberprüsnngsstcllc verboten voldc, hat heute der Filmobcrprüsungsstclle in ab- ,eäüdericr Form Vorgelege«. Alle beanstandete« Stellen waren ausgelasten. Die Prüsungsstelle hat entschieden, das, der Film sreigcgcbcn wird und auch von Jugendlichen besucht werden dars. Bei den Verhandlnngcn über die Freigabe des Films «erbat der Reichskommissar für öffentliche Ordnung, Ober- regic r n n gs r a t MUHlcneiscn. die Ansicht, daß der Um »nbedinat die Sicherheit gefährde. Nur ganz nnivc'cnt- iilbe Teile seien geändert. Der Film verherrliche die Meuterei und sei ausgesprochene bolschewistische Propaganda, wie iic seht Dcuischlaud immer mehr durchlebe. Welche ElmMiill er im Publikum erzeuge, gebe auS den Worten eines Arbeiters hervor, den er beim Verlassen des Kinos lelnM habe: „Auch wir werden cs einmal lo machen «Me»' habe er gesagt. Auf die Frage des Schriftstellers Irgover, ob die Beifallskundgebungen für den Film den Be stand der Republik gefährdeten, erwiderte der Reichskommissar, dcr Bcisall beweise, in welche Stimmung das Publikum durch icu Film verseht werde. Vs sei die Stimmung der Meuterei, kr -kittete sogar an. das; gegen die den Film vertreibende Firma ein Verfahren wegen Gefährdung der öffentlichen kriiimig cingeleitet sei. Auch Hauptmann Ritter v. Sveck wandte sich scharf gegen den bereits für Heer und Marine «eibotencn Film. Rechtsanwalt Dr. Paul Leon, der die Firma vertrat, bemängelte das llrteil der Sachverständigen. Ganz ent gegengesetzter Meinung, als der Neichskommissar für die öffentliche Sicherheit, war der preus, ische Kom missar. O b c r r c g i c r u n g s r a t B a n d m a » n. Er be tonte. daß Tausende von Malen der Film ln allen Teilen Prcusicns gelaufen sei. ohne je die Ordnung zu stören. Fräu lein Albrecht. eine Vertreterin der Jugendlichen, fand nichts Anstößiges an dem Film. Langsame Fortschritte der Magdeburger Morduntersuchung. Infolge politischer Einmischung. Magdeburg, 28. Juli. Krianinialdircktor Müller hat 14 tägigen Urlaub als Teil seines Jahresurlaubes beantragt. Er ist seit dem l. April El bei der Magdeburger Kriminal polizei und hat diese vollkommen neu organisiert. Persönlich ma§ er links eingestellt sein, doch ist er nicht eingeschriebenes Mitglied Irgendeiner Linkspartei. In dem Falle Helling bzw. Haas hat er von Anfang an einen völlig objek tiven Standpunkt eingenommen und es lag ihm nur daran, den Mord aufzuklärcn. Er hielt sich streng an die gesetzlichen Vorschriften und war der Ansicht, das, der Untersuchungs richter und die von ihm beauftragten Kriminalbeamten die Ermittlungen dnrchzuführcn haben. Das Festhalten an diesem rein gesetzlichen Standpunkt hat jedenfalls zu dem plötzlichen Urlanbsantraa Müllers geführt. Untersuchungsrichter Kölling vernahm heute vormittag mehrere wichtige Zeugen. Auch er hat, wie er wiederholt erklärt, in der ganze» Angelegenheit bisher ohne jede Rücksichtnahme ans irgendwelche politische Momente gehandelt. Es handelt sich für ihn nur um die Aufklärung eines Kapitalverbrechens. Die Untersuchung geht infolge der letzten Vorgänge nur langsam vorwärts. khamberlain über die Besatzmigssliirke. KeineJusageeinerBesahungsvermlnberung? Widersprüche znr amtlichen dcntschen Auffassung. London, 28. Juli. Im Unterhause fragte Ponsonbn, ob von der deiuichcn Regierung ans die neulich an Deutschland ergangene Mitteilung der Interalliierten Kontrollkommission in Lacken der deutschen Abrüstung eine Antwort eiiigelausen Iki. - tshnmberlain erwidert, das; er seiner Antwort vom Ll. Juli nichts hinznzusügcn habe. — Ponsonby fragte weiler, ob die englische Regierung in Uebereinstlmmimg mtt der Hisagc, die sic in Locarno oder kurz danach gegeben habe, und mit der Absicht, die noch ans steh enden Differenz- tiinkte vor dem Zusammentritt der Völkerbundsvcrsaminlung im Leptcmbcr ;>n regeln, den anderen Vcsatznngsmächten die «öligen Lchnlte vorzuschlagen beabsichtige, »m die Anzahl der alliierten Truppen im besetzten Gebiete ans die Kopfstärke zu vermindern, die Deutschland vor dem Kriege am Rhein unter halten habe. » tshamberlain antwortete, man habe der dcntschen Rcgic- rinia keinerlei Zusage gegeben, daß die BesatznngS- trappcn im Rheinlande ans die Zahl der deutschen Garnison- irappc,, vor dem Kriege vermindert würden. Die Regierung halte sich selbstverständlich nach wie vor an die Note der Putsch a ft c r k o n f e r c n z vom 14. November. tW.T.B.) Wieder ein neuer Schiehplah. Trier, 28. Juli. Der Kommandeur der 47. Jnfanteric- Tivisio» hat dem Regierungspräsidenten mitgeteilt, datz die krrichinng eines vorläufige» Artillcrieschiestplabcs in der biegend von Dahlem beschlossen worden sei. Die Artilleric- truppen werde» in den umltcacndcn Ortschaften untcrgebracht. Tanh diese neue Maßnahme sind die Bewohner, die durchweg ming bemittelte Kleinbauern ohne sonstigen Nebenverdienst sivd, während sieben Wochen gehindert, die Feldsrüchtc zeitig tivzuerntcn. Die gefährlichen Trommler und Pfeifer. Verurteilungen durch Polizcigcrichtc im besetzten Gebiet. Türen. 28. Juli. Das französische Polizeigericht verurteilte heute mehrere Vereinsvorsitzende wegen Mitsührens von ^ eomin l c r n und Pfeifern bei Umzügen, darunter m Branddirektor B u c ck l e r s zu tM Mark und den Kom- "wniitensührer Meuier. der trotz des ablehnenden Bescheides Ptatzkommandanten beim Notenfrontkämpsertag Tromm- üiiind Psciscr im Umzug« mitstthrte, zu 50 Mark Geldstrafe, «ritcre Anftcklagte erhielten Strafen von 25 bis 50 bzw. ^Mark. tW. T. B.) Eine Konferenz zur Revision -es Dawes- Planes? Anregung englischer Bankkreise. London, 28. Jmli. Englische Bankkreife haben an geregt, in einer kleinen Konferenz, an der England, Amerika, Frankreich, Belgien, Italien und Dentschlaud de- tciligl sein würden, Ende dieses Jahres eine gemeinsame Re vision des DaweS-Plancs und der Schuldcn- abkommc» zu erörtern und insbesondere zu prüfen, inwiefern die Frankensanierung und die Herstellung des Gleich gewichts in dem nächsten englischen Budget dadurch er» leichtert werden könnte, daß die dcntschen Eisenbahnaktien und -bouds zngnnstcn der Schuldenzahlung der Alliierten au Amerika in Amerika auf den Markt gebracht würbe«. Dieser Vorschlag findet in England, Amerika und Frankreich in zu nehmendem Umfang eine g ii n st ige Aufnahme. Liquidalionsentschädigungen und Daves- Zahlungen. London, 28. Juli. Wedgwood Benn fragte, wie sich die bri tische Regierung zum Anspruch DcutschbandS ans Ein schluß der Entschädigungszahlnngcn der dcntschen Regierung an deutsche Staatsangehörige in die Berechnungen der Dawcs- Annnitäten stelle. Mac Ncill erwiderte, die Frage beziehe sich zweifellos auf die tm Oktober E4 deutscherseits der Reparattonskommission vvrgclcgtc Forderung, daß die von der deutschen Regierung den deutschen Staatsangehörigen bezahlten Entschädigungen für das nach den wirtschaftlichen Klauseln des Versailler Ver trages liquidierte Eigentum auf das Konto der Dawcs-Annut- tate» gebracht werden sollte. Diese Forderung sei von der Reparationskommisston im Februar E5 abgelehnt worden. Tic deutsche Regierung habe vorgeschlagcn, ihre Forderung dem Schiedsrichter zu unterbreiten, der in den Bestim mungen des Londoner Abkommens vom 13. August 1924 vor gesehen sei. Auf eine weitere Anfrage antwortete Mac Ncill, die deutsche Regierung sei zu dem Appell an den Schiedsrichter berechtigt. sW. T. B.s London, 28. Juli. Llonds Register zufolg« ist Deutschland daS einzige Land, das gegenüber 1914 eine Verminderung seiner Tonaage aufweist, nämlich um 2 973 090 Tonnen. Pottttk und Verbrechen. Der Magdeburger Jnstizskandal. Im alten Deutschland war es wie in jedem gesittete« Lande üblich, in ein schwebendes Nntersiichnngs-- oder Gerichtsverfahren nicht einzugrcise». Ob es sich um eine« reinen Kriminalfall handelte oder um Vorgänge mit politischem Einschlag, man wartete ab, bis die Sachlage durch Verhandlung und Urteil völlig geklärt war, und dann erst setzte die Kritik der Oeffcntlichkcit ein, wenn Anlaß dazu vorlag. In diesen Nachkricgsjahrcn, die im Innern nur z« sehr durch eine Verwilderung der öffentlichen Moral gekenn zeichnet waren, hat sich leider immi^r mehr die üble Gewöhn- heit eingcschlichcn, daß Ocsfentlichkcit und Presse sich auS politischen Gründen in unerledigte Angelegenheiten der Justiz und auch in Kriminalvcrfahren einmischcn. Di« Frechheit aber, mit der Partcihändc und das Sensations« bedürfnis einer gewissen Revolverpresse das seit Woche» schwebende gerichtliche Untersiichungsverfahren in Sachen Hellina-Magdebura gewaltsam in das politische Fahrwasser gezerrt lnibcn, übersteigt alle Grenzen. Der Sozialdemo kratische Pressedienst rechtfertigt einen in die Parteiblätter lancierten Artikel, der von maßlosen Angriffen gegen die Justizpslcgc strotzt, mit dem Vorgcben, daß ein Justizmord verhindert werden müsse lim Stadium der Voruntersuchung!), und der „Vorwärts" beschuldigt in einer hundsgemeine» Karikatur den W c h r w o l f symbolisch für rechtsgerichtete Verbände des Mordes, um die Tätigkeit von Feme organisationen glaubhaft zu macken. Durch publizistische Stimmungsmache wird wieder einmal die Straße aufgehetzt, um das Letzte unter dem Druck verhetzter Masten wegzu spülen, was uns noch geblieben ist — bas Recht. Diese ganze Hetze wird veranstaltet, nicht weil bei dem Mordfall selbst irgendwie ein politischer Hintergrund festzu- stcllen wäre, sondern weil in seiner kriminellen Behandlung schwere Störungen cingetretcn sind, die zu einem Konflikt und zu Kompctenzstrcitigkcitcn der befaßten Behörden geführt haben. Diese Irrungen und Wirrungen haben die Angelegen heit so verwickelt, daß zum Verständnis der jetzigen Vorgänge aus dem Wust der Berichte der klare Sachverhalt heraus- geschält werden muß: Der Buchhalter Helling in Magde burg war seit dem 10. Juni 1925 vermißt worden. Er war wegen Gchaltsstrcitigkcitcii zusammen mit einem Kollegen von seiner Firma, der Eisens,andlniig Haas ». E o., entlaste» worden. AuS Rache haben die beiden die Firma beim Finanz amt wegen Steuerhinterziehung angozcigt. Die Ermittlungen des Finanzamts sind bis jetzt erfolglos geblieben. An jenem 10. Juni sollte Helling auf dem Finanzamt vernommen werben. Ein Mann in Chauffeurkleidung hatte ihn abgcholt und seitdem war er verschwunden. Erst nach Monaten fand man eine Spur. Der ehemalige Schmicdclchrling, Reichs- wehrptonier und jetzige Hochstapler Schröder, ein zweifel hafter Zeitgenosse, der sich politisch bald kommunistisch bald völkisch betätigt hatte, wurde verhaftet, als er in einem Ge schäft mit einem Scheck ans Hellings Scheckbuch bezahlen wollte. Man fand auch eine Uhr Hellings in seinem Besitz. Schröder behauptet nun, er sei von einem reichen Herrn, den er namentlich nicht gekannt habe, dazu gedungen worden, die Leich« Hellings, über dessen Ermordung er nichts Näheres miste, fortzuschasfcn. Darauf wurde der Direktor Rudolf HaaS, der Sohn des Begründers der Firma, unter dem Ver dacht der Mordansttftung verhaftet, und Schröder belastete ihn direkt. Welches Belastungsmaterial etwa sonst noch gegen Haas vorlicgt, hat der Untersuchungsrichtcr, der Gepflogen heit gemäß, nicht bckanntgcgcbc». Das sind die feststehenden Tatsachen: alle sonstigen Ncben- nmstände interessieren nur die Sensatlvnsblätter. Keinesfalls ist die Schuld des Haas irgendwie erwiesen: seine Sier- tcidigung hat sogar ossenbar Material beigebracht, daS geeignet ist, ihn sehr zu entlaste». Wen» er trotzdem noch nickt aus freien Fuß gesetzt worden ist, wenn das Gericht auch eine Kaution von zwei Millionen Mark abgelehnt hat, so geht daraus hervor, daß der Untersuchungsrichter auch seine Un- chuld noch nicht für völlig einwandfrei geklärt hält. Niemand hat Anlaß »nd Recht, deshalb Kritik an der Untersuchnngs- Uhruna zu üben, deren Gründe »nd Ziele man nicht kennt, a»ch nicht, wenn tatsächlich von dem Magdeburger Kriminal, kommissar tcn Holt im einzelnen schwere kriminalistische Fehler begangen worden sind. Wenn nach Abschluß der von Landgcrichtsrat Koclling geführten Ermittlung sich her- ausstellen sollte, daß man auf Grund des TatsachenbestanbeS