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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 10.11.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189811108
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18981110
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18981110
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-11
- Tag 1898-11-10
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Monat
1898-11
-
Jahr
1898
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Wickelung des nationalen Lebens, Pr würben deshalb ftp und treu 1« Oesterreich halten und für dessen Macht, Ansehen und Bedeulung »instehen. Es sei nicht der Selbsterhaltungstrieb, der dieses Ver halten diktirr, sonoer» die Wicht der Dankbarkeit. Die Mehrheit wolle den Frieden zwischen den Völkern, gleiche Rechle, aber auch gleiche Pflichten. Durch solche Rede», wie die Schvnerers, werde der Frieden nicht gefördert, ebensowenig die Machtstellung der Mo narchie. Schönerer habe Bismarck zitirl; wenn aber Bismarck lebte, würde Schönerer eine ausgiebige Zurückweisung zu Theil geworden fein. Was den Gegenstand der Verhandlung betrcsfe, so würden die Polen gegen die Anklageanträge stimmen. Die Rede Jawvrski's wnrde von der rechten Seite mehrfach durch lebhaften Beifall und Händeklatschen, von den Schönerianern durch lärmende Zwischenrufe unterbrochen. Im Verlaufe der erregten Debatte erfolgte ein heftiger persönlicher Zusammenstoß zwischen Wolf und einem pol nischen Abgeordneten. Es verlautet, Wolf habe dem Abgeordnete» Gnietvosz eine Herausforderung zun, Zweikampf geschickt. Traukretch. Der Kassationshof vernahm am Dienstag Nachmittag Mercier, Billot und Cavaignac. Ueber die Verhandlung wird das strengste Stillschweigen beobachtet. — «Daily Chronicle« will erfahren haben, in Paris werde rin Krawall bei der Verkündigung eines Dreyfns günstigen Urtheils des KassationShoses geplant. Der Sturz der Regierung und die Ermordung aller der Revision günstig gesinnten hervorragende» Männer sei beabsichtigt. Die Letzteren erhielten sämmllich Mahn ungen von dem Polizeipräfekten, auf der Hut zu sein. Clemenceau und der Senator Trarirux bestätigen dies. Trarieux erklärte, er trage einen Revolver bei sich und werde zur Selbstvertheidiguug das Möglichste thun. Im Generalstabe seien 1 oder 2 Individuen, die Vor nicht» znrückschrrcktrn. Diese ungeheuerlichen Gerüchte werden «it aller Reserve wicdergegeben. Spante»». Laut Blättermeldungen hat Montero Rios in einem am DienSlag im Ministrrrathe verlesenen Briese mitgetheilt, die spanische» Kommissare würde» in der nächsten Sitzung der Friedenskonferenz die genaue Jnnehaltung aller Klauseln des tznedensproivkoüs verlangen und sich weigern, auf eine Debatte über die Frage der spanischen Oberhoheit über die Philippinen einzugehen. Grobbritanttie«». Der Generaladjutant hat Namens des Höchstlommandirenden, Lord Wvlseley, sämmtlsche Zeitungen ersucht, »chsolut Nichts über die Mobilmachung zu veröffentlichen Da jedoch eine Anzahl, und zwar gerade die chauvinistische» Blätter nicht patriotisch genug waren, der Aussorderung Folge zu leisten, drucken alle Blätter die vollständigen Berichte über die Rüstungen weiter ab. Danach fand am Montag ein nächtlicher Scheinangriff auf Plymouth statt, dessen Idee der Versuch eines sranzösischen Ge schwaders war, mit leichten Fahrzeugen de» Eingang in de» Hafen zu erzwingen. Die Kanonade aller Schützeilbatterien und das Spiel der elektrischen Scheinwerfer dauerte die halbe Nacht hindurch. Der französische Angriff wurde zurückgeschlagen. Ein Geschwader von Torpedobootszerstöiern manöverirt alle Tage außerhalb des Hafens von Plymouth. Es erhielt jedoch Befehl, sich nicht außer Sicht der Signale für eine plötzliche Zurnckbcrufung zu entfernen. In Gi braltar fand ein großartiges Scheingefecht des gesaminte» Geschwaders unter dem Kommando des 'Prinzen Louis von Battenberg statt. Bezeichnend ist, daß keine einzige Zeitung ein Wort des Kommentars über die Rüstungen oder die Lage bringt. Zu Luther s Geburtstag. Es war eine Zeit tiefer Gährung, als vr. Martin Luther das Licht der Welt erblickte, eine Zeit allgemeiner Verstimmung und Un- zufriedenheit über die kirchliche» Zustände. Die Staaten und bürgerlichen Gesellschaften der einzelnen Nationen forderten gegen über der kirchliche» Priesterherrschaft mit dem Papste an der Spitze ihre eigenen Rechte. Der Papst war die Quelle aller Vollmachten und der gerechteste, untrügliche Richter über Wahrheit und Recht auf Erde» gewesen. Da forderten und erreichten die Staaten volle Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von Rom. Auf den großen Resormconcilie», in gelehrten Schriften, Predigten und Satire» wurde die Hierarchie einer scharfen Kritik unterzogen, und selbst im Volke konnte man Lieder, Sprüchwörtcr und Spötteleien gegen die Mönche vernehmen. Besonders gefährlich war diese Gährung in Deutschland, weil die wirkliche Macht des Kaisers an die einzelnen deutschen Landesherren übergegangen war. I» der Ritterschaft, unter den selbstbewußten Bürgern und im Bauernstände gab es genug un- zusriedcne Geister; unzufrieden, weil der Papst aus die vor« geschlagene Reformation der Kirche leicht einging und seine Macht mißbrauchte; unzufrieden mit dem weltlichen Treiben und der Sitten- losigkeit so vieler Geistlichen; unzufrieden über den Bilder- und Reliquiendiensi, üb« die Narren- und Eselssefie und die damit ver bundenen Mummereien und Schmausereien. In dieser Zeit allgemeiner Gährung wurde Luther am 10. November 1483 zu Eisleben, am Fuße des Harzgebirges, Nachts zwischen 11 und 12 Uhr geboren. Am Tage darauf erhielt das Kind in der St. Petrikirchc die heilige Tause und bekam nach dem Heiligen des Tages, Bischof Martin von Tours, den Namen Martin. Sein Vater stammte ans dem Dorfs Möhra, welches zwischen Salzungen und Eisenach im Thüringer Walde liegt. In Möhra selbst gab eS sünf Familien namens Luther, die alle Haus und Hv und ein Stück Land besaßen. Die Familien Luther waren ein derbes, handfestes Bauerngeschlccht. Zn ihnen gehörte auch Heinriö! Luther, unsers Martin Luther Großvater, mit seiner Iran Margarete geb. Lindeniami und seinen drei Söhnen Hans, Veit und Heinrich. Es war Sitte im Lande, daß stets der jüngste Sohn den Hof erbt«, die ältere» mußten anderswo ihr Fortkommen suchen. Hans, der älteste Sohn, ein Bauer und zugleich Bergmann, nahm sich ein« Eisenacherin Margarete geb. Ziegler zur Frau und gründete mit ihr in der Grafschaft Mansfeld, in Eisleben, wo gerade damals der Bergbau in seiner vollsten Blüthe stand, seinen eigenen Hausstand. Nach kurzer Zeit jedoch verlegte Hans Luther seinen Wohnsitz nach dem benachbarten Mausfeld, welches zwischen den Vorbergen des Harzes an einem mnnteren Bache liegt, überragt von der Burg gleichen Namens. Hier verlebte Martin Luther seine Jugend. Unter Bergleute», schlichten und derben „Härzlingern", die er immer als Landsleute liebbehalte» hat, wuchs er mit seine» drei Brüdern und drei Schwestern aus. Noch im Alter nannte er die Grafschaft Mansfeld sein liebes Vaterland und die Grafen seine Landesherren. —ä. Umschau im Laude. — Dresden. Am Montag Abend wurde ans der Haltestelle Kessclsdorf der Linie Potschappel - Wilsdruff der aus Wilsdrnff ge> bärtige Schuhmacher und Musikant Piukert durch den Abends 11 Uhr 25 Min. von Pvlschappel nach Wilsdruff gehenden Zug tödtlich überfahren. — Ltmvach. Einen fatale» Reinfall erlebte jüngst ein be kannter Viehhändler. Derselbe befand sich in Begleitung sein« Tochter auf einem Gesellschaftsball in einem Nachbarort. Gegen 11 Uhr, als die feuchtfröhliche Stimmung bei ihm schon eine» be denklichen Grad erreicht hatte, wollte er sich «auch* vergnügt machen und schickte deshalb seine Tochter kurzer Hand nach Hause. Ein Klemmer wurde geborgt, aufgesetzt, und so ausgerüstet mit dem ausgesprochenen Vorsatz, sich eine „Junge* zu holen, steuerte er untcrnehmüiigslustig durch das Gewühl der Tanzenden. Nachdem er eine Tour getanzt, wollte er sich auch mit seiner Tänzerin be kannt machen und frug: „Fräulein, nun sagen Sie mir nur, wo Sie her sind, ich ke»»e Sie ja gar nicht.- Nach kurzem Zöger» antwortete dieselbe: „Aber Vater, bist'e denn so be . . . daß Du Deine Tochter nicht mehr kennst?« Unser „Jugend-Held« hat aber geschworen, „nie wieder einen Klemmer auszusetzen." — tzallliberg. Lange Sowmerferien haben diesmal -die Schülerinnen d« hiesigen königl. Lehrer'innenseminars gehabt. Die Ferien begannen nicht nur Heuer sehr früh, nämlich schon am 1. Juli, sondern sie endeten erst am Montag, den 7. 'November, dauerten also voll vier Monate. Grund ist der lim- und Erweiterungsbau, zu dem die Stände die Mittel bewilligt habe». Derselbe sollte bis I. Oktober beendet sein, doch ist dies trotz Anspannung aller Kräfte in dieser Zeit nicht möglich gewesen, so daß der Termin mehrmals verlängert werden mußte. — Gerittgöwalde. Am Montag waren es 25 Jahre, daß Herr Bürgermeister Goldammer seine re che Arbeitskraft dem Wohle der Stadt Gerüigswaldc gewidmet. Die Bürgerschaft nahm an den zu Ehren des Jubilars getroffenen Veranstaltungen lebhaften Antheil. — Otlsnitz. Eine in der tönigl. Anstalt Vogisberg unter gebrachte Gefangene gab dieser Tage einem Kinde männlichen Ge schlechts das Lebe», ohne daß dies bemerkt worden war. Das Frauenzimmer hatte das Rind in ein Wasserbassin geworfen, wo die Leiche gefunden worden ist. Die Kindermvrderin ist nun auch er mittelt worden. — Um einen Theil seiner Jagdbeute gebracht wurde am letzten Sonnabend ein hiesiger Jagdpächter. Derselbe hatte in seinem Revier zwei Hasen niedergclegt, ein Handarbeiter, der an der betreffenden Stelle vorbeiging, nahm di« Hasen al» willkommen«» Fund mit sich und verzehrte einen derselbe» am folgende» Tage als Sonntagsbralen. Die Geschichte war aber ruchbar geworden um dl« Polizei nahm dem Wildprrtliebhab« den einen Hase» nnd da» Fell de» abgeschlachtete» wieder ab. — Mt'Scherbitz. In der hiesigen Provinzial-Irrenanstalt war rin Heiz« mit der Reinigung des Dampfkessels beschäftigt. Um die dem Feuer auSgesetzten Siederohre länger intakt zu erhalten» bestrich er dieselben mit Petroleum. Dieses Petroleum muß sich entweder infolge der in dem Kessel herrschende» Hitze oder durch einen anderen Zufall plötzlich entzündet haben, denn andere Be dienstete der Anstalt hörten plötzlich aus dem Kesselhaus« entsetzliches Schreien um Hilfe. Als sie diesem Geschrei uachgingen, fanden sie de» Heizer von Flammen umhüllt noch im Kessel steckend. Nur mit großer Mühe gelang es, den Unglücklichen aus seiner schreck lichen Lage zu befreien; er war über und über mit Brandwunden bedeckt und starb. Lokales. — vevSlkereittgS-Bewegung. Im Melde amte de» hiesigen Polizeiamtes sind während des Monats Oktober d. I. 321 Familien mit zusammen 1108 Köpfen (507 männlichen. 601 weiblichen Geschlechts) und 3100 meistentheils selbstständige einzeln« Personen (2123 männliche, 977 weibliche) als hier angezogen zur Anmeldung und 223 Familien mit zusammen 897 Köpfen (426 männliche», 471 weiblichen Geschlechts) unb 3107 wiederum meistentheils selbstständige einzelne Personen (2299 männliche, 803 weibliche) als von hier sortgezogen zu» Abmeldung gekommen. Demiiach übersteigt die Anzugszahl diejenige des Abzugs um 98 Familien und 204 Köpfe. Außerdem betrug die Zahl der au» hiesigen Gasthäuser» als hier übernachtet angemeldeten Fremden 8906. Weiler sind im vergangene» Monat 555 Geburt»- und 315 Strrbkfälle angezeigt worden, demnach wnrde» 240 mehr geboren als gestorben sind. — Polizeiliche Thätigkeit. Von der Schutzmannschast wurden im Oktober d. I. 173 Personen festgenommcn und im Ganzen 961 Anzeigen erstattet. Bon den festgenommenen Personen sind 57 an andere Behörden abgcliefert, die übrigen vom Polizeiamt in Hast behalten, bezw. bestraft und entlassen worden. Anzeigen wurden erstattet, bezw. Festnahmen wurden vorgenommen u. a. wegen Körperverletzung 10, Diebstahls 61, Unterschlagung 9, Betrugs 22, auf Grund steckbrieflicher Verfolgung 14, aus Requisition auswärtiger Behörde» 69, wegen BcttelnS 20, Erreguug ruhestörenden LärmS und Verübung groben Unfugs 57, Thierquälerei 2, wegen bösartiger und bissiger Hunde 3, UmhertreibenS und Kampirens 17, Ein- schleichens und Ausliegens 10, Entziehung der Aufsicht und Ent- lauscns 7, Obdachlosigkeit 37, Trnnkenheit 3ö, wegen LaufenlaffenS der Hunde ohne Maulkorb auf de» Straße» 40, wegen vorge- kommcner Brände 20, über Fundsachen 110, wegen verausgabter Münzfalsifikate 23, Selbstmordversuchs 3 und wegen allgemeiner Angelegenheiten 89. —Strafverfügungen wurden vom Polizei amt 312 erlasse»; außerdem wurde in 440 Fällen wegen ver schiedener Uebertretuugen das abgekürzte Strafverfahren angcwandt. — Selbstmorde kamen erfreulicherweise nicht vdr. Unglücksfälle mit tödtlichem Ausgange ereigneten sich 1, und zwar durch Abstürzen von einer Treppe; kleinere Unglücks fälle gelaugten 21 zur Anzeige. — In das städtische Arresthan» wurden im Ganzen 205 Personen eingcliefert, darunter 41 weib lichen Geschlechts. . — Der Jahrmarkt findet heule Mittwoch Nachmittag 5 Uhr sein Ende, gewiß zur Erleichterung der Anwohner der vom Markt verkehr und dem damit nun einmal unzertrennlich verbundenen regeren Leben und Treiben berührte» Straßen und Plätze. Mit denr Verlaus des Marktes, wenigstens hinsichtlich der ganz unge wöhnlich günstigen Witterung, kann man wohl allseitig befriedigt ein, wenn auch für den Absatz einzelner Artikel für den Wintcrbedarf, wie Pelzsachen, Filzschuhe und dergl., einige Grade unter Null gewiß sehr erwünscht gewesen wären, denn von einem „kalten« Jahrmarkt konnte man nicht reden. Daß aber Diejenigen, welche die Jahrmärkte für überlebt erklären nnd ihnen jede Berechtigung zum Weiterexistiren absprechen, nicht ganz im Rechte sind, das bewies der starke Verkehr und vie anscheinend recht lebhafte Kauflust während der Markttage. — Der DomrrrStagsvrreln» gegründet im Jahre 1828, der neben der Geselligkeit auch die Wvhlthätigkeit pflegt und in Be- merk für sie gerichtet hatte. So mußte der Liebende auch noch die Qual der Eifersucht kennen lernen; doch gerade hier zeigte sich seine sittliche Kraft, indem er selbst für den Nebenbuhler eintrat, obwohl er ihn persönlich nicht leiden konnte. Dennoch hatte er später bei Frau von Wolzogen um Lharlottens Hand gebeten; die klug und vornehm denkende Frau aber, die wußte, wie dunkel Schiller', Zukunft »och war und auch fühlen mochte, daß ihre wenig bedeutende Locht« schließlich doch nicht an die Seile dieses Genius paßte, beantwortete Schiller's Gesuch nicht. Mit der von Frau von Wolzogen begünstigten Entfernung Schillers von Bauerbach »ahm das Ver- häktniß von selbst ein Ende; doch empfiehlt er sich noch 1763 „der »Uten Lotte millivnentausendmal.« Ein ganz anders geartetes Geschöpf war es, das ihn dann in Mannheim mächtig fesselte. Margarethe Schwan, die Tochter des HvfkammerrathS Schwan, war nicht gerade schön; den lebendigen Auge» und der charaktervollen Nase widersprach einigermaßen der schnippische Mund, nnd ein wenig überheblich, schnippisch und spöttisch scheint fie auch gewesen zu sein. Ab« sie war ein durch Reisen gebildetes Mädchen von gewecktem Geiste, ausgedehnten litterarischeu Interessen, gutem Uriheil, gewandt und launig in der Unterhaltung. Die Litteratur knüpfte die ersten Beziehungen zwischen den Beide«, Schiller las ihr die neu entstehenden Szene» des »Carlos« vor, sie, die Weltgewandte und Sichere, half und rieth ^ihm in viele» Dingen, und so »ahm das Verhältniß allmählig eine leidenschaftliche Färbung an. Wenizstens von Seite» Schiller's, Margarethe war die Kühlere; sie sah wohl die Neigung des Dichters nicht ungern, aber erst allmählich, und besonders erst dann, als die Eifersucht auf andere Frauen ihre Ruhe störte, kam sie seinen Empfindungen lebhafter entgegen. Daß ihr Gefühl schließlich gleich- -falls stark geworden war, zeigte die Abschiedsstunde, als Schiller, lim Begriffe nach Leipzig zu gehen, Mannheim verließ. Da brach Ms Gefühl durch, Margarethe überreichte ihm eine kostbare Brief tasche, die sie ihm in den letzten Wochen selbst gestickt hatte, und »Auf Wiedersehen!« war das letzte Wort der Liebenden. Schiller- Hat da»» von Leipzig aus um Margarcthen's Hand gebeten; der verständige Vater lehnte den Antrag ab, weit das Mädchen nicht zu ihm paffe. Und er halte Recht. Ein kritisch-lühles, weniger im Hause als in der Gesellschaft ihr Glück suchendes Wesen hätte Schiller nicht glücklich machen können. Ueb« ihm waltete eine Bor- isehuug, die ihn schützte, und er brauchte sie. Wäre er doch sonst im Jahre 1787 iu die Schlingen einer notorischen Kokette gefallen, Her« Schönheit ihn in DreSdrn berückte. Aus einem Maskenball war ihm Elisabeth von Arnim als Zigeunerin gegenüber getreten, und ihre Schönheit hatte den Poeten entzückt. Es war eine trübe Leidenschaft. Die Arnim's waren in Dresden als ausfällig und unvornehm berüchtigt, die Mutter angelte auch mit unerlaubten Mitteln nach Schwiegersöhnen. Kein Wunder, daß diese Neigung Schiller's Freunden, besonders Körner, vielen Kummer bereitete, und lange konnte auch der Rausch nicht dauern. In der ländlichen Stille von Tharandt hat Schiller mit seiner Leidenschaft gerungen, bald kam es zu Vorwürfen zwischen den Beiden und allmählich erkaltete das Gefühl, das eine kurze, aber gefährliche Krise in Schiller's Seelenleben darstellt. Kanu man nun all' diese Beziehungen als Episoden bezeichnen, so hat Schillers Liebesleben doch auch eine Tragödie aufzuweisen; sein Verhältniß z» Charlotte von Kalb. In der Schillerbiographie von Wychgram, wohl der schönsten, die wir gegenwärtig besitzen, einem echten deutschen Hausbuche, worin besonders der Mensch Schiller mit ausgezeichnetem Berständniß und warmer Liebe geschildert ist, findet man zwei Porträts der unglücklichen Frau, und sie ziehen den Beschauer sofort an. Auf dem einen (von Tischbein 1785 ge malt) tritt ihre Schönheit, auf dem andern ihr Charakter stärker hervor. CharlvUe war eine hohe schlanke Gestalt, große, schöne, blaue Augen leuchteten aus ihrem Gesicht, die hohen Brauen waren „fein gemacht, wir mit der Feder«, ihr Haar war so dicht, daß „selbst in späteren Jahren, wenn es aufgelöst an der hohen Gestalt herabflvß, di« Spitzen an der Erde schleiften.« Ein für alles Edle nnd Schön« lebhaft empfänglicher Geist, eine höchst eindruckfähige, zarte Seele wohnte in ihr: sie besaß eine reiche, doch unausgeglichene Bildung, ein feines Urtheil, ein starke-, lebhaft interessirendeS Temperament. Sic war eine echte Gestalt jener Zeit: voll heißer, verlangender unbestimmter Gesühle, zur Schwärmerei, zu jener „süßen Wehmuth« geneigt, unbefriedigt und unbefriedigend; so führte sie neben der realen Existenz, deren Gebote und Bedingungen sie gering achtete, rin leidrnschasrliches Seelenleben, in dem sie sich ausgab. Dieser fesselnde, lockende, dämonische Charakter, diese sehnsüchtige Natur, diese weibliche Schwärmerei mußte Schüler in jener seiner Sturm- und Drangzeit mächiig reizen; dazu kamen ihre feinen, ge sellschaftlichen Formen, die dem ungelenken jnngen Man» als etwas Höheres erscheinen, ihn wohlthätig berühren mußten. Obwohl Schill« gleich von der ersten Begegnung mit ihr (in Mannheim 1784) einen bedeutende» Einfluß empfing — „sie gehört nicht zu de» gewöhnlichen Srauenzimuier-Seelen«, schrieb « bald daraus —, so scheint sich inxh zuerst in ihr die Leidenschaft entzündet zu habe«. Bon Jugend auf vereinsamt, an einen ungeliebten Mann verheirathet, flog sie dem bedeutende», seelenverwandten Manne gleich entgegen. Ihre Be ziehungen waren tiefer, leidenschaftlicher Natur; Sehnsucht nnd Phantasie, Berständniß und Vereinsamung spielten ihre Nolle dabei. Der Umstand, daß Charlotte verheirathet war, daß „Konvention unk Situationen« ihr« Vereinigung entgegenstauden, schürte die Gluth nur noch mehr. Schiller hat sicherlich eine Zeit lang unter Charlottens Banne gestanden; bald riß sie ihn mit sich fort und beflügelte seine» Geist, bald erschreckte sie ihn, „ängstigte und ent zückte" ihn zugleich. Die Königin im „Carlos« hat manche Züge von Charlotten. Als Schiller Mannheim verließ, gab es einen tief erregten Ab schied. Noch in der Phantasiedarstellung, welche die Gealterte Jahre nachher von der Szene giebt, zittert die Leidenschaft nach. Schon damals war der Gedanke aufgetaucht, daß Charlotte sich frei mache» solle. Sie ging dann nach Weimar und hat wesentlich zu Schiller'» Uebersirdelung dahin beigetragen. Ihr Wiedersehen war eigenthümlichr die Flamme schlug gleich wieder empor und doch waren Beide be» klommen. Allmählich fanden sie sich ineinander, sie war eine Zeit lang Schiller's hauptsächlicher Verkehr, manchmal besuchte « sie zwei Mal am Tage. In Weimar war ihr Verhältniß allgemein anerkannt, und man lud sie überall zusammen ein. Aber dann ge schah eS, daß eine andere Charlotte zwischen sie trat; die lieblich- Charlotte von Lengefeld. Schwere Kämpfe folgten. Charta» kämpfte für ihre Liebe, sie verbitterte Schiller das Leben, er wurde hart gegen sie; nachdem er sie noch am 23. Juli 1787 „eine große weibliche Seele« genannt hatte, die „einem größeren Geiste, als der mcinige ist, zu schaffen geben kann«, tadelte er nun „dies seltsam wechselnde Geschöpf" und ihren „lauernden Verstand«. Arme Fra», ihr Loos war entschiede», Schill« war ihr entfremdet. Unglück iß ihr Theil gewesen, im Unglück ist sie alt geworden. Wohl besaß sw nicht die Gabe, glücklich zu machen — sich nicht und Andere nicht —, wohl war fie exaltirt und oft peinigend, doch hat ihr da- Lebe» viel härter mitgespielt, als sie verdient hat. Sie ist eines dir Opfer jener gefühlsseligen, in ihrer Sehnsucht maßlosen, zwischen Wirtlich keit und Ideal schwankenden Epoche. Charlotte von Lengefeld hat Schillern das Glück und den Friede» gebracht, nach dem er sich so sehr sehnte. In ihr war Alles Harmonie, Adel, Anmuth. Sie war keine geniale Frau, gewiß; aber zu ve» Menschen Schiller, nicht zu dem Dichter mußte fie passt" Eigenschaft besaß sie ganz, und darin lag ihr Bo«»» vor all » interessante» und pikante» Frauen, die Schill« gefesselt yaneu
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