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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 11.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189905110
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18990511
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18990511
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-05
- Tag 1899-05-11
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Monat
1899-05
-
Jahr
1899
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Lhnrmer, dem d'.e Strafe zu hoch ist uuv vcr gegen oas Urlhcil Berufung einlegcu will, wird in Leipzig wegen Hehlerei zur Ab- iirlhcilnng loaimeu. An.h das nächste Schwurgericht in Planen wird sich »>i! il.i» zu befasst» hadc» wegen Brandstiftung, verübt in seiner gelle i», Gerichtsgefängniß. Ein nettes vieeblätteriges Kleeblatt. Planen. Bier hoffnungsvolle Früchtchen »ahme» auf der Anklagebank Platz. Es waren die Andreher Arno Kurt Sünber- hauf, geboren 1864, Karl Bernhard Walther, gebaren 1683, Walter Kurt Rauh, geb. 1663, und Arno Kurt Uhle. geboren 1884. Alle vier aus Plauen gebürtige Angeklagte sind schon vor bestraft. Nach dein Eröffnungsbeschlusse haben die vier Burschen am Abend des 4. Februar d. I. auS dem T.'schen Geschäftsladen einen Abschießstern, mehrere Anstecksternc und eine Gesichtsmaske ans Pappe entwendet. Aus dem Laden von K. haben sie am nämlichen Abend vier Päckchen Zigarren und sechs Päckchen Zigarretten gestohlen. Am 7. Februar sind Sünderhauf, Walther und Rauh wider im T'schen Waarenhaus erschiene», um bei Gelegenheit eines Kaufes abermals zu stehlen. Dieses Mal nahmen sie 15 halbseidene Taschentücher, einige Taschenmesser :c. mit; Sünderhauf und Waliher suchten auch noch da- Kr.'sche Geschäft auf uns stahlen wieder eine Anzahl Zigarren und Zigcurette». Tie Anstifter zn den Diebereien sind Sünderhauf uns Walther gewesen. Es wurde» rerurtheilt: Snnder- hauf wegen Diebstahls in 4 Fällen zu 10 Monaten. Walther wegen Rückfallsdiebstahls i» vier Fällen zulJahr 2 Monaten, Rauh wegen Diebstahls in drei Fällen zu 8 Monaten und Ilhle wegen Diebstahls in zwei Fällen zu 3 Wochen 3 Tagen Gefängniß. Bon der Untersuchungshaft wurden in Anrechnung gebracht bei Sünderhauf und Walther je 2 Monate, bei Rank 6 Wochen und bei Uhle 1 Woche. Ein Liebhaber von Kanittchen. Plauen. Der Fädler Karl Hermann Seidel aus Cri nitz lei then, geboren im Jahre 1880 i» Beer Heid e, hat am Nachmittag des 1. Februar d. I. aus dem Stalle des Fnhrwerksbesitzers P. in Auerbach zwei große Kaninchen und einen Sack, in de» er die Thiere gesteckt halte, gestohlen. Er hat die Kaninchen allerdings schon am darausfolgenden Tage wieder in den Stall znrückgebracht, weil er merkte, daß sich der Verdacht P.'s auf ihn gelenkt hatte und der Diebstahl auch zur Anzeige gebracht worden war. Seidel gestand den Diebstahl ei»; er hat ihn, da er rückfälliger Dieb ist, mit 4 Monate» Gefängniß zu büßen. Ei« raffinlrter Betrüger und sein Hehler. Zwickau. Angeklagt waren der 1868 in Reinholdshain geborene, zuletzt in Chemnitz aufhältlich gewesene, wegen Betrugs schon wiederholt, darunter mit mehrjähriger Zuchthausstrafe vor bestrafte Dienstknecht Oskar Max Weise und der 1831 zu Ch'.emnitz geborene Pferdehändler Friedrich August Hof mann daselbst. Weif hatte im September v. I. mit großer Rafsinirtheit unter Vorspiegel, ung aller möglichen schwindelhaften Angaben einen Gutsbesitzer in Grumbach um ei« Pferd im Werthe von 175 Mark, einen Handels mann in Gompitz bei Dresden um einen Wagen im Werthe von 150 Mark, einen Uhrmacher in Glauchau um eine Taschenuhr im Werthe von 24 Mark und einen Viehhändler in Meerane um zwc Fohlen im Werthe von 1250 Mark betrogen. Auf diese Sachen leistete er thc ls gar keine, theils nur ganz geringe Anzahlungen und verkaufte sic schleunigst wieder. Hofmann war beschuldigt, die beiden Fohle», von dcnen er wußte, oder den Umständen nach annehmc» mußte, daß sie auf eine strafbare Weise erlangt waren, um einen außerordentlich niedrige» Preis (400—500 Mark) von Wc sc gekauft und sich demnach der Hehlerei schuldig gemacht zu haben. Es wurden vcrurtheilt: Weise wegen Nückfallsbetrngs in 6 Fällen zn 8 Jahren Zuchthaus, 900 Mark Geldstrafe event. weiteren 120 Tagen Zuchthaus und 10 Jahre» Ehreinechtsrerlust, Hof man» wegen Hehlerei zn 1 Jahr Gefängniß und 5 Jahren Ehreiirechtsverlust. Von der Strafe Weises erachtete man 6 Monate als durch die erlittene Untersuchungshaft verbüßt, Hofmann, der sich bisher aus freiem Fuße befand, wurde sofort in Haft genommen. SlUf avschiisfigem Wege. Zwickau. Der 17 Jahre alte, bereits vorbestrafte Expedient Ernst Willy Paul Schmidt aus Zwickau hatte sich wegen Unters chlagung, schweren Diebstahls und Fälschung von Legitimations- rapieren zu verantworten. Schmidt, der bis Mitte Januar d. I. n einem Fischwaarengeschäst in Zwickau beschäftigt war, sollte seinem Prinzipal 4 Mark 60 Pfg. vereinnahmtes Gela unterschlagen und am 20. Februar d. I. Abends mittels Einbruchs und Einsteigens aus der Ladenkaffe 2 Mark 70 Pfg. gestohlen haben. Weiter hatte er, um Privatpersonen zum Zwecke seines besseren Fortkommens zu täuschen, ein Führungszeugniß falsch angefertigt. Der Angeklagte wurde zu 6 Monaten 10 Tagen Gefängniß sowie 1 Woche Hast vernrlhcilt, letztere aber als durch die Untersuchungshaft ver büßt erachtet. Verbreche»» »r»>d Vergehe», verschiedener Art. Freiberg. Es wurden verurtheilt: 1) der Zi'mmermann^arl Wilhelm Mann, geboren 1850 zu Pfaffroda, 2) der Zimmer mann Heinrich Emil Mann, geboren 1876 zu Pfaffroda, 3) der Maurerlchrling Max Hugo Man», geboren 1831 zu Pfaffroda, 4) der Maurer Ernst Bernhard Morgenstern, geboren 187V, ammtlich wohnhaft in Pfaffroda, wegen Holzdiebstahls und Nöthigung, und zwar Mann ssn. zu 1 Jahr 2 Wochen, Emil Mann und Morgenstern zu je 10 Monaten 2 Wochen und Hugo Mann zu 4 Monaten 1 Woche Gefängniß; 5) der Getreidehändler Hermann Paul Lohse in Borlas, geboren 1877 daselbst, wegen Urkundenfälschung und versuchten Betrugs zu 6 Wochen Gefängniß, worauf 2 Wochen Untersuchungshaft an zurechnen sind; 6) der Holzbildhauergehülfe Wilhelm Bernhard undl er, geboren 1870 zu Döbeln, wegen Sittlichkeitsver brechens zu 1 Jahr 9 Monaten Zuchthaus und 5 Jahren Ehrenrehtsverlust; 7) der Handarbeiter Karl Wilhelm Schlegelj, 1869 in Neu Hausen geboren, in Deutscheinsiedel wohnhaft wegen Hausfriedensbruchs und Körperverletzung zu 3 Monaten Joche Gesängniß; 3) der Kellner August Hermann Arthur Seidel, 1365 in Bachra geboren, in Leipzig wohnhaft, wegen Sittlichkcitsverbrechens zu 9 Monaten Gesängniß, wovon 1 Monat für verbüßt zu erachten ist, sowie zu 3 Jahren Ehren rechtsverlust; 9) der Schneidermeister Karl Heinrich Naumann, geboren 1852 zu Po lenz bei Meißen, wohnhaft in Petersberg, unter Jnwegfallstellung einer ihm am 26. Januar d. I. auferlegten viermonatige» Gefängnißstrafe wegen Untreue, Unterschlagung, Ur knndenfälschung und Betrugs zu 8 Monaten Gefängniß. Wriefkcrsten. F. <S« in Gr-Ellgnth. Ich besitze ein Giundsiück, in welchem eine Quelle entspringt. Au diese» Quelle befiel en für zwei Na hbar» WäsierlnigS- rechte. In welcher Entfernung von der Quelle darf ich weiter nach Qi eiten graben und darf ich der Quelle einen anderen Laus geben?—Solange wirk liche Rechte auf Wasscrbezug cm dem Abschluß Ihrer Quelle bestehen, müsse» Sie Alles unterlassen, was das de» Berechtigten gebührende Qnanimn Wasser beeinträchtigt. In, Nebligen können Lie nut Ihrer Quelle und Ihrem Grund stück machen, was Sic wollen. ES kann sein, daß Sic den Berechtigten ver tragsmäßig ein Recht aus Wafferöezug cingeränmt haben. Es kann auch durch Eisitzuug das Recht entstände» sein. Durch Ersitzung entsteht aber nur dann ein Recht, wenn irgend welche Wasserleituugs- oder Wasserentnahme- Anlagen seitens der Berechtig»-,! gen,acht worden sind, z. B. WcisserlcitnngS- röhren gelegt wurden. A» und für sich hat Niemand ein Recht daraus, daß das Wasser aus einer Privatqiielle, das »och so lange zu seinem Grundstück tam, auch ferner zu ihm hcriniterfließ-. N. A. i» G. Ich bi» 70 Jahre alt und habe 5 Karten zu je 47 Woche», bekomme aber keine Altersrente, weil ich 8 Karten brauche, wie der Ltadtrath sagt. Was ist da zu thnn? Der Stadtrath hat Recht; Sie müsse» noch 2 Jahrelang (d. h. zweimal -t? Woche») in Arbeit bleibe» und klebe». An und für sich nämlich muß man 30 Karten habe», um die Altersrente zu bekommen. Denjenigen Leuten aber, die am l. Januar 1891, als das Gesetz iu Kraft trat, das <!0. Lebensjahr überschritte» hatte», werde» sovicle Lebensjahre, als sie damals älter als 40 Jahre waren, als Karte» gerechnet. Ihnen wurden, da sie im Jahre 1891 62 Jahre, also um 22 Jahre älter als 40 waren, 22 Karten hierfür gut gerechnet, so daß Sic im Ganzen nur 8, also noch 2 Karte» zu kleben brauchen. Sollten Sie infolge Ihres Alters aber »ich» mehr erwerbsfähig, d. h. nicht mehr im Stande sein, ein Sechstel Ihres bis herigen Einkommens zu verdienen, dann können Sie Anspruch ans Invaliden rente erheben. Hierzu bedürfte es imr 5 Beitragsjahre bezw- -Karten. Neffe O. 8V. Mein Vater, der bis za seinem Tode Invalidenrente bezogen hat. ist gestorben. Die Mutter hat »och 7 solche Zettel; bekommt sie noch für 7 Monate die Rente? — Die Rente ist mit de,» Tode Ihres Vatcrs erloschen; die Zettel, sogenannte Zahlungsanweisungen, haben keine Bedeutung mehr. N»r wen» Ihr Vater für den letzten Monat seines Lebens keine Rente erhoben hat, kann von Ihrer Mutter und von Ihnen, als feine» Erben, die Rente nachträglich erholt werde». A. F. itt G» Ich habe hinter meinem Hause eine größere Wiese. Durch dieselbe führt der Länge »ach ein Pfad, der seit uralten Zeiten be gangen wird, aber nicht ausgesteint ist, das heißt, als Gemeindeeigenthum vermessen ist. Ich habe dieselbe mit Qbstbciumen bepflanzt, und wird mir gerade durch diesen Pfad nicht allein bei der Obstreife, sondern auch an de» Obstbänmcn ein großer Schaden zugesügt. Ich frage nna höfl. bei Ihnen cm: Kann ich den Pfad nicht verbieten und die Gänger gerichtlich belange»? Keine 50 Meter davon liegt die Straße, die gerade so leicht benützt werde» kann. — Sie können, da der Weg kein öffentlicher, d. h. im Gemeindeeigen- thnm stehender ist, unseres Erachtens jederzeit die Beiiützitng desselben ver bieten. Nur solchen Personen müssen Sie die Benützung gestatten, welche, »I» zn ihrem Grundstücke zu gelangen, einen andern Weg nicht haben. K. B« in T« Personen des Unteroffizier- und Mamischastsstandes, die an dem Kriege von 1870-71, sowie an den von deutsche» Staaten vorher gesührte» Kriegen ehrenvollen Aittheil geaommen uad sich wegen dauernder Erwerbsunsähigkeit in unterstützungsbedürftiger Lage befinde», können auf Grund des Gesetzes vom 22. Mai I8i>ö Beihilfe» von 120 Mk. jährlich er halten. Dieselben wollen sich mit ihren Mttitärpapiere» an die zuständige Zivilverwaltungsb.hörde wenden. Amalie in G. Italienischen Salat bereitet man von übrig geblie' enein Braten, gekochtem Kalbfleisch, gewässerten Häringe», Salzgurken, Pfeffergurken und etwas Kartoffel». Mau schneidet Alles in schmale Sireifchcn. brückt ans den Gnrke» den Säst, vermischt die Bestandtheile gnt, macht sie mit dicker Mayonnaiseusancc an, würzt mit Salz, Pfeffer, englischem Senf, Essig und ganz wenig Zucker, richtet an und verziert mit Zitronen- »nd Schlackwnrst- scheiben, Gnrlc». Sardinen, Sardellen. Neunaugen, Eiern, Radieschen und dergleichen. G. A. i» Lößnitz. Die genannten drei Zwanzigmarkstücke haben keine» besonderen numismatischen Mehrwerth. Die im Verlage von G. F. Gebert in Nürnberg monatlich einmal erscheinenden „Nnmismatischen Mit- »Heilungen" würden Ihren Zwecke» entsprechen- ««»»chte-Zettung. verlebte das Pärlein zwei glückliche Tage, in „ denen es die Genüsse der Großstadt mit Raffinement bis auf den Grund auskostete. Edith b.hielt sogar ein bleibende» Andenken daran in Gestalt eines schweren, goldenen, mit Türkisen besetzten Armbandes, das Albert ihr als Zeichen seiner unwandelbaren Liebe ver ehrte. Am Montag aber stellte der Katz nja umer, das graue Elend in feiner ganzeil Fürcyterlich- keit sich ein. Ter junge Herr hatte einen Boten an seinen Prinzipal abgesandt, um sich wegen Krankheit entschuldigen zu lasse», auch Edith fühlte sich trotz ihres robusten Budiker- Llutes von den Strapazen der beiden vorher- gegangencn Tage so abgespannt, daß sie nicht ins Geschäft gehen mochte, und so saßen sie Beide in ihrem bescheidenen Stübchen und gähnten einander in bleischwerer Katerstimmung umwechselnd a». Da trat ein ebenso unerwarteter wie un willkommener Besuch ins Zimmer, ein Schutz- mann i» Lebensgröße, der sich angelegentlich »ach Herrn Handlungsgehilfen Albert N. er kundigte und diesen nach einigen verfänglichen Fragen mit einer Höflichkeit, die jeden Wider spruch ausschl.ß, von der Seite der Geliebten forlsührte. Ter junge Man» hatte, um dem »himmlischen Mädchen" würdig gegenüber» treten zu können, seinem Prinzipal 300 Mk., die er am Freitag für die Firma einkassirt, unterschlagen und »u» kamen die Folgen dieses fragwürdigen Finanzstückleins. Sie begannen mit einer mehrere Wochen andauernden Unter- suchungshast und endeten vorläufig mit der Vernrtheilung Alberts zu zw i Monaten Ge- fängniß. Eins muß dem jnngen Gentleman aber nachgcrühmt iverden: Sein Examen als Kavalier hatte er mit Glanz bestanden. Als « verhaftet wurde, waren von den 300 Mark Nur »och 63 Pfg. übrig. Eine vollendete Komödiantin. - „Ist ein Telegramm an Fräulein Natalie F., Schillerstraße, angekommen — aus Posen von Herr» Generaldirektor F.?" fragte eines Tages im Januar d. I. auf dem Telegraphen amte in Breslau eine Dame, der man auf den ersten Blick ihre Zugehörigkeit zur vor nehmsten Gesellschaft ansah, den diensthabenden Beamten. »Jawohl," lanlele die Antwort, „es wird eben ausgeferfigt; in fünf Minuten bekommt es der Bote zui» Abtragen." „O, so geben Sie es her; der Mann würde mich nicht zu Hause treffen, und die Nachricht ist für mich von der größten Wichtigkeit." Der Beamte reichte das Papier dienstfertig aus dem Schalter heraus, sie griff hast« danach, entfaltete es und überflog den JnhcM mit sichtlicher Erregung und ließ es sogleich erblassend mit zitternder Hand wieder sinken. Es mußte eine schreckliche Nachricht für sie enthalten, da sie, die offenbar an Haltung streng gewöhnt war, durch die Lektüre so an» dem Gleichgewicht gerieth. Ter Beamte schaut« sie einigermaßen erstaunt an. Er erinnerte sich, daß die Depesche lautete: „Das gewünschte Kapital von 10000 Mark wird nächsten Frei tag an Dich abgesandt werde». Herzlichen Gruß — Robert." Daß diese Nachricht so erschreckend wirken könne, schien ihm über raschend und nicht recht verständlich. Die Dame rang noch immer »ach Fassung. „Du grundgütiger Himmel," murmelte sie, „diese Verzögerung! Ich hatte ihm doch so dringlich geschrieben, die Sache mit der größten Eile zu erledigen — und nun läßt er mich noch vier ganze Tage warten!" Bleich und bebend versuchte sie zurückzu treten, indem sie sich mit einer leisen Neigung des Hauptes verabschiedete, aber der Schreck war ihr derart in die Glieder gefahren, daß ihr die Füße den Dienst versagten; sie mußte sich an dem Schaltcrbrett festhalten, um sich zu erholen. „Kann ich Ihnen irgendwie beistehen?" fragte der Beamte theilnehmend, „gnädiges Fräulein scheinen eine schlimme Post erhalten zu haben." „Sie sind sehr liebenswürdig, mein Herr; ich danke Ihnen. Die Sache ist allerdings in hohem Grade mißlich für mich. Ich hatte mir eine telegraphische Geldsendung verschrieben, und nun geht mir die Nachricht zu, daß ich »och vier Tage darauf warten soll. Ich muß aber unbedingt heut noch wenigstens hundert Mark haben. O wie peinlich! — Doch ver zeihen Sie die Störung, mein Herr; der Schlag traf mich so unerwartet, daß mich di« Schwäche übermannte." Wieder wollte sie sich entfernen; diesmal aber hielt sie der Beamte durch die Worte: „Einen Augenblick, gnädiges Fräulein!" zurück. Einer Dame in so schwieriger Situation beizustehe», schien ihm eine unabweisbare Plicht, und daß er hier eine Dame aus der besten Gesellschaft vor sich hatte, konnte keinem Zweifel unterliegen. Eine Gefahr daß sie ihre Ver pflichtung etwa in vornehmer Nonchalance vergessen könne, war gleichfalls ausgeschlossen, da die «»gekündigte Geldsendung durch seine Hände gehen mnßte, und er so Gelegenheit erhielt, sie »öthigenfalls daran zu erinnern. Er richtete also nochmals zuvorkommend die Frage an sie, ob er ihr nicht irgendwie in ihrer Peinlichen Lage dienen könne. Mit sicht lichem Widerstreben ließ sie sich zurückhalten; noch immer zögernd stand sie einige Sekunden unschlüssig, endlich aber schien sie angesichts ihrer drückenden Verlegenheit ihre Scheu über wunden zu haben und erwiderte mit einem bezaubernden Lächeln, daß er sie zum größten Dank verpflichten werde, wenn er ihr auf die paar Tage 100 Mark liehe. Er griff in die Tasche, wo noch sein erst vor wenigen Tagen erhobener Gehalt steckte; sie nahm das Geld mit einem dankbaren Blick entgegen und verabschiedete sich, und — Geld und Schuldnerin sah er niemals wieder. Doch »ei» — die Letztere kam ihm dieser Tage nochmals vor Auge». Er war als Zeuge geladen und sie saß auf der Anklagebank, um sich wegen zwanzig solcher Schwindeleien zu verantworten. Da erfuhr er denn, daß die vornehme Dame eine alte, abgefeimte Prostituirte war. die einen nicht unbeträchtlichen Theil ihres Lebens in Gesängnissen und Zuchthäusern zugebracht hatte. Eine so vollendete Komödiantin war ihm noch nie begegnet. Sie erhielt diesmal für ihre Streiche außer einer hohen Geldstrafe wiederum 4 Jahre Zuchthaus. Sein Geld sah er aber nie wieder. Nie Straße von Gomorrha. In einer sehr weit entlegenen Vorstadt straße in Leipzig, in die der große Verkehr seine Wellen nur selten und ganz vereinzelt hincinfluthen läßt, war eS zu Anfang dieses Jahres eine Zeit lang nicht ganz geheuer. Eine vereinzelte, »»schöne Miethskaserne, die dort zwischen kleinen, noch an ländliche Verhältnisse erinnernde» Häuschen ihre öden vier Stock hohen Mauern in den Himmel hinen, reckt, schien der Sitz eines Koboldes geworden zu sein. Die Nachbarschaft kannte schon die Tücken dieses niemals sichtbar werdenden, niemals in greifbarer Gestalt erscheinenden Unholdes und beschrieb beim Passiren der Straße einen weiten Bogen um das Haus herum, jeder nichts ahnende Fremde aber, der unbefangen auf dem Bürgersteig vorüberging, hatte diese Unvorsichtigkeit sofort zu büßen. In der Regel rieselte zuerst ein seiner Sandregen auf ihn herab, wie wenn in der Wüste der Samum eine gelbe Wolke des heißen trockenen Wüsten- Elements daher jagt, dann folgten kleine Kohleu- stnckchen, erwärmte klebrige Pechfaden und manch mal noch viel schlimmere Dinge, die wir hier aus Anstandsrücksichten nicht näher nennen wolle««. Und wenn er dann entrüstet »nd scheltend in die Höhe schaute, flog ihm noch irgend ein widriger Gegenstand ins Gesicht; gleichzeitig erscholl auch oft ein fernes Hohngelächter wie von einer ganzen Schaar von Teufeln, aber zu entdecken war nirgends etwas von dem heimtückischen Uiheber des gomocrhanischen Regens, und selbst die angelegentlichsten Nach forschungen in dem Hause führten zu keine« Resultat. Erst nach geraumer Weile kam Licht in das geheimnißvolle Treiben der unsichtbaren höllischen Macht. Eine Bewohnerin de» Hause», die iu ihrer Bodenkammer nach etwas suche» wollte» fand darin drei Bürschkein im Alter von 12 bis 14 Jahren. Sie hatten sich einen Nachschlüssel zu verschaffen gelmißt und von der Kammer aus, die ein schmales, nach der Straße schauendes Fensterchen hatte, die Polter geister gespielt, und zwar mit solchem Geschick, daß Niemand sie hatte entdecken könne». Nun wurde ihnen ohne Umstände der Prozeß gemacht, nnd das Schöffengericht ver- urtheilte sie für ihre zahlreichen Unthaten, unter denen der Diebstahl an Kohlen sttr die Zwecke ihrer Bombardements der Passanten die erste Stelle eiuuahm, zu mehrwöchentlichen Gefängiiißstlafen. Das Beste — meinte der Vorsitzende — hätten eigent ich die Väter da heim Ihm« müssen, denn die geeignetste Strafe für solche Rangen kenne das Gesetz nicht. Bei diesen Worten fuhren sich di« drei Armensünder mit den Händen unwillkürlich über ihre Rückenverlängerang nach unten hin, ein Beweis dafür, daß di« Herrn Väter bereits «nit Ernst und Nachdruck ihres verantwortungs vollen Amtes gewaltet hatten. Humor tm GertchtSsaal. Vor Gericht- Richter: „Wie alt sind Sie?" — Zeugin schweigt. — Richter: „Antworten Sie schnell! Je länger Sie zögern, desto älter werde» Sie sein!"
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