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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 18.10.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189810182
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18981018
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18981018
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-10
- Tag 1898-10-18
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Monat
1898-10
-
Jahr
1898
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— Nr. 242. — 18S«. - Diese verbreitetste unparteiische Leitung erscheint Wochentags Abends (milDatum des nächste» Tages) und kostet mit den sechs wöchentliche» Beiblättern: 1. Sächfischer Erzähler, 2. Kleine Botschaft, 3. Gerichts-Zeit,«„g, 4. Sächsisches Allerlei, 5. Zllttstrirtes Unter- haltnngsblatt, 6. LnstigeS Bilderbnch für Chenmih: Monatlich 40 Pfennige: bei den Postanstaltcn: monatlich SO Pfennige. 1898. Postlist«: Nr- 2809. Telegramm.Adresse: wcneralanjelger. gernsprechslell- Nr. IM. General- Dienstag, den 18. Oktober. Anzeiger für Chemnitz und Umgegend. (Sächsischer Lan»eS»A«n«iger). Gegründet 1»VS als ,,S»n,eig«r" ,e. Anzetgenpreis: «gespaltene CorpnSzeile (ca.9 Silben fassend) oder deren Nanm lSPsg. (Preis verzeichnisse d. Zeile 20 Psg.) — Bevorzugte Stelle («gespaltene Petit-Zeile circa 11 Silben fassend) 30 Psg. — Anzeigen können mir bis Vormittag l0 Uhr angenommen werden, da Druck rmd Verbreitung der grasten Auslage längere Zeit erfordern. Verlag und Rotation»maschitte«-Drtt«r von Alexander Wiede in Chemnitz, Lheaterstratz« Nr. 8. Geschäftliche Anzeige-Inserate finden für billigsten Preis zugleich Verbreitung durch die täglich erscheinende Chemnitzer Eisenbahn-Zeitung. Amtliche Anzeigen. veffentliche gemtinschaftl. Sitzung der städtischen Kollegien. Donnersag, den 20. Oktober 18:"8, Abends 6 Uhr, im Stadtverordneten-Sitzungssaale. Tagesordnung: l. Wahl von vier Vertrauensmännern in den nach 8 6 der Verordnung, die Schössen und Geschworene» betreffend, vom 23. September 1879, zu bildenden Ausschuß. 2. Wahle» von Mitgliedern and stellvertretenden Mitgliedern für die Ersatz-Kommission Chemnitz-Stadt: desgleichen von Sachverständigen zur Abschätzung von Krlegsleistungen. Handels» egtster-Eitttlagltngen. Auf de», die Firma „C. E. Gaihsch" in Chemnitz betreffenden Foliinn 332 wurde vcrlantbart, daß Frau Elise Antonie Alberttne ver- wittwete Gaihsch geb. Nicthaniiner in Chemnitz an Stelle des verstorbenen Herrn Mühlenbesttzers Carl Ehregott Gaitzsch Inhaberin geworden ist. Hierzu wird bemerkt, daß Herr Max Conrad Gaihsch in Chemnitz auch von der neuen Firmcilinhaberin Prokura ertheilt erhalten hat, auf dem die Firma „A. Lei» <L Co." in Chemnitz betreffenden Folium1464 wurde Herr Johannes Curt Lci» in Chemnitz als Prokurist eingetragen und auf dem den „vonsum-Verein Grüna und Umgegend, einge tragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht," in Grüna betreffende» Folium 20 des Genossenschaftsregisters wurde verlantbart, daß Herr Carl Hermann Engelmann ans dem Vorstände anSgeschieden und Herr Max Arnold in Grüna Vorstandsinitglied geworden ist. Ein vereitelter anarchistischer Anschlag ans Kaiser Wilhelm? Die Polizei in Alexandrien soll »ach einer Meldung des Reuter'sche» Bureaus in der Nacht zum vergangene» Freitag neun italienische Anarchisten verhaftet habe», darunter den Inhaber eines Kaffeehauses, in dessen Wohnung zwti mit Kugel» gefüllte Bomben gesunden wurde». In England scheint man diese Entdeckung mit der Kaiserreise nach Palästina in Verbindung bringen zu wollen, denn der „Standard" führt in einem Leitartikel aus, die Anarchisten seien im Jrrthum, Wenn sie annähmen, der deutsche Kaiser, werde von der Durchführung seines Reiseprogramms abgeschreckt werden. Der Versuch eines Ver brechens gleich den früheren könne keinen anderen Erfolg habe», als die Mächte zu gemeinsamen Bemühungen zur Vertilgung dieser wie die Pest zu-verabscheuenden Sekte anzuspornen. - - - Weitere Nachrichten, die allerdings auch über London eingetroffen sind, scheinen die Ausfassung des „Standard" zu bestätigen. Es heißt dort: Der erste Verhaftete ist ein Caföbesitzer in Moharven, Welcher der Polizei als Anarchist und Verbreiter anarchistischer Littcratnr wohl bekannt war. I» seinem Hause wurden zwei sehr gefährliche Bomben gesunde», gefüllt mit Kugeln und stark mit Draht umwickelt, um größeren Widerstand zu sicher». Die Polizei hatte die Anarchisten lange beobachtet und mit der italienischen Polizei Jerusalemer Eindrücke. Zur Orientreise des deutschen Kaisers. Von Ludwig Weiland. (Nachdruck verboten.) Viele dcnische Jerusalempilger bekennen offen, von der heiligen Stadt enttäuscht worden zu sein. „Ist das die Stadt" (so rufen sie wohl mit dem Propheten ans), „von der inan sagt, sie sei die aller schönste?" Dieser Eindruck der Enttäuschung ist für jeden Kenner Jerusalems leicht begreiflich. Die Landschaftsbilder, die sich hier dem Auge bieten, haben nichts Großartiges, (Überraschendes, das den erfahrenen und verwöhnten Reisendcn Hinreißen und begeistern könnte. Der erste Blick, de» Jerusalem dem von Westen ankvininendcn Pilger darbietet, ist ohne alle» bestimmte» Csarakter, und selbst der schöne Blick von der Höhe des Oelberges kann doch billigerweisc nur lieblich genannt werden. Die Bnntheil und schier verwirrende Mannigfaltig keit des orientalischen Lebens lernt man in Kvnstantinopel weit besser kenne». An bcmerkcnswerihen öffciiti che» Gebäuden ist Jerusalem im Grunde recht arm; es ist, die Wo'rheit zu sagen, ii» Ganzen «her eine unansehnliche Stadt mii tntvc-nnllen, schmutzige», meist jammervoll schleit gepflasterten, Abends nur ganz nothdnrftig er hellten Straßen, und — was Wohl besonders den Deutschen peinlich berührt — die Zeichen der Verarmung gucken an allen Ecken und Enden mit nicht zu übersehender Deutlichkeit hervor. Ohne Hinter land und darum ohne Handel, an Fabriken überaus arm, würde das industrielle und Haudclslcben von Jerusalem beinahe ein Nichts sein, setzte nicht die Frcmdenindusiric mit Allem, was darum und daran hängt, viele Stande i» Bewegung. Kein Wunder also, Wenn nüchtern Besucher Jcrnsalcms nur um eine Illusion ärmer diesen klassischen Voten verlassen. 'st >'»d bleibt diese unsaubere, verfallene, ärmliche .fesselndste, ergreifendste Ort der ganzen Welt und beschäftigt die Erinnerung und die Phantasie das ganze Leben das richtige Auge nach Jerusalem mitbringt. Aber Mellich, den offenen Blick muß man haben, »in im Verfalle »' der dunklen Gegenwart eine unvergleichlich glanzende Vergangenheit zu erkennen. Wer zu seben vermag dem sind die einsamen Stätten Jerusalems bevölkert 2 nicht nur di! Sinne, nein, vor Allem auch das Gemttth erliegt fast der Fülle er- schütternder Eindrücke und Erinnerungen. Spielt doch hier die Ver gangenheit aus Schritt und Tritt auf das Lebendigste in das inoderiie Leben hinein! Die Franc», die da d m Teiche Siloah zuschreiten, tragen ihre Wasscrkrttgc hoch ans der Schulter, wie einst Hagar that.' Die Krüge und Vasen, die aus einheimischem Thon auf dem Töpfer acker oder in de» dunklen Gewölben am Damaszener Thore gedreht werde», haben sich seit Nuth'S Zeiten kaum geändert. Auf dem Friedhose senden fünf Klageweiber ihre Schreie und Seufzer über das frische Grab; so rief schon Jeremias: „Habet Acht und berufet Klageweiber!" Der öffentliche Schreiber, der, sein Schreibzeug im Gürtel, am Jcisfa-Thore ans Kunden wartet, — hat er seit Ezcchicl'S Tagen je an diesem Platze gefehlt? Wie JesaiaS die Hunde von Verbindung gepflogen. Alle Verhafteten sind ihrer Person nach be kannt außer Einem, der wahrscheinlich ein neu eingetroffener Sendling ist. Dem Anschein nach beabsichtigten die Anarchisten zuerst, die Bomben im Abdin-Palast in Kairo gegen Kaiser Wilhelm und vielleicht zugleich gegen den Khedive zu benutzen. Nach dem Verzicht auf de» Ausflug nach Egypten änderten sie jedoch ihre» Plan. Am Donnerstag erhielt die Polizei in Alexandria ein Telegramm vom italienischen Generalkonsul in Kairo, daß zwei verdächtige Anarchisten von Kairo vis. Suez nach Port Said abgereist seien. Denselben Abend verhaftete die Polizei den erwähnten Cafetier, nachdem sie entdeckt hatte, daß er den Steward eines am Freitag von Alexandria nach Port Said und Syrien gehende» Schiffes bestochen hatte, eine Kiste mit Bomben an Borv zu nehmen. Die beiden Männer aus Kairo sind noch nicht verhaftet, aber das Attentat ist vereitelt. Das deutsche General konsulat in Kairo hat seine größte Befriedigung und seinen aufrichtigen Dank für das erzielte Resnlttat ausgesprochen; das Verdienst hieran gebührt dem Chef der Alexandriner Polizei, Harrington Bey. Bei den Verhaftete» wurden Schriftstücke vorgcfunden, ans denen der Plan, ein Attentat ans de» deutschen Kaiser ausznsühren, ersichtlich ist. Der Untergang des Dampfers „Mohegan". Wie wir im Depeschenthei'l unserer letzten Nummer inittheilten, ist an der Küste von Cornwall der transatlantische Dampfer „Mohegan", der von London nach New-Aork unterwegs war, gescheitert. Ganz genau steht die Zahl der Passagiere und die der Geretteten noch nicht fest. In einem Telegramm aus Bremen wird die Zahl der Mann schaften auf 107, der Passagiere aus 50 bis 60 angegeben; im Ganzen seien 48 Personen gerettet. In anderen Telegrammen heißt es, die Zahl der Passagiere habe 53, der Mannschaften 96 betragen, und 49 Menschen seien gerettet. Die Zahl der „fehlenden", also wahrscheinlich ertrunkenen Personen wird hier auf 101 angegeben. Weiler liegen noch folgende Meldungen vor: Tie „Franks. Ztg." meldet aus London: Ans dem hiesigen Bureau der „Atlantic Transport Linie" wurde mitgctheilt, daß der Dampfer „Mohegan" 53 Passagiere und 80 Mann Besatzung an Bord hatte. Ein Gerette er giebt folgende Darstellung der Katastrophe: Das Schiff war am Donnerstag Abend von London abgcgangen. Freitag Abend 7 Uhr, während .des Essens, wurde ein lauler Krach gehört. Man lief auf Deck und sah, daß das Schiff auf einen Felsen gestoßen war. Das Wasser drang sehr schnell ein. Es herrschte die größte Ordnung unter der Mannschaft, welche den Be fehlen des Kapitäns bis zum letzten Augenblick gehorchte. Der Kapitän blieb auf der Kommandobrücke. Es wurden zwei Boote niedergelassen und zum größten Theil mit Frauen besetzt, ob dieselben die Küste erreicht haben, ist nicht bekannt. Das Hinterthcil des Schiffes begann bald zu sinken und in wenigcr als 20 Minute» ging das Schiff unter. Ein Rettungsboot aus Falmouth fand 14 Mann von der Besatzung lebend aus dem Felsen. Aus London: Wie die „Atlantic Transport Line" mittheilt, sind von den 53 Passagiere» des Dampfers „Mohegan" 49 gerettet worden. Die meisten Passagiere waren in ihre Heimath zurück kehrende Amerikaner, nur ein dentsch klingender Name befindet sich in dem Passagier-Verzeichniß, nämlich Frau Gumbrecht, welche ver mißt wird. Nach den neueren aus Falmouth ei'ngetroffencn Telegramme» sind zusammen 49 Personen gerettet, darunter vier Damen und zwei Kinder. Das Rettungsboot aus Porthonstock landete die 16 auf dem Felsen Gefundenen in elendem Zustande. Mehrere von diesen Ge retteten hatten erhebliche Verletzungen. Alle waren erschöpft Sie wurden nach St. Keverne gebracht. Mehrere Leichen wurden au» Land geworfen. Die Küstenwache berichtet: Man sah den Dampfer „Mohegan" einen gefährlichen Kurs steuern und feuerte ein« Warnungsrakete ab. Der Felsen, auf dem der Dampfer gescheitert ist, ist ein submariner. Ein überlebender Pferdehändler aus New» Jork Namens Maule erzählt, er habe bemerkt, daß das Schiff näher an das Land steuerte, als eS üblich war. Um sieben Uhr waren alle Passagiere beim Diner, außer einigen krank nuten liegenden Kindern. Plötzlich hörten die Passagiere einen lauten Krach, alle stürzten an Deck und fanden das Schiff auf dem Felsen. Sofort wurden Befehle ertheilt, die Boote flott zu machen. Der Kapitän Griffiths» ein alter, erfahrener Seemann und Kommodore der Linie, stand auf der Brücke. Die Mannschaft benahm sich wie Helden. Der Dampfer sank sofort, das Bug voran. Zwei Boote mit Frauen und Kindern wurden zuerst abgesandt. Maule spang ins Wasser» mit einem Rettungsgürtel versehen, zugleich mit dem ersten Osfizier Couch, von dem er später getrennt wurde. Ein kleines Mädchen aus dem Schiff bat ihn herzzerreißend, sie zu reiten, da sie noch nicht sterben möchte. Er konnte Nichts für sie thun. Nach den letzten Informationen stellt die Schifssgesellschast fest, daß 11 Passagiere und 37 Personen der Bemannung gerettet find, 101 Personen fehlen. 16 Leichen wurden ans Land gespült. Jerusalem geschildert hat: „Sie sind stumm, mögen nicht bellen, sie träumen, liegen, lieben zu schlafen", — also sind sie noch heute in den Straßen der Stadt zu sehen. Wie Rebekka sind auch jetzt noch die Frauen mit dem Schleier verhüllt; wie in den ältesten Zeilen ihrer Geschichte begraben auch jetzt noch die Juden ihre Todten ohne Sarg, nur in Tücher gehüllt. Wer sein Augenmerk auf derlei Dinge richtet, dem erscheint diese verfallene Stadt allerdings voll von einem uralten, unendlich ehrwürdigen, ja wahrhaft heiligen Leben. Und dann neben diesen lebendigen die todten und doch vielleicht noch beredteren Zeugen einer Vergangenheit ohne Gleichen! Hier sehe» wir in ein Gebäude eine korinthische Säule von schönster Arbeit eingefiigt; ließ sie der prachtliebende Hcrvdes auscrtigen? Haben die gewaltthätigc» Römer sie errichtet? Da zeigen sich Gitterfenster ans der Zeit Saladin's. Jener Barbier hat seine primitive Wcrkstätte in eine», eingefallenen Tcmplerhvspize aufgeschlagen. Wir treten in ei» Kaffeehaus, wo ein Dutzend Männer, träumend, schlafend, plaudernd die Kühle genießen; haben sich unsere Augen an das Dunkel des Ortes gewöhnt, so erkennen wir, daß wir uns in der Krypta einer halb zerstörten 5ürche befinden. Gewaltige Mauersteine, ja ganze große Mauerreste treffen wir von einer wahrhaft zyklopisch.» Arbeit, die Jahrhunderten getrotzt haben und vielleicht von Salomo's Wcrkleuten selbst gesetzt und gefügt worden sind. Ja, hier sprechen die Steine! Hier spricht die ganze unentwirrbare riesenhafte Schntt- masse, die Jerusalem bedeckt, diese Schuttmassc, zu der Jahrtausende, zu der Juden, Römer, Griechen, Muselmanen, Franken beigelragen haben. Es sind eben diese gigantischen Trümmer der Vergangenheit, die uns die Vergangenheit selbst verbergen. Denn nur wen» das Unmögliche möglich würde, wenn man die gewaltigen Trümmerhausen, die zum Theil das heutige Jerusalem ausmachen, ablragen könnte — erst dann könnte man ein getreues Bild der Stadt, wie sie einst war, gewinnen. Bis dahin wird es bei dem freilich ärgerlichen Ver hältnisse bleibe», daß wir die heiligen Stätten der Geschichte Jesu nicht mit Sicherheit identifiziren können. Was heut als die Vin ciolorosa, als das heilige Grab, als Golgatha, die schreckcnsreiche Schädclstätte, gezeigt wird, das sind geschichtlich nicht zu beglaubigende Oertlichkeitennur wenige Stätten» wie z. B. der Garten Gethsemane, sind mit Wahrscheinlichkeit fcstzuslellen. Doch hat jener Reisende wohl Recht, der darauf hinweist, daß es für das Empfinden des feiner organisirten Besuchers schließlich auf die Jdentifizirung der einzelncn Lokalitäten der Geschichte Christi um so weniger ankomme, als vermöge des eigenthümlichen Konservativismus des Orients das Leben seiner Zeit selbst uns »och bis heut vielfach unverfälscht und frisch erhalten ist, und Moria und Zion, der Oelberg und das Thal Josaphat beredt genug spreche», um uns seine Spuren und seine» Wandel auf diesen Gefilden anschaulich vor das geistige Auge zu stellen. Aber nicht nur die Vergangenheit, auch die Gegenwart thut doch auch das Ihre dazu, Jerusalem zu einer einzigen Stadl zu gestalten. Wundersam und ergreifend ist die magnetische Anziehungskraft, die Jerusalem für die gesammten Völker des Occidenls und des islamitische» Orients besitzt. Auch Rom, auch Stambul sind Welt Polittsche Nmidschan. - " Eh rm» itz, de» 17. Oktober 18SS. Deutsches Reich. — Die Nachricht eines süddeutschen Blattes, wonach der Ent schluß des Kaisers, die Reise nach Egypten aufzngeben, thatsächlich auf den Rath des Groß Herzogs von Baden zurückzuftthren sei, wird von der „Post" als vollständig aus der Luft gegriffen er klärt. Der Kaiser hatte schon längst, bevor der Großherzog nach Potsdam kam, sich aus eigenen Erwägungen zu einer Abkürzung der städte der Kultur. Doch was ist Nom dem Mohammedaner oder Syrier, was Konstantinopel dem Katholiken oder Protestanten? Nach der Hügelstadt in Palästina aber treibt es sie Alle, Alle. Für de» Bekenner des Islams ist sie nächst Mekka die heiligste Stadt der Welt; da wo einst Salomvnis Tempel Prangte, steht jetzt die herrliche Moschee Omar's, wird inbrünstig die Sachra verehrt, jener Kalkfelsen, auf dem nach der Tradition der Juden die Vundeslade gestanden haben, von dem Mohammed in den Himmel erhoben worden sein oll, auf dem einst beim jüngsten Gerichte Gottes Thron stehen wird. Frei in der Lust soll er schweben und sprachbegabt sein, so erzählen die Legenden. Dort ans Morias luftigen Höhen steht die lange vor den Franken fanatisch verschlossene Andachtsstätle der Mohammedaner, — am SDwestabhange, wo ungeheuere, wahrscheinlich ans Salomo's Zeit stammende Reste der mächtigen Mauern stehe», ist die Klagestätte der verwaisten Jude», deren Ahnen zuerst auf jenem (jetzt von ihnen ans Furcht der Entheiligung nie mehr betretenen) Hügel dem einigen Gotte einen Tempel errichteten. Noch hat kein Besucher Jerusalems diese Stätte verlassen, ohne im tiessten Herzen erschüttert zu sein. Da knien sie auf der Erde oder lehnen gegen die Mauer, die einst die Herren dieses Landes, die Träger einer großen Kulturmission waren; zu keiner Tagesstunde verstummt hier das Gebet, verstummen die wehevollen Klagen und traurigen Scufzcr. „Die Krone unsere» Hauptes ist abgefallcn," tönt cs da, »nd „Wie lange noch, o Gott? Herr, wie lange willst D» meiner so gar vergessen?"; oder cS antwortct schluchzend der ganze Chor dem Vorsänger: „Da sitzen wir nun einsam und weinen." Wohl ist ihr Zustand doppelt be- weinenswerlh, denn das jüdische Quartier in Jerusalem ist da» chmu.igste, seine Wohnungen die ärmlichsten in der ganze» Stadt, obgleich sich die Lage d.r Jerusalemer Inden Dank ter werktätigen Theilnahme ihrer Glaubensgenossen im Abendlande in de» letzten Jahrzehnten nicht unwesentlich verbessert hat. Im Ganze» genommen macht Jerusalem hcnt de» Eindruck einer mosle»iit>jchen Stadt, doch sind die Beifätze anderer Nationalitäten stark genug, um die Physiognomie wesentlich zu beeinflussen. Das christliche Quartier grnppi'rt sich um die Heilige Grabkirche. Kein christliches Bekennliiiß ist „»vertreten. Lateiner, Grieche», Armenier, Kopien, Syrer, Abessynier, Prvtcsiaittcn — sic alle zähle» hier Bekenner, haben Gebäude, Gotteshäuser, gemeinnützige Einrichtungen. Da, Ivo die fromme — doch zum Theil nicht alte — Ueberlieferung die größte Zahl der heiligen Ställen, vor Allem die Stätten des Grabes und der Kreuzigung Christi, lokalisirl hat, in der Grabes- kirchc, — da entfaltete sich ein merkwürdiges Leben. Könnte man nur auch sagen: ein weihevolles! Doch mischt sich hier Andacht sind Eigennutz, innerste Ergriffenheit und geschäftsmäßige Gleich giltigkeit in solcher Weise, daß selten wohl ein deutscher Besucher hier zu einer reinen Stimmung der And jht hat kommen können. Da weine» und beten Pilger, russische zumeist, und bedecken mit heiße» Küssen hingebendster Frömmigkeit und Verzückung den lallen Stein, aus dem sie knieen. Und daneben verkauft ein verschlafener griechischer Priester den vor tiefer Erregung Zitternden gleichgilti/ scine Wachskerzen. Da sehen wir Gestalte», die, ganz in sich ver.
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