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Diese verbreitetste unparteiische Zeitung erscheint Wochentags Abends (milDatttin des nächsten Kagcs) und lostet mit den sechs wöchentlichen Beiblättern: 1. Sächsischer Erzähler, L. Kleine Botschaft, 3. Gerichts-Zeitung, 4 Sächsisches Allerlei, b. Jllnstrirtes Unter- haltnngöblatt, 6. LnfiigeS Bilvervnch monatlich 50 Pfennige. 1898. Postliste: Nr. 2808, Lelegramm -Adresse: Gencralauzeilier. genisprechstclle Nr. reo. für Chemnitz und Umgegend. - lSächsischer La«»des-An,eiger). Gegründet 187» als „Anzeiger" ie. Verlag und RotationAmaschinen-Drnck von Alexander Wiede in Chemnitz, Theaterstrab» Nr» 8. Sonntag, den 30. Januar. Anzeige» preis: «gespaltene CorpnSzcilc (ca.9 Silben fassend) vocr deren Ramn lSPfg. (Preis-, Verzeichnisse L. Zeile 20 Pfg.) — Bevorzugte Stelle (Sgespaltene Petit-Zeile circa N Silben fassend) 80 Pfg. — Anzeigen lönnen nur bis Bornnttag lO Uh» angenonune» werde», da Druck und Verbreitung der grobe» ^ Auslage längere Zeit erfordern. Leschästliche Anzeiger-Inserate finden für billigsten Preis zugleich Verbreitung durch di« täglich erscheinende Chemnitzer Msertblihn-Zettimg. Deutscher Reichstag. Unser parlamentarischer Mitarbeiter schreibt unterm 29. Januar: Eine „Jnngsernrede" leitete die heute fortgesetzte Berathung des Etats des Neichsamts des Innern ein. Das an Stelle des verstorbenen Abgeordneten Grillenberger (Soz) für Nürnberg ge. wählte Mitglied des Hauses, Hcrr Ocrtel, hielt seinen ersten „Speech", und zwar über die Milzbrandvergistungen der Arbeiter in der Bürsten- n»d Pinselindustrie. Die „Genossen" hoben die Ausführungen des Redners durlch.wiederholte Hört! Hört! hervor. Direktor Köhler vom Reichsgesundheitsamt versicherte, daß die Regierung den erwähnten Infektionsgefahren andauernd ihre Aufmerksamkeit widme. Dann folgte eine Agrar-Dcbatte, wobei Abgeordneter Rettich (kons.) an der Hand statistischen Materials ein Bild von den großen Schädig, ungen der Landwirthschast entrollte. Mit starker Ueberzcuginig ver. focht Graf Stolberg die Nothwendigkeit energischer Sperrmaßrcgeln. Es scheint, als sei der Oberpräsident a. D., der in der letzten Zeit rednerisch mehr in den Vordergrund getreten ist, zum Nachfolger des Frcihcrrn v. Manteuf fel in der Führung der Rechten im Reichs tage anscrschcn. Die erforderlichen Eigenschaften besitzt der Graf unleugbar: parlamentarische Erfahrung, ruhige, sichere Beredsamkeit, imponirende Erscheinung. Der betagte Expräsidcut des Reichstages v. Levsehow, in dem man bisher de» kommenden Führer der Kon servative» sah, ist der anspruchsvollen Aufgabe kan», noch gewachsen; er selbst mag es wohl vorziehen, sich durch eine jüngere Kraft ver treten zu lassen. Eine interessante Ueberraschiistg bot das Eingreifen des Grafen Herbert Bismarck in die Debatte. Er schien erst unschlüssig, ob er reden solle, bewegte sich unruhig auf seinem Platze, stand schließlich auf und meldete sich beim Präsidium (Vizepräsident Schmidt-Elberfeld) zum Wort. In llar gegliedertem, von Sach- verstäudniß zeugendem Vorträge forderte auch Graf Herbert Bismarck möglichst die Fcrnhaltung ausländischen Viehes, nach dem Muster Englands, mindestens für mehrere Jahre. Die Art, wie Graf Herbert Bismarck redet, sein zuweilen stockendes, dann rasches, die Sätze her- vvrstoßcndes Sprechen, die knappen, gemessenen Handbewegungen, das Organ — AllcS erinnert an den berühmten Vater. — Im weiteren Verlauf der Sitzung klagte man über die noch immer weitverbreitete Wein Verfälschung. Staatssekretär Graf Posadowskh hielt für ungemein schwierig, den „Weinpantschern" das Handwerk zu legen, ohne die ehrlichen Wciuproduzenten gleichfalls zu treffe». Mit einer Erörterung für niw gegen das Jmpfgesetz, ans der hervor ging, daß die Regicrnng an dem Gesetz sestzuhaltcn gewillt ist, schloß die langausgcdehnte, inhaltsreiche Sitzung. Deutscher Reichstag. 27. Sitzung vom 28. Januar, 2 Uhr. Am Bnndesrathstisch: Staatssekretär Graf Posadoivsky. Eingegangen sind die Gesetzentwürfe betr. Abänderung der Kvn- kursordnuug. Die Etatsberathnng wird beim Reichsamt des Innern Kap. 12 „Ncichsgcsundheitsamt" fortgesetzt. Hierzu liegt der Antrag des Abg. Müller-Sagau vor, betr. Einstellung von 30000 M. für biologische Forschungen. Abg. Oertkl (soz.) bedauert die Verzögerung, die die Forschungen über den Milzbrand erlitten haben. Durch diese Infektionskrankheit würden Tausende von Arbeitern vergiftet; die vom Reichsamt der Innern vorgeschlagenen Bestimmungen seien unzureichend und stellten nur das Mindestmaß des Nothwendigen dar. Die Thicrhaare und Borsten enthalten meist den Giftstoff, und deshalb müsse alles zur Verwendung kommende Material desinfizirt werden. Die Unter nehmer wenden sich freilich gegen diese Desinfektion, aber das dürfe die Regierung nicht abhalte», auch auf diesem Gebiet den Arbeiter schutz durchzuführcn. Auch auf die große Ausdehnung der Haus arbeit in der Pinselindustrie wolle er das Gesundheitsamt aufmerksam machen, desgleichen darauf, daß viele Aerzte die Milzbrandkrankheit nicht zu erkennen und zu behandeln vermögen. Direktor im Reichsgesundheitsamt 0r. Kühlt»! betont die Schwierigkeiten bei Regelung der Sache. Ein von einer gesundheits- amtlich zusammengetretenen Kommission vereinbarter Gesetzentwurf liege jetzt dem Bundesrath vor. Bei den abschließenden Verhand lungen würden auch Arbeitnehmer mit zugezogen werden. Abg. Beckh (freis.) erwidert dem Abg, Oertel, darüber, daß mit den bisherigen Maßnahmen nicht geholfen werden könne, seien Arbeitgeber und Arbeiter einig. Die Fabrikation werde aber deshalb doch nicht eingestellt werten. Abg. Rettich (kons.) beklagt die außerordentliche Zunahme der Maul- und Klauenseuche. Nothwendig sei völlige Sperre gegen das Ausland. Weshalb verbiete man nicht die Einfu'ir russischer Schweine gänzlich, ebenso wie der russischen Gänse, die Träger der Geflügel cholera. Auch die Rindvieh-Einfuhr aus Oesterreich bringe uns Seuchen nach Bayern und Sachsen; nur völlige Sperrung der Greuzetgebe uns Sicherheit. Abg. Blos (So-.) weist auf die Verunreinigung der Flüsse durch die Abwässer der Zuckerfabriken hin. Direktor vr. Köhler: Die Frage habe schon das Reichs- gesnndheitsamt beschäftigt, es fei aber fchr fchwierig, generelle Vor schriften zu erlassen, man müsse sich vielmehr darauf beschränken, von Fall zu Fall Besserung herbeizuführeu. Abg. Graf zn Inn- nn- Knyphnnsen (kons.) empfiehlt ebenfalls Erforschung der Maul- und Klauenseuche und als einziges Abhilssmittcl die Sperrung der Grenzen, da die Absperrung der einzelnen Höfe und Dörfer sich als nutzlos erwiesen. Die ganze Landwirtschaft stände hinter dieser Forderung, die Versuche Einzelner, den thcilweise» Import zu verlangen, kämen nicht in Betracht. Direktor vn. Köhler: Die Maul- und Klauenseuche sei in den beiden letzten Jahre» wieder stark aufgetreten und die Bekämpfung erweise sich als schwierig, ivas die Negierung aber nicht hindern werde, hierin fortzufahren. Die Sperrung der Grenze liege ihr sehr am Herzen, stellenweise sei die Sperrung durchgeführt. Die Frage sei in einer Druckschrift behandelt, die dem hohen Hause in diese» Tagen zugehcn werde. Abg. 1)i. LangerhanS (freis.): Mit dieser Seuche sei cs wie mit der Cholera. Alle Absperrungen nützen nichts und man müsse sich hüten, hierin zu weit z» gehen. Das Rcichsgcsundheitsamt müsse mit Mitteln ausgerüstet werden, die Maul- und Klauenseuche genau zu stiidireu, namentlich die Art ihrer Verbreitung. Schließlich könne man aber Menschen und Thiere nicht gegen alle Krankheiten inimunisiren. In Deutschland sei die Maul» und Klauenseuche mindestens ebenso verbreitet wie im Auslände. Abg. l)r. Hitze (Zentr.): Seine Partei sei bereit, das Reichs- gesnndheitsamt durch Gewährung reichlicher Mittel in seinen Seuchen- Forschungen zu unterstützen. Mit den inneren Sperren dürfe nicht zu weit gegangen werden, den Viehhändlern nnd Treibern müßt« em Llstenführungszwang anserlegt werden. Abg. Graf Arnim (Rp.): Man dürfe die Quarantainen ln den Kreisen und Regierungsbezirken nicht z» strenge durchführen, der Hauplwerth komme immer der Grenzsperre zu. Abg. Graf Stolberg (kons.) weist auf den Schweine-Jmport nach Oberschlesien hin, der als Kontingent für die Ernährung der dortigen Beförderung erforderlich sein solle, aber nicht sei. Die Quarantänen helfen nichts bei der Maul- und Klauenseuche. Er bitte um eine Uebersicht über den Stand der Viehseuchen in England. Direktor vr. Köhler: England sei in der Thal frei vo» Seuchen (hört, hört! rechts), seitdem man dort jedes erkrankte Thier einfach abschlachten ließ. Abg. vr. Kruse (natlib.) spricht sich ebenfalls gegen eine innere Quarantäne ans. Abg. Graf Stolberg empfiehlt das englische Systelln, Abg. b. Kardorff (Neichsp.) und Abg. Pansche (natlib.) sprechen sich für die Grenzsperre und gegen die innere Sperre aus, während Abg. vr. HnaS (b. k. F.) sich entgegengesetzten Sinnes äußert. Abg. Gras Bismarck: Die Debatte habe viel Lehrreiches z» Tage gefördert, aber man müsse sich zu energischem Vorgehen ent schließen. Das freihändlerische England habe, als die Viehseuche» austraten, einfach die Grenzen gegen jede Einfuhr gesperrt, trotz seiner großen Arbeiterbevölkerung. Das Moment der Ansteckung durch Eisenbahnwagen sei »och nicht genügend berücksichtigt. Das Vieh aus dem Osten dürfe nicht in den ausländischen Wagen bei un» transpvrtirt werden. Rigorose Maßregeln im Jnlande reichten allein nicht aus. Abg. Müller-Sagan: Wenn die Msttheilungen über England richtig feien, beweisen sie die Nutzlosigkeit unseres bisherigen Seuchen- gefetzcs. Er empfehle internationale Maßregeln wie bei den MelU..^-, Seuchen. ' Abg. Wurm (Soz.): Die Maßnahmen in England datiren schon 12 Jahre zurück, und es sei zweifelhaft, ob ihnen die Sachverständigen heute noch zustimmen würden. Wir können unsere Grenzen nie so abschließen wie das Jnselreich England. Das Sicherste sei die obligatorische Vichversichcrung für das Reich mit Heranziehung aller Landwirthe zur Beitragszahlung und Entschädigung für gefallene» und getödtetes Vieh. Abg. Preitz (Elf.) wendet sich gegen die Verfälschung der Weine und gegen die Herstellung von Kiinstweiiien, bleibt aber im Einzelnen unverständlich. Entweder ist das Nahrungsmittclgesetz unzulänglich, oder es werde nicht richtig augewcudet. Graf Posadotvökh: Alle diese Klagen seien ihm wohl- bekannt. Die Schwierigkeit des Kampfes gegen die Verfälschung der Weine liege in den Mängeln der Technik. Den Weinen dürfen gewisse Ingredienzien wie Zucker zugesctzt werden. Wolle man hier eine bestimmte Grenze festsetzen, so würde man zu einer schwer aus führbaren und uncrlräglichen Kvntrvle der Winzer kommen. DaS Weingesetz vom Jahre 1892 enthalte genügende Vorschriften gegen die Kuiistweiue, er wolle aber die Frage prüfe», ob eine Verschärfung nothwendig sei. Er habe sich deswegen mit dem preußischen LciudwirthschaftSministcr in Verbindung gesetzt, betone» Die Tragödie von Whitehall. Eine Skizze zum 250. Gedenktage der Hinrichtung Karls 1. von England (30. Januar 1648) Von Robert Bern dt. (Nachdruck verboten.) Es war geschehen. Der Gerichtshof hatte „Karl Stnartt" als Tyrannen und Verräther zum Tode durch das Schafsot verurtheilt. Eine unheimliche schwere Spannung, wie vor einem furchtbaren Schlage, lag in der Lust. In den engen Straßen Alt-Londons wogt und drängt sich die Masse, unruhig, murmelnd, scheue Blicke auf die Trupps von Bewaffneten werfend, die ab und zu klirrend vvrbcischrcilen. Der König auf's Schassott! Wohl haben sie ihm einst wegen manchen Unrechts und mancher Gcwalllhat gegen des Landes Freiheit gezürnt; aber nun ist er besiegt, ein hilfloser Ge faugener, nnd wo ist Englands Freiheit geblieben? Die eiserne Faust des Heeres hat sie erwürgt, die offene Gewalt hat sich ans ihren Stuhl gesetzt. So ist ihre Stimmung über den König ganz nmgcschlagcn. Sie erzählen sich, wie ritterlich er in den Schlachten dcr letzten Jahre gefachten; sie rühmen seine Leutseligkeit nnd sein artiges Wese»; sie beklagen ihn, der von Gefängniß zn Gefängnis) geschleppt wird und doch seine Würde nnd Fassung nicht verliert. So begrüßt den Fürsten auf manchem Leidensgange hell nnd uner wartet ein Ruf: „Oock scrvs tckro King!" Und wo das Volk mit ihm in Berührung tritt, zeigt cs unverminderten Respekt vor der königlichen Person. Selbst die Nuderknechte, die den Gefangenen nach Westminstcr rudern sollten, bestanden darauf, cs barhäuptig zn thnn. Und im Grunde steht es um seine Richter nicht viel anders. Ties lebt in ihnen allen die eingeborene Ehrfurcht vor der Person des Gesalbten und es kostet sie gewaltsame Ansirengnngcn, dies Ge fühl zu übertäuben. Bebend vor Erregung hatten die Richter das Schwert und das Szepter geführt, — das Szepter, das noch die königlichen Abzeichen trug! Sie hatten den Gefangenen nicht durch Lüsten dcr Hüte begrüßt, aber das Gericht hatte auch „für diesen Tag" davon abgesehen, darauf zu bestehe», daß dcr Angeschuldigte vor den Richtern — oder Denen, die er als solche anerkennen sollte, — seinen Hut ziehe. Sie waren sorgenvoll genug, i»y geneigt zu sein, nicht gar zu weit zu gehen. Von Zeit zn Zeit ließ ein Offizier leine Leute zur Ermuthigung der erregten Richter den wilde» Ruf: ,.ln8tios Mick sxsouiücm!" ausstoßen. Er Müßte ihnen erst zuredeil, denn auch die Soldaten hatte» eigentlich gegen den König persönlich nicht viel, und nur die lleine Schaar von Offizieren war cs, die znm Acußecsten drängte und die Sache zum Schluffe bringen wollte. Aber in dieser kleinen Schaar lebte der Wille, der den Anderen fehlte, und zu ihr gehörte Cromwett, der Eiscnnian», der nie vo» etwas abließ, was er sich vorgesetzt hatte. Nur er, dem all' die Unruhe galt, war ruhig. Auch seine Gegner mußten anerkennen, daß er sich vor dem Gerichte vortrefflich gehalten habe. Er glaubte an sich, an seine Sache, an sein Recht; er war fest und innig von der schweren Ungerechtigkeit des Ver fahrens gegen sich überzeugt. „Ich habe eine gute Sache und einen gnädigen Gott für mich", sagte er noch auf dem Schaffvtte. So, mit sich völlig einig, konnte er den minder sicheren Richtern ruhig enlgcgentreten. Ja, er, dem Zeit seines Lebens die Zunge nicht so recht hatte gehorchen wollen, — vor Gericht konnte er gut und beredt sprechen. Selten nur verließ ihn die Selbstbeherrschung. Als der Präsident ihn einmal bedeutete, Gefangene hätten nichts zu ver langen, brach er aus: „Gefangener, Herr! Ich bin kein gewöhn licher Gefangener!" Und als das Urtheil verkündet war und man ihm nicht zu einem letzten Einsprüche das Wort gestatten wollte, da ließ ihn in der Empörung seine Zunge plötzlich im Stiche und die Worte polterten ihm heraus: „Ich darf nach dem Urtheil sprechen, Herr, mit Verlaub . . . Ich darf nach dem Urtheil sprechen, immer . . l . Mit Verlaub, haltl . . . Das Urtheil, Herr . . . Ich sage, Herr . . . Ich . . . Man erlaubt mir nicht zn sprechen ... Welche Gerechtigkeit werden erst Andere da Wohl finden . . ." Da schleppten sie ihn eilends hinweg, zurück in sein Gefängniß durch Reihen erregter Söldner, die ihn beschimpften. Die Einen schmähten ihn, Andere bliesen ihm Tabakswolken in's Gesicht oder warfen ihm ihre zerbrochenen Pfeifen auf den Weg. Aber er hörte auch die Stimme eines Soldaten sagen: „Gott segne Euch, Herr!" Und nun ist auch dies vorüber nnd Karl sitzt mit seinem ge treuen Diener Herbert in seiner Väter Hanse, dem St. James- Palast, und blickt über den St. James-Park hinüber nach Whitehall. Von dort haben sie ihn hier herüber gebracht, damit er die Schläge nicht höre», die Arbeiter nicht sehen soll, die sein Blutgerüst zimmern. Sonntag ist's; am Vormittag hat er in der Kapelle von Whitehall mit Bischof Juxvn einen stillen Gottesdienst gehalten; jetzt blickt er über den Park, dessen Bäume entlaubt und von rauhem Winde ge schüttelt sind, hinüber nach Whitehall, wo er sich nach seiner Thron besteigung zuerst dem Volke gezeigt hatte, — nnd Anfang nnd Ende seiner Herrschaft stehen neben einander vor seinem Auge und die ganze stürmische Vergangenheit mit ihren bunten Gestalten steigt vor ihm auf: sein glänzender Hof, den so viele geistreiche und schöne Männer und Frauen zierten, an dem Königin Henriette, die Schönste dcr Schönen, Allen voranleuchtete; sein Liebling Buckingham, dem seine Neigung das Leben kostete; Strafford und Land, die er dey, Rache heischenden Unterhanse opferte. Die wilden Tage des Bürger krieges ziehen wieder an seinem Geiste vorüber; er sieht sich siegen und unterliegen, und wieder siegen und nnierliegen; er gedenkt, wie die Hoffnung geringer und geringer wurde, wie er sich zn den Schotten flüchtete, und wie sie ihn verricthen, wie sich die Parteien um ihn und um sein Schicksal stritten, wie er in einer dunklen Novembernacht, nun vor wenig mehr als zwei Jahren, aus Hampton- court entfloh und auf der einsanien Insel Wight wieder in die Ge fangenschaft gericth. Nur wenige Wochen war cs her, daß seine er bittertsten Feinde, die Führer der Armee, sich seiner bemächtigt hatte», aber seit diesem Tage war in ihm die Ahnung anfgctaucht, daß ernstes Unheil seiner wartete. Im einsamen Schlosse Hnrstcastle, au dessen Fuß wild die Wogen der See schlugen, Halle er sicher er wartet, daß man ihn ermorden werde. Aber er war lebend aufge wacht, und „von dein schlechtesten in das beste seiner Schlösser", nach Windsor gebracht worden, Ivo er »och einmal als König gelebt und ans der Hand des kniecnden Mundschenks den Becher entgegen« genommen hatte. Dann hieß es plötzlich: nach London! Nach London, wo inzwischen die Partei, die mit ihm noch unterhandeln wollte, zersprengt war! Wollte man ihn zu Gunsten seines SohneS entthronen? Ihn selbst vielleicht ewig gefangen setzen? Nun — „Gott ist allenthalben"! halte er gerufen, und war nach London gegangen. Und dort hatten die königlichen Formen gleich aufge hört; selbst in seine»! Schlafzimmer hatten die Soldaten trinkend und rauchend gesessen, — und jetzt blickte er als ein zum Tode Vernrthcilter aus den Fenstern seines alten Londoner SchlosseS hinübcr nach Whitehall, dcr Stätte so manches glänzenden Hoffestes. Vorüber war Glanz »nd Leben, und nnr noch eine kurze Spann« Zeit blieb ihm für irdische Sorgen. . . . Der nächste Tag brachte ihm eine schwere Stnnde; den Abschied von seiner Tochter Elisabeth nnd seinem Sohne Heinrich, den einzig« von seinen Kindern, die in England weilte». Das Mädchen war 13. der kleine Herzog von Gloucesier erst 10 Jahre alt. Vielleicht, j» wahrscheinlich verstand dcr kleine Heinrich nicht recht, was cs eigent lich bedeuten solle, wenn der Vater ihm sagte, nun werde inan ih» den Kopf abschlagen. Aber er verstand, daß der Vater ihn dringlich warnte, stets seinem Bruder Karl gehorsam zn sein und sich nie gege» ihn zum König machen zu lassen. „Ich will mich eher in Stückt