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-i—E-tW», Rr. 34. eiblatt 18SS. ,»,» „Chemnitzer lSciieral-Anzeiger" „ud zu», „Sächsische» Landbote»." Verhandlungen sächsischer Landgerichte. Eine Mutter, wie sie nicht fein so». Dresden. Dis vierte Strafkammer als Berufungsinstanz beschäftigte sich >»it folgendem Falle: Die Maurecsehefrau Marie Auguste Drinks ans Dresden, geborene Stephan, Mutter dreier Kinder, war am 2. Juli d. I. vom Schöffengerichte wegen gefährlicher Körperverletzung z» 4 Monaten Gefäugiiiß und zur Tragung der Kosten des Verfahrens vcrurtheilt worden. Sie hatte dagegen Berufung eingelegt. Die neuerliche Beweisaufnahme ergab nun die Thatfache, daß die Angeklagte ih e älteste Tochter, die unehelich am 4. November 1894 geboren worden ist, in unglaublicher Weise wiederholt mißhandelt halte. Sie hat das ohnehin schwächliche und schlecht genährte Mädchen mit einem starken Rohrstock so rücksichtslos auf de» Rücken, die Arme und in das Gesicht geschlagen, daß cs vielfach blutende Schwielen und dergleichen erlitt. Weiter hat sie das Kind in dürftiger Kleidung wiederholt auf dem kalten Korridor in der Kälte stehen lassen. Einmal begann diese Tortur Abend 6 Uhr, worauf die „liebende Mutter" einfach fortging. Als sie dann in der Nacht nach 11 Uhr »ach Hause kam, war da; Kind vor Müdigkeit und Kälte auf sein Bett gesunken. Beim Anblick der Mutter, die es weckte, schrak cs zusammen und stieg auf das Bett. Statt »u» das bedanernswerthe Geschöpf schlafen zu lasse», zankte die „Mutter" noch einige Stunden mit ihm. Schließlich wurde die Sache bei der Wohlfahrtspolizci anzezeigt, das Kind vom Armenarzt Or. Th. untersucht und infolgedessen in anderweite Pflege uutergebracht. Bezeichnend für die Gemüthsart der Beklagte» ist es, daß sie seitens ihres Mannes wegen des armen Geschöpfes niemals Unannehmlichkeiten zu erdnlden hatte. Sie gab an, sie habe das Kind geschlagen, „weil cS unreinlich war". Die 24 Jahre alte Angeklagte wurde als schuldig befunden, vorsäZich und rechtswidrig ihr Kind mißhandelt und körperlich geschädigt zu haben, und die Berufung verworfen. Gcmeittgesährlikhe Einbrecher. Leipzig. In den in Lindenan gelegenen Garteuabtheilungcn halten in der Nacht zum 20. März d. I. mehrere Einbrecher wie die Vandalen gehaust. Sic halten, nachdem sie die Zäune überklettert, die Thüre» der Gartenhäuschen aufgeürochcn, die Fenster eingeschlagen, die Wandschränkchen ansgesprengt und Alles, was ihnen mitnehmcnS- werth erschien, sich angeeignet. In elf Gartcuabthcilungen haben sie außer geringen Geldbeträgen Zirkel, Messer, Hannner, Kleiderbürste», Tabaksbeutel, Tabakspfeifen, Kleider, Wäsche u. s. w. gestohlen, in elf anderen Abtheilnnge» haben sie nach ähnlichen Sachen gesucht, aber nichts gefunden. Anfang April wurde» zwei der Einbrecher feflgcnommen, der 20 Jahre alte Kutscher Christoph Wilhelm Rohr ans Mosiggan und der 21 Jahre alte Sattler Karl Otto Nettliug ans Beriiburg, der dritte Theilnehmer, der 33 Jahre alte Sattler Friedrich Gustav Voigt aus Poritz, hatte sich der Verantwortung durch die Flucht entzogen. Rohr und Nettliug standen bereits am 4. Mai vor der Strafkammer IV des Land gerichts und es erhielt Rohr wegen zweier vor dem 20. März begangener Einbruchsdiebställe unter Zubilligung mildernder Umstände und unter Anrechnung eines Monats der erlittenen Untersuchungshaft 1 Jahr 5 Monaten Gefängniß und 3 Jahre Ehrenrechtsver- lnst zuerkannt, während Nettliug wegen eines mit Rohr verübte» Einbruchs unter Anrechnung von 3 Wochen der Untersuchungshaft zu 10 Monaten Gefängniß und 2 Jahre» Ehrcnrcchtsverlust vernrtheilt wurde. Diese Strafen wurden von derselben Strafkammer wegen der in Lindenau verübten Einbrüche auf 2Jahre3 Monate Gefängniß bei Rohr und auf 1 Jahr 10 Monate Ge sa ngn iß bei Nettliug erhöht. Nachdem kürzlich auch Voigt festgenvmmen worden war, wurde ihm vor der Ferienstrafkammer O der Prozeß gemacht. Er war in der Hauptsache geständig. Am Abend des 19. März hatte er sich mit Rohr und Nettliug in einer Herberge getroffen und die Drei hatten verabredet, da ihnen das Geld zur Bestreitung des Nachtlagers fehlte, in einer Feldscheune am Schönauer Weg zu übernachten. Als sie auf dem Wege dahin a» den Schrebergärten vorüberginge», hat Einer von ihnen angeregt, einmal nachzusehen, ob sich nicht etwas Eßbares finden lasse. Sie habe» nun nicht allein das Nachsehen so gründlich besorgt, daß sie in 22 Abtheilnnge» alle verschließbaren Behältnisse erbrochen und durchstöbert haben, sie haben auch außerdem Blumen und Sträucher zertreten und ruinirt und dadurch bedentenden Schade» angerichtet. Voigt will von den gestohlenen Sachen nur Kleinigkeiten an sich genommen und in der Hauptsache den stillen Beobachter gespielt haben. Der Gerichtshofs ahndete seine Thätigkeit mit 1 Jahr 3 Monaten Gefängniß. Ei,» bedenkliches Wmfgeschotz. Leipzig. In einer Leipziger Restauration bildete kürzlich die Frage über die Verwendbarkeit der Kavallerie im Vergleich zu der jenigen der Infanterie im Kriege das lebhaft erörterte Gesprächsthema. Der Schlosser T., welcher bei den Dragoner» gedient hatte und eifriger Kavallerist ist, trat mit Entschiedenheit für seine Waffe ein, während der Kellner M. als ehemaliger Infanterist de» Anschauungen und Aussührungen T.'s widersprach. Die Debatte wurde bald hitzig und es kam zu Schimpfworten. M. begoß schließlich T. mit Bier und dieser schleuderte ihm dafür das Bierglas mit voller Wuth au den Kopf. Da M. mehrere stark blutende Schnittwunden davon- getragcn hat, ist augenscheinlich das Bierglas schon am Kops des Verletzten cutzweigegangen und nicht erst zerbrochen, als cs zu Boden fiel. Der Gerichtshof konnte nach Lage der Sache nicht zur Zu billigung mildernder Umstände gelangen und erkannte gegen T. wegen gefährlicher Körperverletzung aus 3 Monate Gefängniß. NiicksaNsbetrug und Unterschlag»»,»«. Plauen. Der 1876 in Ob er stauseu (Bayern) geborene und mit Gesängniß schon sehr oft vorbestrafte Friseur Joseph THeister entfernte sich in der Nacht zum 11. Juni d. I. heimlich aus seiner Stellung bei Friseur H. in Adorf, nachdem er sich zuvor ei» vorzüg lich lautendes Arbeitszeugniß auf seinen Namen angefertigt und mit der Unterschrift H.'s versehe» hatte, das er vom Gemeiuderalhe in Adorf abstempeln ließ. Von dem Zeugniß machte er das erste Mal Gebrauch bei dem Zivilvorsitzenden der Ersatzkümmission in Hof. Vor seinem Weggang in A orf hat er an einen Kunden seines Dienst- Herrn in Jugelsburg zivci Rasirmesser, die er feinem Dienstherr» entwendet hatte, versetzt und das erzielte Geld für sich behalten; weiter hat Theifler, der zum Einkassieren von Rasirgeldern von seinem Dienstherr» Erlaubniß hatte, von Milte Mai bis 11. Juni 2 Mk. 11 Pfg. unterschlagen. Der Angeklagte war geständig. Da» Zeugniß und Geld will er sich verschafft haben, um seiner kranken Mutter, die in Bayern wohnt, zu Hilfe eilen zu können. Wegen Nückfallsbetrng und Unterschlagung wurde Theisler zu 8 Monate« 1 Woche Gefängniß und 2 Wochen Haft, sowie 2 Jahren Ehrenrechtsverlust vernrtheilt. Dem jugendlichen Angeklagten wurden mildernde Umstände zugebilligt und 6 Wochen der erlittenen Unter» suchungshaft in Anrechnung gebracht. Etnfacher Bankerott. Plauen. Der Kaufmann Paul Georg Alexander Pfretzschner aus Berlin, geboren 1865 in Markneukirchen, ist »och iinbe- strasl und besetzte wegen einfachen Bankerotts die Anklagebank. Er hat am 15. September 1887 mit 25 000 Mark Schulden da» Galanteriewaarenzeschäst und die Papierhandlung seines Vaters in Markneukirchen übernommen. Die Anklage legte ihm zur Last, daß er keine Eröffnungs-Bilanz gezogen hat, und die Geschäftsbücher sind so geführt, daß sie keine Uebersicht über den Vermögeiisstand zulassen. Am 3. Oktober 1898 ist das Konkursverfahren gegen Psretzschner eingeleitet worden. Der Angeklagte war geständig; er entschuldigte sich damit, daß er geglaubt habe, in einem kleinen Geschäft« sei es nicht nöthig, so genau Buch zu führe». Das Gericht sah sein Geschäft jedoch als ei» kaufmännisches an und verurlheilte ihn wegen Vergehens gegen 8 Ho Ziffer 2 des «str.-G.-B. zn 2 Wochen Gefängniß. Ei»» allz», zärtlicher Liebhaber. Plauen. Der Nöthigung und Bedrohung ist der 1680 in O elsnitz geborene Zeichner Otto Alfred Enno Mädler angeklagt. Am 23. April d. I. war Vergnügen im „Norddeutschen Hoi" zu Oelsnitz, an dem auch der Angeklagte mit seiner Geliebten Hulda R. theilnehmen wollte. Er begab sich deshalb in die Wohnung der Geliebten, um diese abzuholen. Als sich das Mädchen weigerte, mitzugehen, weil es ihr die Eltern verboten hätten, erwiderte Mädler, die Eltern hätten ihr Nichts zu sagen» sie habe ihm zu gehorchen und wenn sie nicht wolle, so würde er dem Verhälluiß ein Ende machen; „mit ein paar Schüssen wäre Alles gethan"! Durch diese Drohung ließ sich das Mädchen nöthigen, dem Willen Mäklers zu entspreche» und mitzugehen. Abends wollte die R. allein nach Hause gehen und die Begleitung Mäklers nicht aiiehm-». Da äußerte Mädler zu ihr: „Du kommst mir nicht mehr lebendig nach Hanse, drei Kugeln habe ich »och." Der Angellagtc führte ein Taschen» teschin bei sich, was auch seine Geliebte wußte. Mädler stellte die Sache anders dar. Am 29. April ließ der Angeklagte die R. aus der Fabrik, in der sie arbeitete, herauskommen und richtete die Frage an sie, ob sie mit ihn: das Verhältnis; weiterführen wollte. Ans di« verneinende Antwort äußerte er: „Nun da führ' ich's aus." Die N. wurde auch von dem Angeklagten verfolgt, doch wußte sie ihm stets aus dem Wege zu gehen. Mädler wurde wegen unerlaubten Wasfentragcns z» 60 Mk. Geldstrafe oder 10 Tagen Ge« säug ii iß und wegen Nöthigung und Bedrohung zg einer Gesammt- strafe von 3 Wochen Gefängniß v-rurtheilt. Die Waffe wurde eingczogcn. IlliredNcher Schlafstelle,»itthave». Zwickau. Der 21 Jahre alte, mehrfach bestraft« Handarbeiter Friedrich Hermann Schilling ans Leipzig.Lindenau, zuletzt -EM« Wichtige Rechtsfragen. WEt» Von de, Anklage des Rnckfallvetrngs hat am 22. März das Landgericht Glatz den Barbiergehilsea Paul Vollmer i» Kuuzendorf freigesprochen. Er kam eines Abends i» ein Gasthaus, ließ sich eine Mahlzeit geben und erhielt dann aus seinen Wunsch auch Nacht quartier. Als er am anderen Morgen seine Rechnung in Höhe von 1 Mk. 30 Psg. bezahlen sollte, stellte cS sich heraus, daß er nur 15 Pf. bei sich hatte. Er »inßte deshalb 1,15 Mk. schuldig bl.ibe», übcrließ aber dem Wirlhe als Psaitd oder an Stelle von Bezahlung einen sogenannten Zahnschlüssel, dessen Werth er aus 2 Mk. augab. Das Landgericht hat in der Handlungsweise des Angeklagten einen Betrug nicht erblickt, da eine Schädigung des Wirthes nicht angenommen werden könne. — Auf die Revision des Staatsanwalts hob das Reichsgericht das Urtheil aus und verwies die Sache an das Landgericht zurück. In der B. giüiidung wurde ansgefnhrt: Tie Annahme, daß der Wirth durch die Handlniigsweisc des Angeklagten nicht geschädigt worden sei, ent behrt einer ausreichenden Begründung. Es hätte geprüft werde» müssen, ob nicht der Schaden für den Wirth schon eingetretcn war, als zwischen ihm und dem Angeklagten der Vertrag auf Lieferung von Abendessen und Gewährung von Nachtquaitier abgeschlossen Wurde. Zn diesem Zeitpunkte halte der Wirth Anspruch auf baare Zahlung von 1,30 Mk. Statt dessen erhielt er nur eine nicht sofort realisirbare Forderung. Erst nach der That des Angeklagten hat der Wirth ein Pfand für seine Forderung erhalten, lieber den wirklichen Werth des Psandes ist aber eine ausreichende Feststellung nicht getroffen. A»«flif1,,ttg zu, versuchte,, Brandstiftung Wegen dieser Strasthat ist am 10. April d. I. vom SchwurgcrichtTorgaii die verehelichte Emilie Hiob gcb. Fischer unter Annahme mil dernder Umstände zu drei Monaten Gefängnis; vernrtheilt worden. Sie hatte den mitver- urtheilten Angeklagten Hebung angcstistct, ihr eignes Haus anziizünden. Die Geschworenen haben angenommen, daß dadurch Gefahr für die Nachbarhäuscr geschaffen wurde. Als Milder- uiigsgrmid hat der Gerichshof bei der Hiob Neben ihrer bisherigen Unbescholtenheit ihre geringe geistige Selbstständigkeit und Wider- -standsfähigkeit in Betracht gezogen. — Auf die Revision der Angeklagten Hiob hob das Reichs gericht das Urtheil wegen eines prozessualen Verstoßes bei der Ausstellung und Vcrlesimg der an die Geschworene» gerichteten Fragen ans und verwies die Sache an das Schwurgericht zurück. Zechschulden. Die'für das Gastwirthsgewecbe wichtige Frage, wer für nicht bezahlte Zechen hastet, der Wirth oder der Kellner, ist jetzt gerichtlich entschieden. Ein gerichtlicher Bcschci) stellt seü: Das Kreditgewährcn in Restaurants ist lediglich Sache der Kellnerin, insofern sie Speise» und Getränke gegen Baar oder Mar ken entnimmt. Falls die Zeche nicht bezahlt wird, hat sic den Schaden allein zn trage». Eine Ausnahme hiervon findet »nr statt, wenn dem borgenden Gaste mit Wissen und Willen des Wirlhes Kredit gewährt, und die Speisen und Getränke, die ihm vorgcseht werden, an der Kasse lediglich ausgeschrieben werde», nicht aber von der Kellnerin baar oder vermittelst Marken bezahlt sind. In diesem Falle, wo ein Verschulden der Kellnerin ausgeschlossen erscheint, ist diese für etwaige Verluste nicht haftbar. Bom Genierbegericht. Der Arbeiter M. klagt gegen die Firma U- auf Zahlung von Restlvh» wegen vor zeitiger Entlassung. Die Beklagte hat gegen diesen Anspruch schon in einem früheren Ter mine den Einwand erhoben, daß sie den Kläger habe entlassen müssen, weil er sich gegen Arbeiter innen, die von der Firma in ihrer Fabrik be schäftigt wurde», unsläthigcr Ausdrücke bedient hätte und auch sonst in seinem Benehmen viel zu wünschen gelassen habe. Hierüber wurde in diesem Termine Beweis erhöbe» durch die Vernehmung zweier Zeuginnen, deren eine, Emma St., augab, Kläger hätte sie eine S .. genannt, während die andere, Jda P., bekundete, Kläger hätte ihr vorgcworfeii, sie wäre schon im „Blechwagen", d. h. im Polizeiwagcn gefahren, was sie entschieden in Abrede stellen müsse, da sic noch nie »>it dem Straf-Gesetz in Konflikt gekommen und deshalb auch niemals in dem sogen. Blechwagen als Ge-, faiigene transportirt worden sei. Auf Grund dieser Aussagen gelangt der Gerichtshos zu der Ueberzeugung, daß Kläger in der That VeV Beklagten Anlaß zur Entlassung gegeben und dadurch seinen Anspruch verwirkt habe. Nr. 34. l Beiblatt zi»n „Chemnitzer Geneial-Anzclgcr" >md zun, „Sächsischen LandbotenN^^18W Beraulwortlicher Ncdakleiir: Julius Theiß, Druck u. Verlag: Alexander Wiede, Beide in Chemnitz- Die feindlichen Griidrr. Ein geradezu dämonischer Haß hatte die beiden Brüder Franz und Ferdinand W. in D. entzweit, »nd dieser Haß trieb den Erstgenannten zu Thalcn, durch die er der Strafjustiz verfiel. Die Brüder sind längst aus deni Verbände ihrer Familien ansgeschieden. wohnen aber noch als selbstständige Leute in ihrem Heimathsdorfe in Thüringen, wo Franz eine kleine Ackerwirth- schaft gepachtet hat, während Ferdinand das Schuhmacherhaiidwerk betreibt. Am 25. Juni v. I. waren Beide vor den Schiedsmann geladen, weil Ferdinand Grund zu haben glaubte, gegen seinen Bruder eine Privcitklagc anzustrciigeii. Der Sühneversuch war,, wie vorausziischen, fruchtlos, und der Schlcdsmnn», der ein gefährliches Aufeinander- platzcn der gereizten Gcmülher besorgte, ersuchte den Beklagten, sich zuerst zu entfernen und veranlaßt« den Andern, noch eine Weile bei ihm in der Stube sitzen zu bleiben. Zähneknirschend folgte Franz, ein wilder, schwarzäugiger Bursche, der Aufforderung; als er aber draußen auf der Straße war, wo die Autorität des Schiedsmciiins nicht mehr un mittelbar auf ihn wirkte, übcrkam ihn cl»? Wuth, daß er, seiner selbst nicht mehr mächlig, in die eben verlassene Stube wieder ziirückcaiinte, seinen dort friedlich auf einem Stuhle sitzenden Bruder am Halse Packte und derartig würgte, daß der Gemißhandeltc zweifellos ihm unter den Händen erstickt wäre, wenn nicht der Schiedsniann den Rasenden zurückgerisse» und mit Gewalt wich r an die Luft befördert hätte. Dazu war eine Aufwendung von Krast und Entschlossenheit nothwendig, wie sic etwa ein Thicrbändiger braucht, um eine uiigebcrdige wilde Bestie zur Raison zu bringen. Es ward von obrigkeitlicher Seite dafür Sorge getragen, daß Ferdinand W. an diesem Vormittage mit sicherem Geleit nach seiner Wohnung gelangte, aber einen ständigen Wacht posten konnte man natürlich nicht vor seine Thür stellen, und so blieb die Gefahr für ihn bestehe», aufs Neue von dem gewaltthätigen Menschen überfallen zu werden. Er schloß sich in seine Werkstatt ein und öffnete nur die Thür, wenn er die Stimme des Einlaßbegehrenden erkannt hatte. Diese Vorsicht sollte sich als völlig begründet erweisen; sie bewahrte ihn aber nicht vor neuem Ungemach. Al» er am Abend sein Lämpchen ungebrannt hatte und hinter der Glaskugel fleißig, aber mit zitternden Händen schusterte, wurde plötzlich von Außen hart an seine Thür gepocht, und eine rauhe Stimme rief befehlend . „Ausgemacht I" Der geängstigte Man» gab keine Antwort und rührte sich nicht, doch der Draußenstehende schien nicht geneigt, sich auf langes Parlamen- tiren eiznlassen, sondern wiederholte seinen Befehl nur noch ein Mal und schlug dann mit einem gewaltigen Krach die Thür ein. Das arme Schustcrlein erbebte wie Espen laub, denn vor ihm stand mit rollenden Augen, eine Spitzhacke in der Hand, sein Bruder Franz, den er ebensosehr haßte, wie fürchtete. „Jetzt mußt Du sterben, Hund!" grollte der Fürchterliche mit heiserer Stimme, „jetzt ent gehst Du mir nicht mehr. Hier kannst Du Dich hinter Niemanden verkriechen. Ich schlage Dir Deinen elenden Schädel ein, wenn Du nicht " Er kam nicht dazu, seine Bedingung aus- zusprechen, denn ehe er sich dessen versah, hatte der Bedrohte sich/'.nt einem Sprunge an das offene Fenster geratet und sich mit der Gewandt heit der Todesangst hinansgeschwungen, obwohl das Zimmer zwei Stock über der Erde lag. Lieber Hals und Beine brechen, als nochmals zwischen die Finger dieses wütheiide» Menschen gcrathen! Eine Stunde später wurde Ferdinand W. verhaftet und von dem Ortsgendarnien gefesselt nach dem Gerichtsgefängniß in die nahe Stadt abgeführt. Nach einigen Wochen erfolgte seine Verurthei'lnng wegen gefährlicher Körper verletzung, Hausfriedensbruchs und Bedrohung zu einem Jahre Gefängniß. Das Urtheil wurde auch in der höheren Instanz bestätigt. , Hetz»« 7 X - U '.2 H