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Der erste „Letter". Eine Zeitmigsgeschichle von Pa »l Bader. (Nachdruck verboten.) Da hatte ich mi» endlich, wonach ich mich gesehnt, so lange, wie ich überhaupt wußte, daß ich z» keinem anderen Beruf, als zu dem des Zeitungsschreibers zu bringen sein würde. Eine selbst ständige Stellung, in der nur mein eigener Blaustift ivaltete und in der ich mich nach Herzenslust anstvbcn konnte! Also 500 blanke preußische Thaler! Hm! Viel war das just nicht, den» das Jahr würde von seine» 305 Tage» mir zu Liebe wohl keinen einzige» Masse», aber das Nest sollte dafür auch ecstannlich billig sein. Ich halte in der Rcichshauptstadt Bekannte getroffen, die sich dort, wo, wie Spiclhagcn behauptet, man das Gras wachsen hört, einige Semester Sttidircns halber ausgchalten hatten und die mit kam» nennenswerthen Schulden schließlich wieder abgcrcist waren. Dafür hatte ich die Aussicht, mich binnen einem Jahr und sechs Monate» für meinen Herrn Verleger halb todt zu arbeiten! Da war das Feuilleton, Lokales, Verm schtcs, kurz Alles, was nicht große Politik heißt, und Alles nur für mich. Ein weites Reich znm Jage» für wahr! Wie wollte ich da die Enten nur so heruntcrhvlcn ... . Also noch 14 Tage in der Millionenstadt, im Uinsclieii während derselben »och 28 Fcnillctvn-Themala von der Straße anfgclesen, dann das Köfferche» aus der Ecke, dic'Anzüge, Wa che »ud Bibliothek in die eine Hälfte, die Hoffnungen und Luftschlösser in die andere, und die Fahrt nach dem Norden konnte angetrctcn werden. Vier Woche» waren bald verflogen. Als das erste schwere Ge halt in meine Tasche glitt, konnte ich mir mit gutem Gewissen sagen, daß ich es im Schweiße meines Angesichts verdient hatte. Was hatte ich in der kurzen Spanne Zeit nicht Alles schon erreicht! Ich war Mitglied der beide» Turn- und der drei Mannergesangvereine, trotzdem ich es auf der einen Seite »och nie über eine» halbwegs anständige» Klimmziig hinaus gebracht hatte und ich ans der anderen »nr bei besonderer Gehördisvosition das tiefe c vom hohen tis nntcr- schciden konnte. Ich kannte der Reihe' nach die Väter der Stadt, ihre Frauen, sowie ihre alten und auch die nicht mehr jungen Töchter, ich wnßte, wo einen Jeden das Hühnerauge drückte. Und nun gar erst meine journalistischen Erfolge! Eine alle Frau war mit dem Ansrutschen auf dem Trottoir noch nicht ganz fertig und noch nicht schlüssig darüber, welches Schlüsselbein sie sich brechen sollte, so hatten es auch schon meine Lefer schwarz auf weiß vor sich mit der Nutz anwendung, daß „wir" den Unglücksfall in der Nummer so und so voransgcsagt und daß der Brunnen doch nie eher zngedcckt würde, als bis das bekannte, wenn auch diesmal etwas bejahrte Kind hincin- gefallen. Auf klnglücksfälle, und mochte auch nur ein Neufundländer von einem Kinderwagen überfahren worden sein, war ich besonders dressirt. Es konnte darum nicht ansbleibc», daß die Abonnentenzahl am Ende des Monats nm 6.i gestiegen war, was hinwiederum auf der rothen Nase meines Verlegers, des ehrenwcrthcn Herrn Rudolf Thranke, ein sinniges Leuchten hervorrief, ohne mir allerdings eine Gehaltserhöhung einzntragen. Mit incinem Oberlvllegen, dem Chef redakteur, einem jovialen Vierziger, sland ich auf dein besten Fuße, wenngleich sein Blaustift, der sorgsam den kleinstädtischen Verhält nissen Rechnung trug und gegen meine feurigsten Tropen eine ent schiedene Abneigung an de» Tag legte, mir des Ocflercn Grund zu Vcrstimmnngen gab. Im Ganzen war aber unser Zusammenleben nahezu idyllisch zu nennen — mit der nöthigcn eaptukin dcnsvolcntiuc für Herrn Thrgiikeks.^attie Nase — und wäre es wahrscheinlich auch geblieben, wenn wicht das Schicksal jetzt hier mit ranher Hand eingegriffen und meinem Kollege» eines Tages die schwere, sogar hoffnungslose Er krankung seiner Mutter gemeldet hätte. Dieser beschloß, sofort ab- zureisen, nm der Sterbenden, die ihm das Leben gegeben, wenigstens noch das brechende Auge schließen zu können. Herr Thranke, der die Ansicht hegte, das; seine Angestellten nur ihm gegenüber Pflichten zu erfüllen hätten, sah diese Nvthwendigkcit durchaus nicht ein. Es setzte eine kleine Szene mit dem gelassenen Abgang meines Kollegen und dem darauffolgende» Ausruf an mich: „So Etwas ist mir noch nicht vorgekommen! Einfach zu sagen: ich reise! Habe» Sie die Depesche gelesen, Herr — Herr —?" „Leuchter," half ich ans. „Leuchter, richtig, verzeihen Siel Mir ist der Name noch immer nicht recht geläufig" . . . „Also haben Sie die Depesche gelesen? Ist seine Mutter de,;» wirklich krank? Wenn das nur einfach vorgcschützt wäre? Und dabei bezahle ich das große Gehalt! Denken Sie, tausend Thaler — eintausend Thaler! Ich weiß oft nicht, wo ich sie hernehmcn soll. Aber er thut's nicht billiger, sagt er jedes Mal. Er thnt's nicht billiger — nicht billiger", hörte ich den wackeren Mann noch im Nebenzimmer seufzen. Ich machte es mir auf meinem Stuhl bequem, verschränkte die Arme, legte ein Bei» auf's andere, steckte mir eine frische Sechs- pfcnnig-Zigarre an und blies unternehmend die Rauchwolken zur Decke empor. Ich lvar also jetzt Mädchen für Alles, halte außer der Kirchthurm- auch alle sonstige Politik zu treiben, den Lesern llarzulcgen, wie sie über die Kvlonialgeschichte dachten, und ihnen rorznmalcn, was für ein G.sicht sie schnitten, wenn die Russen von heute zu morgen unsere besten Freunde würden. Doch richtig, ich sollte mich ja äußerst gemäßigt verhalten. Nun, vor der Hand brauchte ich noch nicht zu sorgen; zwei Leitartikel lagen schon da und der dritte würde sich schon finden lassen. Er fand sich aber nicht. Es hieß also: eigenhändig schreiben! Ja, über was denn? Die regierenden Herren waren sämmllich in Le» Bädern oder halten cs sich sonstwie bequem gemacht. Die Völker lagen im tiefsten Frieden in ihren vier Pfählen und auch die Oricntfragc Halle sich zu einer ganz unbedeutenden Zirruswolke ver flüchtigt, die der Beachtung durchaus nicht werth erschien. Halt war da nicht? Ge ciß, cs war! Ich stöberte unter den Zeitungen — da, eine flagrante Bedrohung des Dentschthums in de» Ostsee- Provinzen! Das inußte ausgcschlachtet werden! Ich weiß nicht, ich habe die Russen noch niemals leiden können und ihr Wntki hat mir stets Bauchgrimmen verursacht. Außerdem, der Zar war noch immer weit, und ein Hinweis ans die Zustände im eigenen Valerlande konnte, wenn cr zwischen den Zeilen gebracht wurde, durchaus nicht schade». Also frisch ans Werk! Ich setzte mich in Positur und tauchte mit der entsprechende» Feierlichkeit die Feder tief ins Tintenfaß, so dvß der Leitartikel mit einem Achtung gebietenden Klcx begann. Darauf erfolgte zunächst Nichts und erst nach längerer Zeit begann es langsam zu tagen . . . „In Rußland ist, wie der Telegraph uns übermittelt unv wir schon in der letzten Uebersicht kurz erwähnt haben, dem Denlschlhnm" . . . Nun war d.r Damm endlich g brocken und die Wasser stürzten eilends in die srnchtbare Ebene. Die Jeder flog über das Papier wie der Gaul bei einem Trabmccling über die Rennbahn. Ich schrieb, wie wenn ich im Laude der Steppen mindestens das Abiturientencxamen gemacht hätte. Der letzte Absatz mußte den. Ganzen aber die Krone aussetzen . . . „Sv liegen also die Dinge in Rußland. Weshalb aber das Hühnerauge des Nachbars verwünschen, wenn man selbst ein ganz niedliches Exemplar davon mit anf die Welt bekommen hat? Weshalb über die Grenze gehen, um zu der Erkcnntniß zu kommen, daß, wo ein Kirchthurm ist, auch ein Zaun könig seine Flügel schwingt und die Lust zum freien Athmcu be nimmt? Das Gleichniß vom Splitter und dem Balken wird oft gerade da nicht angeivandt, wo esfam Platze ist. Der Durchschnitts mensch scheint aber nur dann leben zu können, wenn er nicht lebt!" .. Punktum! Zwar hatte ich das nicht gesagt, was ich sage» wollte, aber ich sollte ja vorsichtig sein und nur gemäßigt anftreten. Ich überflog die Zeile» noch einmal. Man konnle sich schließlich Alles und Nichts dabei denken, gerade wie die Leute es thun, wenn sie ans voller Kehle singen: „Freiheit, die ich meine!" Sic meinen dann meistens sehr wenig. Der Schlußsatz würde aber entschiede» Effekt machen; — „scheint nur dann leben zu können, wenn cr nicht lebt!" Sehr gut! Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und war mit mir sehr zufrieden. Am andern Morgen gab ich die Blätter in Satz, stellte die Zeitung zusammen und aß dann mit gutem Appetit zu Mittag. Zurückgckvmmen, lag das Blatt noch feucht auf meinem Pnlt. „Das Tcntschthnm unter der Knute!" leuchtete cs mir in fetter Schrift entgegen. Schon in der Ucberschrift allein lag Mark. Und nun erst der Artikel selbst! Ich las noch einmal Zeile für Zeile, obwohl ich sic schon auswendig wußte; . . . „nur leben zu können, wenn er nicht lebt!" So war's recht! Wie Viele würden den Artikel nun wohl lese»? Tausend? Vielleicht zu hoch, denn was geht die meiste» der Leser Rußland an, aber fünfhundert; die sicher. Ich pflanzte sie mir anf, Mann an Mann in einem Gliede, Jeder mit unserer Zeitung i» der Hand und mit Beimmderung in den Mienen. Ich malte cs mir aus, in den Einzelheiten, haarklein; weiter und weiter gingen die Gedanken und ich träumte den Tranm des jungen Journalisten, dem die Liebe zur Bcthätignng, die Suche »ach An erkennung und nicht zuletzt ver Hunger die Feder in die Hand ge drückt . . . Langsam sank der Kops tiefer und tiescr; der von Ruhm und Lorbeer träumende Zeitungsschreiber entschlummerte. . . „Herr Leuchter! Herr Leuchter!" - Ich schrak empor und wandte mich um. I» der geöffnete» Thür stand mein Verleger, die Zeitung in den zitternden Händen und den Daumen auf die „Knute" gedrückt. Das war also der erste von den Fünfhundert! Nicht gerade erfreulich, denn von einer Be wunderung lvar in den aschfahlen Miene» nichts zu lesen und die schlotternden Beine flößte» mir auch kein besonderes Ver trauen ein. „Herr Leuchter, Herr, was haben Sie geinacht I Der Ruin meines Geschäfts! O ich hab's geahnt, nein, ich hab'S gewußts Ihr Leitartikel — tikel! Herr, wie könne» Sie so Etwas schreiben?«^ Ich blieb cisbergmäßig ruhig. „Wie? Ganz einfach, mit einer gewöhnlichen Stahlf.der und mit einer cinigermaße» schwarze Tinte fl Sehen Sie hier!" Ich holte das Manuskript ans meiner Brust«^ tasche, in die ich es zwecks ewiger Aufbewahrung gesteckt hatte, und hielt es ihm entgegen. „Sie wollen mich noch verhöhnen, Herr, Herr " „Immer noch Leuchter!" „Jawohl, Leuchter. Verhöhn.» «vollen Sie mich! Und, rninirt haben Sie mich! Wie konnten Sie diesen letzten Absatz; schreiben! „. . . um — um zu der Erkenntniß zu kommen, daß wo ein Kirchthurm ist, auch ein Zaunkönig seine Flügel schwingt und die Luft — Lust ..." Er riß sich an dem Hemdkrage» und schnappte; augenscheinlich war auch ihm die Lust sehr benommen. „Wissen Sie denn nicht, daß nnser Polizcichef im Bolksmnndc der „Zaunkönig" heißt?" „Kein Wort. Das ist ja aber wunderhübsch." „Was ist das? Wunder — wunderhübsch? O er wird diese, Zeilen sicher auf sich beziehen und er ist nnserm Blatt seit Langem, scholl nicht grün. Das hätten Sie wissen müssen, müsse» sage, ich. *Kch sehe die Zeitung schon beschlagnahmt; die städtische» Anzeigen werden mit entzogen; bergab gehl's, bergab! Hu, hu I Uin das durch Ihre Jeder, durch Ihre Schuld. O, hätte ich Sie nie gesehen!" Ich konnte gegenüber einer solchen Tragik nnir sch,ver mein Lachen verbeißen. Der Mann war anf das Gespensterseheu schein bar eingedrillt. Erwidern mußte ich aber doch wohl Etwas und so sagte ich denn mit so viel Ernst wie möglich: „Beruhigen Sic sich' nur, Herr Thranke. Es wird Alles sehr gemüthlich ablaufcn, wie das hier zu Lande Sitte ist. Sollte es aber znm Schiffbruch komme», so dürfen Sie meiner Hilfe versichert sein, damit Sie un- g fährdet zu Ihrem Schäfchen auf dem trockenen Lande kommen. Um mein Schicksal seien Sie, dann bitte nicht, besorgt." Er wnßte augenscheinlich nicht, was er ans mir machen sollte. So warf cr mir denn einen ans Zorn »nd Verzweiflung gepaarten Blick zu und s bniettecte krachend die Thür in's Schloß. Ich hatte, a» ähnliche Austritte schon gewöhnt, die Szene sofort wieder ver gesse» und machte mich daher über die neu cingclanfene Post her, eisriz mit der Schcere klappernd. (Schluß folgt.) liiKOiiv l'iseiiloi-, ^irilvriviei'- null Zlnivi'-sVei-IlsIiittvii. kLLM Ikumsnld 7, ttkumanlit 7. -KU88lSi1Ul1W! 2t/ Atr/^2M, 4M, FM, 7M, MS. SM, /MS, 2SSS, MSS, 4SSS, MSS, SSSS, 7SSS rr. «. ro. re. s. ro. Loste Lonsx/s-reer/s. NLLBLLL» äao dosks Polster clor kVeit. kiikiuilrt mit sviäonou mxl 8iU»oru6n Ilmlirillo». lleollkn. Itcnmckcelccu Lokilut'ileclccn Linsiuelcclselren .ivainsolkuar Zecken Lkubenclevlceii 8c>p!lackeolcsir Oivauckeekcn liselicleoksu Lommockenckeekeir Msibmeliclccksn kiancxlccken Lillarcläeelcen Ltcppäsckcn IN'orcksckceken IVaAenckeolcen Itzmclorn'nz-enckeelcgii IVaclistuoliäselceii Imncilcal'terlckeekeir Ocimmickeolceil Ooeoscieclcen empkielilt i>, <xi'c>88ör kValil ««k,L I»INiA ThuM, 2 Liismmirsi'Sil'. s. Es ist wahr, daß man sich bei vegetarischer Kost bedeutend wvhlcr fühlt, körperlich und geistig leistungsfähiger ist und auch noch Geld spart! Wenn ich in E'heimrii; bin, esse ich deshalb im 66I-i;8ßS6il8tI-.l od.ii6llvvigstl-.l8 IM'sgs und /AiSllils. ?ke1L6r8pi6ss6l iiii!? 8 11,riiIr«»I.l«tl«rni>N ttii» IkliviunltL NN,A Kk»igvxvi»«1 ,»lt »uvttto» vkkvuvu Ot««vl>>»rvn. >.t.l»z«i'!!WgIl«df. 8eI>muo!<f6l1k»'nfÄbt'iI< 44 8rÜ6l!6ll8t!'8886 44. um meine billige» »sursis noch i. weitere KreiA eiliznführcn, »lachiis j ich diese Offerte. 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