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Donnerstag, den IS. Oktober. M.288. — 1898.— ÄXese verbreitetste »»parteiische Leilima erscheint Wochentags Nbendk (mitDatuin des nächsten Tages) und kostet mit de» sechs Wöchentlichen Beiblättern: 1 Sächsischer Erzähler, L. Kleine Botschaft, L Gerichts-Zeitung, ck. Sächsisches Allerlei, k. Zllnstrirtes Unter- haltnngSblatt, K. Lustiges Bilderbttch für Chemnitz: »onatlich 40 Psennige: bei den Postanstalte»; »nonatUch üü Pscnnige. töSö. Pvstliste: Sir- 2808. Lklkgram,»-Adr-Yk! LkN»°Ii>Njk!a-r. Feruspieäiuelle Nr. 136. General- Anzeiger (Sächsischer Landes-Anzeigerl. Verlag und RotationSmaschiueu-DruS von für Chemnitz »W und Umgegend. Gegründet 1«VS als „Anzeiger" ,e. lexander Wied» in Chemnitz, Xheaterstratz« Nr. 8. AnzeigcnprklS: «gespalten» Corp»Szei1e(ca.S Tilbensassend) oder deren Rain» tk Pfg. (Preis verzeichnisse ir Zeile 20 Psg.) — Bevorzugte Stelle (Sgesp-ltene Petit-Zeile circa 11 Silben fassend) 30 Psg. — Anzeigen könne» nur bis Vormittag 10 Uhr angenommen werde», da Druck und Verbreitung der großen Auslage längere Zeit erfordern. Geschäftliche Anzeige.-Inserat« finden für billigsten Preis zugleich Verbreitung durch die täglich erscheinende Chemnitzer Elseubühil-Zeitung. Amtliche Anzeigen. Handels» egistel.Eintragungen. Auf dem die Firma „StäverS Wittwe L Co." in Chemnitz betreffende» Folium 296 wurde verlautbart, daß Herr Alexander Hermann Christ in Folge Ausgabe seiner Stellung nicht mehr Prokurist ist, auf dem die Firma „Scidler L Schreiber" in Chemnitz be treffenden Folium >681 wurde verlautbart, daß Herr Max Adolf Franz Martini nicht mehr Prokurist ist, auf Folium 1418 wurde die am 1. Oktober 1898 errichtete Firma „Schmiedel L Jentzsch" in Chemnitz eingetragen und verlautbart, daß die Posamentircr Herr Carl Hermann Schmiedel »nd Herr Heinrich Moritz Jentzsch daselbst Inhaber sind, - ^ auf Folium 4449 wurde die Firma „Jalousie- «nd Rollladen- fabtik Äsbin Re,iber" i» Chemnitz nnd als deren Inhaber Herr Fabrikant Atbin Renber daselbst eingetragen. ^ aus Folium 4460 wurde die Firma „Paul Mrhnert" m Chemnitz und als deren Inhaber Herr Kausmanu Paul Gerhard Mehner» daselbst eingetragen,o,snn^ wurde die an« 1. Oktober 1898 errichtete Firma ans Folium 674 wurde die Firma „Franke s- Fiaenwirth" in Nottlnfs, Zweigniederlassung des in Bamberg unter gleicher Firma be stehende» Hauptgeschäfts, eingetragen und verlautbart, daß Herr Kaufmann Simon «ronacher in Bamberg Inhaber ist und . , ans Folium 96 des Genossenschaftsregisters wurde der in Chemnitz »luter dem Name» „Amatenr-Photograpyen-Vcrein Chemnitz" be stehende Verein als juristische Person eingetragen. Die Kaiserreise. Chemnitz, de» 12. Oktober 1898. Heute trat das deutsche Kaiserpaar die Reise nach dem Orient an, die schon darum für den Deutschen von besonderem Jnlereste ist, weil cs die weiteste und umfassendste Reise ist, die ein Kaiser des neuen deutsche» Reiches und früher ein preußischer Herrscher jemals gemacht hat. Man muß bis zum Mittelalter zurllckgreise», um ans deutsche Herrscher zu stoßen, die »ach dem gelobten Lande ge zogen sind. Ist die Kaijerreise für das deutsche Volk schon an- diesem Grunde von einem besonderen Interesse, so war es beachtenSwerth, Wiel auch die Franzosen schon seit viele» Monaten an dieser Reise An heil nehmen, um so bcachtenswerther, als die Franzose» im Uel-rigen von ihrer Drcyfns-Aiigelegcnheit derart in Anspruch ge nommen sind, daß sie sonst von politischen Ereignissen, die an sich wichtiger sind als die Kaiserreise, fast keine Notiz genommen haben. Aber in der Kaiserreise sehen sie eine Gefährdung des von ihnen »och immer beanspruchte» Protektorats über die Katholiken im Orient. Nicht als ob in der Gegenwart dieses Protektorat »och eine vitale Frage für irgend eine Macht und auch für Frankreich sein könnte; aber es schweichelte der französischen Eitelkeit, daß an der für das religiöse Empfinden aller monotheistischen Völler ge weihtesten Stelle die sranzvsische Flagge eine besonders große Rotte spiele» sollte, und es verletzte diese Eitelkeit, daß die Reise des deutsche» Kaiserpaares etwa zum Ausdruck bringe» könnte, daß ein französisches Protektorat über alle Katholiken des Orients nicht be steht. Nno, das wird die Reise des deutschen Kaisers allerdings z»m Ausdruck bringe». Zwar hat auch schon vorher i» wiederhvlle» Fällen das deutsche Reich keinen Zweifel gelassen, das, cs als selbst ständiger Grvßstaat nicht taran denkt und daran denken kann, seine Untcrthanen von einer andere» Macht beschütze» zu lassen, aber MomentbilE aus Konftarrtinopel. Zur Oriculrcisc dcs Deutschen Kaisers. Von Erich Priest, . Nachdruck verboten. Wer alle Stätten der »ncrmehlichcn Schönheit, die inan zu sainmen Konsta tinopcl nennt, mit einem Blicke umfassen will, der besteigt den Thur», des Seraskicrats (Kricgsministerinms), der heut üls Feiurwache dient. Der Reisende, der, von Stambnls Herrlichkeit voll, eine» letzten Abschicdsgrnß der strahlenden Königin dcs Ostens zuwerfeu will, der Ankömmling, der trunkenen Auges, wie ein Geizhals, i» de» Schätzen wühle» will, die seiner harren, — sie ^llle klinimcn hier empor, lieber das Gewirr niedriger Häuser, aber auch über die mächtigen Minarette der Solima» Moschee, die seine nächste» Nacht cmi bilde», steigt der schlanke, weiße Thurm in das Azurblau, und inühsam muß der Wanderer eine Schneckeutreppc von 179 Stufe» erllinime», will er dcs schönsten Panoramas über Slanibul theilhaftig werde». Aber schon ans diesem aihcmranbendcn Wege öffnet sich hier u,d dort durch ein Fcuster ciu überraschender über das wcitgedchnte, bunte Stainbnl, dort ans das geschäftige, in d,r Hut des allen Genncsenthnrmcs liegende Galata vdcr ans die blaue Flnth des Bosporus. Doch diese Reize diirse, uns nicht scstballen, auch oben in der Glashütte, wo ein Wächter de» Besuchern Kaffee anbielct, ist »nsercs Bleibens noch nicht; erst r E>ihc schlanken Riesen soll sich »ns der Blick auf die Riesenstadt eröffne». Und hier o en angclangt, sehen wir, was keine andere Stelle der Erde b,eien kann. Eine .mrcrgleichiiche Farbenpracht, aus tausend glühenden Tonen zusammengesetzt und doch voll von einem eigenen, milde», harmonischen Schmelz; ein riesenhaftes Gemälde von prächtigem Linienzanber, von einer träumerischen, großartige», sanften Schönheit. M ere nnigebcn und durchziehen es ans allen Seiten: das Goldcne Horn, gedrängt voll von Schiffe», der Bosporus, eine,» Mächtigen blauen Bande gleich, dort das weit sich dehnende Schwarze Meer, auf der andercn Seile das Mar,»am - Meer. Von den schmeichelnd.',, Armen dcs Wassers umfaßt liegen ganze Reihen von Stadien: Stambnl ans seinci, sieben Hügeln, von Grün nmkrniizt, von lenchlc» cn Kuppeln, von schlanken Minaretten überragt, sich hveit hinaus am User dcs .sich allmählich verengernde» Goldenen Horns hinzichcnd, bis z» Phcniar, dem alle» Griechenviertcl und durch die Anwesenheit des deutschen Herrschers im Orient wird auch äußerlich dargethan, daß die Katholiken deutscher Staatsangehörigkeit ebenso wie alle anderen deutschen Staatsangehörigen eine Stütze haben, die ihnen näher steht, als irgend welches fremde Schutzmittel. Es ist wohl möglich, daß der deutsche Kaiser während seiner An Wesenheit im heiligen Lande gelegentlich mit Nachdruck darauf hin weist, daß alle Deutschen unter dem Schutze des Reiches stehen, dessen höchste Stelle er einnimmt. An einer solchen Aeußernng braucht« sich der Kaiser wahrlich auch nicht etwa durch den Brief des Papstes an de» Kardinal Langsnienx oder durch die Ansprache des Papstes an französische Pilger hindern zu lassen. Dem Kaiser und dem Staate, was des Kaisers und dcs Staates ist, dem Papste, was des Papstes ist! Des Kaisers und des Staates über ist es, festzuflelle», welchen Schutz sie über die Angehörigen des eigenen Volkes habe». So weit über die Grenze» des Schatzes ein Zweifel obwalien kan». ist freilich eine Verständigung mit der Negierung des fremden Staates, in welchem die deutschen Staatsangehörigen leben, erforderlich. Eine dritte Macht aber Hai nicht das Recht der Einmischung. Es wird deshalb vo» den weitesten Kreisen des deutschen Volkes freudig begrüßt werden, wenn der Kaiser bei seiner Anwesenheit im heiligen Laude ein Wort spricht, durch das es ein für alle Mal außer allen Zweifel gestellt wird, daß die deutschen Staatsangehörigen unter seinem, d. h. unter des Deutschen Reiches Schatz stehen. Ein solches Wort würde zugleich eine durchaus erwünschte Abwehr päpstlicher Anmaßung sein. Ein Protektorat Frankreichs wäre nicht angängig, um der Selbstachtung Deutschlands willen, um des sehr » ünschenswerthen und erforder liche» Respekts Frankreichs vor Deutschland willen und um des Ansehens Deutschlands bei der türkischen Regierung willen. Es ist bekannt, daß Deutschland in der Türkei sich hohen Ansehens und großer Beliebtheit bei der Regierung sowohl wie bei der Bevölkerung erfreut. Deutschland hat sich stets und unveränderlich als aufrichtiger und wohlwollender Freund der Türkei bewährt, sehr im Gegensätze zu England, dessen Verhalten der Türkei gegenüber theils von den wechselnden Ministerien, lheils vo» der Stellung auf dem politischen Schachbrette, aus dem die Türkei für England nur eine Figur darstellt, abhing. Die Beliebtheit Deutschlands im Orient wird sicherlich durch die Reise des Kaisers erheblich gesteigert werden. Die Reise de» deutschen Herrscherpaares geht mit großem Glanze vor sich »nd der Türke läßt sich, ivie überhaupt der Orientale, durch äußeren Glanz ganz außerordentlich einnehmcn. In dieser Bemerkung soll natürlich nicht der »lindeste Borwurf für die Art der Veranstaltung der Reise liegen. Die Fähigkeit, »ach außen hin repräsentiren zu könne», ist stets und unter allen Umständen eine durchaus wüuschensivcrthe Eigenschast eines Herrschers, sie ist cs ganz besonders, wen» sie sich, wie hier, praktisch nützlich zeigen kann. Ganz zweifellos wird durch die Kaiserrcise die Vorstellung, welche die Türken von de», »lächli'gei, Deutschen Reiche haben, noch gesteigert werden. Dies kann für Deutschland nicht nur polst sch vorthcilhaft sein, sondern auch vo» Werth hinsichtlich der deutschen Handelsbeziehungen. So st zu hoffen, daß die Reise des deutschen Kaiscrpaares dem Ansehen und der Stellung des Deutsche» Reiches förderlich sich erweisen wird. Deshalb läßt das deutsche Volk sein Kaiserpaar mit besten Wünsche», besten Hoffnungen und frohester Stimmung in die Ferne ziehen und es läßt sich diese Stimmung auch nicht dadurch verderbe», daß von anderer Seite diese Reise mit scheelen Augen betrachtet wird. PEN»« Nmwscha». Chemnitz, den 12. Oktober 189S. Deutsches Reich. — Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, v. Büloty, hat am Dienstag Abend Berlin verlassen, um auf Besehl des Kaisers diesen auf der R e i s e >i a ch dem Orient zu begleiten. Während der Dauer seiner Abwesenheit übernimmt der Staatssekretär v. Nicht- Hofen die Leitung des Auswärtigen Amtes. — Der Präsident des evangelischen Kirche,iraths. Barkhausen, und Oberkonsistorialrath Weber sind gestern nach Jerusalem abgereist. — Wie nicht anders zu erwarten war, knüpfen sich an den Verzicht des Kaisers sauf den Ausflug nach Egypten namentlich im Auslände die seltsamsten Koinmentare. Trotzdem offiziös versichert wird, daß lediglich Rücksichten der inneren Politik den Entschluß des Kaisers herbeigeführt haben, sucht man im Auslande die internationalen Beziehungen der Großmächte mit dieser Angelegenheit zu verquicke». So behauptet die «Voce della verita", wen» Kaiser Wilhelm die Reise nach Egypten uuterlasse, so sei die» das Resultat der französischen Politik, die im Bunde mit Rußland Alles ausgeboten habe, um eine derartige Legitimst»»» des englischen Besitzes zu verhindern. In Konstantin opel wieder wird der Verzicht aus diese Reise englischen Bestrebungen zugcschrieben. England wolle verhüte», daß der Khedive vor de», deutschen Kaiser als Laiidesherr in Egyplei, auflrele und von diesem als solcher behandelt werde. — Die „Köln. Ztg." meldet offiziös aus Berlin: „Wie wir erfahren, wird der Gesandte beim päpstlichen Stuhl v. Bülow bereit» in den nächsten Tagen sein Abschiedsgesuch ein- reiche n." Die Meldung, die Leitung der deutschen auswärligen Politik habe nicht dem Papste, vielmehr dem Kardinal Rampolla ihre Mißbilligung über die Behandlung der Protektoratssrage a»S- sprechen wolle», sei zutreffend. Nicht alle im Vatikan maßgebenden Personen seien mit der weitgehenden fraiizosensreimdlichen Politik Rampollas einvcrstanden, die mehr rein politische als kirchliche Zwecke verfolge. Daß letztere Thatsache auch bei den Katholiken anerkannt werde, sei für unser iunerpolitischeS Leben eine sehr er freuliche Erscheinung. Man sehe daraus, daß das Mißtrauen an der Zeit des Kulturkampfes im Schwinden begriffe» sei^ und-daß die Zeit ihre heilende Wirkung ansübe. Die kraftvolle und wohl« ivvlleiide Unterstützung, die das katholische Mi'ssionsivese» vou Seiten der Neichsregicruiig erfahre, dürste ebenfalls dazu deigelragc» haben» die Ueberzeugung zu festigen, daß die Interessen der katholischen Deutschen im Auslände beim Deutschen Reiche stets denjenigen Rückhalt finden würden, der, während das Völkerrecht jeden anderen ausschließe, auch de» ans praktischen Gründen etwa abzuleiicnden Wunsch nach fremder Hilfe gar nicht niifcvmmeii lasse. — Bei den bevorstehenden Hochzeitsfeierlich« keiten in Stuttgart wird auch die junge Königin Wilhelmina von Holland erwartet. Man hofft, daß auch hier eine Hochzeit die zweite herbeiführen wird. Der Auserwählte soll aber nicht einem regierenden Hause angehören; es wird vielmehr der junge Prinz einer rheinischen Familie genannt, die mit zahlreiche» Dynastien ver- chwägert ist. — Von de» 56 sozialdemokratischen Mitglieder» der »eugewähllen Reichstags habe» sich in dem Kürschncr'schen Hand buch als Angehörige der evangelischen Landeskirche bezeichnet: Heine, Schippcl, Nvsenow, Kloß, Bändert, Calwer, Schwartz-Lübeck, Dietz- Ejub, wo im Schatte» des Grabmals Ejub's, dcs heiligen Freundes de» Propheten, die frommen Muselmanen, denen ein Grab i» der Erle Asiens versagt ist, sich gern zur letzten Ruhe betten lassen. Eine unendliche Fülle von finsteren, heroische», verlockenden, weihe vollen Erinnerungen und Vorstellungen weckt allein schon der Blick auf diesen Theil des Bildes. Ta, am Ostende Slambnl's, am Gestade dcs Marmara-Meeres, liegt das berüchtigte Schloß der siebe» Thürme, der Tower Konstaittinopels, wo Veziere und Paschas, Gc- sandlc und Feldherr,, unter furchtbaren Qualen ihr Leben lassen mußten, iudeß die mächlige» Gewölbe ihre verzweifelten Schreie cr> stickte». Tief unter „ns liegt die Kuppel der Aja Sofia, vo» hier aus so klein, und doch so gewaltig und kühn gespannt, daß sie dem Beschauer alle Gesetze der Schwere überwunden zu haben und in der Lust zu schwele» scheint, daß sie Moltle an das Firmament selbst erinnerte. Dahinter erhebt sich der grüne Hügel des Serails, der schönste Punkt der schöne» Stadt, einst der Sitz aller Macht und aller Schrecken dcs Osmanenreiches, heut verlassen und öde; unter seinen rauschenden Bäumen liegen einsam die drei mächtigen Höfe mit ihren einst von Tausenden geschäftiger Diener und Krieger be lebte» Vanlichkciteii, von denen heut nur noch einzelne als Zufluchts stätte außer Dienst gestellter kaiserlicher Frauen, als Münze, Schule, Ministerium oder Schatzkammer benutzt werden. Ucber prächtige Moschee», von einem Walde von Minaretten ge rönt, über die lange Kuppelrcihe dcs Bazars stiegt das Auge zu der großen Brücke zwischen Stunbul und Galata, über die unanshörlich ein dichter schwarzer Strom herüber» und hinnbcrflulhet, während zugleich zahl lose flinke Kalks über das stille Wasser des Goldene» Horns hin- imd herschieße,,. Trübe» ans dem jenseitigen Ufer erhebt sich eine zweite Reihe von Städten: Galata, die unheimlich wimmelnde Geschäftsstadl, Peca, die Hngclstadt, in der die Europäer wohnen, Kassim Pascha, an dessen Gestade ein paar Kriegsschiffe de» Sitz der Admiralität kennzeichne», und weit hinten, unmittelbar am User dcs Bosporus, von kühlen Seewinden stets »inwcht, von eincin unendlichen Panvrama lachender Bilder umgeben, winkt aus dnnkicm Grün die wcißstrahlende wichtige Residenz des Padischah's, die Palaststadt Dolma-Bagdsche, in der sich alle launenhafte» Stile der Baukunst ein Ncndez vons gegeben zu haben scheinen, die so gar nicht den Regeln der Kunst und des Ge- chniacles entspricht und doch in ihrer pikante» Mannigsalligkcit, i» ihre», unerschöpflichen Ncichthum an Säulenhalle», prächtigen Portalen, köstliche» Marmvrarabesken wie eine berauschende orientalische Fürste,,- ihantasie anmuthct. Und endlich jenseits am andere» Ufer des Bosporus erhebt sich das lachende Skutari, die Stadt der schönen Friedhöfe, der kleine», bunte» Häuser, des munteren idyllische» Lebens, und so weit das Auge reicht, setzen unter de», schiinmcrndc» Himmel Dörfer, Schlösser, Billen, Städtchen das Bild fort, immer wieder mit Moscheen und Minaretten, Koppeln und rauschenden Laubkronen, immer wieder gebadet in die duftigsten Farben, gekleidet in die schönste» Formen Völker sind über das Stück Erde dahingcschrittcn, haben die Saaten zerstampft, die Wälder verbrannt, die Städte zerstört — aber ge blieben ist die ewige Schönheit. - » * Der beste Platz, um von dem Leben der ungeheuren Stadt, zu de», drei Erdtheile beitrage», einen vollen Eindruck zu bekommen, ist die Brücke, die Stambnl unweit der Moschee der Sultani» Valide und des Hauptbahuhofs (ein Hauptbahnho, in Konstantiiivpel — »och immer ist die Vorstellung seltsam, wie etwa die eines preußischen Gardercgimcnts in einem Jndiancrdorfe!) mit der äußersten Spitze von Galata verbindet. Wohl 100,000 Menschen strömen tagtäglich hier von der Seile der Arbeit, der Betriebsamkeit, der Unruhe zur Küste der asiatischen Beschaulichkeit, dcs Kismets, des Kefs. Wo findet man »och einen solche» Sammelplatz der Völker der Erde? Der würdevolle Alt-Türke mit nichtssagendem Ausdruck und mächtig l ohe», Turban, und der „Ncfvrm-Tiirle" i» seinem Fez und der ihn, so wenig stehende» europäische» Kleidung, der herkulische Armenier nnd der spleenige englische Reisende, der Imam in »veigem Gewände und der Kapuziner in dunkler Kutte, der Bulgare, der Kosak, der Grieche, der Syrer, der Perser, der Indier, der Jude, tcr Neger — sie alle eilen hier aneinander vorüber, als sei dieser ungeheure Völkermarkt das selbstverständlichste Ding auf Erde». Hier sicht man Zylinder, Turbane, Pelzmütze», Helme, kegelförmige und pyra midale Hüte; man sicht weiße, schwarze, gelbe und braune Menschen; man hört Flüche, Kommandos, Warnnngeruse, Koransprüche, Lachen und Weinen; man erblickt Esel, Sänften, Reiter, Kamecle, bunte türkische Wagen, europäische Karossen. Ei» Reiter sprengt Hera» »nd macht einem europäischen Gesandten Platz. Ei» fetter Ennnche mit einer Fistelstimme geleitet einige in leuchtende Gewänder gekleidete türkische Damen, deren Schleier leicht genug sind, um die Reize ihrer Züge ahnen zu lasten, und die nenaierige und kokette Blicke