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Nk. ISS. — I»S8. -- General- Mittwoch, den tt. Junt. Kiese verbreitetste unparteiische Leitung erscheint Wochentag- Abends (milDatum des nächsten LageS) und kostet mit den sechs Wöchentlichen Beiblättern: I. Tächfischer Erzähler, 8. Kleine Botschaft, L. Gerichts-Zeitung, 4. Sächsisches Allerlei, ». JllnstrirteS Unter- haltnngsblatt, 8. Lustiges Bilderbuch monatlich üO Pfennige. 1SSS. Postlister Nr. 2808, Telegramm -Adresse: «eneralauseiger. Lernsprechstelle Nr. 136. Anzeiger (Sächsisch«» LandeS-Auielger) AnzetgeiiprelS: Sgespalteu« CorpnSzeile (ca.9 Silben fassend) oder deren Raum 16 Pfg. (Preis verzeichnisse L Zeile 20 Pfg.) — Bevorzugte Stelle (-gespalten« Petit-Zeile circa 11 Silben fassend) 30 Pfg. — Anzeige» " können nnrbis Bvrmittag lO Uhr angenommen w^den, da Druck und Verbreitung der groben Auslage längere Zeit erfordern. für Chemnitz nn- Umgegend. Gegründet tU7» als „An»«tg«r" ie. vertag und Rotatt»«OM<»schinen-Dr,»ir von Alexander Wied» in Chemnitz» rheaterstraste Nr. 8» Geschäftliche Anzeiger- Inserat« finden für billigste» Preis zugleich Verbreitung durch dl« täglich erscheinende Chemnitz«» Eiseilbilhil-Zettitltg. Neu - Bestellungen ans den „General-Anzeiger" nehmen die Verlags-Anstalt, die Ans träger, die Ausgabestellelt und alle Postanstalten für Moltat Juni, 50 Pfg., entgegen. Nr. 2808 der Postlist-. Giltlge und ungiltig« Reichstagswahlen. Unmittelbar vor dem Schluß der 9. Legislaturpeno e deutschen Reichstages, am 4. Mai, hat dessen Wahlprüfungsko nniissw ihren schriftlichen Schlußbericht erstattet. Er Interesse, nicht sowohl wegen der Ergebnisse der119WahP f 8 - welche die Ungiltigkeitserklärnng von 16 Wahlen zur Folge ) - als deshalb, weil der Bericht die Grundsätze enthält, »ach ^ Kommission und Reichstag Verstoße gegen das Wahlgesetz S» ' urtheilcn übereingekommen sind. Gesetzlich sind ja künftige h ° Prüfungskommissionen und Reichstage nicht gehalten, diese Ornnvs tz strikte zu befolgen; aber es ist altes Herkommen m der Ha'whavung der Geschäfte, daß derartig auf Grund der Gesetzgebung festgeste Gesichtspunkte auch in alle Zukunft berücksichtigt werde», so lange keine Aenderung in der Gesetzgebung eintritt. Und eben in vies dauernden Werth der in dem Bericht festgelegtcn Grundsätze liegt dessen hohe Bedeutung. Da uns »nr »och kurze Zeit von der Reichs- tagswahl trennt, geben wir in Folgende»! das Wichtigste aus dem Inhalt des Berichtes, soweit er sich auf das Wahlgesetz bezieht, wieder. Paragraph 3 dieses Gesetzes bestimmt, daß die Empfänger von Armenunterstützungen, solange diese dauern, »lcht wahl berechtigt sind. Die Kommission beschränkt die allgemeine Giltigkeit dieser Bestimmung in durchaus anerkennenswerther Weise dahin: die Armenunterstützung muß innerhalb der letzte» zwölf Monate vor der Wahl bezogen sein, nicht innerhalb des letzten Kalenderjahres. Miß bräuchlicher Anwendung des Paragraphen wird durch folgende Aus legung vorgebcugt: Als Armenunterstützung sind die Gewährung des Armcnrechts zur Führung eines Prozesses, die Anfiicihnw der Kinder in eine Freischule, die nnentgeltliche Verabfolgung von Schul büchern und Weihnachtsgeschenken an die Kinder, sowie Unterstützungen aus Stiftungen nicht aiiznsehen. Von, Wahllokal handelt Paragraph 9. Dazu führt der Be richt Folgendes aus: Die Oeffcutlichkeit gestaltet Jedermann den Zutritt zum Wahllokal und die Anwesenheit während der ganze» Dauer der Wahl, einschließlich der Ermittelung des Wahlergebnisses. Sie findet ihre Schranke in dem Raummangel des Wahllokals und i» ähnlichen zwingenden Gründen, sowie in ungebührlichem Be nehme» des Anwesenden. Eine Ausweisung ist nicht deshalb zu lässig, weil der Anwesende nicht im Wahlbezirke wahlberechtigt ist, oder weil er sich nicht legitimireii kann, oder weil er sich dem Wahl- worstande dadurch lästig macht, daß er ihn auf Verstöße gegen die Wahlvorschriftcn, die bei ihm vvrgekonimen sind, aufmerksam macht. Tuat. Skizze von Otto Leo» Hardt. (Nachdruck verboicn.) In der unermeßlichen Sahara liegt ein Archipel grüner Oasen. Seit undenklichen Zeiten sind seine Bewohner frei. In Freiheit be bauen sie ihre Gärte» und Felder, in Freiheit betreibe» sie ihre» Handel. Mohammed zwar, der seinen Bekenner» befahl, die Weit zu besiegen, hat sie seinem Glauben unterworfen, aber der Sultan von Marokko, dessen Unterthaneu sie heißen, besitzt »nr eine sehr lockere, fast nur nominelle Herrschaft über sie. Nur in großen Zwischenräume» drang ein Vertreter der gesitteten Welt in die Wüsteneilande: ein Feldherr Noma's, ein arabischer Reisender, ein Deutscher, der Glauben und Sitte» der Moslim angenommen hatte. Die Wüste schützte ihre Kinder. Aber im 19. Jahrhundert bildet die Wüste so wenig einen Schutzwall, als das ewige Eis des Pols. Erst von Norden, dann auch von Süden her drangen die Franzosen an Tuat heran — denn das ist der Gesammtnamc des von der algerischen Provinz Ora» durch die Wüste El Erg gelr, nuten Oasen» archipels —, mehr und mehr bemächtigte sich ihrer Bewohner die Furcht, von den Numi, den „Römern", wie sie die Fremden noch heut zumeist nennen, „aufgefressen" zu werden, — und wirklich: jetzt, wo Spanien i» Noih, England viel veschästigt ist, hält die sranzösische Republik den Zeitpunkt für gekommen, vom Sulla» von Marokko die Abtretung Tuat's zu verlangen. Was die Franzosen nach Tuat zieht, ist nicht nur der Umstand, daß es allerdings das natürliche Hinter land Algiers bildet, sondern vor Allem der Wunsch, diese Brücke nach Timbuktu in ihre Gewalt z» bringen und so de» großen, kühne» Traum eines sranzösische» Westafrikas vom Mittelmcer bis zum Busen von Guinea und ter Mündung des Senegal zur Wirklichkeit zu mache». An sich freilich ist Tuat wenig geeignet, die Habgier der Fremdcn zu locke». Zwar führt es stolz den Titel des „Gartens der Wüste", doch »nr. wie unter de» Blinden der Einäugige König heißt. Die paar hunderttausend Menschen, die sich um das lebenspendende Naß der Ued's angcsiedelt haben, sind sür die gegen,värtige Eitragsfähig, 'keit des Bodens bereits zu viel: in mehrere» der Hanptoasci, herrscht Ucbervölkcrung, und Mangel ist das hauptsächliche Kennzeichen des Lebens i» Tuat. Es gicbt dort, nach den Mittheilungen Rohlfs', die aller neuerliche» Anstrengungen der Franzose» nncrachtct noch heute -die wesentliche Grnndlage »nsercr Kcnniniß Tnat's bilden, Familie», die sich Monate lang nur von Datteln ernähre»; selbst in den reichsten Familie» ist cs seiten, daß alle Tage Fleisch auf de» Tisch kommt, und die Kaiiicettadnng Gerste resp. Weizen kostete zur Zeit des Besuches des deutschen Forschers 40 resp. 80 Franks! Die Sonne meint es zu gut mit Tuat. Mit furchtbarer Gluth sendet st« ihre siechenden Strahlen von dein fleckenlos blauen Himmel herab, Regen löst sic nur überaus selie» ab, und wenn auch die Behauptung der Eingeborenen, daß ihr Land überhaupt regenlos sei, zu weit Dient eine Privatwohnung als Wahllokal, so ist sie für die Dauer der Wahl öffentlich. Weitaus den meisten Verstößen und den mannigfaltigsten Um gehungsversuchen ist Paragraph 10 des Wahlgesetzes ausgesetzt, dessen Inhalt Wahlgeheimniß und Wahlfreiheit bilden. Dieser Abschnitt des Berichtes ist so interessant und vor allen Dingen auch sür den Wahlakt so außerordentlich lehrreich, daß wir ihn ausführ licher behandeln. Der Bericht sagt: Das Wahlgeheimniß wird da durch verletzt, daß die Mitglieder des Wahlvorstandes den Stimm zettel offen abnehme» und selbst zusanimenfalten, den übergebenen Stimmzettel vor der Niederlegung in die Urne kenntlich mache», den Stimmzettel zur Erniittelnng des Namens des Wahlkandidaien ganz oder theilweise öffnen, ihn a» eine bestimmte Stelle der Urne legen, die Sti»»»zeitel in zwei Urnen oder i» abgetheilte Räikme der Wahl urne lege». Ferner dadurch, daß die Mitglieder des Wahlvorstandes im Wahllokal Stimmzettel vcrtheilen, bevor ihre Thätigkeit im Wahl- vorftande beendigt ist; dadurch, daß auf dem Tische des Wählbar- standes die Stimmzettel nur einer Partei oder die Stimmzettel mehrerer Parteien i» der Weise zur Entnahme für die Wähler aus- gclegt sind, daß die Mitglieder des Wahlvorstandes die Stinimabgabe kontrollire» könne». Eine Verletzung des Wahlgeheimnisses liegt auch dann noch vor, wenn der Tisch mit Wahlzetteln vor der Ein- gangSthür in das Wahllokal so aufgestellt ist, daß der Wahlvorsteher vom Wahltische aus die Entnahme der Wahlzettel von diesem Tische kontrolliren kann. Das Wahlgeheimniß und die Wahl.reiheit werden dadurch ver letzt, daß den Wahlberechtigten vermögensrechtliche Ncichthcile oder Ehrenfolgen vor der Stiinmabgabe wegen der Abstimmung für eine Partei in Aussicht gestellt und in Verbindung damit ihre Stimmab gabe in solcher Weise beaufsichtigt wird, daß sie annehme» müssen, es werde erkannt, wen sie wählen. Ungiltig sind die Stimmen der Wähler, denen mit Arbeitsentlassung oder Wohnungskün diguiig gedroht ist, und deren Abstimmung seitens einer Anfsichts Person durch Begleiten bis zur Wahlurne oder zum Wahlzimmer kvntrollirt ist. Kassirt wurden und werden Stimmen, wenn Besitzer von landwirthschastlichen oder gelverblichen Unternehmen oder ihre Aufseher, Verwalter, Steiger oder sonstigen Organe ihre Arbeiter mit Stimmzetteln — auch vor dem Wahllokale — für einen be stimmte» Kandidaten versehen »nd dann den Arbeiter auf dem Gang zur Wahlurne derartig kvnlrollircii, daß die Abgabe anderer Stimm, zettel nur schwer möglich ist. Eine die Wahlfreiheit beeinträchtigende Beeinflussung besteht in gehen mag, so erscheint es doch verbürgt, daß die Leute von Jnsalah sich einer zwanzigjährigen Trockenheit erinnern. So ist und bleibt das Wasser der Ued's der einzige Lebensnerv Tuat's. Das Wasser aber rieselt unterirdisch, etwa in ei»er Tiefe von ein bis zwei Fuß dahin, und i» großen Theilen Tuat's wird es überaus kunstvoll durch unterirdische Brunnen, Fegäger, zur Bewässerung weiter Strecken nutzbar gemacht. Die Fogara (das ist der Singular) ist ein Gallerie- bruiine», ei» unterirdischer Grabe», in den von Zeit zu Zeit offene Stollen getrieben werden, die wohl als Luftlöcher dienen; zu Tausen den finden sie sich in Tuat und führen der Erde das Wasser zu. Der Bode» lohnt die Bebauung, die übrigens nicht mit be sonderem Eifer erfolgt, durch innnnigsache Früchte. Vor A>!e>» ge deiht die Dattel, freilich nicht i» besonders edler Qualität, doch immerhin eventuell zur Ausfuhr geeignet. Ob die französischen Angaben, daß in Tuat 8 Millionen Palmen stehe», nicht übertrieben sind, muß dahingestellt bleiben. Jcdcilfalls bildet die Tattcl Tuat's cigentlichen Schatz. Das Getreide (Gerste, Weizen und Vischna) reicht für die Bevölkerung entfernt nicht ans. Für manche Früchte in das Klima zu heiß; die Granate» und Weintrauben Tuat's sind schlecht. Dagegen gedeihen mancherlci Gemüse, in Gärten wird die Baum wolle fleißig gebaut, das Henna, das den bekannten Farbstoff liefert, wächst wild. Nicht viel glücklicher ist Tuat in Bezug auf das Thicr- reich bedacht. Die Hühner sind hier nicht größer, als bei uns die Küchelchen, Rinder gicbt es nicht und die »ach Tuat iinportirle» Schase bekommen schon im zweiten Jahre Haare statt der Wolle. Das ist der „Garten der Wüste". Nimmt man dazu, daß das Land im Allgemeinen vollständig flach ist, so wird ma» verstehen, daß auch laiidsihastlich die Oasen Tuat's keine hervorragenden Reize bieten. Mer ein jedes Volk liebt seine Muttererde und so wandern auch die Leute von Tniiat mir a»s, wen» die Noth sie dazu zwingt lind wollen ihr Land als unabhängiges Eigen behalten. Die Be völkerung ist bunt gemischt, alle Stämme des nördlichen Afrika's haben an ihr Theil. Kabhlische Berber, Araber, freie Mischlinge von Arabern und Neger», endlich Negersklaven leben und hanscii hier nebeneinander; doch zeigt der Typus allgemein einen starken Einfluß sudanischen Ncgcrblittcs. Rohlfs rühmt den Tnatern Gast freundschaft, Rechtlichkeit und Treue nach; auch der Umstand, daß das Waschen eine in Tuat nicht ungeübte Kunst ist, gereicht ihnen zu», Vortheik. Sic sind durchweg fanatische Mohammedaner mit allem Aberglaube» der Anhänger des Islam; wie alle Moslim, so gehören auch sie zu einem religiösen Orden, »nd zwar meisicntheils zu dem des Mulch Thaib von Oncsan, als dessen Fakire sie sich durch einen Mcssingriug an ihrem Rosenkränze bekennen n»d den sie durch ansehnliche Spenden ehren. Wer von Oncsan kommt, wird bei ihncii mit besonderer Gunst und Achtum empfangen »nd auf- gcnommen. Die Hanptpcission der Tnaicr bildet »eben dem Tabak- schnupsen das Opinmcssen. Während die Männer hier großcnlheils ihr Gesicht mit einem weißen oder schwarze» Gazeschleier bedecken, lassen die Franc» ihre Gesichter unvcrhnllt. Zweifelhaft ist freilich, ob der Europäer an dem frei vcrstaltete» Anblicke viel Freude haben der Thätigkeit der staatlichen und kommunalen Beamten zu Gunsten eines bestimmten Kandidaten, wenn sie einen Umfang auninimt, daß daraus zu folgern ist, die Staatsregierung wünsche die Wahl dieses Kandidaten. Bei dieser Art der Wahlbeeinflussung ist gleichgillig, ob der amtirende Beamte polizeiliche Befugnisse hat oder nicht. Eine Kandidatur wird als offiziell angesehen, wenn di« Gemeindevorsteher auf Anweisung des Landraths (Amts- oder KreiS- hauptmanns u. s. w.) für einen bestimmten Kandidaten agitiren, oder ivenn sie durch den Gemeindediener Stimmzettel für einen Kandidat«« verlheilen lasse». Ferner wird die Wahlfreiheit iliizulässig beeinflußt, wenn Land-» rälhe und ihnen gleichgestellte Beamte mit anderer Be zeichnung Wahlaufrufe zu Gunsten einer bestimmten Partei oder eines bestimmten Kandidaten unter Beifügung ihres AintscharaktcrS unter zeichnen; auch wenn sie ohne öffentliches Auftreten Ge meinden oder Privalpersonen für den Fall einer bestimmlen Stimm abgabe Vortheite oder uingekehrt Nachtheile in Aussicht stellen, wen« sie in Kreistags- oder Gemeindeversammlungen, i» den Sitzunge« landwirthschastlicher Vereine und ähnlichen Bersainmlungen oder i« Zirkulare» für oder gegen eine bestimmte Kandidatur Stellung nehme»; wen» aus ihren Bureaus Sli»»»zettel oder Flugblätter derart zur Versendung gelangen, daß ihre Herkunft erkannt werden kau». Dasselbe gilt auch für andere Beamte mit obrigkeitlicher Ge walt. Besonders liegt auch dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung vor, wenn Gemelndebeamte oder Gendarmen oder Amtsvorsteher durch Gemeindediener Stimmz eitel konsisziren zu einer Zelt^ wo deren Nenbeschaffung und rechtzeitige Vertheilung vor der Wahl nicht mehr gut möglich ist. Endlich ist auch das eine uiizulässige Wahlbeeinflussung, wen« Bürgermeister, die mit Polizeigewalt bekleidet sind, einen Kandidaten ausstellen, Unterschriften zu feiner Empfehlung von Anderen sammeln, Wahlzettcl verschicken, gegnerische Stimmzettel kvnfisziren, Wählerversammlungeii innerhalb ihrer Bürgermeisterei«» oder Gemeinden cinberufen und in diesen die Wahl eines Kandidaten empfehle»; wenn Ge in einde d ie» e r lind andere Gcmeiiidcbeamt« solche Aufträge ansführeii oder auch ohne amtlichen Auftrag solche Handlungen vornehmen, soweit sie dabei mit aintlichen Abzeichen ver sehen oder in Aintstleidnng sind. Ganz besonders ist das dann der Fall, wenn sie in dieser Weise gegnerische Stiminzeltel in den Häusern abfordern und mit gewerblichen oder anderen Nachtheilen drohen. Das Gleiche gilt, wen» Lehrer in der Schule Sliiiim- zettel an die Schüler zur Uebermittclung an deren Eltern verlheilen würde. Denn mit de» Frauen Tuats steht's etwa so wie mit de» algerische» Jüdinnen. „Der Tuat, erblickt", wie Rohlfs berichte^ „in einer fetten Frau sein höchstes Ideal der Schönheit. E» giebt Frauen oder Jungfrauen, die so fett sind, daß sie sich mit 20 Jahren nicht mehr erheben oder fvrtbcwegen können. Natürlich findet man dies nur bei den vornehmsten und reichsten Stände». Man mästet die jungen Mädchen mit Kai»eeln>ilch und Kamcelbntter, hält sie ein- geschlossen in einen enge» Nanm, bis sie den gewünschten Grad von Fettigkeit erlangt haben." Berührt diese Sitte den Europäer recht fremdartig, so trifft er in einer andere» Beziehung ganz unerwartet auf eine christliche Reminiszenz: die Tuater haben nämlich die europäischen Monatsname» rezipirt, und in, Herze» der Sahara leben unser Januar, August und Oktober als Jennair, Rust und Ktobr nur wenig verändert fort. Von dem Handel mit Elfenbein, Goldstaub und Straußen federn, den zahlreiche Karawanen vom Süden her über die Städte Tuat's nach Norden und Nordwesten vcrinittelten, ist früher viel gesagt worden. Mag sei», daß er vordem bedeutend war; heut fällt er nicht in's Gewicht, und selbst ivenn Frankreich die Karawanrnstraße nach Timbuktu ganz beherrscht, wird er kam» einen wesentlichen Aiisschwnng erleben, da das „Schiss der Wüste" ein zu langsames Besörder»iigsi»ittel für de» modernen Handel ist. Der HaupthandelS- vlatz Tuat's ist Jnsalah, nicht etwa, weil es seine Lage dazu -rädestinirte, sondern weil die Bewohner durch den Bund mit mehreren Wnstenstäminc» und den Anschluß an einen Orden in Timbuktu sich einen Vorzug sichern. Freilich haben sie wenig genug von ihrer Politik; abgesehen von de» Gabe», mit denen Jnsalah ein Hnndclsprivileg erkaufen muß, hat cs sich auch nie zu einer wesentlichen Handelsstadt auszuschwinge» vermocht. Es ist ein Etappenort geblieben, wo sich, wie derEtudentenscherz sagt, „stumm die Maare kreuzt", und Jnsalah's Kaufleute haben cs nie zu großem Reichthnine gebracht. Interessanter als Jnsalah ist die etwa 9000 Einwohner zählende Stadt Tanientit, eines der ältesten Zentren Tuat's, das noch heul politisch vollständig selbstständig ist und wie mehrere andere Orte Tuat's dermaleinst von Jude» bewohnt war. Heut sind die Jude» hier wie i» ganz Tuat völlig verschwunden; zui» Theil haben die mohammedanischen Sieger sie ausgcrvttct, zum Theil aber wohl auch mit den Belehrten sich vermischt; wenigstens nennen sich die Taincntiter nvch jetzt Abkömmlinge der Inden, und wenn auch in ihrem Typnö keine Zeichen auf diese Abstammung Hinweisen, so macht doch ihre Rührigkeit »nd Betriebsamkeit ihre Behauptung einigermaßen wahrscheinlich. So hat auch der „Garten der Wüste" trotz seiner Abgelegenheit schon seine Geschichte. Mannig fache Völker haben in ihm gewohnt »nd die Weltherrscherin Noma hat ihren Arm nach ihm ansgestrcckt. Nun werden über laug oder kurz wieder „Numi" kommen und sie werden Tuat kaum mehr ver lassen. Für den Oasenarchipel selbst kann das nur von Segen sein, da er einer besseren Entwickelung zweisellvs fähig ist.