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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.07.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000730021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900073002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900073002
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-07
- Tag 1900-07-30
-
Monat
1900-07
-
Jahr
1900
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Lortim. Uuiversitätsstraße 3 (Paulinum» Louis Lösche, Kocheaüuuktr. I«, VE. uud Kö»ig«vlntz 2. Ne-action und Expedition: Jobanniügnffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. GeznftS-PrefS der Hauptexpedition oder den i« Stobt- ßezirk und den Vororten errichteten Nu»« mbrsteven ab geholt: vierteljährlich.^ 4.50, vin zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche KreuzbanLieudung in» Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Amtsblatt des Äänigtichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes und Notizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Nnzeigett'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4ge« spalten) 50^j, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Prrls- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffrrasatz nach höherem Tarif. ——o—c»— Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördrrung 60.—, mit Postbesörderullg 70.—. .Tinnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgr»-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je ei» halbe Stunde früher. Anzeige» sind stet» au dl» vr-edttto» zu richten. —»«>»»» Druck und «erlag vo» E. Polz in L«ih»l^ 383. Msntag den 30. Juli 1900. 91. Jahrgang. Ermordung Atonig Humbert's von Italien. -p. In den Morgenstunden des heutigen Tages durcheilte, auf Extrablättern iin Fluge verbreitet, eine die Gemütber auch der Gleichgiltigsten tief erregende Trauer-und Schreckens botschaft unsere Stadt. Kopfschüttelnd lasen die Passanten die den Ausrufern förmlich auS den Händen gerissenen weißen Zettel mit der bekannten großen Lapibar- Schrift. D e r Kö n i g von Italic n t o d t ? König H u m b e r t ermordet? Das konnte doch nicht sein. War Ne Umberto nicht einer der volksthümlichsten, wenn nicht der volksthümlickste Herrscher der Gegenwart, verwachsen mit seinen Unterthanen in Leid und Freud, beliebt insbesondere bei den niederen Classen wegen seiner einen Grundzug seines Charakters bildenden Humanität und seiner bei nationalen Katastrophen so oft bewährten Hilfsbereitschaft, hochgeachtet selbst von den Gegnern deS Königtbums wegen seiner frei heitlichen Anschauungen uud der Treue, mit welcher er an den demckratischcn Traditionen des Hauses Savoyen hing? Und doch ist es Thalsache. Die folgende erschütternde Nach richt gehört leider den Annalen der Geschichte an: * Monza, 30. Juli. (Telegramm.) Um Mitternacht. König Humbert wurde, als er nach der Preisvertheiluug beim Wettturnen um V2II Uhr seinen Wagen bestieg, von drei Schüssen getroffen, von denen einer ins Herz ging, und starb 11 Uhr 30 Minuten. Ter Mörder, mit Namen Angelo Presst aus Prato in Toscana, wurde alsbald verhaftet und nur mit Mühe der Bolkswnth entrissen. Er ge stand cynisch das Verbrechen ein. Eine andere, später eingetroffene Fassung unserer Extra- blattmeldung lautet: * Monza, Sonntag, 29. Juli, Mitternacht. Als der König heute Abend 10'/, Uhr, nach der Preisver- thcilnng bei einem Wettturne», mit seinem ersten Flügel adjutanten den Wage» bestieg, nm sich ins Schloß zu be geben. fielen Z Schufst. Ter König sank, ins Herz ge trosten, zurück und starb nm 11'/, Uhr Der Mörder, Angelo Presst aus Prato (Toscana) wurde alsbald ver haftet. trr konnte nur mit Mühe Ser Wuth des Volkes entrissen werden. Während er von allen Seite» als »önigsmörder verflucht wurde, gestand er sein Ver breche» tu chnischc» Ausdrücken ein. * Rom, 30. Juli. (Telegramm.) Um 2 Uhr Morgens berief der Ministerpräsident Saracco einen Ministerrath ein. Der Ministerpräsident reiste nm 7 Uhr früh mit dem Vice- Präsidenten des Senats nach Monza, um die Urkunde über den Tod des Königs aufzunehmen. In ganz Italien, aber auch überall sonst in der ges itteten Welt, namentlich in Deutschland, das an dem liebenswürdigen Monarchen den treuen, trotz aller Gegenmachinationen an der mitteleuropäischen Friedensalliance festhaltenden Bundes genossen verliert, wird das tragische Geschick, das dem Leben eines der edelsten Fürsten ein so jähes und blutiges Ziel setzt, ungeheucheltes Mitgefühl, ja tiefgreifenden Schmerz, aber auch Zorn und Empörung über die schurkische Thal deS Buben erwecken, der Len König, nachdem dieser schon zweimal, am 17. November 1878 in Neapel, wo der Koch Passanante ein Attentat auf ihn machte, und am 22. April 1897 in Rom, wo Acciarito den Dolch gegen ihn zückte, vor dem Schlimmsten bewahrt geblieben war, die todtbringende Kugel mitten ins Herz jagte und hinterher noch seines fluchwürdigen Verbrechens sich zu rühmen den kläglichen Muth fand. Beide Male empfing der Monarch die ihn beglückwünschenden Vertreter der in unbeschreiblicher Be geisterung ihn umjubelnden Bevölkerung mit einem Scherz wort — heute ist sein Mund verstummt, seine Lippen sind bleich und tiefer Ernst prägt sich in der Haltung des schwer geprüften Volkes aus, das zwar mit Vertrauen Krone und Scepter in die Hände des einzigen Sohnes, des am 11. November 1869 geborenen Prinzen Victor Emanuel übergehen sieht, das aber Len größten Werth daraus gelegt hatte, gerade in der gegen wärtig mächtig bewegten Zeit — in Italien selbst frißt der Hader der Parteien nicht erfolglos an den Grundlagen des Thrones und der Verfassung und an den auf die nächste Zukunft manchen Schatten vorauswerfenden Wirr nissen in China ist auch die Appeninenkalbinsel betheiligt — das Ruder des Staatsschiffes in der sicheren und erprobten Hand eines Capitäns zu wissen, der, Seite au Seite mit dem treuen Steuermann Francesco Crispi, es aus schweren Stürmen in ruhigeres Fahrwasser zu leiten verstanden hatte, und mit energischem Griff die im Innern wühlenden destrucliven Elemente in Schranken hielt. Wird Victor Emanuel die gleiche Kraft besitzen, oder werden die Fluthen die Dämme durchbrechen und über seinem Haupte zusammen schlagen? Der Vatican wird seine Rechnung bei dem Thron wechsel suchen, die republikanische Partei wird ihre Zeit ge kommen glauben und SocialismuS und Anarchismus werden daS Ihre thun, das Chaos zu vermehren und den Umsturz zu fördern. Der Anarchismus! Noch weiß man nichts Be stimmtes über die Motive des Königsmörders; der Tele graph schweigt sich in auffälliger Weise aus, uud auch über die Persönlichkeit Angelo Pressis ist noch nichts bekannt geworden. Es wäre also verfrüht, den Schurken irgend einer Partei an die Nockscköße zu hängen, auS seiner Haltung aber und aus dem gänzlichen Mangel anderer Beweggründe scheint doch hervorzugehen, daß man es wieder, ähnlich wie bei Luccheni, der am 10. September 1898 die Kaiserin Elisabeth und bei Caserio, der am 24. Juni 1894 den Präsidenten Carnot ermordete, mit einer jener herostratischcn Naturen zu thun bat, die von Eitelkeit und „Ruhm"-Sucht gepeinigt, sich zu willigen Werk zeugen einer Weltanschauung hergeben, welche in der Ver nichtung jeglicher Autorität und in absoluter Gesetzlosigkeit das Heil der Menschheit erblickt, mit einem jener abnormen Individuen, die, ohne unzurechnungsfähig zu sein, das Wahn sinns-Evangelium deS Anarchismus in die schauerliche Thal umzusetzen bereit sind. Sie zücken daS Messer und lenken die Kugel auf jedes die Ordnung im staatlichen und socialen Leben hervorragend repräsentirenve Haupt, nament lich wenn es eine Krone trägt, einmal um sich selbst durch die That — in den Augen der Ihrigen wenigstens — auf ein Piedestal zu stellen, dann aber, um die moderne Gesell schaft, die „Götzendienerin des Capitalismus, der Autorität und der Gesetzlichkeit" in jähen Schrecken zu jagen, nach und nach mürbe und so die Zeit reif zur Ernte zu machen für die, die nichts gesäet haben als Neid und Haß. Jedes Mittel ist dieser Bande von Bluthunden recht, und das erklärt die gewaltige Empörung, mit welcher die Nach richt von König Humberl'S Ermordung allüberall ausgenom men wird. Deutlich tritt sie zu Tage nicht bloS in den Kreisen der Bourgeoisie, der Zufriedenen und Satten, wie eine gewisse Presse sagt, sondern auch in den tieferen Regionen des sogenannten revolutionären Proletariats. Es war uns eine Genugtbuung, heute Morgen gerade Leute des arbeitenden Standes das Extrablatt mit der Mord kunde unter sehr massiven Ausbrüchen deS Abscheus und der Verachtung von Hano zu Hand weitergeben zu sehen. Es wird selbstverständlich nach dieser neuen Bluttbat nicht an neuen Anregungen zu einem internationalen Kesseltreiben gegen die Anarchisten fehlen. Nach denAnläufen, die wir bis jetzt ge sehen haben — sie sind einer wie der andere sehr bald kläglich erlahmt — hegen wir wenig Hoffnung, daß etwas thatsächlich Wirksames gegen die skrupellosen Propa gandisten der That zu Stande kommen wird; tritt man indeß abermals in Unterhandlungen über dies heikelste aller Probleme, so mag man besonders inS Auge fassen, daß gerade Italien es ist, welches die Welt mit Gelichter L lu Angelo Pressi beschenkt. Passanante, Acciarito, Caserio und Luccheni waren Italiener und dieser Nationalität gehört noch eine Reihe weiterer „namhafter" Anarchisten an. Dort greife mau also zunächst ins Wespennest, fasse aber fest zu und thue gründliche gesetz geberische Arbeit. Dann läßt sich vielleicht doch noch ein erfolgreiches internationales Zusammenwirken erzielen. lieber KönigHumbert seien noch folgende biographische Daten nachgetragen: Rainer Karl Emanel Johann Ferdinand Eugen Humbert, König von Italien, Sohn Victor Emanuels II, wurde am 14. März 1844 in Turin geboren. An den Bestrebungen der italienischen Patrioten nahm er regen Antheil, diente als Hauptmann im italienischen Feldzüge von 1859 und zeichnete sich 1866 bei Villafranca als Generalleutnant der 16. Division ans. Nachdem er hierauf an der Umbildung des italienischen Heerwesens mitgewirkt batte, übernahm er als General leutnant nach der Einnahme von Rom den Befehl über die dortige Division und wurde 1871 Generalcommandant des dortigen Armeecorps. Am 9. Januar 1878 kam er auf den Thron, leistete 19. Januar den Eid auf die Verfassung und eröffnete am 7. März das Parlament. Dem Angriff Passa- nantes, der den König den 17. November 1878 am Schluffe einer mit seiner Gemahlin Margherita und dem Kronprinzen Victor Emanuel, Prinzen von Neapel, gemachten Rundreise in Neapel anfiel, folgte eine stürmische Kundgebung des Landes für daS Königthum. Der barte Schlag, welcher daS im Innern durch die Radikalen, Republikaner, Irredentisten und Klerikalen beunruhigte, mit dem Papstthum wegen der Be setzung von Rom noch unversöhnte Land durch die Besetzung von Tunis von Seiten Frankreichs traf, veranlaßte Humbert zum Anschluß an daS deutsch-österreichische Scbutzbündniß. Auf den Rath BiSmarck's begab sich Humbert mit Mancini 27. Oktober 188l nach Wien. Nachdem 1883 der Drei bund zwischen Deutschland, Oesterreich und Italien abgeschlossen worden war, wurde 17. bis 20. December Humbert vom damaligen deutschen Kronprinzen, später» Kaiser Friedrich III., in Nom besucht. Große VolkSthümlichkeit erwarb sich der König durch sein menschenfreundliches und furchtloses Auftreten bei dem Erdbeben in Casamicciola 1883 und bei der Cboleraepidemie in Neapel 1884. Den Besuch Kaiser Wilhelm's II. in Nom 11. bis 19. Oktober 1888 er widerte Humbert, begleitet vom Kronprinzen und von Crispi, 21. bis 26. Mai 1889 in Berlin, wo er eine glänzende Auf nahme fand. Ten Besuch, den König und Königin von Italien 20. bis 24. Juni 1892 in Potsdam und Berlin machten, gab dieser mit der Kaiserin zurück bei der silbernen Hochzeit, die das italienische Königspaar im April 1893 unter großen Festlichkeiten beging. Auch 1894 und 1896 empfing Humbert, und zwar beide Male in Venedig, den Besuch deS deutschen Kaisers. Humbert hat sowohl i» seiner auswärtigen Politik, in der er die vom Vater eingeschlagene Linie, trotz seiner früheren Hinneigung zu Frankreich, festzubalten suchte, wie in seinem Verhalten gegenüber der Verfassung, die er durchaus zur Richtschnur nimmt, Zuverlässigkeit und Be ständigkeit bewiesen. Seit 22. April 1868 war Humbert vermählt mit seiner Cousine Margherita Maria Theresia (geb. 20. November 1851), Tochter seines ObeimS Ferdinand, Herzogs von Genua. Dieser Ehe entstammt Victor Emanuel, Prinz von Neapel, geb. 11. November 1869. Die Wirren in China. —§ Am 26. Juli, oder ein bis zwei Tage früher, erklärte Li-Hung-Tschang nach einem Telegramm deS „Daily Expreß" bekanntlich, die fremden Gesandten seien schon auf dem Wege nach Tientsin und würden dort am Sonntag eintreffen. Dies ist nicht geschehen, sonst hätte» wir beute in Europa Nachricht von dem sensationellen Er- eigniß. Nun kann allerdings auf dem Wege von Peking bis Tientsin irgend ein Hemmniß die Ankunft verzögert haben, aber eben so möglich ist, daß die Gesandten, wenn sie über haupt noch am Leben sind, sich am 26. noch in Peking, nicht aber auf der Reise nach der Küste befunden haben, denn ein in einem Theil der Auflage unseres SonntagSblatteS schon enthaltenes, am 28. Juli in Washington eingetroffenes Tele gramm des amerikanischen ConsulS in Tschifu, Fowler, vom 26. d. Mts. um Mitternacht besagt: „Heute früh richtete ich auf Verlangen der verbündeten Admirale ein Telegramm an den Gouverneur von Schantung, in dem ich ihm den Wunsch der Admirale mittheilte, von den Gesandten in Peking selbst eine Nachricht zu erhalten. Der Gouverneur antwortet jetzt: „„Ich habe heute ein Dekret des Kaisers von China erhalten, das besagt, die Gesandten seien wohl und wurden mit Lebensmitteln versehen. Ich bin überzeugt, daß die Gesandten außer Bedrängniß sind, und bitte Sie, die vorläufige Mittheilung an die Admirale ge langen zu lassen, gez. Juanschikai."" Dies angebliche kaiser liche Decret, welches mit der angeblichen Erklärung Li's zu- sammeusällt, weiß also nichts von der Abreise der Gesandten nach Tientsin. Es bleibt demnach nur die — Versicherung übrig, daß die Ver treter der Mächte sich in Peking in Sicherheit und Wohl befinden und Li wird nicht müde, sie zu wiederholen. So wirb uns berichtet: * Petersburg, 28. Juli. (Meldung der „Russischen Tele- graphen-Agentur".) Hierist eine Depesche Li-Hung-Tschang'- vom 26. d. M. eingetrosfen, welche besagt, die Regierung i» Peking telegraphire ihm vom 23. Juli, daß alle Gesandten wohl seien. Li-Hung-Tschang beklagt, daß keine der Mächt» eingewilligt habe, daß ihm rin Kriegsschiff zur Verfügung gestellt werde, auf dem er sich nach dem Norden hätte begeben können. Zu Lande werde er zu vielen Hindernissen begegnen. „Daily Mail" nieldet auS Shanghai vom 28. d. MtS.: Die Blätter in Shanghai veröffentlichen eine Mittbeilung eines einflußreichen Bankiers, der nahe der britischen Ge sandtschaft in Peking gewohnt hat. Er habe Peking am 7. d. M. verlassen und sei in Shanghai am 25. d. M. ein getroffen. Bei seinem Weggang seien die Gesandtschaften zerstört und alle Europäer verschwunden gewesen. Er könne nicht bestimmt sagen, ob sie ermordet worden seien, oder nicht. Weitere Meldungen: * Hongkong, 28. Juli. („Reuter's Bureau.") In Briefen, die hier aus Wu-tschou eingetroffen sind, wird gemeldet, daß dort fremdenseindliche Placate angeschlagen worden seien. — Canton ist ruhig. * Shanghai, 28. Juli. („Reuter's Bureau".) Weitere drei Kriegsschiffe sind heute hier angekommen. Es befinden sich jetzt 2500 Mann Truppen in den Wusung-Forts und 3000 im Arsenal; stündlich kommen mehr Truppen an. * Hongkong, 29. Juli. („Agenzia Stefeni".) Die italienischen Kreuzer „Stromboli" und „Vesuvio" haben den Befehl, die italie nischen Truppen in Singapore zu erwarten und sie dann zu begleiten. — Der italienische Kreuzer „Vektor Pisani" wird seine Reise nach China sortsetzen. Fünf englische Kreuzer und sechs 8s Graf Egon's neue Nachbarin. Novelle von G. von StokmanS (Germanis). ÄiLlddruU verboten. Ja, es war merkwürdig, je froher und zufriedener sie erschien, um so unzufriedener wurde er. Ihre Freundschaft, die ihn zuerst so sehr beglückt hatte, genügte ihm auf 'die Dauer nicht mehr; der Wunsch, sie selbst und ihre Liebe zu besitzen, steigerte sich von Tag zu Tag, und als sie nun, in neuerwachter Lebenslust auch noch von einer Sommerreise sprach und ein Zusammentreffen mit Dohlenbeck's plante, um die kleine Rosi wiederzusehen, war es um seine innere Fassung geschehen. Er glaubte, ihre Abwesen heit, den ganzen qualvollen Zustand, nicht mehr ertragen zu können, und wußte doch nicht, wie er ihn ändern und bessern sollte. Eine gewaltsame Entscheidung hcrbeizuführen, das er schien verfrüht und gewagt. Er konnte Alles gewinnen, aber auch Alles verlieren, und die Wahrscheinlichkeit sprach für letzteren Ausgang. Mitunter schien es ihm Wohl, als schlummere, ihr selbst un bewußt, ein wärmeres Gefühl für ihn in Dina's Brust, als rege sich etwas in ihrem Innern, das seinen heißen Wünschen ent gegen kam, aber dann trat ihre ruhige Freundschaft und Unbe fangenheit wieder so klar zu Tage, daß er sich einen Thoren und Narren schalt und glaubte, nur das gesehen zu haben, was zu sehen er so sehnlich wünschte. Eine große Mutlosigkeit überfiel ihn, «in Grauen vor der Zukunft. Sollte das immer so weiter gehen, er immer als moderner Tantalus vor dem greifbar nahen Glück« stehen? In ohnmächtigem Grimm ballte er die Faust und knirschte mit den Zähnen, aber er wußte keinen Ausweg aus dem Laby rinth, und schließlich kam doch immer wieder die Hoffnung als Trösterin, gaukelte ihm liebliche Bilder vor und mahnte zu längerem Ausharren, zu Treue und Geduld. In solchen Momenten erschien ihm Zerstreuung al» das beste Mittel, um sich über den unerträglichen Zustand hinwegzu täuschen. Er fuhr wieder häufiger aus, lud bald Diesen, bald Jenen ein, und gab sich mit gewohntem Eifer seiner Jagd passion hin. Freilich, viel zu schießen gab es um diese Zeit nicht, aber er wohnte einem Fuchsgraben bei, verfolgte fleißig den Schnepfen strich und siedelte schließlich für einige Tage in ein entlegenes Forsthaus über, um auf die Birkhuhnbalz zu gehen. Ein Refe rendar aus der Kreisstadt, der am Amtsgericht arbeitete, wenig beschäftigt war und dergleichen noch nie mitgemacht hatte, be gleitete ihn, und gleich am ersten Morgen standen die beiden Herren vor Tage auf, um bei Sonnenaufgang zur Stelle zu sein, ch Es war mit niederen Sträuchern und vereinzelten Bäumen bedeckter, freier Platz im Walde, auf dem di« Hähne sich zur Balz einfanden und ihren eigenthümlichen Lockruf erschallen ließen. Der Frühnebel lagerte noch darüber, als die drei Jäger — der Förster war auch dabei — unter guter Deckung dort Auf stellung nahmen, und, ohne sich zu rühren, lautlos warteten. Endlich war der rechte Augenblick da, der erste prachtvolle Hahn ließ sich in nächster Nähe vor dem Referendar nieder, und der Förster machte diesem ein Zeichen, nicht länger zu zögern, sondern zu schießen. Der junge Mann hob auch ganz gehorsam das Gewehr und zielte, aber als Neuling war er unsicher und aufgeregt. Er machte im letzten Augenblicke noch eine falsche Bewegung, blieb dabei mit dem Aermel an einem vorspringenden Ast hängen, und ehe er sich noch über die verhängnißvolle Verschiebung des Rohres klar geworden war, ging der Schuß auch schon los. Ein Schrei ertönte, der Vogel flatterte erschreckt davon, und ganz entsetzt eilte der Förster zu Graf Egon hin, der unter dem Schuß zusammengebrochen war und sich nicht wieder aufrichten konnte. Obgleich er gewohnt war, sich zu beherrschen, drang doch ein lautes Stöhnen zwischen seinen bleichen Lippen hervor. Wie sich herausstellte, hatte er di« ganze Schrotladung in das linke Bein bekommen, und da auch das Kniegelenk verletzt worden war, fühlte er die heftigsten Schmerzen. RathloS und völlig verzweifelt sah der unglückliche Refe rendar, was er angerichtet hatte, und ohne den Förster, der sorg sam, praktisch und umsichtig war, wäre es um den armen Grafen übel bestellt gewesen. Er stützte ihn, flößte ihm etwas Cognac ein, und schickte den Referendar nach der nächsten Waldcolonie, um Hilfe herbeizuholen. Mit großer Vorsicht wurde der Graf dann nach dem Forsthaus zurückgebracht, aber an dem entlegenen Orte, an dem es an jeder Bequemlichkeit fehlte, konnte und wollte er nicht bleiben, und da der Johann mit den Pferden am Tage vorher schon zurückgeschickt hatte, wurde eilends ein Bote ent sendet, der ihn zur sofortigen Abholung nach dem Forsthause bestellte. Er sollte den alten, niedrigen Jagdwagen mit dem breiten Quersitz anspannen, und auch noch Decken und Kissen mitbringen, um dem Verwundeten während der Fahrt ein mög lichst geeignetes Lager zu schaffen. Um zehn Uhr Vormittags traf der Mann mit der Schreckens botschaft im alten Schloss« ein, konnte zuerst kaum sprechen, weil er so gelaufen war, und machte dann, nach Art dieser Leute, eine so entsetzliche und übertriebene Schilderung von dem Unglücks fall, daß Frau Wenslein die Knie zitterten und sie vollständig den Kopf verlor. Statt Alles zur Ankunft ihres Herrn vorzubereiten, stürzte sie, während Johann sich fertig machte, zur Baronin hinüber, die mit den beiden anderen Damen noch am Frühstückstische saß, riß unangemeldet die Thür auf und schrie weinend und gesticu- lirend. „Ach, Frau Baronin, Frau Baronin, — denken Sie doch nur das Elend, — der fremde junge Herr hat aus Berschen auf unseren Herrn Grafen geschossen! Blutüberstörmt ist er gewesen und auf eine Bahre haben sie ihn gelegt. O Gott, o Gott, was thu ich denn nur, wenn er uns nun so stirbt, so 'n guter Herr, so 'n lieber Herr — und der Graf Max nicht zu Hause, und die Frau Gräfin auch nicht. Der Johann holt ihn jetzt, und unter wegs soll er auf dem Bahnhofe telegraphire», daß der Doctor kommt, und ich soll Alles bereit halten, das Bett und das Zimmer und " Weiter kam sie nicht, denn die Baronin, die aufgesprungen war, starrte ihr mit einem so eigenthümlichen Blick ins Gesicht, daß esganz unheimlich war,dann wurde dieDameplöhlich leichenblaß, griff um sich, wie um einen Halt zu suchen, und glitt ohnmächtig auf den Teppich hin. Alle waren sogleich eifrig um sie bemüht, und nach einigen Minuten schlug sie wieder die Augen auf, aber mit dem Bewußt sein kehrte auch die Angst in ihr Herz zurück, und mit bebenden Lippen stammelte sie: „Bitte, Frau Wenslein, sagen Sie mir nur eins: lebt Graf Egon, oder ist er todt?" „Nein", war die nun schon etwas ruhigere Erwiderung, „ganz todt ist er noch nicht, aber übel zugerichtrt, meint der Bote, und schreckliche Schmerzen hat er — wenigstens stöhnt er immerfort, als litte er der Hölle Pein. Du Grundgütiger, was fang« ich nur mit ihm an? So 'n Jammern geht mir durch Mark und Bein, und Blut kann ich auch nicht sehen, da wird mir immer gleich ganz blümerant. Ueberhaupt ist das Alles doch schreck lich! — lieber Nacht kommt das Unglück, und an Gemüths- bewegungen bin ich so gar nicht gewöhnt." — Das blasse Gesicht der Baronin röthete sich wieder, und neue Kraft schien sie zu durchströmen. Sie überwand den letzten Rest von Schwäche, richtete sich auf und sagte bestimmt: „Ich gehe mit Ihnen hinüber, Frau Wenslein^ und sage Ihnen, wie Alles einzurichten ist. Meine Mädchen können Ihnen helfen. Inzwischen spannt mein Kutscher an, und ich fahre selbst nach der Stadt, um den Doctor zu holen. Das ist sicherer. Da der Kranke nur langsam fortbewegt werden darf, hoffe ich, vor ihm wieder hier zu sein. Also kommen Sie." Die besorgte Tante wollt« Einwendungen erheben, aber sie ließ sich nicht zurückhalten und traf kurz und klar ihre Anord nungen. Frau Wenslein fügte sich denselben bedingungslos, und während sie Alles zur Aufnahme des Verwundeten rüstete, fuhr die Baronin im schnellsten Tempo nach der Stowt zum Arzte. Sie traf ihn auch noch glücklicher Weise zu Haus, und da sie den Boten vorher noch einmal gründlich au-gefragt hatte, konnte sie ihm ungefähr sagen, um was es sich handele. Er traf danach seine Vorbereitungen, begleitete sie nach dem alten Schloß und kam gerade zurecht, um, tm Verein mit dem Förster und dem Referendar, den Kranken aus dem Wagen zu heben. Die Baronin hatte sich zurückgezogen, und man glaubte, sie sei in ihre Wohnung zurückgekehrt, aber von einem Gastzimmer auS beobachtete sie ungesehen die Ankunft de» Grafen, und sein Anblick, wie jeder Schmerzenslaut, der sich seinen Lippen ent rang, bereitete ihr unsägliche Qual. Mit fieberhafter Spannung verfolgt« sie jede Bewegung, jede Wendung der Träger, und alt
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