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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000522021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900052202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900052202
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-05
- Tag 1900-05-22
-
Monat
1900-05
-
Jahr
1900
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Seko»II<>impkkr »cd VokodTw», " o«cd g«on», m (SUS) .8toll- ») ,v»rd»ro—- » 0»t—l«L, von Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/»? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Vez«g-'Prek- ' d« Hauptexpeditiou oder den im Kkadt» I«trk und den Vororten errichteten AuS- uibestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, vei zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS .^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandienduug in- Ausland: monatlich 7.50. LeLaction und Er-edition: Johannisgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Lortim. Universitätsstraße 3 (Paulinum„ «out» Lösche, Kattzantxnktr. r», »an. und KüuigSplntz 7. Abend-Ausgabe. UtWiger Tagcblaü Anzeiger. Ämlsökatt des Könizkichen Land- nnd Äintsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Nolizei-Ärntes der Ltadt Leipzig. 238. Dienstag den 22. Mai 1900. Anzeigen'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (»ge spalten) öO-H, vor den Familirnnachrichteu (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsa- nach höherem Tarif. Srtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbcförderung 60.—, mit Postbesörderuug 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge u-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expeditio» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. Mai. lieber die Gründe, die den Präsidenten des Reichstags zur erneuten Einberufung deS erst kürzlich von ihm außer Thätigkeit gesetzten Seniorenconvents und zur Absetzung der lex Heinze von der Tagesordnung der gestrigen Plenar sitzung veranlaßt haben, erfährt man beute Genaueres durch die „Freis. Ztg." des Herrn Eugen Richter, dem es auch seine Gegner lassen müssen, daß er als Berichterstatter die meisten seiner College» durch Raschheit und Pünktlichkeit übertrifft. Er schreibt nämlich: „Präsident Gras Balle st rem hat am Sonntag den Senioren- convent wieder berufen auf diesen Montag Mittag 12 Uhr, und zwar die Vertreter aller Parteien. Er klagte darüber, daß die Art der Verhandlungen über die lex Heinze das Ansehen des Reichstages nach außen schädige und andere Geschäfte aus halte. Er fühle sich verpflichtet, Ausgleichsverhand lungen vorzuschlagen in der Weise, Laß zwei neue Paragraphen der lex Heinze eingefügt werden zur Ein schränkung der Z8 I84n und b. Eia Jurist außerhalb Les Hauses (!) habe diese neuen Paragraphen formulier. Danach sollen Handlungen, „die ausschließlich künstlerischen Darstellungen dienen", nicht unter die Vorschrift des 8 184a fallen und ebenso Schriften, Abbildungen, „die ausschließlich künstlerischen Zwecken gewidmet sind", von dem 8 184b ausgenommen werden. Eine sreie Commission möge über diese Vorschläge, die eventuell noch ab geändert werden könnten, berathen und es würde bis zum Abschluß Lieser Berathungen die weitere Plenarverhandluug auszusetzcn jein. Mit dem Vorschlag der Aussetzung der Verhandlungen und der Niedersetzung einer freien Commission zur Berathung von Vergleichs vorschlägen erklärten sich alle Parteien, auch die Socialdemo- kratie und die Freisinnigen, einverstanden, mit Ausnahme des Centrums. Die Centrnmsredner betonten, daß sie nun einmal ihre Leute hier hätten und ihre Majorität zum Ausdruck bringen wollten ohne eine weitere Verzögerung. Abg. Richter machte den Vergleichsvorschlag, als Initiativantrag eine neue lox Heinze einzubringen, die alle Bestim- mungen der Commissionsbejchlnsse enthält mit Aus nahme der 88 184a und b. Ein solcher neuer Gesetzen«- wurf könne binnen vierundzwanzig Stunden ohne DiScussion alle drei Lesungen passicen und beseitige ebenso die Gc- hässigkeit, Dichter und Künstler mit dem Gesindel in der lex Heinze zujammenzUbringen, wie die Bedenken gegen die Nechts- giltigkeit des Gesetzentwurfs, die an die stattgehabte geheime Sitzung ankuüpfen. Abg. Richter erklärt eS dagegen für zweifel- haft, ob die neuen Paragraphen des Präsidenten ausreichend sein würden, das diskretionäre Ermessen zu beseitigen, denn man wird danach als „ausschließlich künstlerisch" nur das erachten, was von notorischen Künstlern hecrührt und sich durch künstlerische Schönheit auszeichnet. Für den Richter'schen Initiativantrag mit Ausscheidung der 88 184n und b erklärten sich ebenso die Nationalliberalen wie die Socialdemokraten. Die Vertreter des Centrums aber lehnten auch dies ab. Es gab schließlich nur zu, daß diesen Montag die Verhandlungen ausgesetzt werden über die lex Heinze, Leuilletsn. 181 Unter egyptischer Zonne. Roman aus der Gegenwart von Katharina Zitelmann. Nachdruck verboten. Dem Ufer des Nil zureitend, bemerkte Harald, wie schon am Morgen, im Grase kauernde Knaben, die sich hinter Hecken oder Mauerresten zu verbergen schienen und aufmerksam um sich schauten. Harald fragte den Doctor, was sie vor hätten. „Sehen Sie den Vogel dort in der Luft schweben?" entgegnete der. „Warten Sic einen Augenblick, Sic loerden gleich sehen, was die Burschen treiben." In einiger Entfernung haltend, beobachteten die beiden Herren einen dieser Burschen. Plötzlich — ehe Harald bemerkte, wie es geschehen, sank der Vogel dicht neben ihm getroffen zur Erde nieder und der Schütze eilte herbei, ihn zu holen. Er legte das verendende, noch mit den Flügeln schlagende Thier neben sich, und Harald sah nun, daß es eine Schleuder war, mit der er das Thier erbeutet. Eine lange Schnur aus Pflanzenbast, um einen Stein gewickelt, das war das einfache Instrument, das in diesem konservativen Lande noch jetzt als Wurfgeschoß diente, wie vor Tausenden von Jahren, da der junge David seine Laufbahn mit der Schleuder begonnen. Vor dem Tewfikiehhotel lag der Postdampfcr zur Abfahrt bereit, als zwischen vier und fünf Uhr die Gesellschaft dort wieder anlangte, sehr müde von der anstrengenden Tour. „O, ich kann nicht mehr die Treppe hinauf", sagte Mrs. Summers. „Ich werde Sie tragen", meinte Harald. „Xo, tstank .von", entgegnete die Engländerin. „Sie würden mir hinunterfallen lassen ins Wasser und mit Daisy Summers wär' es vorbei." „Den Verlust dürfen wir nicht wagen", rief Wildau lachend. „Vertrauen Sie mir Ihr kostbares Leben an, Gnädigste? Ich bin zuverlässiger als Horus." „Das würde Kuni zu schmerzlich sein", erwiderte Daisy schnell. .„Helfen Sie ihr nur." Alles lachte, und die Umsattel versetzte, ganz roth vor Ver druß: „Ich gehöre nicht zu den Damen, die hilfsbedürftige Schwäche vorschützen —", um der Centrumsfraction Gelegenheit zu geben, Stellung zu nehme» zu dem Vorschlag Les Präsidenten. Demgemäß wurde i» der Plenarsitzung die lex Heinze zurück gestellt und »ach einer folgenden Nummer der Tagesordnung die GeneraldiScussiou deS Flcifchschaugeietzcs vorgenommen. Im Verlauf der Sitzung lud die Ccntrumspartei die Vertreter der anderen Fraktionen ein zu einer Besprechung über den Vor schlag deS Präsidenten, der lex Heinze die beiden oben erwähnten Paragraphen einzufügen. An der Besprechung nahmen alle Fraktionen Theil. Diese Verhandlungen der Vertreter der Fraktionen sind am Montag noch nicht zumAbschluß gekommen. Sie werden am TicnStag weiter geführt werden. Die freisinnige Volkspartei hatte vorher beschlossen, im Falle, Laß nicht andere annehmbare Aus gleichsvorschläge gemacht würden, Len oben erwähnten Antrag Richter cinzubringcn, also einen Gesetzentwurf, der olle Bc- sümmungen der lex Heinze mit Ausnahme der beiden anstößige» 88 184» und 184b enthält. Die Freisinnige Bereinigung, die Nationalliberalen solle» zum Anschluß an diesen Antrag eingeladen loerden." Daß die Verhandlungen der Fractionövertreter gestern noch nicht zu Ende geführt worden seien, berichten auch die übrigen Berliner Blätter und fügen hinzu, die Verhandlungen würden beute vor Beginn der Plenarberathung fortgesetzt werden. Tie „Köln. Ztg." veröffentlicht dagegen in ihrer heutigen Morgenausgabe folgendes Telegramm: Berlin, 21. Mai. Tas Compromiß in der lex Heinze ist fertig, der Friede geschlossen. Ta-Z Centrunr hat völlig nachgegcben. Das Gesetz ist als neuer Initiativantrag cingebracht. Dieser wird dem Präsidenten morgen bei Fort setzung der Berathung vorliegen; diese Fortsetzung wird da- raufhin unter Einverständnis; aller Parteien nicht in Angriff genommen werden. Ter Initiativantrag kommt in erster und zweiter Lesung am Mittwoch, in dritter Lesung am Freitag zur Verabschiedung. Dieses Compromiß, an dessen Zustandekommen der Präsident Graf Ballestrem einen ganz besonders hervor- ragenden Anlheil hat, enthält da» Gesetz bis zUm 8 184 ein« schließlich. Theaterparagraph und Schaufenster« oder Kunstparagraph fallen weg, mit Ausnahme der einzigen Strafbestimmung des Anbictcns oder Verkaufs unzüchtiger Dar stellungen re. an Personen unter 16 Jahren. Tic Einwilligung des Centrums ist nur nach schweren, stundenlangen Kümpfen zu erreichen gewesen. Was ist nun richtig? Wahrscheinlich die Meldung der Berliner Zeitungen, die später fertig gestellt worden sind, als die betr. Nummer des rheinischen Blattes. Es hat übrigens keinen Zweck, sich den Kopf darüber zn zerbrechen, da jeden Augenblick der Telegraph authentische Nachricht über die Entscheidung des EentrumS bringen kann. Nur so viel sei bemerkt, daß der Friede, wenn er wirklich so geschlossen sein oder werden sollte, wie der „Köln. Ztg." berichtet wird, auf Kosten der deutschen Buchhändler geschlossen wäre oder werden würde. Denn käme in die lex die Bestimmung hinein, daß zu bestrafen sei, wer Kindern unter 16 Jahren Dar stellungen verkauft oder anbietet, die, „ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen", so würde der Buch handel allein zu spüren haben, wie dehnbar eine solche Be stimmung ist. Auf alle Fälle aber hat der Reichstag allen Anlaß, seinem Präsident dankbar dafür zu sein, daß er nicht nur Lurch die Berufung des Seniorenconvents einen Jrr- thum offen eingestanden, sondern auch den ersten Schritt zur „Kommen Sie", sagte Sperber. „Nun helfe ich Ihnen ge rade, Mrs. Summers." Und er legte ihren Arm in den seinen und führte und zog sie die Treppe empor. So beschäftigt, sah er nicht die Gestalten, die am oberen Ende der Treppe erschienen und zurücktraten, um ihm auf der schmalen Stiege nicht zu begegnen. Erst auf der vorletzten Stufe blickte er auf und gewahrte, unmittelbar vor sich — die lange Gesuchte, das Mädchen von der Pyramide. Sie führte einen jungen Mann, dem das Leiden auf dem bleichen, ein gefallenen Gesicht geschrieben war. Ein Hotcldiener stand hinter den Beiden. Einen Augenblick starrte Harald wie geistesabwesend die Ge liebte seines Herzens an. Dann ließ er, wie ein auf böser That Ertappter, Mrs. Summers' Arm fahren und zog den Hut. Sie indeß senkte die Augen und schritt langsam vorüber, den Kranken, der sich schwer auf sie stützte, die Treppe hinabgeleitend. „Was ist geschehen?" fragte Mrs. Summers. „Haben Sie ein Gespenst gesehen?" „Ich glaube, das waren Bekannte", stotterte er verwirrt. „Verzeihen Sie." Und er wollte dem jungen Mädchen nach eilen. Doch die Reisegenossen, die eben heraufkamen, versperrten ihm den Weg. Er sah die Geliebte das Schiff betreten und in der Cajüte verschwinden. Als die Treppe frei war, flog er in zwei Sätzen hinab und auf das Schiff, das zur Abfahrt läutete. In der Thür der Cajüte, aus der sie einen Feldstuhl für den Kranken geholt, erschien eben die junge Dame, und er sprach sie sogleich athemlos an, strahlend vor Freude. Ohne nur daran zu denken, daß er einer Fremden gegenüberstehe, streckte er ihr, alle steife norddeutsche Form vergessend, die Hand entgegen. „Da find' ich Sie endlich!" rief er. „O, wie hab' ich Sie gesucht!" Aus ihrem Gesicht schien alles Blut g-wichen zu sein. Mit einem befremdeten Blick sah sie ihn an, .'hne seine Hand zu er greifen. Er war wie mit kaltem Wasser begossen. „Wir haben uns doch auf der Pyramide getroffen", stammelte er bestürzt. „Ist es möglich, daß Sie sich meiner nicht mehr erinnern?" Sie hob die seelenvollen Augen einen Augenblick mit traurigem Vorwurf zu ihm auf und schien unschlüssig. Dann zog sie es vor, seine Frage gar nicht zu beantworten. „Mein Bruder wartet!" sagte sic fast unhörbar, und schritt mit kaum merklichem Neigen des Kopfes an Harald vorbei. Einen Augenblick stand dieser mit hochklopfendcm Herzen, dann folgte er der Geliebten zu dem Kranken, der auf einer Bank des Verdeckes saß, um sich vorzustellen. Doch da stürzten ver- Verhütung von parlamentarischen Scenen gethan hat, die deS deutschen Reichstags ebenso unwürdig sind, wie sie seinem Ansehen im Jnlaude und im Auslande schaden. Da die Fraktionen gestern während der Plenarsitzung über die lex Heinze verbandelten, fand begreiflicherweise die Berathung über das Flcischbcschaugcsel; vor säst leeren Bänken statt. Um was es sich bei der dritten Lesung dieses viclumstrittenen Gesetzes handelt, ist hinlänglich bekannt. Die Beschlüsse der zweiten Lesung sind für die Negierung unannehmbar, Nationalliberale, Ecntrum und ein Theil der Eonservativen haben sich deshalb auf einen Com- prornißvorscklag geeinigt, der daS Einfuhrverbot auf Con- fervcn und Würste beschränkt, also das Pökelfleisch nicht in das absolute Einfuhrverbot hincinzieht und außerdem die Frist für Zulassung frischen Fleisches (nach den Be schlüssen zweiter Lesung Ende 1903) streicht, dabei aber selbstverständlich die Bedingungen für diese Zulassung frischen Fleisches, wie sie bei der zweiten Lesung beschlossen worden waren, aufrechterhält. Das Compromiß hat aber sogar außerdem die Bestimmungen über die Einfuhr von zubereitetem Fleisch insoweit verschärft, als die Feststellung der Unschädlich keit als „unausführbar" erklärt wird, insbesondere bei Pökelfleisch, sofern daS Gewicht einzelner Stücke hinter 4 kg zurückbleibt. Mau sollte meinen, auch den Agrariern könnte das genügen; aber weit gefehlt. Ein von ihnen gestellter Antrag, der den Namen von Bonin trägt, will die Einfuhr auch von Pökelfleisch unbedingt verboten wissen. Für diesen Antrag traten die bündlerischen Redner von Wangenbein:, Sch rempf, Nißler u. s. w. mit Feuereifer ein, während die entschiedene Linke nicht nur den agrarischen An trag, sondern auch die Compromißvorschläge scharf ver- urtveilte. Der Staatssekretär Graf Posadowsky theilte in Wahrung des Standpunktes der Regierung Hiebe nach beiden Seiten auS, aber erfreulicherweise nahm er in hervorragender Weise doch Stellung gegen die alles Maß überschreitenden agrarischen Forderungen. Er erklärte den Antrag von Bonin schlechthin für unannehmbar. Das wird zwar eineStheils nicht bindern, daß die agrarischen Ultras fest bleiben, anderntheilS dürfte schon jetzt feststehen, daß die Compromißvorschläge (für welche das Centrum, die National liberalen, die Neichsparteiler und etwa Zweifünftel der Deutschconservativen stimmen werden) zur Annahme gelangen werden. Die Generaldebatte wurde gestern beendet. Die Specialdebatte steht für heute zwar auf der Tagesordnung, aber erst an zweiter Stelle, nach der lex Heinze. Ueber daS Festbankett, das die in Paris anwesenden Mitglieder des Berkins Berliner Kauflente und Jndnstricller am Freitag veranstalteten, enthält der Pariser „Figaro" einen insofern bcmerkenSwerthen Bericht, als darin ein nicht unwesentlicher Punkt anders dargestellt wird, als in der den deutschen Zeitungen zugegangenen Drabtmeldung. Nach letzterer wurde die deutsche, bezw. die französische Nationalhymne nur von dem Orchester gespielt, sobald das Hoch auf den Kaiser, bezw. auf den Präsidenten ausgebracht war. Nach dem Bericht des „Figaro" aber haben die anwesenden Deutschen, waS auch nur selbstverständlich erscheint, die deutsche Nationalhymne gesungen. Der „Figaro" betont ausdrücklich, daß die anwesenden Deutschen die deutsche Hymne gesungen bätten; die anwesenden Franzosen werden also die deutsche Hymne nicht mitgesungen haben. So wenig man sich hierüber wundern wird — schon auS äußeren Gründen nicht, weil nicht zu verlangen ist, daß schiedne Schiffsoeamte auf ihn zu, die ihm mit lebhaften Ge lberden und aufgeregtem Geschrei bedeuteten, daß die Brücke bereits zurückgezogen würde und er mitreisen müsse, wenn er nicht sofort den Dampfer verließe. Eine Minute später befand er sich am Ufer und das Schiff stieß ab. Neben dem Kranken sah er die Geliebte, die nicht einmal den Kopf wandte, daß er ihr noch einen Gruß hätte senden können. Harald war aus allen Himmeln gestürzt. Dies war das Wiedersehen, nach dem er sich gesehnt in heißem Verlangen, auf das zu hoffen er fast schon aufgegeben hatte. N«D hatte er die Geliebte gefunden, und sie verleugnete ihn! Tief verstört langte er in seinem Zimmer an. Ihm war, als sei er auf den Kopf geschlagen, als sei Alles, was schön und gut, aus seinem Leben geschwunden. Die Abweisung, die er erfahren, von ihr erfahren, die er für liebreich und milde, für wahr und klar gehalten, hatte seine holden Zukunftsträume vernichtet, seinem ganzen Leben ein reizloses Gesicht gegeben. Das war die Liebe, die wie ein Götterfunken ihm das Herz entzündet! In ihre Seele war kein Strahl davon gefallen. Sie erinnerte sich seiner nicht einmal! Gott im Himmel, dies war zum Rasendwerden! Er tobte, er zürnte und haderte mit seinem Geschick. Das eine ein zige Mal im Leben, wo er sich ganz gegeben — da dankte man ihm so? Da warf man sein Herz fort, als sei es wcrthloser Plunder? Er rief seinen Stolz zu Hilfe, aber es fruchtete nichts. Ein solcher leidenschaftlicher Kummer erfüllte ihn, daß alles Andere in ihm ausgelöscht war. Mit Mühe faßte er sich soweit, um zum abendlichen Diner erscheinen zu können. Er meinte, er müsse verändert sein, Jeder müsse ihm an der Stirn ablesen, was ihm begegnet. Und doch durfte Niemand davon wissen, Im tiefsten Herzen verborgen mußte die Wunde bluten, aus der seines Lebens Hoffnung und Glück entströmte. Bei Tisch fand er Miß Mary neben sich. Mit einer Herz lichkeit, wie niemals früher, sprach er zu ihr. War er nicht ihr Leidensgenosse? Die Schmerzen, die in ihrer Seele wühlten, hatte er nicht ebenfalls sie kennen gelernt? Sein Ton war von so zarter, liebevoller Güte, daß es sic tief rührte, und sie sich zu- sammennehmen mußte, daß nicht die verrätherischen Thränen, die heute den ganzen Tag geflossen, ihr wieder in die Augen stiegen. In dem Wunsch, sie zu zerstreuen, vergaß er sein eigenes Leid, oder unterdrückte es wenigstens. Er erzählte ihr von dem heutigen Ausflug, schilderte ihr alle Eindrücke, die er gehabt, und es gelang ihm wirklich, ihre Theilnahme,^u erregen, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu locken. Was kümmerte es ihn, daß die llmsattel und Wildau die Köpfe zusammensteckten, daß Mr. Salinas befriedigt lächelte und die Blicke Aller sich auf sic Beide die anwesenden Franzosen den Text der deutsche» Hymne im Kopfe habe» —, so ausfallend wäre eS, wenn die Deutschen nachdemToastaufdenPräsidentendieMarseillaise mitgesungen hätten. Dies aber versichert der „Figaro", indem er noch betont, die Marseillaise sei von LenselbenDeutschen gesungen worden,die ebendie deutscheHymne anzestimmt bätten. An sich erscheint uns die Zuverlässigkeit dieser Nachricht deshalb sehr zweifelhaft, weil der Text der Marseillaise den anwesenden Deutschen Wohl ebenso wenig gegenwärtig gewesen sein wird, wie der Wortlaut unserer Hymne den Franzosen. Hätten trotzdem unsere Landsleute den Gesang der Marseillaise „markirt", so müßte ein derartig übertriebenes Entgegen kommen um so schärfer verurtheilt werden, je sicherer die anwesenden Deutschen bemerken konnten, daß die an wesenden Franzosen die deutsche Hymne nicht mitgesunHcn hatten. Unsere Nachbarn jenseits der Vogesen sind viel zu erwerbssinnig, um während der Ausstellung sich merken zu lassen, wie sie Schlappheiten ihrer deutschen Gäste in nationaler Beziehung im Grunde ihres Herzens beurtheilen. Daß unsere Lands leute den Franzosen durch Nachlaufen, es mag eine Form annehmen, welche eS wolle, nicht imponiren, daß sie vielmehr auf solche Weise dazu beitragen, den Ueber muth derFranzosen zu nähren und in politische Bahnen zu leiten —, diese Erfahrung ist ost genug gemacht worden. Es wäre Laber erwünscht, wenn man etwas Authentisches darüber erführe, ob der Bericht des „Figaro" in dem beleg ten Punkte znlrifft oder nickt. Wie dem aber auch sei: unsere nach Paris reisenden Landsleute handeln viel mehr zum Nutzen ihrer selbst und ihres Vaterlandes, wenn sie die nationale Würde auf das Peinlichste wahren. In der Schwei; ist, wie gemeldet, die Kranken-, Unfall- und Militärversickerung mit gewaltig großem Mehr ver worfen worden. Mit großem Bedauern, so wird dem „Sckwäb. Merkur" aus Bern geschrieben, gedenkt mau dieses Ergebnisses, das der Schweiz kein glänzendes Zeugniß auS- stcllt. Ein ganzes Jahrzehnt lang haben die Besten deS Volkes daran gearbeitet, ein gutes Gesetz auszuarbeiten und seit Wochen und Monaten wurde unermüdlich dafür gestritten, um dieses in seiner Art großartige Versicherungswerk zur An nahme zu bringen. In einsichtigen Kreisen war man zur An nahme berechtigt, daß daS Schweizervolk für das hehre Ziel in Krankheit und Unglück den Schwachen Hilfe zu bringen, reif sei, denn mit begeistertem Mehr wurde vor 10 Jahren ein VerfassungSartiket angenommen, der dem Bund die Pflicht auf erlegte, den Kranken und Verunglückten und den Soldaten in Zeiten der Noth beizustehen. Eine reine edle Gesinnung hatte in jenen Tagen das Volk beseelt und die gewaltige Manifestation vom 26. Oktober 1890 berechtigte zu schönen Erwartungen, sie spornte den Gesetzgeber an, ein Versicherungswerk zu schaffen, wie eS außer Deutschland noch kein Staat in Europa in dieser Vollkommenheit zur Stunde besitzt. Heute ist eine große schmerz liche Enttäuschung da. Gesiegt Haden nicht die Nächstenliebe, nicht der vielgcrühmtc eidgen. Gemeinsinn, nicht die Idee des Gemeinwohls, sondern der nackte Egoismus, der brutale In dividualismus, der Unverstand und die Kleinheit und Be schränktheit der Gesichtspunkte. Und merkwürdig! Es waren die niederen Kleriker, die Sociologen und das kurzsichtige Cantonesentbum, die sich in erster Linie an den Wagen der Opposition spannten, an die niederen Instinkte deS Volkes appcllirten und die verwerflichste Demagogie betrieben. Den traurigen Ruhm, das Volk verhetzt, die schweizerischen fortschritl- richteten? Ihm war in seiner Gemüthsstimmung zu Muthe, als sei er mit Miß Mary allein unter lauter Fremden, und sie müßten sich gegenseitig stützen und helfen, um den schweren Weg vorwärts zu gehen, auf den das Schicksal sie gestellt. Nach Tisch ward in der Gesellschaft der Wunsch nach Musik laut. Man war zu müde, um noch einen Mondscheinspaziergang zu machen, und die Umsattel und Mrs. Summers bestürmten Wildau mit Bitten, ihnen endlich einmal etwas vorzusingen. Dieser willigte ein, erinnerte aber Miß Mary an ihr Ver sprechen, mit ihm musiciren zu wollen. Sie lehnte zuerst ab, meinte, ihr läge die gestrige Ohnmacht noch in den Gliedern, gab aber endlich, von allen Seiten gedrängt, nach. Besonders ihrer Brüder Zureden schien sie dazu zu bewegen; die drei jüngsten baten so dringend. „Mary, bitte, das spanische Lied", schmeichelte der Kleinste. „Nein, lieber das Niggerlied", rief der Aeltere. Alfred wollte durchaus etwas „Vernünftiges" hören, von Schubert oder Mendelssohn. Carlos zündete hilfsbereit die Lichter am Piano an, während James das Instrument öffnete. Sic waren offenbar sehr stolz auf ihrer Schwester Kunst. Das junge Mädchen sah mit liebevollem, weichem Ausdruck auf die Brüder und ließ sich auf dem Claviersessel nieder. Harald hatte sich auf einen Stuhl neben dem Piano gesetzt, so daß er ihr Ge sicht und das ganze Zimmer überschauen konnte. Die Reise gesellschaft war vollzählig versammelt bis auf Mr. Salinas und den Professor, die nebenan im Rauchzimmer plauderten, bei den ersten Tönen aber die Thüre öffneten, um zuzuhören. In der dunkelsten Ecke am gegenüberliegenden Fenster stand der junge Braun, während auf dem Divan und den Stühlen, die in der Mitte des Zimmers um den Tisch mit der Lampe standen, die übrigen Mitglieder der Gesellschaft und einige fremde Hotel bewohner Platz genommen hatten. Die jüngsten Brüder umgaben ihre Schwester. „Ich habe keine Noten mitgebracht", sagte diese, „und kann nur lingcn, was ich auswendig weiß. Dies sing' ich für Dich, Georgie", flüsterte sie diesem zu, und begann ein spanisches Lied vorzutragen. Ihre etwas verschleierte Stimme war von größtem Wohltlang nnd Schmelz, und als sie geendet, fand Jeder, das Lied sei viel zu kurz gewesen, und bat sie, fortzufahren. „Nun das Niggcrlied für Dich, Jos6", sagte sie zu dem anderen Bruder, und begann von Neuem. „„Prächtig, prächtig!" rief man von allen Seiten. Der Bruder küßte dankend die Schwester. » „Was möchtest Du hören?" fragte sie den dritten. „Schubert: Den Tod und das Mädchen. Das liebe ich so sehr!"
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