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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000704017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900070401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900070401
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-07
- Tag 1900-07-04
-
Monat
1900-07
-
Jahr
1900
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So ist e» kein Wunder, daß der Gedanke bei Allen, die diese Entwickelung de» Vaterlandes für nothwendig halten, rasch Wurzel gefaßt hat. Da die Flottenvermehrung gezeigt hat, daß die Zahl der Freund« einer kräftigen deutschen Politik eine viel größere ist, al» man noch vor Kurzem zu hoffen ge wagt hatte, so kann man mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, daß auch der Plan einer Colonialarmee auf weitgehende» Verständniß im Parlamente und im Volke wird rechnen dürfen. Ihn zu gefährden, dazu dürfte der Haß der Gegner jeder energischen Lebensbethätigung Deutschlands nicht onSreichen, sondern dazu würde auch noch eine besondere Ungeschicklichkeit der Freunde des Planes gehören. Ein viel gelesenes und auch „in der Provinz" recht verbreitetes Berliner Blatt bemüht sich anscheinend nicht ohne Erfolg, dem vernünftigen Plane diesen unerwünschten Liebesdienst zu er weisen. Dieses Blatt bringt nämlich das Kunststück fertig, den Gedanken der Colonialarmee mit einer Aenderung des Reichs- tagswahlrechts in Verbindung zu bringen. ES schreibt: „ES ist wohl unausbleiblich, daß, wenn in Zukunft vermehrte Reichsausgaben nur noch durch die Wohl habenden bestritten werden sollen, aus den Kreisen derselben das Verlangen nach vermehrten Rechten unausbleiblich sein muß. Das bestehende unter schiedslose Wahlrecht ist anfechtbar genug. Seine beste Recht fertigung findet es in der Thatsache, daß die Reichseinnahmen im Wesentlichen auf indirekte Steuern basirt sind. Will das Centrum mit seiner Politik, die weitere Ausgestaltung derselben zu verbieten, fortsahren, so wird es mit logischer Nothwendigkeit zur Abschaffung des allgemeinen gleichen Wahlrechts kommen müssen." Man darf sich nicht wundern, daß die Socialdemokratie sich eifrig auf diese Ausführungen stürzt, um damit den ihr natür lich verhaßten Gedanken der Schaffung einer Colonialarmee zu Falle zu bringen. Deshalb können auch die Freunde dieses Gedankens gar nicht energisch genug die Ausführungen deS Berliner Blattes von sich weisen. Dies wird um so leichter sein, als die Behauptung des Blattes auf sehr schwanken Füßen steht. Das allgemeine Wahlrecht soll seine beste Rechtfertigung in dem indirekten Steuersysteme finden. Dieser Behauptung widerspricht die Thatsache, daß das allgemeine Wahlrecht zu einer Zeit geschaffen wurde, in der die indirekten Steuern bei den Reichseinnahmen viel weniger mitsprachen, als heute. DaS allgemeine Wahlrecht beruht thatsächlich auf viel ideelleren Mo tiven, als auf dem des Steuersystems; es unterscheidet sich von dem Wahlrechte vieler Einzelstaaten gerade dadurch, daß es mit den Steuern nichts zu thun hat und völlig frei von jeder Pluto« kratischcn Basis ist. Hält man das gleiche Wahlrecht für nur äußerlich gerecht, innerlich aber für ungerecht — und auch wir bekennen uns dazu —, so mag man für eine unterschiedliche Bemessung des Wahlrechtes lieber jede andere Basis suchen, als die plutokratische, die der Entwickelung der socialen Empfin dungen unserer Zeit geradezu ins Gesicht schlägt. Nun aber die Hauptsache. Der Vorschlag der Aenderung des Wahlrechts wird damit motivirt, daß die wohlhabenderen Classen, wenn sie zu einer Colonialarmee die Mittel hergeben sollen, auch höhere Rechte als Staatsbürger sollen beanspruchen dürfen. Ja, läßt sich denn eine Colonialarmee bloS mit dem Gelde schaffen? Werden denn die Soldaten dieser Armee au« Silberbarren bestehen und nicht vielmehr aus Fleisch und Blut? Darüber wird doch wohl kein Zweifel bestehen können, daß der Dienst in einer Colonialarmee anstrengender und gefährlicher ist, als der zwischen Weichsel und Vogesen. Nun werden gerade zu der Bildung deS ColonialheereS die minderbemittelten Classen ihre Söhne in einem verhältnißmäßig noch größeren Maßstabe hergeben müssen, als bei dem heimischen Heere. Die Söhne der wohlhabenderen Classen genügen ihrer militärischen Pflicht doch meistens entweder als Einjährig-Freiwillige oder al« Avan tageure. Einjährig-Freiwillige aber kann eine Colonialarmee naturgemäß nicht wohl brauchen, denn eS hat gar keinen Zweck, daß Jemand in demselben Augenblicke wieder entlassen wird, wo er eben angefangen hat, sich an das Klima und die sonstigen Lebensbedingungen zu gewöhnen. Der Officier aber, der der Colonialarmee zugetheilt wird, ist in Folge der Möglichkeit besserer und bequemerer Lebensführung den klimatischen und son stigen Unbilden in einer Colonie weniger auSgeseht, als der schlichte Soldat. Bringen also die wohlhabenderen Classen daS größere Opfer an Geldmitteln, so wird die» reichlich durch das größere Blutopfer der minder bemittelten Bevölkerungs schichten ausgewogen. Zum Schlüsse sei noch darauf hingewiesen, daß der Vor- theil, den die Colonien bringen sollen, doch in erster Reih« den wohlhabenden Classen zu Gute kommt, soweit diese sich dem Handel und der Industrie widmen. Gewiß werden durch die Vermehrung der Arbeitsgelegenheit bei blühender Industrie auch die Arbeitllöhn« gebessert, so daß die minderbemittelte Bevölkerung nicht ohne Vortheil bleibt, aber der verhältniß- mäßig größere Theil deS Gewinns fällt den wohlbemittelten Schichten zu. Haben diese aber von der Sicherung der Colonien durch eine Colonialarmee einen materiellen vortheil, so ist nicht obzusehen, warum auch noch höhere politische Recht« für sie darau» entspringen sollen. Alle diese Schlüffe sind so naheliegend, daß wir ganz und gar nicht darauf stolz sind, st, hier angeführt zu haben. Aber gerade weil sie so auf der Hand liegen, ist e» doppelt gefährlich, sie, wie e» da» Berliner Blatt gethan hat, dem einfachen Manne geradezu aufzuzwingen und ihn dadurch einerseits der Social- demokratie in die Arme zu treiben, andererseits von patriotischen Empfindungen gründlich zu euriren. Denn «ine Blutstruer zahlen zu müssen und dafür noch in den politischen Rechten ver kürzt zu werden, da» ist ein biüchen zu viel verlangt und kann di« vaterland»li«be nicht fördern. Eine wirksame Weltpolitik aber wird Deutschland nur dann treiben können, wenn da» ganze Volk begeistert den Plänen seine» kaiserlichen Führers folgt. Wehe dem Herrscher, der sich nur auf die Millionäre stützen wollte! Wer hat 1813 die Fran zosen zum Lande hinausgejagt? Wem haben wir 1870 zu verdanken? Doch wohl nicht den Millionären, von denen gar manche die französische Anleihe heimlich zeichneten, sondern der gejammten wehrhaften Jugend deS deutschen Vaterlandes, vom Fürstensohne bi» zum Tagelöhner. In Anknüpfung an große nationale Ideen und Forderungen die Volksgenossen in zwei politisch verschieden berechtigte Schichten scheiden zu wollen, ist das Ungeheuerlichste an politischer Unklugheit, waS man sich ausdenken kann. Die Wirren in China. Der Ernst der Lage bezeichnet recht treffend, daß der Kaiser seine altgewohnte Reise nach Norwegen auf geschoben und daß Staatssekretär Graf Bülow seinen Urlaub vertagt hat. Ferner soll, wie sckon gestern gemeldet, ein aus Freiwilligen der Armee be stehende» Expeditionskorps in Stärke einer gemischten Brigade auf gestellt werden. Ja sogar damit glaubt man nicht auszukommen, denn e» haben sich, wie wir bereit» in einem Theil der Auflage der gestrigen Abendnummer unseren Lesern mit theilen konnten, hohe Militärs nach Wilhelmshaven begeben, um Admiral Bendemann'S Forderung einer Division Landtrnppen zu berathen. lieber die bereits gemeldete Entsendung der ersten Division des I. Geschwaders wird uns aus Berlin geschrieben: Die Nachricht, der Kaiser habe angeordnet, daß die erste Division des I. Geschwaders sich mit Beschleunigung vorberriten solle, nach China zu gehen, hat naturgemäß große» Aufsehen erregt. Es dürste wohl das erste Mal sein, daß unsere schweren Panzer eine so weite Reise anzutreten haben. Würdig werden sie ganz gewiß die deutsche Seemacht repräsentiren, denn „Brandenburg", „Kurfürst Friedrich Wilhelm", „Weißenburg" und „Wörth" sind stolze Schiffe, obgleich sie bereits ein Aller von 6—7 Jahren haben; „Brandenburg" und „Wörth" sind 1893, die beiden anderen 1894 fertig gestellt. „Kurfürst Friedrich Wilhelm" ist für den Geschwaderstab eingerichtet und auf ihm wird der Admiral deS LinirnschiffSgeschwaderS seine Flagge hissen; wahrscheinlich Viceadmiral H vffinann. Denn als Chef deS I. Geschwaders commandirt er auch die erste Division desselben. Mit der eventuellen Entsendung deS BiceadmiralS Hoffmann nach China dürfte auch daS Gesamintcommando der Schiffe auf ibn übergehen, denn Herr Hoffmann hat ein älteres Patent al« Herr Bendemann; ersterer ist am 18. September 1899, letzterer am 5. December 1899 Viceadmiral geworden. Herr Hoffmann kennt auch Ostasien gründlich, da er vor dem Chef des NeichSmarineamtS Staatssekretär» v. Tirpitz unsere Schiffe in Ostasien befehligte. Jeder der schweren Panzer, die jetzt nach Ostasien binauSgehen sollen, hat bekanntlich einen Be- satzungSetat von 568 Mann, darunter 15 Seeofficiere, 4 Marine-Ingenieure, 2 SanitätSofficiere und 13 Deck- ofsiciere. Alle Schiffe sind auS Stahl gebaut, haben eine Länge von je 108 Metern, eine Breite von 20 Metern und einen Tiefgang von 7,5 Metern. Ihre Schnelligkeit beträgt 16 Seemeilen, ist also nicht unerheblich; da aber die Panzer nur eine Kohlenausdauer für 450 Stunden bei 10 See meilen Fahrt haben (Dampfstärke 4500), so wird sich die Reise durch mehrfache Uebernahme von Kohlen verlangsamen. Die Panzerung ist eine sehr starke, die artilleristische Armirung ebenfalls; die Maschinen sind je zwei stehende dreifache Expansionsmaschinen; je 12 Cylinder- kessel mit rückkehrender Flamme sind in Thätigkeit. DaS Aufklärungsschiff „Hela", daS zur ersten Division gehört, ist 1896 fertig gestellt, ist also ein moderner kleiner Kreuzer, der 20 Seemeilen läuft und auch nicht ganz ohne Panzerung ist. Die vier Commandanten der Linienschiffe sind Capitäne zur See, von denen der Commandant der „Weißen burg", Hof meier, bereit» am 27. November 1893 in diese Charge ausrückte, also ziemlich nabe vor der Beförderung zum Eontrradmiral steht. Zum Geschwaderstab auf dem Linienschiffe „Kurfürst Friedrich Wilhelm" gehören auch der bekannt« Marinepfarrer Heim und der Schiffs baumeister Reimer«; die Einrichtung, daß Schiffsbaumeister sich an Bord befinden müssen, ist neu, und nur noch an Bord der „Hertha", dem Flaggschiffe de« Admiral» Bende mann, befindet sich rin solcher (SchiffSbaumeistrr Busch- berg^) E» sei noch erwähnt, daß der ehemalige Gouverneur von Kiautschau, Capitän zur See Rosendahl, von Neuem nach der Stätte seiner Wirksamkeit hinauSdampft; diesmal aber al« Commandant de» Linienschiffe» „Brandenburg". Weiter« Meldungen liegen folgende vor: »Berlin, S. Jul«. Der kaiserlich« Lonsnl in Tschifu trlegraphlrt: Der Proviear Frrlnademep telegraphirt au« Yen- tschüs», der dortig» Missionar sei von der Behörde Vertrieben uud da« Zerstöruog«werk sofort begonnen worden. Tfining sei in größter Gefahr. Der Gouverneur und di« Behörden forderten di« sofortig« Abreise. Ohne raschen Schutz sei ein fernerer Aufenthalt unmöglich. Der Gouverneur in Tsinan drahtet«, daß sich Tfining in Aufruhr befind« und die Missionar« an dl« Küste flüchten müßten. (Mi,darholt.) * Berlin, 8. Juli. Da« „Nolssische Bureau" berichtet au« Tschifu vom S. d. M. 7 Uhr Abend«: Di« hiesige Telegraphen station ist mit LOO Telegrammen rückständig. (Wiederholt.) * Berlin, 8. Juli. („Wolff'« Telegraphen - Bureau") Vom Ches de« Kreuzergeschwader« ist au« Taku unter dem 1. Juli folgende« Telegramm »ingelaufen: „Ich schick« auf d«m Dampfer „Köln" di« verwundete» Offteter« Lorv«tt«neavit»n Lan«, Schlieper und Krohn, deren Befinden sehr gut ist, sonst« den Obermatrosen Zimmermann und den Matrosen Janßen von der „Gefion" morgen nach Pokohama. Alle anderen Verwundeten, die noch in Tientsin sind, befinden sich, soweit bekannt ist, im All- gemeinen gut. Di« Loge ist unverändert." * Berlin, 3. Juli. Laut telegraphischer Mittheilung ist S. M. S. „Kaiserin Augusta", Commandant Capitän zur See Gül ich, am 2. Juli in Tsingtau eingetrofseu und beabsichtigt, am 4. Juli nach Taku in See zu gehen. * Berlin, 3. Juli. Der hiesigen Schantung-Bergbau- Gesellschaft ist au« Kiautschau von der dortigen Betrieb-leitung folgendes Telegramm zugegangen: „Alle inländischen Berg leute sind angekommen. Di« chinesischen Behörden bewachen das Bergbaugut." * Pari», 3. Juli. In dem beut« im ElysSe abgehaltenen Ministerrathe theilte der Minister Les Auswärtigen DelcassL eine Depesche deS französischen Consul« in Shanghai vom 2. d. Mts. mit, die besagt: Prinz Tua« und General Kangsi bemächtigten sich der höchsten Gewalt, umzingelten mit Truppen den kaiserlichen Palast und gaben den Bicekönigen Befehl, gegen die Ausländer die Feindseligkeiten zu eröffnen. Die Viceköaige iu Süd- und Mittelchino weigern sich jedoch, de» Befehlen nach zukommen. * LsU-o», 3. Juli. Die Ermordung Krittler'« macht in allen Kreisen einen tiefen Eindruck. Di« „Time«" schreiben, alle civilisirten Völker müssen mit Deutschland sympathisiren wegen des Verluste», den eS erlitten hat, und die tiefe Entrüstung theilen, womit diese Ausschreitung die deutsche Nation erfüllt. Militärische Gründe mögen den Vor marsch nach Peking für den Augenblick absolut verbieten, aber die Deutschen sind nicht da» Volk, die Ermordung ihres Gesandten ruhig hinzunebmen, ihr Kaiser ist jedoch viel zu sehr Staatsmann, nm seine Politik in einer ernsten und delikaten Frage von internationaler Bedeutung durch seine persönliche Erbitterung oder durch die Erbitte- rung seiner Unterthanen, so gerecht natürlich diese auch sein möge, bestimmen zu lassen. Wir sind überzeugt, daß, während der Kaiser sich verpflichtet fühlen wird, die Ehre Deutschlands zu vertheidigen durch Erlangung voller Genugthuung sür da» ihm in der Person seine- Vertreter» zugefügte Unrecht, e» koste was eS wolle, er mit gehöriger Rücksicht auf die Interessen und Empfindlichkeiten Anderer vorg«h«n werde. „Daily Chronicle" sagt, der Kaiser sei nicht in der Lage, die Ermordung Ketleler's zu rächen. Wenn er Japan beauf tragte, die Rache auszusühren, würde er der gemeinsamen Sache dienen, obwohl es nicht Jedermann in Petersburg gefallen würde. * London, 3. Juli. „Daily Expreß" meldet auS Shanghai: Alle Provinzen südlich de« Gelben Flusse», deren Gouverneure freundliche Beziehungen zu den Mächten durch Vermittelung der Eonsuln unterhalten, haben in nicht osficieller Weise einen Bund mit der Hauptstadt Nanking begründet, das sich gegen den Prinzen Tuan richtet. Depeschen auS Kobe zufolge mobilisier Japan weitere 30 000 Mann. Marquis Ito widersetzte sich dieser Politik, La er fürchte, daß sie zu einem Conflict mit Ruß land führen könne. * Der Steinkohlenreichthum Chinas hat die Begehrlichkeit der Fremden mit am stärksten erregt, wenn man von den märchenhaften Lockungen absieht, die gelegentlich durch erfundene Nachrichten über ungewöhnlich große Schätze an Gold und anderen Edelmetallen in dem chinesischen Boden her vorgerufen worden sind. Die Kohlenlager Chinas sind unbe stritten die gewaltigsten der Erde, und da in der heutigen In dustrie der drohende Mangel an Steinkohlen bereits wie ein Gespenst umzugehen begonnen hat, haben sich die europäischen Nationen bei Zeiten einen Theil an der Ausnutzung der chine sischen Kohlenlager sichern wollen. Die Verwerthung der Stein kohle ist in China weit älter als in Europa, wenigsten» im Norden und im Westen des großen Reiches, während sie hier nicht vor dem 16. Jahrhundert begann, geht sie in China auf mehr als 1000 Jahre zurück. Dafür ist in dem letzten Jahr hundert die Ausbeutung der Kohle in China gewaltig hinter den europäischen Verhältnissen zurückgeblieben, und mit wenigen, eigentlich nur mit einer Ausnahme steht der chinesische Kohlen bergbau bi» heute auf einem höchst primitiven Standpunkt, der nur durch die ungewöhnlich günstige Lage und die Vielheit der Kohlenflotze überhaupt aufrecht erhalten werden kann. Dicht bei Peking soll nach den Berichten einiger Reisender, unter den Kaisern der Ming-Dynastie Kohle für den Gebrauch im kaiser lichen Palast« gewonnen worden sein, jedoch kann in dieser Form die Nachricht kaum richtig sein, da erst in der weiteren Umgebung von der chinesischen Hauptstadt da» Vorkommen von Kohle be kannt ist, wo sie auch heute mit besonderem Eifer abgebaut wird. Außer in der Umgebung von Peking kommen geradezu unge heure Kohlenlager m der Provinz Schan-si vor, und der be rühmte Geograph von Richthofen schätzte allein im südlichsten Theil« dieser Provinz den Reichthum der über 634 deutsch« Quadratmeilen aukgedehnten Anthracitlager auf einen Gehalt von 630 Milliarden Tonnen. Diese Kohlenfelder sind aber nur ein geringer Theil der aus da» gesammte China verbreiteten Reichthllmer, dir besonder» noch in den Provinzen Honan, Schantung, Sz'tschwan und Pünnan Vorkommen. Dir Aus beutung der Kohlenlager in Schan-ssi wollten die Engländer und Italiener unternehmen, die von Mnnan und Sz'tschwan dir Franzosen, eS wird aber wohl noch mancher Tropfen Wasser den Gelben und Blauen Strom hinunterflietzen, bi» dies« Unter nehmungen verwirklicht werden können. In günstigerer Lage be finden sich die Russen in der chinesischen Mandschurei, wo eben- fall« sehr bedeutende Kohlenfelder vorhanden sind, di« nunmehr durch die trantsibirische Eisenbahn unter den unmittelbaren Ein fluß de« russischen Reiche» gelangt find. Auch di« Nutzbar machung der Kohlen von Schantung durch die deutsche Industrie Hot wenigsten» insofern bessere Au»flchten, al» sie in größerer Näh« an der Küste liegen und daher vom Meere au» leichter zu beherrschen sind. Die Chinesen haben im Allgemeinen die An schauung, daß dir Kohlenlager einen zusammenhängenden Kern bilden, der da» Innere der Berge zusammensrtzt und gleichsam bei deren Entstehung eine Rolle gespielt hat. Eine umfangreich« Ausbeutung durch die Chinesen ist schon durch di« Thatsache sehr erschwert, daß der Grundbesitz meist sehr zerstückelt ist. Der Eigenthümer, auf dessen Gebiet Kohle ansteht, nutzt sie gewöhnlich nur für seinen eigenen Gebrauch und zum verkauf in der nächsten Nachbarschaft auS. Es werden einfache, gerad linige Stollen in den Berg getrieben, bis sie die Kohle erreichen, wenn diese nicht überhaupt schon an der Oberfläche liegt. Trotz dieser sehr unbeholfenen Form de» Bergbaues giebt e» einige Minen, die jährliche 2—300 000 Tonnen Kohle erzeugen, wenig genug freilich im Verhältniß zu dem Reichthum der Lager. Eine Ausnahmestellung nimmt da» Bergwerk von Kaiping, nördlich von Peking, ein, daS ganz nach europäischem Muster mit Ma schinen neuester Construction betrieben wird. An der Spitze steht ein hoher Mandarin, und von hier au» werden auch die Ver waltungen der chinesischen Eisenbahnen mit Kohle versorgt. Det Ertrag beläuft sich jetzt auf 6—700 000 Tonnen jährlich. Die Einrichtung ist ein Werk der Europäer, die auch eine Eisenbahn verbindung zum Transport der Kohlen geschaffen haben. Deutsches Reich, Berlin, 3. Juli. (Conservativö, National liberale und Regierung.) Die „Kreuzztg." polemisirt lebhaft gegen die preußischen Nationalliberalen, weil diese das Verbrechen begehen, nicht mit den Conservativen die Canal- projecte der Regierung zu bekämpfen. Sie deutet sehr entschieden an, daß die Nationalliberalen, wenn sie der Regierung in der Canalfrage den Rücken zu steifen suchten, weniger au» sachlichen Gründen, d. h. um des Canales willen, verführen, al» vielmehr, um bei einer etwaigen Auflösung des Abgeordnetenhauses der Hilfe der Regierung im Kampfe gegen die Conservativen theil- haftig zu werden. „Die Nationalliberalen wissen sehr wohl, daß im Volke für einen nationalliberalen Gsdanken — weny ein solcher überhaupt vorhanden ist — wenig Verständniß bestehkj daß ihr Anhang im Volke nicht ausreicht, ihnen eine Bedeutung im öffentlichen Leben zu geben. Da wäre e» denn doch gar zu schön, wenn die Regierung ihnen die nöthige Folie gäbe, und wenn sie durch deren Unterstützung in der gleichen Weise, wie etwa in Baden, zu Macht und Ansehen gelangen könnon." — Die „Kreuzztg." will also sagen, daß die Nationäl- liberalen nur noch durch die Unterstützung der Regierung eine einflußreiche parlamentarische Rolle spielen könnten, worin na türlich zugleich die selbstgefällige Ansicht liegt, daß die Con servativen für sich allein und ohne die Hilfe der Regierung eine machtvolle Partei wären, die im Gegensätze zu den National^ liberalen sicherer Wurzeln im Volke hätten. Die Geschichte der konservativen Partei lehrt freilich etwas Anderes. Im Anfänge der 70er Jahre bestand, gelinde ge sagt, ein recht kühles Verhältniß zwischen der Regierung und der conservativen Partei, der Fürst Bismarck rund heraus por« warf, sie habe die Regierung in einem ent scheidenden Momente im Kampfe im Stiche ge lassen. Dies sagte Bismarck im Jahre 1873, und «in Jahr später, bei den Reichstagswahlen von 1874, sank die konser vative Fraktion auf ihren tiefsten Stan>d herab. War dies nur ein Zufall? Und war es vielleicht auch ein Zufall, daß 1877, al» die Regierung und') die Conservativen einander wieder nähertet«, die Zahl der conservativen Mandate sich wieder verdoppelte? Auch im preußischen Abgeordnetenhaus« wuchs gegen Ende der 70er Jahre die Zahl der conservativen Mandate erheblich an. Die konservative Partei ist e», auS der 99 Hundertstel der Ver waltungsbeamten hervorgehen, und wenn die Regierung diesen Beamten einen Wink giebt, ihre Gesinnungsgenossen zu unter-; stützen, so geschieht daS natürlich nur zu gern. Man hat ja in den letzten Jahren in der Provinz Hannover Gelegenheit ge habt, zu beobachten, wie nachdrücklich die Verwaltungsbeamten die Conservativen im Kampfe selbst gegen gemäßigte Parteien unterstützen. Würde diese Unterstützung in Fortfall kommen, so würde sich vielleicht zeigen, daß das führende Organ der kon servativen Partei gar keinen Anlaß hat, einer anderen Partei vorzuwerfen, sie besitze keine Wurzeln im Volke und müsse des halb bestrebt sein, di« Regierung auf ihre Seite herüberzuziehen. Die Conservativen benutzen unzählige Male nicht nur die Re gierung, sondern sogar die Krone alS Folie, indem sie sich als dir einzige Partei auSsptelen, die die Königitreue in Erbpacht genommen habe. L. Berlin, 3. Juli. (Eint kühnr Schlußfolge rung.) Der unerfreuliche Ausfall der Wahl in Walden burg hatte zu der Bemerkung Anlaß gegeben, daß es wohl rin Fehler gewesen sei, einen Candidatrn aus den Reihen der conservativen Parteien aufzustellen, und daß bei Wahlen, in denen «in schwerer Kampf gegen die Socialdemokratie zu Uhren sei, die Aufstellung eines auf mittlerer Linie strhen- >en Bewerbers sich empfehlt. Die „Freisinnige Ztg." greift diese Bemerkung gierig auf, versteht sie aber völlig falsch, indem sie chreibt: „So lange die rechtsstehenden Parteien sich nicht rnt- chließen können, in denjenigen Wahlkreisen, deren Wählerschaft " n ihrer großen Mehrheit theil» entschieden liberale. theilS so- cialdemokratische Ansichten vertritt, freisinnige Candi- daten aufzustellen, wird man dieselben Erfahrungen, wie in Waldenburg, noch öfter- machen." Diese Forderung nimmt sich gerade angesichts der Wahl in Waldenburg höchst eiaenthümlich au». Dort sind die freisinnigen Stimmen von 7800 im Jahre 1884 aus 1300 bei der gegenwärtigen Ersatzwahl herabgesunken. Daß also die große Mehrheit der Bevölkerung theil» frei- sinniae, theil» socialisttsche Gesinnungen hege, kann relativ nicht behauptet werden. Wir meinen aber generell, daß, wenn eS ein Fehler ist, den Freisinnigen zuzumuthrn, sich für einen Conservativen zu erwärmen, r» doch ein nicht aeringerer Fehler ist, den Conservativen zuzumuthen, für einen freisinnigen Tan- didatrn einzutrrten. Der Bewerber darf eben nicht einer der extremen bürgerlichen Parteien entnommen werden, sondern sollte vielmehr einer zwischen den extremen Gruppen stehenden Partei entstammen. tz Berlin, 3. Juli. UeberdieLagedesArbeit»- markte» schreibt die Berkin«» Halbmonatsschrift „Der Ar- britsmarkt" in ihrer letzten Nummer, daß di« Wirkungen de» Um schwünge» der Conjunctur immer deutlicher auf dem Arbeit»- markie zu Tage treten. Am meisten zeigt sich der Umschwung im Textilgewerbe. Die Ausfuhrverhältnisse für di« Er-
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