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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000609018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900060901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900060901
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-06
- Tag 1900-06-09
-
Monat
1900-06
-
Jahr
1900
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Ein Beitrag zur socialen Geschichte der Gegenwart. Von Hans von Nostitz, Legationsrath im königl. sächs. Mini sterium der auswärtigen Angelegenheiten." In diesem Buche hat ein Mann aus den ersten Adelskreisen Sachsens mit tiefer Sachlichkeit und frei von Standesvorurtheilen den reichhaltigen Stoff zu einer lichtvollen Darstellung verarbeitet, welche auch denen, die nicht überall auf dem Standpunkte des Verfassers stehen, Anerkennung abnöthigen wird. Das Buch ist besonders auch deshalb willkommen zu heißen, weil man für die Behand lung der socialen Bewegung in Sachsen vieles aus dem Beispiel Englands lernen kann. Der Verfasser behandelt auf 808 Seiten im ersten Buche die verfassungsrechtliche Seite der Arbeiterfrage und das Bildungswesen, und im ztveiten Buche die Arbeiter genossenschaften, den gesetzlichen Arbeiterschutz, das Arbeitsver- hältniß und endlich die Wohnungsfrage, die Arbeitslosenfrage und die Quellen, auf die er seine Arbeit gestützt hat. Sowohl die einleitenden, als auch die zusammenfassenden Bemerkungen enthalten die Ansichten des Verfassers selbst. Der äußere Verlauf des Emporsteigens der englischen Ar beiter zeigt nach dem Verfasser drei Hauptperioden: „Die erste Periode liegt um das Jahr 1830. Der Aufhebung der Vereinsverbote (1824 und 1825) folgt ein Aufschwung der Ge- werlvereine wie der Erwerbs- und Wirthschastsgenossenschaften. Vor Allem aber kommt 1832 die erste große Verfassungsreform zu Stande. Ein königlicher Ausschuß untersucht die städtischen Verwaltungen, und 1835 ergeht die freiheitliche Städteordnung. Der erste Posten für den Elementarunterricht erscheint 1832 im Staatshaushalt und wird 1839 unter gleichzeitiger Errichtung des llntcrrichtsamtes erhöht. 1833 ergeht das erste wirksame Arbeiterschutzgesetz und wird die Fabrikinspection ins Leben ge rufen. Das erste gesetzliche Truckverbot wird 1831 erlassen. Den großen Untersuchungen der Arbeiterverhältnisse von 1831 und 1833 folgen etwas später diejenigen von 1842 und 1843, sowie in Bezug auf die Gesundheits- und Wohnungspflege diejenigen von 1842 bis 1845. Die zweite Periode bereitet sich vor mit der Untersuchung der Elementarbildung (1859—1861) und der Fabrikarbeit (1862 bis 1865), und beginnt mit der zweiten Verfassungsreform (1867), der 1870 das Volksschulgesetz sich anreiht. Gleichzeitig wird eine Reform des höheren Schulwesens versucht (1864 bis 1869), und es beginnt die Universitätsausdehnungs-Bewegung. Die Genossenschaften nehmen einen günstigen Fortgang (Gewerk vereinsgesetz von 1869 und 1871, erster Congreß der Gewerk vereine und Wirthschastsgenossenschaften 1866 und 1869). Der Arbeiterschutz wird durchgreifend weitergebildst (Fabrik- und Werkstättengeseh von 1867, Textilgesetz von 1874, Niedersetzung des königlichen Ausschusses 1875). Der glänzende Geschäftsgang nach 1870 begünstigt neben der Steigerung des Lohnes die Ver kürzung der Arbeitszeit. Das Schieds- und das Einigungs wesen bürgern sich ein. Die dritte Periode setzt mit der dritten Verfassungsreform (1884/85) ein, der die Reform der Selbstverwaltung folgte (1888 und 1894). Das Schulgeld für den Elementarunterricht wird 1891 thwtsächlich aufgehoben. 1885 wird ge ¬ gründet. Für die gewerbliche und zu einem gewissen Theil gleichzeitig für die höhere Bildung sorgen die Gesetze von 1889, 1890 und 1891. Der königl. Ausschuß von 1895 bereitst die Reform des höheren Schulwesens vor. Der Arbeiterschuh wird durch die Novellen von 1891 und 1895, die Einführung der Werk- stätteninspectoren und der weiblichen Inspektoren (1893) weiter gebildet. Errichtung des Arbciteramts 1893. Der königl. Aus schuß für die Arbeiterfrage 1891—94. Der Ausschuß für die Arbcitslosenfrage 1895. Die vorstehende Zusammenstellung ist inhaltreich genug, um das zeitliche Zusammentreffen des politischen, de- geistigen und des wirthschaftlichen Fortschrittes bedeutsam und den inneren Zusammenhang erkenntlich zu machen, der sowohl zwischen wirth- schaftlichem und geistigem, als auch zwischen politisch-socialem und wirthschaftlich-geistigem Fortschritt besteht. Die wirth- schaftliche Entwickelung Englands hat nach der Ansicht des Ver fassers die sociale zwar mitbestimmt, aber nicht dauernd be stimmt, und das Aufsteigen des Arbeiterstandes ist zwar nicht ohne Classenkampf, aber nicht ausschließlich oder auch nur vor wiegend in ihm erfolgt. „Der Lohnarbeiter als solcher hat in England aufgehört, Proletarier zu sein" . . . „Die kleinen und mittleren Betriebe sind auch heute noch zahlreich und keineswegs durch den Großbetrieb erseht, so daß es nicht ausgeschlossen ist, daß ein Arbeiter sich zum Unternehmer aufschwingt" . . . „Das hervorragend Werthvolle der Entwickelung ist nicht die bloße Möglichkeit des Emporsteigens, sondern daß das Emporsteigen innerhalb des Standes geschieht und über ihn emporhebt, ohne ihn zu entfremden." Sehr beachtenswerth sind u. A. auch die zahlreichen Thatsachen, welche Hans von Nostitz anführt, um zu beweisen, „daß es in England eine allgemeine Claffenfeind- schaft zwischen den oberen und den unteren Ständen, oder den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern als solchen nicht giebt" . . . „Die uneigennützige Hingebung und furchtlose Entschiedenheit, mit welcher Angehörige der oberen Stände, ohne den eigenen Stand aufzugeben, die Interessen der unteren vertreten, wie z. B. Lord Shaftesbury und die christlichen Socialisten, weckt nicht blos persönliche Dankbarkeit, sondern wirkt dem Ueber- wuchern des Classenmißtrauens entgegen." Am Schlüsse möchten wir noch als besonders beachtenswerth die Ansicht des Verfassers hervorheben, „daß die innere Logik der Thatsachen eine der wichtigsten Kräfte in der Entwickelung ist" und „daß zwischen der politschen, ideellen und materiellen Hebung des Arbeiter standes in England unwiderstehlich Wechselwirkung stattfindet". Wie der Soreraufftand großgezogen wurde. Don ihrem ständigen Mitarbeiter in Peking erhält die „Welt- Corr." unterm 30. April einen Bericht, der gerade gegen wärtig von größtem Interesse ist, weil er darthut, wie der Boxer aufstand durch das Zurschautragen fremdenfeindlicher Gesinnung am Hofe großgezogen wurde. Der Bericht lautet: Die gegenwärtige Lage in China trägt das Gepräge an dauernder Reaktion. Gegen die im Lande verbliebenen An hänger der Reformpavtei, denen anfangs volle Verzeihung bezw. Duldung zugesagt worden war, wird in letzter Zeit schärfer vor gegangen. Besonders die Beamtenschaft wird einer gründlichen Säuberung von reformlerisch gesinnten Elementen unterzogen. Bei den Vorschlägen zur Beförderung oder Amtsauszeichnung, die an den Thron gelangen, werden, wie verlautet, zunächst jedes Mal genaue Ermittelungen darüber angestellt, weß' Geistes Kind der Betreffende ist, ob Verdacht besteht, daß er Reformen zugeneigt ist, ob er mit Ausländern Verkehr unterhält oder an fremden Unternehmen betheiligt ist. Stellt sich dies heraus, so wird er von der Liste des Avancements oder der Auszeichnungen gestrichen. Ist gar ein Beamter mehr als blos verdächtig, irgendwelche auf Reformen gerichtete Neigungen zu besitzen, so droht ihm Bestrafung der verschiedensten Art, von Einkerkerung bis zur Verbannung und selbst Hinrichtung. Beflissene Höf linge suchen deshalb die Listen der Beamten nach solchen Opfern ab, und Allen voran ist der Erzreaktionär Hsü-tung, den man für gut befunden hat, zum Erzieher des Kronprinzen zu be stimmen, ein über 70jähriger Greis, eifrig bemüht, das Be- amtenthum von solch verderblichen Elementen zu säubern und wieder in die Bahnen des „altbewährten" Conservativismus von Confucius' Zeiten zurückzuleiten. Die Kaiserin-Wittwe, welche das Vorgehen gegen die ihr ver haßten Reformfreunde in so guten Händen weiß, fühlt sich jetzt viel sicherer vor Gefahren, welche sie bisher immer von geheimen Anschlägen der Partei gegen ihr Leben gefürchtet hatte, so sicher, daß sie vor wenigen Tagen zum ersten Mal« wieder seit dem Staatsstreich, begleitet vom Kaiser und dem Kronprinzen, in ge wohnter Weise die erfrischenden Parkgründe des Sommerpalastes Wanshoushan aufgesucht hat. Während so gegen die Fortschrittspartei mit aller Schärfe vorgegangen wird, finden fortgesetzt Beamte, die wegen ihre? VorurtheilS gegen alle Reformen und wegen ihrer Fremdenfeind lichkeit berüchtigt sind, Anerkennung und das besondere Vertrauen der Kaiserin-Wittwe. Ich erinnere nur an Kangyi, dem seine finanziellen Machenschaften in diesen Tagen den hohen Posten eines Präsidenten des Ministeriums des Innern ein getragen haben; an Hsü-tung, der mehr wie je in Gunst bei Hofe steht; an Lipingh'sng, dem ein Vertrauensamt nach dem andern übertragen wird; und an dessen Nachfolger als Gouver neur von Shantung, Uühsien, der, eben erst auf Druck der interessirten fremden Vertreter wegen seiner notorisch christen- und ausländerfeindlichen Haltung von seinem Posten abberufen, nunmehr gleichsam zum Lohne den Gouverneurposten von Shansi erhalten hat, einer Provinz, wo gleichfalls zahlreiche christliche Missionen sich befinden und auch sonst fremde Jnteresjen engagirl sind. Auch in anderer Hinsicht macht sich das rückschrittliche Regi ment fühlbar. Gegen die chinesische Presse, welche in den letzten Jahren in ungeahntem Maße an Verbreitung und Einfluß ge wonnen hat, wird neuerdings mit Macht zu Felde gezogen Durch die allenthalben für wenige Kupferkösch käuflichen und bei der dem Chinesen eigenen Neugier mit Eifer gelesenen Zeitungen werden, so befürchtet man, die modernen Ideen in die breiten Schichten des Volkes getragen, wo sie vergiftend wirken müssen. Deshalb werden von den Behörden überall Verbote gegen Ver breitung und Lektüre gewisser chinesischer Zeitungen moderner Richtung erlassen und angeblich auch streng durchgeführt. Be sonders gebrandmarkt sind diejenigen Blätter, welche von der Reformpartei zu gehässigen Angriffen gegen die Kaiserin-Wittwe und abfälliger Kritik von deren Regierungsmaßnahmen benutzt werden. Ferner ist in letzter Zeit, anscheinend aus Anlaß der Er mordung des englischen Missionars am Neujahrstage dieses Jahres, von Neuem, wie schon früher einmal, der Versuch gemacht worden, die Reisefreiheit der Ausländer im Innern Chinas, welche durch die Verträge ausdrücklich gewährleistet ist, zu be schränken; man will verlangen, daß jeder Fremde, der im Lande reist oder sich aufhält, bei jedem einzelnen Ortsbeamten, dessen Amtsbereich er betritt, sich meldet und seine Pässe vorzeigt. Diese Zumuthung ist jedoch von den Vertretern der Vertragsmächte sofort und übereinstimmend aufs Entschiedenste zurückgewiesen worden. Aber die Thatsache allein, daß ein solches Ansinnen er neut gestellt wird, beweist, wie sehr das Selbstgefühl der regie renden Kreise Chinas wieder gestiegen ist, indem sie nicht davor zurückschrecken, selbst wohlerworbene Rechte der Ausländer an zutasten. Da man die Fremden nicht ganz wieder los werden kann, so sucht man sie wenigstens möglichst fernzuhalten. Für Erlangung von Conceffionen irgendwelcher Art ist jetzt die denkbar ungünstigste Zeit in China. Neue Conceffionen werden so gut wie keine mehr ertheilt. Die vor Jahresfrist erlassenen Be stimmungen des Eisenbahn- und Bergbauamtes, mit einem um ständlichen Instanzenwege, bieten eine bequeme Handhabe, alle dahin gerichteten Anträge wesentlich zu erschweren und auf jede Weise hinzuhalten. Die beliebte Taktik chinesischen Mandarinen- thums, der passive Widerstand, treibt hierbei wieder die herr lichsten Blüthen. Der Krieg in Südafrika. Tie Situation. Nachdem Pretoria und Johannesburg in der Gewalt der Engländer sind, steht Lord Roberts vor der Aufgabe, das Land zu occupiren und vor allen Dingen die compacten BoerencommandoS zu zwingen, die Waffen niederzulegcn. Am ernstesten sieht die Situation im Freistaat, oder wie eS jetzt heißt, in der Oranje-River-Colonie aus, wo die Boeren auf dem besten Wege sind, der englischen Hauptarmee die CommunicationSlinie abzuschneiven. Die Berichte, die von dort kommen, sind indessen so fragmentarisch und zum Theil auch so unzuverlässig, daß eS schwer ist, sich ein klares Bild von der Lage zu macken. Auf der Linie Heilbronn - Lindly - Winburg-Ficks- burg stehen jetzt anscheinend fünf englische Infanterie- Brigaden, zwei von der 8. Division, die unter General Clements, die Highland-Brigade und eine oder zwei unter Lord Methuen, der jetzt auf einmal östlich der Eisenbahnlinie auftaucht, während man ibn allgemein bei der westlichen Invasions-Armee oder bei Klerksdorp vermuthet hatte, aus dem rechten Flügel bei Ficksburg steht außerdem Brabant's Division von Colonialen. Diese Streitkräfte werden in dessen nicht genügend stark erachtet, um die Boeren, über deren Stärke übrigens auch nichts Verläßliches zu erfahren ist, festzuhalten und zu ccrniren; eS wird als wahrscheinlich angenommen, daß Lord Roberts entweder selbst dorthin gehen wird, oder einem seiner ersten Generäle das Obercvmmando über die daun noch zu verstärkende eng lische Oranje-Armee giebt. Jetzt heißt es, Steijn habe den Oberbefehl über die Boerenarmee im Oranje-Staat und Presse eine Streitmacht von einigen Tausend Mann auf Winburg; die Eisenbahn südlich des Vaal seibereitSauf eine langeDistanz zerstört. Von Rundle und seiner „Säuberung" deS Landes hört man nichts mehr, außer, daß er versuchte, der Ljcomanry, die bei Lindley geschlagen wurde, zu Hilfe zu kommen, dabei aber selbst mit schweren Verlusten zurück geworfen wurde; auch Methuen, der also jetzt wieder östlich der Eisenbahn ist und von Roberts dringenden Auftrag er hielt, die 500 Mann zu retten, konnte nichts ausrichten. Auch in Natal sehen die Sachen nicht sehr freundlich auö. Es zeigt sich immer dringender die Nothwendigkeit, die Eisenbahn von Pretoria nach New Castle für Robert- frei zumachen, da die Verproviantirunz anscheinend wieder in» Stocken gerathen ist. Die drei Divisionen Buller'S sind an scheinend inactiv und sonderbarer Weise sind Hildyard und Lyttleton von Utrecht und Bryheid zurückgerufen; der reckte Flügel der Buller'schen Armee ist also wieder unbeschützt. Es beißt jetzt, Roberts beabsichtige, von Pretoria aus über Heidelberg und Standertou eine Colonne auf Laingsnek zu schicken. * London, 8. Juni. (Tel. der Mgdb. Ztg.) Telegramme aus Pretoria besagen: Pretoria capitulirte erst, nachdem die Boeren» abtheilungen im Westen der Stadt durch eine heftige Beschießung aus vierzig Kanonen, die den ganzen Tag dauerte, zur Räumung ihrer Stellungen gezwungen worden waren. Da» Bombardement richtete nur wenig Schaden an. Die Boeren zogen sich in der größten Ordnung zurück und nahmen olle ihre Kanonen, Locomotiven, Waggons und etwa 1000 britische Kriegsgefangene mit. French versuchte vergeblich, ihnen den Rückzug obzuschneiden. (Wir halten die Vertheidigung Pretorias nur für ein Schein manöver; die Preisgabe der Stadt war schon vorher beschlossen« Sache. Red. d. Lpz. Tgbl.) * London, 8. Juni. (Telegramm.) „Reuter'-Bureau" er« fährt aus Mafeking, daß Oberst Plumer am 28. Mai Zeerust ohne Widerstand besetzt hat. — Aus Campbell in Griqua» land-West wird gemeldet, daß General Warren am 4. Juni mit einer starken Streitmacht von Faberspruit in nördlicher Richtung marschirt ist und am 5. Juni Campbell ohne Widerstand besetzt hat. * Lourenyo MarqneS, 8. Juni. Der amerikanische Consnl Hollis ist von seinem Besuche, den er dem Präsidenten Krüger in Machadodorp abgestattet hat, hierher zurückgekehrt. HolliS, der mit Krüger eine längere Unterredung hatte, hat ihm, dein Ver» nehmen nach, freundschaftliche Mittheilungen der ameri kanischen Regierung überbracht, in denen Krüger gedrängt wird, Fricdensverhandlungrn einzuleiten. (Nach dieser Reutermeldung räth Mc Kinley also den Boeren zur Unterwerfung, d. h. zum Verzicht auf die staatliche Selbstständigkeit, da England nur eine Fricdensbedingung kennt: Einverleibung. D. Red.) Deutsches Reich. * Leipzig, 8. Juni. (Wie man in Frankreich Schul reform macht.) Die von Wychgram herauSgegebene „Deutsche Zeitschrift für ausländisches Unter- richtSwesen" bringt folgende, angesichts der wieder ein geleiteten deutschen Schulreform doppelt belangreiche Mil theilungen: „Das wichtigste Ereigniß, mit dem das pädagogisch« Frankreich vor die zu dem großen Vülkerfeste zusammenströmenden Menschen treten kann, ist zwar ans der Ausstellung nicht mit Augen sichtbar; Fririlletoir. Die Kaukasus-Völker. Von F. Roßmäßler, Leipzig. Nachdruck rcrioliN. Die Kaukasier, die wir gewohnt sind, als Repräsentanten derjenigen Rasse zu betrachten, der auch wir angehören, sind gegenwärtig zum ersten Male durch eine größere Truppe von Ossetinern auf dem Sportplätze unserer Stadt vertreten und er wecken da» rege Interesse der Leipziger durch die verschiedenen Schaustellungen, welche sie bieten. Auf den großen Placaten, die an allen ins Auge fallenden Plätzen angeklebt sind, werden sie al» „Tscherkessen" bezeichnet, was jedoch, vom streng ethnographischen Standpunkte aus be trachtet, nicht ganz correct genannt werden kann. Entschuldbar ist di« Abweichung von der Wahrheit durch den Umstand, daß man in Rußland gewöhnt ist. siimmtlich« Bergvölker des nörd lichen und nordöstlichen Kaukasus als Tscherkessen zu bezeichnen, obwohl dieser Name nur einem bestimmten DolkSsiamme an gehört, zu welchem die Ossetiner nicht zu rechnen sind. ES ist in Westeuropa wenig bekannt, daß die eigentlichen Tscherkessen, auch Cirkassier genannt, da» edelste Volk deS ganzen tscher kessischen Stamme», Im Jahre 1862 vom Kaukasus nach der Türkei auSgewandert sind und nur noch in ganz geringer An zahl in ihrer Hermath leben. Noch jetzt sind die von ihnen be siedelt gewesenen DohnplStze zum Theil verlassen und harren einer neuen Bevölkerung. Zu bedauern ist dieses ausgezeichnete Volk, da sie sich in den Hoffnungen, die sie zum Verlassen ihrer Heimath veranlaßten, getäuscht haben und jetzt unter wirth- schaftlich ungünstigeren Verhältnissen leben, als ihre auf dem Kaukasus verbliebenen Stammesbrüder. Daß «S Herrn Gehring gelang, gerade eine Truppe Osse tiner zu bewegen, mit ihm eine Rundreise durch Westeuropa zu machen, ist von besonderem Werthe, da diese- Volk in Bezug auf Rassenabstammung, Cultur und Sprache unter den Berg völkern Nordkaukasiens eine Sonderstellung einnimmt. ES sei mir vergönnt, bevor ich zur Schilderung der einzelnen Völker übergehe, hier eine rigenthümliche Sage einzuflechten, die ich wiederholt erzählen und sogar von einem Ossetiner, den ich als Gymnasiallehrer in PjätigarSk kennen lernte, wiedergeben hörte. Dieser Sage nach, die natürlich nichts weiter als eine solche ist, sollen di« Ossetiner Abkömmlinge von nach dem Kaukasus ver schlagenen und dort ansässig gewordenen deutschen Rittern de» letzten, so unglücklich verlaufenen Kreuzzuges sein. Daß der Ossetine aus der Gerste, der von ihm am meisten gebauten Ge treideart, Bier zu brauen versteht, und daß unter ihnen, im Unterschiede zu den übrigen Kaukasiern, ziemlich viel Blond köpfe Vorkommen, wird von den Verfechtern der angeführten LkstammungSsag« diese» Volke» vielfach als Argument an geführt. Mit Autnahme der Nagaler, den nomadisirenden Be wohnern der ci»kaukaflschen Steppenländereien (den mon golischen Rassen angehärc-nd), haben wir e» in den Kaukasiern, die ja, und mit Recht, im Rufe großer körperlicher Schönheit stehen, hauptsächlich mit Repräsentanten niedergermanischer und auch semitischer Abstammung zu thun. Wenn man die Bevölkerung Kaukasien» auf rund fünf Millionen schätzt, so kommen auf diejenigen Einwohner, welche nicht den kaukasischen Dölkersiämmen angehör««, aber in Kau kasien angssiedelt sind, ungefähr Million, zusammengesetzt au» Slawen, Persern, Griechen, Deutschen (Lolonisten), Kurden, Juden und Zigeuner. Die kaukasischen Völker, von denen jedes seine eigene Sprache redet, gehören sieben Völker stämmen an, die nach ihrer Kopfzahl in dem Verhältnisse zu einander stehen, wie in der folgenden summarischen Zusammen stellung angedeutet ist. Tatarischer Volksstamm 1 000 000 Armenischer 750 000 LcSgischer 600 000 Geongischer 550 000 Tscherkessischer 450 000 Tsckctsckenzischer 150 000 Ossetinischer 50 000 Mit Ausnahme der Armenier und der zum Georgischen Stamme gehörigen Völker, die siimmtlich der Christenheit an gehören, sind die übrigen Kaukasier Bekenner des Islams. Auch in Betreff ihres religiösen Bekenntnisses nehmen die Ossetiner eine Ausnahmestellung ein, da mit Ausnahme der Gebildeten, die der russisch-orthodoxen Kirche angehören, das Gros des Volkes eine geduldete Religion hat, in der die Lehren des Christenthum» stark mit mohamedanischen und heidnischen An- sichten vermischt sind. ErwähnenSwerth, in Bezug auf die reli giösen Verhältnisse, ist noch der Umstand, daß eine ziemlich große Anzahl Armenier evangelisch-lutherischen Glaubens ist, der jedoch jede» kirchliche Gepränge verwirft und «ine puri tanische Einfachheit fordert. Sowohl in Beziehung auf Kopfzahl, al» auf volkswirth- schaftliche und politische Bedeutung gebührt den Tataren der Vorrang. Dem Charakter nach ist dieses Volk (nicht zu ver wechseln mit den an der Wolga lebenden mongolischen Tataren) al» streng religiös, rechtschaffen, fleißig und friedliebend, wenn auch jähzornig, zu bezeichnen. Al» Landbevölkerung sind sie tüchtige Ackerbauer und Viehzüchter, in den Städten Hand werker und Kaufleute. Ihr Bildungstrieb ist stark entwickelt, die Gymnasien der kaukasischen Städte und Universitäten Ruß lands zählen die tatarischen Schüler zu den intelligentesten. Im russischen Staatsdienste nehmen viele kaukasische Tataren, sowohl im Civil- als Militärdienste hervorragende Stellungen ein. Hauptsächlich sind es die Gouvernements Baku und Jeli- samethpol, in denen die Tataren leben, doch erstreckt sich ihre Verbreitung auf ganz Kaukasien. Wenn sie auch nicht völlig unbctheiligt an den so gefürchteten räuberischen Ueberfällen der Kaukasier sind, so verschwinden doch im Bereiche der tatarischen Bevölkerung derartige Ereignisse von Jahr zu Jahr immer mehr und mehr. Der Lesginer, der hervorragendste Repräsentant de» les- gischen Stammes, ist der felsenharte Gebirgssohn des Dagestonischen Felsengebirges. Die Lesginer sind schön« Menschen von schlankem, aber kräftigem Körperbau, ihre Tapferkeit, Rachgier und Lust am Räuberwesen sind sprich wörtlich; ihre Ansiedelungen sind meist auf Felsenterrassen oder am Rande von Abgründen angelegt, so baß sie bei einem feind lichen Uebrrfalle leicht in VertheidigungSstand gesetzt werden können. Zu diesen den Raubrittern deS Mittelalters ent sprechenden Charakterzügen gesellt sich noch eine große Trägheit und ein vollständige» Nichtanerkennen deS Werthe» der Zeit, woraus «ine Uebenbürdung der Frauen mit den schwersten Arbeiten entspringt. La nhWirt hscha ft betreibt der LeSginer nur wenig, was ja auch bei dem nur spärlich vorhandenen Cultur« boben seiner felsigen Ber^e, bei seiner Faulheit und außer ordentlichen Genügsamkeit in Bezug auf Speisen nicht zu ver wundern ist. Die Pflicht der Gastfreundschaft hält der Le»- giner heilig. Vom nördlichen Theil« de» Dageftongebir^» in westlicher Richtung am Nordabhang de» Grbirg«» weit«, fortgehrttd, g«.
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