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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 14.10.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189910148
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18991014
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18991014
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-10
- Tag 1899-10-14
-
Monat
1899-10
-
Jahr
1899
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Nr. 24«. — ISS«. — 'S Gonnabend, den 14. Oktober. Kavalier und Bauer. Roman von Karl Ed. Klopfer. (25. Fortsetzung.) (Nachdruck Verbote» ) Die arme Pivot zitterte unter dem schrecklichen Anblick der Gräfin, der ihre Kehl« lähmte, so daß sie kaum einen Laut hervor- ' zubringen vermochte. Ihre letzte Kraft konzentrirl« sich noch in dem Arm, kn der Hand, die den streitigen Thaler umspannte. Mit einer jähen Bewegung riß sie sich los und schleuderte ihn auf's Gerade wohl von sich — vielleicht nur noch dem Instinkt der Selbsterhaltung gehorchend. Aurora sah die Medaille gegen das Fenster zu fliegen, vernahm aber kein Geräusch des NiederfallenS, nur der Papagei in seinem Käfig kreischte schrill auf, wahrscheinlich erschreckt von dem in der Sonne blitzenden Ding, und nun setzte die Pivot endlich zu ihrem Hilfeschrei an. Aurora preßte ihr die Faust auf den Mund und warf sie vckllendS aus Len Diwan nieder , jetzt nur von der Noth« Wendigkeit durchdrungen, die Person am Schreien zu hindern. Und ak» sich die Bedrängte wehrte, ergriff sie blitzschnell ohne Besinnen eines der weichen türkischen Kissen und versuchte es ihr in den Mund W stopfen; gelang ihr.Wch Wirklich,. herFronjösin-Stimme zu ersticken. Aber sie mußt« alle Kraft der Armmuskeln aüfbieten, die Sträubende niederzuhalten. Auch ihr selbst brach der Angstschweiß dabei aus, ihr Athen» ging keuchend, das siedende Gehirn schien sich ihr im Kopfe um und u»> zu drehen. Das Blut brauste ihr in den Ohren, und sie meinte damit das Geräusch nahender Schritte zu ver« nehmen. Da» brachte sie völlig außer Rand und Band. Wen» Jemand käme. Wenn die Französin nur einen einzigen Menschen fand, ihm ihr furchtbares Geheimniß mitzutheilen . . .! Nein, dieses Geschöpf durste nicht mehr sprechen, durfte keinen Laut mehr von sich geben, nur das um jeden Preis mit alle» Mitteln verhindern! Mochte dann mit ihr geschehen, was da wollte! Wie krampfhaft sich die Kröte noch zur Wehr zu setzen wußte! Aurora glaubte ihre eigenen Kräfte schwinden zu fühlen. Nur nicht loslasse», sonst war ja doch Alle- verloren! Und mit einem gurgeln den Wuthgestöhn schwang sie sich auf den Körper, der sich mit dem letzten Aufwand von Energie aufzubäumen suchte, und kniete so auf ihrem Opfer. „Du wirst schweigen! Du wirst schweigen l" flüstert« sie unauf hörlich. „Und wenn die ganze Welt wider mich aufsteht, Du wirst schweigen!" . Dido's Widerstand war gebrochen; di« Extremitäten, die eben noch mit der Verzweiflung der Todesangst gearbeitet hatten, erschlafften. Aber diese Augen! Wie deren Ausdruck iii Aurora auf einmal Schauder rrwrckkenj '^ ---"l- Noch ein Kiffen! So — jetzt war Nichts mehr vom ganzen Gesicht zu. sehen. .. . ^ ' — in dem bezwungenen Leibe? Die Mörderin konnte «» nicht fühlen» alle Energie' vereinigte sich nun in ihren schrecklichen Armen, welche di« erstickenden Kiffen »iederpreßte». Sie glaubte in dieser Stellung stundenlang verharren zu müsse«. Jetzt war jedoch schon Alles gleich — so wollte sie wenigstens ganz sicher gehen! Der Brief. Ein Capriccio von H u g o K l e i». (Nachdruck verboten.) In dem hübsche» Erkerzimmer des Rechtsanwalts Brode saß das schöne Haustöchterchen, Fräulein Mila, und stickte in ein Taschen- tüchlein, das zu ihrer Ausstattung gehörte, die zärtlichsten Gedanken u» ihre» Bräutigam, einen junge» Beamte», der Edgar und noch dazu Goldman» hieß (bei Anwendung des Diminutivs wurde Gold männchen daraus). Es waren zlvei Namen, die in ihrer romantisch- materiellen Vereinigung die beste Gewähr für ein« glückliche Ehe boten und darum wohl geeignet waren, ein junges Mädchenherz mit den rosigsten Hoffnungen zu erfülle». Fräulein Mila stickte also immerzu Monogramme mit verliebte» Schnörkeln und lächelt« still vor sich hin. Sie hätte so, selig in Träumereien, den ganzen Tag sortsticken können und war- eigentlich unangenehm berührt, darin gestört zu werden, obzwar der Besuch, den sie empfing, der ihrer beste» Freundin, Frida Hartmann, war. Auch Frida Hartmaun war nicht angenehm berührt, den» sie sah Mila an ihrer Ausstattung arbeiten, während sie, Frida, um zwei Jahre älter war und »och immer vergeblich nach einem Freier ausblickte. Das hinderte aber die jungen Dame» nicht, sich stürmisch zu umarmen und wiederholt abzuküssen. „Gut, daß Du kommst", sagte Mila, „da kannst Du gleich das Neue Monogramm sehen, das ich gestern ganz zufällig in einem Laden entdeckte. Man sollte wirklich nicht glauben, daß sich die beide» Buchstaben M und B so reizend verbinden lassen." „Wirklich, eS ist entzückend! ... Du Glückliche, Du wirst bald heirathen!" sagte Frida mit einem leichten Seufzer. „Wann wird es denn sein?" „Im Herbst soll es sein. Der Tag ist noch nicht bestimmt." „Ich rathe Dir", sagte Frida mit zärtlichem Wohlwollen, „mache es so bald wie möglich. Solche Ding« soll man nicht zu sehr hinausschiebe». Ich weiß ja, daß Dir Dein Bräutigam aufrichtig zvgethau ist und nicht von Dir lassen wird. Aber Du hast keine Ahnung, wie die jungen Männer heutzutage umworben werden I" „Glaubst Du?" fragte Mila ei» wenig beunruhigt, da sie ahnte, daß ihr Frida irgend eine unangenehme Mittheilung zu machen hatte. „Natürlich!" fuhr Frida eifrig fort. „Unlängst war ich bei de» Wilden», als Dein Bräutigam gerade dort einen Besuch machte. Man begreift ja, au» welchen Rücksichten er bei den einflußreichen Leute» manchmal vorsprechen mag. Aber die beiden Rathstöchterlei», Jda und Hella, hättest Du sehen sollen! Sie bildeten sich offenbar ein, er komme ihretwegen — während er doch mit einer Andern verlobt ist! Diese Mündcheu und diese Aeugelchen, die sie machten, und „Lieber Herr Goldmann" hin und „Lieber Herr Goldman»" her — es war zu komisch! Auch Seraphine Greif war da, die immer so heilig thut — sie zwang Deinen Bräutigam förmlich, sich neben sie zu setzen. „Sie sürchten sich doch nicht, Herr Goldman», vor mir? Rücken Sie doch an meine Seite — näher — so —," imitirte Frida die gezierte Rede des Fräuleins Seraphine. „Ich finde es einfach verächtlich, nach einem jungen Manne so die Netze auezuivcrfen! Besonder», wen» er der Bräutigam einer Andern ist! Nein, diese Mädchen! Solche gefallsüchtige Geschöpfe sind mir unbegreiflich!" Fräulein Mila's Augen funkelten zornig. Dan» aber lachte sic spöttisch auf. „Sie mögen sich nur die Hälse nach ihm ansrecke», die Gänse!" sagte sie. „Die irren sich gewaltig, wenn sic glaube», mir meine» Bräutigam abjagen zu können!" Sie wird schwelgen — schweigen . . k s Auch hier war weit und breit kein menschliches Wesen zu er» Und es verrann Minute um Minute; das arme Geschöpf hatte sp->he».' die Sonnenhitze, die noch imi»er über der Erde brütete, konnte längst ausgerungen. — und die Mörderin kniet- noch immer auf! Niemand verlocken, da- riesige Parterre zu betreten. Tie Gräfin der Leiche. Hätte sie nicht endlich ihre eigenen überspannten Kräfte vermochte also unter dem Fenster des gewissen ErdgefchoßsalonS ganz Nachlassen gefühlt, sie hätte sich in ihrer sinnlose» Verfassung vielleicht noch überrasche» lassen. Unter der physischen Reaktion kehrte ihr die Vernunft zurück, die Ueberlegung. Als sie vom Diwan herabglitt, zitterte sie an allen Gliedern. Wankte jetzt nicht der Boden unter ihren Füßen, fast so wie sich früher der hagere Körper da unter dem ihren bewegt und gewunden hatte? Muth! Muth! Willst Du Dein Werk jetzt noch scheitern lassen — wo e» in der Hauptsache schon gelungen ist? Sie streckte die Hand nach den Polstern aus, unter denen die Französin verröchelt hatte. Da bewegt« sich längst nichts mehr — s natürlich IWer wa» zauderte sie denn — nachzusehen? Ha! Der Blick — der letzte Blick dieser — vermaledeitcn Person! Wenn die starren Äugen auch jetzt noch diesen Ausdruck bewahrten! < Vorwärtsk'Keine Feigheit! Du mußt! So kann di« Situation nicht bleiben. Mit einem energischen Blick enthüllte sie das Antlitz — einer Leiche — »nd athmete auf. Die Augen waren fest geschlossen — freilich, die Lider mußten sich .vor deuKiffen ja unwillkürlich gesenkt haben. Das Gesicht war röthlichblau gefärbt, die Lippen nur ein wenig verzerrt; so hätte es auch geschehen können, wenn die Person zum Beispiel im Schlafe vom plötzlichen Tode ereilt worden wäre. Da nirgends Spuren einer Gewaltanwendung zu erkennen waren, beruhigte sich die Gräfin. „Es hat schon manche natürliche Todesart einen räthselhaften Eindruck gemacht," sagte sie sich. Dan» vollendete sie ihr Werk mit aller Umsicht, obgleich sie sich »och immer von einem dumpfen Kopfschmerz gequält fühlte. Zunächst hob sie die Leiche, die mit den Füßen noch den Boden berührte, gänzlich auf das Ruhebett, und da die Todlcnstarre noch nicht eingetreten war, wurde c» ihr leicht, ihr die Lage einer Schlummernden zu geben. Nachdem sie noch darauf Bedacht genommen, daß auch i» der Um gebung des Diwans Alles in Ordnung war. hei welcher Gelegenheit sie sich überzeugen konnte» daß der verhängnißvolle Schraubenthaler wirklich ans dem Fenster geflogen sein mußte, machte sie sich an den Schmnckkasten aus dem Tische und stellte ihn sorgfältig in den Schrank zurück. So, jetzt hätte nur — der Papagei dort am Fenster sagen können, daß sich in diesem Zimmer etwas Ungewöhnliches zu- getragen hatte! Bange wurde ihr beim Verlassen des Salons. Wenn sie da .so zufällig Jemand von den Dienstboten begegnete? Aber auch dies« Sorge war unbegründet. Auf dem Korridor war Alles so still wie vor und, eh'; man hätte das ganze Haus ausgestorben glauben können. So leise wie möglich begab sie sich in das große Speisezimmer des Schlaffes, um von da aus durch die auf die Terrasse hinaus führende Glasthüre nach dem Park zu gelangen. , ungestört ihre Nachsuchungen anzustellen. Aber so weit sich der breite Kiesweg auSdehute, auf welchem der ziemlich umfangreiche Schraubenthaler doch.sosort bemerkbar hätte sein müssen, war nirgend- etwa» zu entdecke». Und da heraus mußte die Münze doch gefallen sein — sie hatte sie ja durch die Luft blinken sehe» und weder auf den Zimmerboden, noch auf das Fensterbrett ausschlagen höre»! Wenn Jemand von de» Dienstleuteu den Thaler aufgehoben hätte? Sie hatte aber nichts von Schritten auf dem knirschenden Kies gehört, und wenn sich der Jemand just in der halben Minute eingesunden hätte, die sie zu dem Gang« hier heraus gebraucht Hattetz so hätte die Person auf dem weiten Plan nicht so rasch spurlos ver schwinden können' — Da ivar das Ding doch wohl zum nächsten Rosenbeete hinübergerollt. ... . Puh! Diese Hitze, trotz der immer dichter sich ballenden Wolken welche die Sonne verhüllte»! Da» Kopsweh verschlimmert« sich wieder bedenklich unter der gebückten Stellung und dem emsigen Spähcm Und -- Nichts, Nichts! Ja, war de in die Medaille vö» der Erde verschluckt worden?. — Da — nein, vas war wieder nur ein runder Kiesel im Grase! ' Sollte sich da» fürchterliche Ding doch noch in dem Zimmer befinden, wo —? Und durfte sie es »och wagen, dahin zurück zukehren, um abermals sorgfältige Nachschau zu halten? Dazu war sie jetzt nicht mehr im Staude — und nicht bloS wegen der Gefahr, dort angelroffen zu werde». Aber hiee ivar der Aufenthalt nicht mehr zu ertragen und sie konnte ja nicht jeden Halm ,»»wendenI Am Himmel drohte da- Gewittcr und die Schwüle nahm noch zu. Wahrhaftig, sie fühlt« sich mit ihren Kräften am Ende! Sie bedurfte der Rast »nd der Sammlung — »>» später ihre Miene in der Geivalt zu haben, wenn . t . . Sehr ermattet beflieg sie wieder die Terrasse, um sich! in das Speisezimmer zuriickzubcgeben. Daselbst kaum angelangch' hörte sie rasche Schritte auf dem Korridor. Wäre es möglich? Sollte schon... ' ' ' - Mit Anspannung aller Willenskraft setzte sie sich in Positur um jeder Botschaft mit äußerster Fassung zu begegne». Es waren Blanche und Wilibald, die im nächsten Augenblick in der Thür» erschienen. v ^ Mi« —- schon zurück? Da» ist ja . . ." ,. „Ja. theüerste Mama, ich habe den Regen, der uns bevorsteht, noch rechtzeitig gewittert. Diese fürchterlich« Schwüle! Ä- Wt« jtcht es -Onn-..«it„ Thres-'Migristie-" -' „Dante — so ziemlich," und die Gräfin stellte sich in das Schatten, um dem Sohne ihre Miene zn verbergen, die st« wahr scheinlich Lügen gestraft hätte. ", „Hat Ihne» denn meine Pivot nicht Gesellschaft geleistet fragte Blanche- X', ,^? " (Fortsetzunr folgt;) „Ja, da» wollte ich eben sagen: die Männer sind so eitel und fühlen sich so geschmeichelt, svenu elii halbwüchsiges Ding die Augen yach ihnen verdreht, daß inan nicht zu viel Zuversicht haben soll'. Darum, liebe Mila, sage ich als Deine beste Freundin, heiraihe ihn so rasch wie möglich den Ander» vor der Nase weg!" ' „Du willst doch Hamit nicht sagen, daß diese Fräulein auf meint» Brämigaiu Eindruck gemacht haben?" ^O gewiß nicht — dazu ist keine von diesen schön und klug genüg. Aber — er hat sich ganz gut mit ihnen unterhallen. Es machte ihm Vergnügen, so nmworbcn zu,fein, und er thaute sicht lich im Feuer der aufmnnternden Blicke auf —* „Schändlich!" rief Mila erregt. „Ich werde ihm verbieten, dieses Haus zu besuchen!" „Was nützt das?" sagte Frieda ü(erlegen. „Solche Mädchen trifft er überall, auch diese kommen ihm wieder in den Weg, wenn nicht hier, so anderswo. Man sagt Deinem Bräutigam nach, daß er, — früher, bevor er Dich kenne» lernte — ein wahrer Herzens- bcecher war — und jedenfalls sind die Männer nicht so, daß sie den Weibern ausweichen, wen» ihnen dicse entgegengrlaufen kommen." „Also solche Dinge sagt man meinem Bräutigam nach?" „Aber Liebste! TaS sind ja die interessantesten Männer! Stellte man ihnen sonst nach?" Die kleine Natter sah, daß ihre Freundin genügend gereizt war. Sie erhob sich daher zum Gehen, sagte Mila noch eine Fülle schöner Dinge über die Monogramme, küßte sie zum Abschied wieder ab »»d empfahl sich, sichtlich befriedigt über den Eindruck, den ihr Be such gemacht hatte. Die arme Mila war wirklich erregt. Daran halte sie »och gar nicht gedacht, daß es Mädchen geben könnte, welche den Bräu tigam einer Andern zur Zielscheibe ihrer Verfnhrungskünste machten. O, die Schamlosen! Und ihm sagte man »ach, daß . . . Oho! da hieß es, die Augen offen halte»! * ch ' * Als das Goldmännche» nach dem Speisen, auf dem Wege in's Bureau, bei Mila auf einige Minuten vvrsprach, hatte sie sich schon einigermaßen beruhigt, doch ihr Mißtraue» war einmal erwacht, und sie stellte ihm allerlei scheinbar harmlose Fragen, die ihm selt sam vorlamen. Das Unglück fügte es, daß ihm gelegentlich, als er sein Taschentuch zog, um sein unternehmendes Monokle zu reinigen, «in zusamniengeknitterteS Papier aus der Rocktasche fi l, welches eine verzweifelte Aehnlichkrit mit einem Briefe hatte. Rasch bückt; er sich »nd ließ das Papier wieder in der Tasche verschwinden. „Das war ein Brief!" rief sie hastig. „Ja, ein Brief," sagle er ruhig und nur etwa» verwundert über den To», in dem sie sprach. „Darf ich diesen Brief nicht sehen?" „Er hat gar kein Interesse für Dich." „O, sehr großes, er ist von einer Dame!" „Aber Mila! Ich glaube gar, Du willst mir eine Eifersucht-: szcne spiele»?" „Ich bitte, inir nicht ausweichend zu antworten, sonst müßte ich wirklich glauben, daß —" „Haha! Mila ist eifersüchtig," unterbrach er sie lachend. „So habe ich sie noch nicht gesehen! Es ist einfach großartig! Hahaha! Hahaha!" Der dumme Mensch spring jauchzend im Zimmer umher. Mila merkte, daß sie begann, sich lächerlich zu mache» und suchte sich mit Gewalt z» bezwingen. „Bitte, mein Herr," sagte sie diese» Mal wieder ausfallend kühl, „behalte» Sie Ihren Brief, ich trage kein Verlangen mehr danach, ihn kennen zu lerne»." ' Dich aber deshalb gern m de» Schmvllwftlkel setzett, was? " Neu, das giebt es nicht!" Damit faßte er sie trotz ih«R MdkrstvebinS beim Kopfe und drückt« ihr ei» paar herzhafte Küsse auf de» Mund. " ' ' - Sie sah, daß sie gegen das Ungeheuer Nichts auSrichtete. Sk« mußte die Sache fallen lassen oder andere Saiten aufziehem - „Jch finde," sagte sie sanft »nd ergelen, „daß Du wenig Rücksicht auf Deine Braut nimmst. Wenn es auch wieder nur Neugier ist — ein Mann müßt« doch solche» kleine» Schwächen Rechnung tragen —" „Thut er auch." fiel Edgar ein. „Du wirst mir also den Brief zeigen, Liebster? Wen» ich Dich recht schön bitte?" sagte sie schmeichelnd. - ' „Unniögl'ch:" sagte er, „aber ich will Dich aufklären, warn»«. Das Schreiren erörtert persönliche Verhältnisse eines Freundes, di« ch nicht verrathen darf — ich habe mein Ehrenwort gegeben. Und dabei handelt es sich um eine ganz gleichgiltige Sache, die, ich wieder hole es, nicht das geringste Interesse für Dich besitzt." , dann lassen wir die Sache," sagte Mila und lenkte das Gespräch ans andere Dinge. In Wahrheit war aber auch die Erklärung des jungen Manne» keine solche gewesen, daß sie weibliche Neugier hätte entwaffnen können. Mila war fest überzeugt, daß es sich um eine» Liebesbrief handelte. Sie mußte ihn haben — aber wie? Zerstreut hörte sie ihren Bräutigam an, als er zu ihr sprach, und als.er sich zum Gehen erhob, hielt sie ihn nicht besonder» zurück. Das war, weil sie hoffte, er würde ihr den Brief beim gewohnten zärtliche» Abschied im Antichambre aus eigenem Antriebe zeigen. War er nicht dazu verpflichtet, schon weil sie sich fo nach giebig erwiesen hatte? Wie aber, wenn er es nicht that? Dies bedachte Mila, als sie den jungen Mann hinausgeleitete. Den Brief mußte sie haben, »in jeden Preis! . Sie erinnerte sich plötzlich an eine lustige Szene, die sie einmal im Theater gesehen, bei der Durchführung cincs englischen Effekt stückes. Die Szene spielte in einer Diebesherberge, und der Herbergs vater ricktete kleine Jungen zum Taschendiebstahl ab. Er führte sie zu einem Kleiderrechen, an dem verschiedene Röcke hinge», benäht mit Keinen Glöckchen, die bei jeder unsanften Berührung erklangen. Die Jungen mußten l a die seltsamsten Dinge aus dcu Rocktaschen ziehen, ohne von den verrätherische» Glöckchen verrathen zu werde». Wurde ein Glockenton laut — schwups! Der Junge hatte schon sein« Maulschelle. Man lachte viel im Theater über die kleinen Zwischen fälle der selisamen Unterrichtsstunde. Sehr Possirlich erklärte der Diebesvater den Jungen namentlich, e sie es anzustellen hatte». Er nannte das „die Gabel machen", lle Finger wurden eingezogen bis ans den Zeigefinger und den Mittelfinger, die, lang ansgestreckt, der Hand das Aussehen einer Gabel verliehen. Mit dieser Gabel fuhr man i» die Tasche, und sachte, fein sachte, holte man mit ihr jeden Gegenstand aus dcr Tiefe empor. Sollte sie di« Gabel machen? O pfui! Sie, Mila, ein wohl erzogenes, anständiges Mädchen, sollte eine» Diebstahl begehen! Aber war es denn wirklich ein Diebstahl? Es handclte sich ui» ihr Lebens- glück, das von einem absolut werthlosen Gegenstand abhing, den O überdies »och zurückstelle» wollte. Der Brief besaß höchstens eine» Affektionswerth — AffektionSwerth! Da- unglückliche Wort gab den SkiSschlag nutz raubte der Eifersüchtigen alle Besinnung. Ihr Blut kam in Wallung, und als sich der Gelicbte nun niederbeugte, um, wie gewöhnlich bei« Abschied, die kleine, niedliche Linse auf ihrem linken Ohrläppchen z»
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