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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 13.09.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189809130
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18980913
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18980913
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-09
- Tag 1898-09-13
-
Monat
1898-09
-
Jahr
1898
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Nr. 212. — 18S8. — Diese verbreitetste »»parteiische Zeitung erscheint Wochentag» Abend» (mitDatnm de» nächsten Tage») und kostet mit de» sechs Wöchentlichen Beiblättern: 1. Sächsischer Erzähler, L. Kleine Botschaft, 5. Gerichts-Zeitung, t. Sächsisches Allerlei, b. Jllnstrirtes Utlter- haltnngsblatt, 6. Lnstiges Btldervnch sär Cheninitz: monatlich 40 P seimige; bei de» Postanstaltc»: Monatlich b0 Pfennige. t89S. Postliste: Nr. 2808. relegramm -Adreln- «rnttalnuzeiger. Ser»Ip>ech!>eUe Ne. isu. General- Dienstag, den IS. September. erg er Anzeigenpreis: «gespalten« CorpnSzeile (ca.S Silben fassend) oder deren Raum 1«Psg. (Prell- verreichnisie d Zeile 20 Psg.)-. Bevorzugte Stelle («gespaltene Petit-Zeile circa ll Silben fassend) 30 Pfg. — Anzeige» können nur bi- Vormittag lO Uhr angenommen werde», da Druck und Verbreitung der große» Auflage längere Zelt erfordern. für Chemnitz und Umgegend. (Sächsisch«» «attPeS-Anieiger). «egrSudet 1878 als „Anzeige«" i«. Verlag und Rotation-mafchinen-Drn» v»n Alexander Wiede in Chemnitz, rheaterstratz» Nr. 8. Geschäftliche Anzeiger-Inserate sinden für billigsten Pret» zuglcich Verbreitung durch dl« täglich erscheinende Chemnitzer Eisettbillitt-Zeitititg. Kaiserin Elisabeth ermordet. Chemnitz, den 13. September 1898. Eine Schreckensbotschaft sondergleichen durcheilte am Sonnabend die Welt: die österreichische Kaiserin wurde ermordet, ermordet von der Hand einer ruchlosen Bestie, die menschliche Gestalt hat und der Mordbrennerbande der Anarchisten angehört I . . Die That ist schrecklich und von allen scheußlichen Verbreche», welche die unter dem Name» des Anarchismus wissenschaftlich drapirte Bestialität schon erzeugt hat, ist das gräßlichst« und cintzörendste der Meuchelmord an der österreichische» Kaiserin, Fassungslös, vcrständnißl s sär solchen Abgrund menschlicher Verworfenheit, nur mit dem Gefühle, mit- getrosscu zu sei» vom Mordstahl, steht das ganze in seinem Kultur- bewußtseiu gedemüihigte Mellsi^'geschlecht d.r grauenvollen Mord- that gegenüber. Caserio, der den Präsidenten Carnot erdolchte, der Bombenwerfer Nnssakow und seine Mitverschworenen, die den Zar Alexander II. durch Dynamit in Fetzen rissen, daß sein Körper als nukenntliche Fleischmasse auf dem Pflaster blieb, die Hödel, Nobiling, Passanante — sie Alle sind von Lurche»!, dem Schlächter der Kaiserin Elisabeth, a» Niedertracht übertroffe». Gewiß, Ziel und Zweck haben auch ihre Verbreche» nicht gehabt, Vernunft oder gar eine sittliche Triebfeder ist auch bei ihnen nicht zn entdecken, aber ihre Opfer waren doch wenigstens Männer; ihre That ließ die Deutung zu, daß sie gegen die Träger der Macht, gegen die Verkörpe ung d r von ihnen gehaßten staatliche» Ordnung gerichtet war; hinter ihren Ver brechen läßt sich ein politischer Gedanke, wenngleich entstellt, von einem wahnwitzigen Gehirne zur Mißgeburt vecunstaltet, mindestens vermnthen. Welcher Vorwand läßt sich jedoch erdenken, der diesen der ganzen Menschheit augethane» Schimpf zu milder» vermöchte? Das Opfer de» Meuchelmörders von Genf ist eine Frau, die, obgleich auf den höchsten Höhen der Menschheit thronend, niemals ans dem zugleich bescheidensten und edelsten Wirkniigsk-eis ihres Geschlechts hervorgetrete» ist; eine Frau, von der kein lebendes Wese» sa,.e» kan», daß es um ihretwillen nur einen Augeichlick des Leides oder des Kummers erduldet habe? eine Frau, die nicht einmal die niedrigste und blindeste der Leidenschaften, de» Neid erwecken konnte, denn sie se'ost war eine Dulderin trotz ihrer Krone und die bitterste» Schmerzen, die einen Menschen treffe'n können, hatte sie zu ertragen gehabt. Daß ein Meuchelmörder sich finde» konnte, der ein solches durch Güte, Edelsinn und das Martyrium der Mutter dreifach ge heiligtes Herz zu treffen vermochte, das ist eine Schmach für Alles, was Mcnschenantlitz trägt, eine Satire auf unsere gepriesene Zioilisatioiii lieber alle diese erschütternden EmpfindniPeii hinaus theilt das ganze deutsche Volk de» Schmerz, den Oesterreich und sein Kaiserhaus zu ertragen har i. Der feige, h .»tückische Mord des italienischen Anarchisten ru t aber auch von Neuem das Bewußtsein der Gefahr zurück, in der sich die gesellschaftliche Ordnung befindet, wen» sie weiterhin die Ver tretung der Lehren des Anarchismus duldet. Die menschliche Gesell schaft maß die Bestie» d«S Anarchismus mit Stumps und Stiel aus- votlen, diese Ucberzeugung hat sich nun wohl allgemein gefestigt und insofern Wird de« Kaiserinneumord auch politische Folgen haben. Aus dem Leben dev evmovdeten Kaiserin von Oestevveich. Kaiserin Elisabeth hatte am 24. Dezember v. I. ihr 60. Lebens jahr voll'Ndct, aber nicht dieses Alter war es, was seine Wirkung in ihrer äußeren Erscheinung ausgeprägt hatte. Im Gegentheil, ihre Gestalt war »och jugendlich schlank, aufrecht und leicht beweglich in Gang und Geberde gcblicbc». Aber der tiefe Schmerz ui» de» durch ein trauriges Geschick dahingeraffte» Sohn und das schwere Nervenleiden, vo» dem die Kaiserin schon seit Jahre» heimgesucht war, das hatte ihrem Antliye die Spuren des Grams und Schmerzes ausgeprägt und ihren Organismus auf's Tiefste erschüttert. Aus ihrer Trauer war das,Bedürfnis der Einsamkeit und der Zurück gezogenheit von der Welt, die kranlhaste Scheu vor dem Leben und Treiben der Oessentlichkeit hervorgegangen; dazu kam dann das schwere Leiden, das sich sowohl an, das Nervensystem, wie auf das Herz crstreckle und im diesjährigen Frühjahre einen so gefährlichen und bedrohlichen Charakter annahm, daß in der kaiserliche» Familie und in der nächsten Umgebung der Kaiserin die ernstesten Besorg- nisse für ihr Lebey gehegt wurden. Dieser Zustand der Kaiserin ist damals der Oeffentlichkeit bekannt gemacht worden, und die Kaiserin entschloß sich, nicht nur die ihrer Konstitution nicht zusagende Lebens weise zu ändern, sondern auch sich der Kur in Kijsiuge», daun i» Nauheim z» unterziehe». Die letztere Kur übte auf die Kaiserin überraschend günstige Wirkung aus. Kaiser!» Elisabeth begab sich Von Nauheim nach dem Genser See, wo sie zunächst in den« hoch gelegene» Hotel von Mont de Caux weilere Erholung und Kräftigung suchte. Prinzessin Elisabeth war am 24. Dezcmbcr 1637 als die zweite Tochter des Herzogs Maximilian und der Herzogin Ludvbica in Baher» im Schlosse Possenhofen am Starnberger See geboren worden, n»d dort hatte sie auch ihre Mädchenjahre in einem glück liche» Familienkreise zugebracht. Eines der schönsten und populärsten Bilder aus der Jugend der Kaiserin zeigte sie, die schon vor ihrer Vermählung eine treffliche und passionirte Reiterin war, zu Pscrde im Parke von Possenhofen. Ihre Verlobung mit Kaiser Franz Joseph fand schon am 16. August 1853 in Ischl statt, wo damals Herzogin Ludvbica init ihren beiden älteste» Töchtern weilte und die Wahl des jugendlichen Kaisers auf Prinzessin Elisabeth fiel. Es war noch das alte von Maliern und Gräben umgebene Wie», i» welches am 33. April 1854 die Kaiscrbrant ihren Einzug Hielt. Am folgenden Tage fand i» der Augustincrkirchc die Training Gatt» und fast eine Woche lang dauerte» die rauschenden Festlichkeiten 1« Feier der Vermählung des KaiscrpaareS. Mit besonderer Ge ««ßttzeveng erfüllt« e» die Wiener, daß di« junge Kaiserin an der Die Ermordung der Kaiserin. Ueber die schmachvolle That meldete ein Telegramm des schweizerischen Telegraphen-BureanS au- Genf unterm 10. d. M.: „Die Kaiserin von Oesterreich, die heute Nachmittag gegen '/«I Uhr dar Hotel „Beaurivage" verlassen hatte, um sich zur Landungsbrücke des Dampfers zu begeben, wurde von einem Menschen in roher Weise angefallen und gestoßen, sodaß sie niederfiel. Sie erhob sich alsbald wieder und gelangte bi» zum Schiffe, wo sie das Bewußtsein verlor. Der Kapitän entschloß sich auf da» Drängen der Personen des Gefolge», das Zeichen zur Abfahrt zu geben. Kurz darauf aber stoppte das Schiss und kehrte zur Landungsbrücke zurück. Da die Kaiserin noch immer ohne Bewußtsein war, brachte man fsie auf einer improvistrten Bahre nach dem Hotel zurück, wo sie einige Augenblicke ispäter verschied. Man stellte fest, daß die Kaiserin durch einen Sliletstich i» der Gegenddes Herzen» ermordet worden war." Das war die erste Meldung. Später kamen folgende aus- jährliche Berichte aus Genf: Das Attentat wurde i» der Nähe de» Monuments des Herzogs Karl vo» Braunschweig, zwischen dem bekannten „Hotel Beaurivage" und dem Einsteigeplatze auf dem Quai Mont-Blanc verübt. Der Attentäter, welcher i» Begleitung eines alte», graubärtigen Mannes in entgegengesetzter Richtung daherkai», stürzte aus die Kaiserin los und führte gegen sie eine» heftige» Stoß. Die Kaiserin vermochte sich mit Hilfe einer Dame ihres Gefolges und einiger Passanten z» erheben und den Einsteige platz zu erreichen und bestieg das Schiff. Unterdessen wurde der Attentäter verhaftet. Kaum an Bord des Schiffes augelangt, ver schlechterte sich der Zustand der Kaiserin, und sie verlor das Be wußtsein. Sie konnte nur »noch einige Worte murmeln, und die Nächststc-heuden hörten, wie sie in deutscher Sprach« fragte: „Was ist vorgesallen?" Der Kapitän zögerte, die Abfahrt anzuordnen. Nach einem kurzen Zeitraum nahm man mit Entsetzen war, daß die Kaiserin nicht mehr zu sich kam. Die Dame» der Umgebung, welche der Kaiserin hilfreich beigestanden waren, bemerkten einen kleinen Blutfleck auf ihrer Kleidung. Der Dampfer kehrte um und legte au ler Landungsstelle an. Die Kaiserin wurde aus einer aus bindern und Segelleinewand rasch bereitgestellten Tragbahre in da» Hotel „Beaurivage" gebracht. Die Aerzte Golox und Mayer und ei» Priester waren sogleich zur Hand. Hierauf telegraphirte man a» Kaiser Franz Josef. Es wurde Alles anfgeboten, um oie Kaiserin zu retten, doch bliebe» alle Bemühungen vergeblich. Gegen drei Uhr gab die Kaiserin de» Geist auf. Die gerichtsärztliche Untersuchung ergab, daß der Mörder sich einer dreikantige» zugespitzteu Sägefeile bedient habe. (Nach der Meldung an den schweizerischen Bundesrath war das Mordwerkzeug eine Schusterahle.) Nachdem der Mörder den Stoß vollführt hatte, ergriff er die Flucht über die Rue des Alpes „ud wollte aus den großen Platz des Alpes gelangen, wo er sich hätte leicht verbergen könne». Er wurde aber von zwei Kutschern, welche auf dem Quai ihren Standplatz hatten und Zeugen des Attentates waren, ergriffen und einem Bootsmann, sowie dem Gen- Seite des Kaisers so häufig mitten unter der Bevölkerung erschien, namentlich bei den Protersahrte», und mit sichtlicher Freude die ihr dargebrachten Huldigungen entgegeniiahm. Bald nach der Vermählung unternahm auch das Kaiserpaar Reisen in alle Kronländer und Landes hauptstädte, und nicht blos in den deutschen und slavischen Ländern, sondern auch in Ungarn, in der Lombardei und in Venetien machte die Persönlichkeit der Kaiserin den gewinnendste» Eindruck, und e» wurde ihr, im Gegensätze zu der politischen Unzufriedenheit und Mißstimmung, die freudigste und herzlichste Begeisterung zn Theil. Man wußte Manches vo» den segensreichen Wirkungen ihrs Ein flusses zu erzähle», und allgemein hieß es, daß aus die Fürbitte der Kaiserin die Strafe des Gaffenlaufens beim Militär aufgehoben worden sei. Aber schon damals erlebte die Kaiser!» de» ersten Schmerz durch de» Tod ihres Kindes, der kleine» Erzherzogin Sophie, die — während der Reise des Kaiserpaares durch Ungar» — am 29. Mai 1857 in Ofen gestorben ist. Im folgenden Jahre wurde die Geburt eines Thronerbe», des Kronprinzen Rudolf, mit Jubel begrüßt. Leider gab die Gesundheit der Kaiserin schon früh Ursache zu Besorgnissen, doch ist gerade dem damals befürchtete» Uebel mit Erfolg vorgcbcugt worden. Aber im Jahre 1860 fühlte sich die Kaiserin so angegriffen, daß sie sich nach Madeira begeben mußte, »m dort in dem warmen südlichen Secklima sich wieder zn kräftige». Auch im Jahre 186 l mußte die Kaiserin nach de», Süden gehen und nahm ihren ersten Aufenthalt in Corfn, von Ivo sie im Mai 1362 vollständig genesen zurnckkehrtc. Seit jener Zeit hegte die Kaiserin eine große Vorliebe für Cvrsu, wo sie sich bekanntlich das mit Werken der Kunst ge- schnckte Achillcion crbane» ließ, das erst in diesem Jahre in fremden Besitz übergegangen ist. Die Rückkehr der genesenen Kaiserin nach Schönbruun ist vo» de» Wienern als ein Freudenfest gefeiert worden. In der zweiten Hälfte der Sechziger Jahre wendete die Kaiserin ihr lebhaftes Interesse dem ungarische» Volke, seiner Sprache und Litteratur und den übrigen Erscheinungen der nationalen Kultur Ungarns zn. Sie lernte bekanntlich Ungarisch und eignete sich diese Sprache mit einer Vollkommenheit a», als ob sie eine geborene Ungarin wäre. Es war in Ungarn bekannt, welche Verehrung und Hochachtung die Kaiserin für Franz Deal hegte, mit welcher Aus zeichnung sie ungarische Knnstlcr und Schriftsteller behandclle, und als sich im Jahre 1867 der Ausgleich mit Ungarn vollzog, war es zu nicht geringem Thcile das Verdienst der Kaiserin, die Herze» des ungarischen Volkes gewonnen zu habe». Das bewies der Jubel, mit dem sie begrüßt wurde, als sie bei der ungarischen Krönung am 8. Juni 1867 in der nationalen Tracht der ungarischen Königin er schien. Die Kaiserin stand damals als Frau i» der Blüthe ihrer Jahre, ihre hoheitsvolle Schönheit war zur vollen Entfaltung ge- darmen Kaiser übergeben, welche ihn zur nächsten Polizei-Wachstube führten. Der Mörder folgte ohne Widerstand, sang sogar unterwegs, und sagt« unter Anderem: „Ich habe sicherlich gut getroffen, ich muß wohl getödtet haben". In der Wachstube gab der Mann an, daß er «in brotloser Anarchist und nicht gegen die Arbeiter, sonder» gegen die Reichen sei. Hierauf wurde der Mörder i» den Justiz palast geführt und in Anwesenheit dreier Mitglieder der Kantonal« Regierung, des General-Proknrators, des Sekretär» des Polizei- Departements und eines Polizei-Kommissars vom Untersuchungs richter Lechet einem Verhör unterzogen. Hier gab er vor, daß er nicht Französisch verstehe, und verweigerte anfangs jede Antwort Man fand bei ihm eine» Militärpaß, aus welchem hervorging, daß der Mörder in Paris an: 21. April 1873 in Paris geboren wurde, nach Parma zuständig sei und den Namen LuigiLnccheni führ«. Er hatte da» Instrument im rechten Rockärmel verborgen. Der Mörder rühmte sich frech seiner That und sagte, er habe ein Beispiel gebe» wollen. Zum Schluß seines Verhörs gab er a», er sei mit der Absicht nach Genf gekommen, um irgend eine hochgestellte Person nmznbriugen; er habe besonders an den Herzog von Orleans ge- dacht (wahrscheinlich den Prinzen Heinrich), aber aus Gründen, die er nicht angiebt, habe er düsen Plan nicht ausführen können. Ganz zufällig habe er gehört, daß die Kaiserin Genf passiren werde. Unmittelbar »ach dem mit dem Mörder vvrgenommenen Ver höre begab sich die Untersuchungs-Kommission an den Thatort. Vor dem „Hotel Beaurivage", Ivo sich eine ungeheure Menschenmenge augesannnelt hatte, wurde ein Ordniingsdiensteingerichtet. GenSdarmerie« Patrouillen untersuchte» sorgfältigst alle Zugänge zu dem Platze, wo das Attentat begangen wurde, um das von dem Mörder gebrauchte Werkzeug zu .sinden. Die Sicherheitswache stellt eisrige Nach- orschnilgeu dc/cuber an, ob Luccheni keine Komplicen gehabt Hab«. Ein Bootsmann giebt an, er habe am Freitag gesehen, wie drei Individuen der Kaiserin, welche in verschiedene» Kaufläd.n der Stadt Einkäufe besorgte, überallhin gefolgt waren. Der Mörder Luccheni, welcher in Paris geboren, dessen Familie aber aus Parma stammt, »mH nach dem Strafgesetze des Kanton- Gens abgeurlheilt werden, dieses sieht aber nicht Todesstrafe, sondern nur lebenslängliche Einkerkerung vor. Ein Augenzeuge erzählt, daß man im Mymente desÄ-UvsillteS- so wenig an einen Mord dachte, daß ci» Kntschey deb^h, als die Kaiserin zu Boden stürzte und sich mit dem Staub besteckte, ihr eine Bürste anbvt, die noch von der Kaiserin, welche sich schnell erhoben hatte, in ganz aufrechter Haltung abgclehnt wurde. Dann ging die Kaiserin an Bord. * * * I» Oesterreich-Ungarn hat die Trauerkunde selbstverständlich in allererster Linie die allgemeinste, schmerzlichste Theilnahme erregt. Die erste Mittheilung erhielt am späten Nachmittag der erste General- Adjutant des Kaisers, Graf Paar, von der Hofdame der Kaiserin, Gräfin Szapary. Graf Paar war eben niit de» Anordnungen für die geplante Abreise des Kaisers zu de» Korpsmanüverii nach Leutschau beschäftigt. Im Einvernehmen mit dem Grafen Goluchowski, der stu gleicher Zeit die Nachricht von der Gesandtschaft in Bern erhallen hatte, fuhr Graf Paar nach Schönbrun», um den Kaiser auf di« langt. Ihre ausgezeichnete Gesundheit gestattete es der Kaiserin, den Reitsport mit Vorliebe zu pflegen und an de» ungarischen Parforce jagden an der Spitze der Reiterschaar theilzunehme». Schloß Gödöllö mit seinem herrlichen Park war lange Jahre ein Lieblingsaufenlhalt der Kaiserin, namentlich im Herbst, wenn sie vo» Ischl nach Ungarn kam. Besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt wendete Kaiserin Elisa beth der Erziehung ihrer Kinder zu; der Unterricht und die Aus bildung des Kronprinzen Rudolf wurde zwar ihrer unmittelbaren Theilnahme entrückt, als der Kronprinz unter die Leitung mili tärischer Erzieher kam. Dafür widmete sie sich umsomehr der Aus bildung ihrer Töchter, der Erzherzoginnen Gisela und Marie Valerie. Mil Freude begünstigte und förderte sie besonders di« poetische» Neigungen der Letztere», ihrer Lieblingslochler, und es wurde ei» Wunsch ihres Herzens erfüllt, als Erzherzogin Marie Valerie durch ihre Vermählung mit Erzherzog Franz Salvator der Mutter nicht entrückt wurde. Aber bereits zu Ansang der Siebziger Jahre machte es sich bemerkbar, daß der Kaiserin die Theilnahme bei öffent liche» Feierlichkeiten und bei den Hoffesten zur Last fiel, daß sie sich dem Zwang der Repräsentation möglichst zn entziehen suchte und Aufenthaltsorte wählte, wo sie dem geräuschvoller Leben entrückt war und nicht mit vielen Personen zu verkehren brauchte. Der Kreis ihrer Umgebung wurde immer enger und beschränkte sich immer mehr auf Personen, die sich des besondere» Vertrauens der Kaiserin er beuten. Der große historische Festzug zur Feier der silbernc» Hochzeit des Kaiserpaares im April 1879 war eigentlich die letz c Gelegenheit, wobei die Kaiserin in Wie» in der Ocffentlichkett und vor den Augen der gcsammten Bevölkerung erschien. Schon lei der Vermählung des Kronprinzen Rudolf mit dec Kronprinzessin Stephanie »ahm si« nur a» den Hoffest«» Theil. Doch übte die Kaiserin- noch lange Jahre eine Pflicht der Humanität, die sic sich selbst auferlcgt hatte, indem sie währcnd ihres Aufenthalts in Wien regelmäßig die Spitäler und andere Wvhlthciligkcits-Jnstitute besuchte und persönlich mit Kranken, Krüppeln und Nothlcidendeii sprach und sich »ach ihre» Leiden erkundigte. Auch in Ischl verkehrte die Kaiserin mit Vorliebe mit Landlcute». vo» denen sie nicht gekannt wurde. Das tragische Ereigniß des Jahres 1889, der Tod de» Kro»- prinzen Rudolf, war ein niederschmetternder Schlag für die Kaiserin« von dem sie sich nicht mehr ganz zu erheben vermochte und den gleichsam ihr ganzes Leben zerstört hatte. Der Schmerz um den einzigen Sohn, den reichbcgabten, hoffnungsvolle» Erben des Throne», pricht sich in dem ganzen späteren Thun und Lassen der Kaiserin aus und trug auch viel zur Erschütterung ihrer Gesundheit und zur Erschöpfung ihrer seelischen und körperlichen Kraft bei. Das Schloß Achillcion in Corfu hat sie zu einer Stätte der Erinnerung an de» Todten gemacht. Trost für ihren Schmerz hat sie durch Versenken
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