Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.01.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000103028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900010302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900010302
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-01
- Tag 1900-01-03
-
Monat
1900-01
-
Jahr
1900
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezrrgs-Pres? t» drr Hauptexpedition oder den im tzwdt- bezirk und den Bororten errichteten Sluü» qabestellen abgrholt: vierteljährlich ^i«.SO, der zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» b.bO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährllch S.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung in« Ausland: monatlich >tl 7.50. Di» Morgen-Au-gabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Nedaction und Lrpeditio«: Johannis,ässe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Dtt« Nlcmm'S Lorttm. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Katharinenstr. 14. pari, und Königsplatz 7. Abend-Ausgabe. R'tiMM. T llMatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nokizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigeu-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redactionsstrich («ge spalten) 50^, vor den Familtennachrichten (6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserrm Preis» verzeichniss. Tabellarischer und Ziffernsay nach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mit dec Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung M—» mit Postbeförderung 70.—. Iiuuahmeschlnß filk Änzrigen: Ab end »Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »Ine halb« Stunde früher. Anreißen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pnlz in Leipzig. ^°5. Mittwoch den 3. Januar 1900. St. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. Januar. Von Blättern, denen Informationen aus dem deutschen Auswärtigen Amte zugehen, wird versichert, daß sofort nach der Beschlagnahme des Postdampfers „BundeS- rath" durch ein englische- Kriegsschiff sowohl durch Ver mittelung deS englischen Botschafters in Berlin, wie durch den deutschen Botschafter in London Schritte gethan worden seien, um die britische Regierung zu Aufklärungen über den Zwischen fall zu veranlassen. Es wird binzugefügt, die deutsche Regierung babe die britische nicht im Unklaren darüber gelassen, daß sie (die deutsche) mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln für die verletzten deutschen Rechte eintreten werde. Die Be orderung des Kreuzers „Sckwalbe", dem der Kreuzer „Condor" folgen werde, nach der Delagoabai solle diesen Versicherungen Nachdruck geben. Ferner meldet ein Privat telegramm der „Voss. Ztg." auS Hamburg, eS verlaute dort an der Börse, Director Wo ermann von der Ostasrika- Linie sei in Sachen des „BundeSrath" vom Reichskanzler nach Berlin berufen worden. Endlich wollen deutsche Bericht erstatter in London erfabren haben, daß man dort in leitenden Kreisen die Beschlagnahme des deutschen Schiffes vielfach mißbillige. Der „Weser-Ztg." z. B. wird auS London geschrieben: „Die Beschlagnahme deS „Bundesrath" hat weit ernstere Be- sorgnisse und in leitenden Kreisen einen an Bestürzung grenzenden Eindruck gemacht. Selbst die leidenschaftlichsten Jingoblätter wagten es am Sonnabend-Abend und Sonntag nicht einmal, irgend einen Commentar zu der Thatsache selbst zu machen, und der klägliche Versuch Reuter's, die Beschlagnahme des deutschen Kauffahrteischiffes damit zu rechtfertigen, daß dasselbe drei deutsche Osficiere und dreißig deutsche Militärs in Uniform und Kriegsausrüstung an Bord gehabt habe„ welche in der BoerenarniceDienste nehmen wollten, dars füglich als kläglich gescheitert betrachtet werden—wie er gleichzeitig die Ueberraschung und Hilflosigkeit der englischen Regierung ins Licht rückt. Diese selbst hüllt« sich allen Erkundigungen gegenüber in den Mantel des Nicht- wissens und ließ spät am Sonnabend Abend, wiederum durch Reuter, erklären, „eS müsse ein ernster Grund für diese Beschlagnahme vor- gelegen haben, da deren Berechtigung vor dem Prisengericht in Durban nachgewiesen werden müsse." Eine inhaltlosere Begründung läßt sich kaum denken. Die Regierung fühlte das auch selbst und ließ deshalb in letzter Stunde erklären, sie habe die zuständige Quelle angewiesen, die Beschlagnahme sofort aufzuheben, es sei denn, daß in unwiderleglicher Weise das Vorhandensein von Kriegscontrebande an Bord des deutschen Dampfers festgestellt worden sei." Nun verlautet aber nicht nur nichts über die Aushebung der Beschlagnahme deS „Bundesrath", sondern eS trifft obendrein die folgende Meldung ein: Hamburg, 2. Januar. Der „Hamburgische Correspondent" meldet: Ein der hiesigen Rhedereifirma H. D. I. Wagner gehöriger Dampfer „Hans Wagner", wurde am dritten Weihnachtsfeier» tage bei der Delagoabai von den Engländern mit Be» schlag belegt. Die Firma hat sich bereits beschwerdesührend an das Auswärtige Amt in Berlin gewandt. Hiernach haben die deutschen Vorstellungen in London gar nichts gefruchtet, und darüber würde man sich nicht wundern können, wenn man auS einer Berliner Mittheilung der „Münch. N. N." auf den Ton dieser Vorstellungen chließen dürfte. In dieser Mittheilung heißt es: „Bon Seiten der deutschen Regierung, die die Angelegenheit keineswegs gleichmüthig ausfaßt, wie unbegreiflicher Weise einige deutsche Blätter anzunehmen scheinen, ist man mit allem Nachdruck bestrebt, aufs Rascheste eine Aufklärung dieses Zwischenfalles herbei» zuführen, und man darf sich versichert halten, daß Alles geschieht, um ein deutsches Schiff vor einem etwa an ihm begangenen Rechtsbruch englischerseits zu schützen. Vorläufig gilt es, da andere Mittel nicht zu Gebote stehen, das Urtheil des PrisengerichteS abzuwarten." Ja, wenn die deutsche Diplomatie bei der englischen die Vorstellung erweckt hätte, man würde in Ermangelung anderer Mittel das Urtheil des Prisengerichts in Durban abwarten, dann freilich müßte man sich nur darüber wundern, daß die englischen Kriegsschiffe nicht noch viel mehr deutsche Handelsschiffe unter dem Vorgeben, diese Sckiffe führten möglicherweise Kriegscontrebande, beschlagnahmen und ganz ruhig den Spruch der Prisengerichte abwarten. Wenn diese dann auch nach einer Weile die Beschlagnahme aufheben müßten, so wäre der Zweck — die Lahmlegung deS den Engländern unangenehmen Verkehrs und Handels mittels deutscher Schiffe nach Beira und Delagoabai — erreicht. Hieraus ergiebt sich auch, daß die Gründe, die von englischer Seite für die Beschlagnahme des „BundeSratb" angeführt werden, höchst fadenscheiniger Natur sind. Mit vollem Rechte schreibt die „Nat.-Ztg.": „Das internationale Seerecht ist leider, hauptsächlich durch englische Schuld, voll von Controversen; ober in keinem Falle dürfen die Dinge dahin kommen, daß der neutrale Handel und Verkehr mit neutralen Ländern gestört und verhindert wird, sobald England sich mit irgend einem Lande im Kriege befindet. Der „Bundesrath" war nach der nicht»blockirten Küste eines neutralen Landes, nach der Delagoabai,unterwegs. Es wäre ein völlig neuer Anspruch, bei welchem drr Streit um den Begriff der Kriegscontrebande zunächst ganz auf sich beruhen kann, daß Personen oder Güter, die nach einem neutralen Lande bestimmt sind, darum von einem kriegführenden Theile beschlagnahmt werden könnten, weil sie von dem neutralen Lande aus zu dem andern kriegführenden Theile gelangen könnten. DaS Letztere ist möglich; eS liegt im Wesen des heutigen Ver kehrs. Aber wenn man darauf rin Recht der Beschlagnahme gründen wollte, so würden die Consequenzen völlig unabsehbar sein. Geriethe England in einen Krieg mit Frankreich oder Deutschland, so würde es den Handel Belgiens und Hollands zerstören können, weil aus diesen Ländern Personen oder Güter zum Bortheil des anderen kriegsführenden Theils dort hin gelangen könnten; in einem Kriege mit Rußland würde es unter der gleichen Begründung den Handel der deutschen Nord- und Ostseehäfen zerstören. Es wäre auch nicht abzu sehen, warum sich dies nur auf den nächsten Nachbar des anderen kriegssührenden Theils beschränken sollte; im Zeitalter der Eisen bahnen können auch auf weiteren Umwegen kriegslustige Personen und Kriegsmaterial bezogen werden." Wir lassen es daher vorläufig dahingestellt sein, ob wirk lich die deutsche Regierung in London den Anschein erweckt hatte, man würde, wenn Proteste nichts nützen sollten, daS Urtheil des Prisengerichts abwarten. Jedenfalls aber hat, wie die Beschlagnahme veS Dampfers „Hans Wagner" be weist, die Sprache der deutschen Diplomatie an Entschieden heit zu wünschen übrig gelassen. Nun ist es aller dings richtig, daß man mit den beiden Kreuzern „Sckwalbe" und „Condor" den Engländern nicht sonderlich imponiren und auf diese Schiffe eine energische Sprache nicht gründen kann. In diesem Falle wird aber unser Mangel an einer starken Flotte ausgeglichen durch daS Interesse, das alle Seemächte an der Freiheit des neutralen Handels und Verkehrs mit neutralen Mächten haben. Schon werden in Frankreich und in Amerika Stimmen laut, die nach drücklich erklären, es dürfe England nicht gestattet sein, in Bezug auf den Seeverkehr nach dem Grundsätze zu handeln: „Erlaubt ist, waS mir gefällt." Es würde der deutschen Neichsregierung gewiß nickt schwer werden, die übrigen See mächte zu einer gemeinsamen Erklärung in London zu ver anlassen, die sicherlich nicht ohne Erfolg wäre. Man möge in Berlin ja nickt glauben, der Sacke der Flotte nver st ärkung zu nützen, wenn man gegen England einen allzusanflen Ton anscklägt und diesen Ton mit unserer Schwäche zur See motivirt. Von einer Regierung, die nicht alle diplomatischen Mittel in Anwendung bringt, wenn eS schwere Nacktheilt von dem deutschen Handel und Verkehr abzuwenden gilt, muß man besorgen, daß sie auch von einer starken Flotte nicht den rechten Gebrauch zu machen wissen werde. Je mehr in vorliegendem Falle die deutsche Diplomatie trotz der Schwäche unserer Machtmittel zur See zu erreichen weiß, um so lieber und vertrauensvoller wird man ihr verstärkte Machtmittel, deren Nothwendigkeit gar keinem Zweifel unterliegt, zu Gebote stellen. Ob der vom „Vorwärts" veröffentlichte „Jahrhundert- «ruf; des Zaren" echt oder gefälscht ist, bedeutet für die praktische Behandlung der Flottenfrage keinen Unterschied. Worte, sie mögen kommen, woher sie wollen, müssen wir kungslos bleiben gegenüber notorischen Thaten. Thatsache aber ist, daß Rußland mit Erfolg darnach strebt, eine Flotte ersten Ranges zu schaffen, und daß eS seinerseits hohe Summen aufwendet, um dieses Ziel zu erreichen. Thatsache ist ferner, daß die russische Flotte weit stärker ist, als die deutsche. Beide Thatsachen mit wenigen Zahlen zu illustriren und zur Vergleichung Zahlen betreff« der deutschen Marine binzuzufiigen, dürfte nickt überflüssig sein. Die russische Flotte besitzt zur Zeit l7 Linienschiffe fertig und 7 im Bau, 24 Küstenpanzer fertig und l im Ban, 11 große Kreuzer fertig utid 10 im Bau, 26 kleine Kreuzer fertig und 1 im Bau, 16 Kanonenboote, 83 Torpedoboote I. Classe fertig und 18 im Bau. Die deutsche Flotte besitzt 12 Linienschiffe fertig und 5 im Bau, 8 Küstenpanzerschiffe fertig und keins rm Bau, 10 große Kreuzer fertig und 1 im Lau, 5 kleine Kreuzer fertig und 3 im Bau, 13 Kanonenboote, 57 Torpedoboote I. Classe fertig und 12 im Bau. DaS russische Marinebudget belief sich i. I. 1897 auf 131,8 Millionen Mark, i. I. 1898 auf 149,7 Mill. Mark, i. I. 1899 auf 184,9 Mill. Mark. Darin waren für Sckiffsbauten 1897 ausgewvrfen 51,1 Mill. Mark, 1898 60,1 Mill. Mark, 1899 69,8 Mill. Mark. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre (1890—1899) gab Rußland für die Flotte jährlich 124 Mill. Mark, davon für Schiffsbau und Armirung jährlich 53 Mill. Mark aus; Deutsckland gab 94 Mill. Mark, darunter für Schiffsbau und Armirung 36 Mill. Mark aus. — Aus diesen Zahlen kann jeder Vorurtbeilslose sich einen VerS machen! Der bonopartistisch-nationaliftische „Petit Caporal", der ge wöhnlich nicht in die geheimen Absichten der Regierung eingeweiht wird, kann heute seinen Lesern eine sensationelle Nachricht bringen: Sofort nach der Drittelerneuerung des Senats soll dieser neuerdings als Staatsgerichtshos einberufen werden, um den General Mercier abzuurtheilen, dessen Verhaftung beschlossen worden ist. Die Antimilitaristen, die einen tödtlichen Haß gegen den General Mercier hegen, haben von der Regierung dieses wichtige Zugeständniß erhalten, und ihr dafür ihre Unterstützung zugesagt. Im Beginn der ordentlichen Session wird die Kammer eine Interpellation über das Complott zu erörtern haben, in deren Verlaufe Herr Waldeck-Rousseau die Verhaftung des Gene rals Mercier ankiindigen wird. Soweit die Information des nationalistischen Blattes, dem es offenbar weniger um die Sache selbst, als um ein politisches Manöver zu thun ist. Die Reac- tionäre wollen für die Candidatur des Generals Mercier Stim mung machen und stempeln ihn daher bereits zum Märtyrer der Dreyfusards. Dabei ist aber zu bemerken, daß erstlich der Kriegsminister de Gallifet gegen die Verfolgung des Generals Mercier ist, und daß diese ferner nicht von der Regierung, sondern lediglich von der Kammer abhängt, die noch immer über den von dem Cabinet Dupuy eingebrachten Antrag auf Verfolgung des ehemaligen Kriegsministers zu befinden hat. Bekanntlich hatte der Abgeordnete Ribot den General Mercier vor der so fortigen Versetzung in den Anklagezustand dadurch gerettet, daß er die Vertagung der Beschlußfassung bis nach Beendigung des Dreyfus-Processes beantragte und durchsetzte. Vielleicht hätte Niemand mehr an diese Verfolgung gedacht, wenn General Mercier nicht die Kühnheit oder die Unvorsichtigkeit gehabt hätte, die reactionäre Candidatur für den Senat in der Loire-Jnf6rieure anzunehmen, die ihm von seinen jesuitischen Beschützern an getragen worden war. Eine derartige un — bescheidene Haltung mußte allgemeine Entrüstung unter den Republikanern Hervor rufen. „Bleus de Bretagne" erläßt gegen die Wahl Mercier's einen Protest, der großes Aufsehen macht und bei allen Repub likanern ungetheilten Beifall findet. Er beschuldigt den General Mercier ausdrücklich der Gesetzesverletzung. Kommt dieser also unter der Anklage des Amtsmissbrauchs und der Mittheilung geheimer Aktenstücke an das Kriegsgericht von 1894 vor den Staatsgerichtshof, so hat er es nicht dem Cabinet Waldeck-Rousseau, sondern lediglich sich selbst, oder richtiger, der klerikal-reactionären Coalition, der er dient, und die sich seiner bedient, zuzuschreiben. Der Krieg in Südafrika. -k- DaS englische Kriegsamt hat jetzt endlich durch ein Telegramm aus Capstadt Kunde von dem Gefecht -ei ColeSberg erhalten, aber die Meldung enthält kein Wort davon, daß General Frerich die Stadt besetzt hat. Daß dies nicht geschehen, wird zum Ueberfluß noch amtlich be stätigt in der folgenden Nachricht: * Ea-fta-t, 2. Januar, Abends. (Reuter's Bureau.) Bisher ist noch keine amtliche Mittheilung von der Besetzung ColesbergS durch Truppen des Generals French eingegangen, es verlautet indessen, daß gestern Nachmittag Streispatrouillen dis Stadt betreten hätten. Der Annabme, daß die Rückwärtsbewegung der Boeren eine wohlüberlegte und planmäßige war, erhält durch die FerrLlletoit. 2, Die ganze Hand. Roman von Hans Hopfen. Nachdruck verboten. „Ich interessire mich für jede Etscheinung, die starkes Talent verräth. Und ein starkes Talent verrieth der Mann in jener Gerichtsverhandlung. Es thut mir aber leid, daß er es in solchem Dienste vergeudet, und ich möchte ihn sehr gern auf andere Wege leiten. Ich vermöchte ihm dann auch mit einigem Einfluss zu nützen; aber so lange er in diesen Rechen dient . . ." Wende- walt zuckte die Achseln. Das Fräulein that desgleichen und sagte dazu: „Was wollen Sie, wenn es seine Ueberzeugung ist?" „Ach was, Ueberzeugung! Ehrgeiz ist es bei ihm, wie bei Vielen, wenn nicht bei allen diesen modernen Volkstrkbunen. Eitel Ehrgeiz, Streberei und dazu der Glaube, daß man von gertngwerthiger Folie sich um so deutlicher abhebt, auf so dunklem Grunde um so Heller leuchtet, und es also leichter und rascher zu Einfluß und Bedeutung bringen kann. Auf dem kürzesten und manchmal auch auf dem bequemsten Wege. Man braucht nichts gelernt und nichts geleistet, kein Gymnasium und keine Universität abfolvirk, keine langen Jahre dem Staate umsonst gedient zu haben; maulfertige Brutalität und blinde Rücksichts- lostgjkeit genügen, um sich in diesen Reihen einen Namen zu macken und das täglich« Brod — ja, wenn man Glück hat — ein ReichstagSmandat zu ergattern . . . Aber Sie haben Recht, wir können von Besserem uns unterhalten, als von einem Penny- aliner, der weder Sie noch mich etwas angeht. Sie sehen eben, Politik verdirbt nicht nur die guten Sitten, sondern auch die beste Zeit." „Die beste Zeit? DaS wäre die in meiner Gesellschaft?" „Ist es auch!" rief er, und sah ihr inS lachend« Gesicht. „Welch' ungeheure Schmeichelei, wenn Sie das sagen!" „Nu, nu, nu! Mir scheint, ich stünde mit dieser Versicherung Nicht allein. Dacht' ich doch vor einer Stunde, Sie würden diesen Saal nicht unverlodt verlassen. Man hat Ihnen ja toll zugesetzt." „Sie meinen den Assessor Spindler ... Er hat mir in der That . . „Einen regelrechten Heirathsantrag gemacht?" Sie nickte zu seiner Frage. „Und Sie lachen dazu?" „Gewiß." Wendewalt schüttelte langsam das Haupt und sah nachdenklich aus den Fächer nieder, den er ihr plaudernd aus der Hand ge nommen hatte. Durch das üppige braune Haar, das er länger trug, als man es nach neuester Mode zu tragen pflegt, zogen sich nur wenige Silbcrfäden. Der dichte Schnurrbart von un gemischtem Hellbraun, an den Spitzen kunstlos aufwärts gedreht. Auf dem Frack keine andere Decoration als das Eiserne Kreuz im Knopfloch. Mächtige Schultern, breite Brust, in jeder Be wegung die Ruhe und Sicherheit des seiner Kraft, seiner Stellung, seines Einflusses bewußten Mannes, der sich un gezwungen und vertraulich gehen läßt im Gegensatz zu so manchem Streber und Emporkömmling, der sich bei jeder An näherung steif stellt aus Angst, das Krönlein seiner Würde, das ihm nicht angegossen sitzt, möchte ihm bei einer Neigung des Hauptes vom Scheitel gleiten. „Das haben Sie gemalt?" fragte er, noch immer in den Fächer in seinen Händen vertieft. „Zu Befehl, Herr Landrath", versetzte das Fräulein heiter, und doch hätte der Mann, wenn er mehr auf die Dame als aus deren Werk achtete, leicht merken können, daß ihr ein anderes Gespräch lieber wäre als das über ihren Broderwerb, den sie nach Art so mancher verarmten Töchter höherer Stände lieber im Geheimen, gewissermaßen inkognito, besorgte. „Wie viel derlei Fächer gelingen Ihnen im Jahre?" fragt« Wendewalt, ohne sie anzüsehen. „Einem alten Freunde Ihrer Familie halten Süe wohl die Neugier zu Gute." „Zehne, zwölfe, wie's Glück will, auch einmal mehr. DaS heißt, jetzt, wo ich endlich Uebung in die Finger und den Geschmack des zahlenden Publikums ins Bewußtsein bekommen habe. Im Anfang, als ich noch ganz Dilettantin war . . . Ach, Du mein Gott! Bis ich den ersten und zweiten anbrachte, ich möchte die Zeit nicht noch einmal durchmachen . . . Auch jetzt kommt's noch vor, daß Einem einer in den Händen bleibt, den man nicht los wird im Geschäft, wie — dieser da." „Hat der einen Fehler? Ich finde die Arbeit köstlich." „Die Putten haben nicht gefallen ... im Geschäft." ,)Jch finde gerade die wimmelnde Fidelität dieser blanken Kerlchen auf den ineinander qualmenden Gewittevwölkchen sehr genial gedacht und subtil ausgeführt." „Aber viel zu . . . ungezwungen. Was weiss ich. Man wollt« mich einfach im Preise drücken. Und ich nahm die Ge legenheit wahr, diesen schamlosen Schacherern zu zeigen, dass die Zeit vorüber ist, wo ich mich ausbeuten lassen musste." „Gottlob", sprach der nachdenkliche Herr und schüttelte sachte sein vornehmes Haupt. „Für dies Kunstwerkchen wird sich schon ein Liebhaber finden . . . Sie müssten nur weniger solcher Dinger machen." „Noch weniger?" wiederholt« sie mit einem bitteren Lächeln, ihn ansehend. Er fühlte die Ironie dieses Wortes und suchte sich zu erklären. „Ich meine, wenn Sie sie nicht dutzendweise aus dem Aermel schüttelten, würde ihr Werth, weil seltener, also kostbarer werden, und Ihnen wär« dabei vergönnt, ihr malerisches Talent auch auf andere Weise zu bethätigen." „Ich halte nicht viel von meinem „malerischen Talente", wie Sie es gütig nennen. Mit unsagbarer Mühe habe ich mir das kleine Genre zurecht gemacht, und für meine bescheidenen Schöpfungen, die ich, Gott sei's geklagt, durchaus nicht aus dem Aerwel schüttele, keine splendide, doch eine sichere MnehmtrfirMa gewonnen. Geht's nur so fort, so will ich zufrieden sein und Papa kann's auch sein." „Der artme, brave Wesselbrunn!" sagte Wendewalt vor sich hin, klappte den Fächer zu und, ihn seiner Ergenthümerin zurück reichend, fuhr er, ihr in die Augen sehend, noch leiser fort: „Wär's nicht doch besser. Sie heiratheten?" „Soll das eine Kritik meines Könnens sein?" fragte sie halb im Scherz, halb mit unwillkürlicher Bitterkeit. Er verwahrte sich davor. „Wo denken Sie hin? Diese Malerei ist, wie di« aller Modernen, etwas gewagt; aber ich be wundere gerade Ihr Können und den sorgsamen Fleiß, den Sie auf Ihre Schöpfungen verwenden, aufrichtig. Allein ich bin eben so gar nicht modern, und da macht mir jedes noch so begabte Frauenzimmer, das sich so ganz allein mit den zarten Ellbogen durch die rohe Welt drücken will, wenn ich mich anders um es kümmern darf, bange. Sie machen mir auch bange. Nehmen Sie mir's nicht übel. Ich kenne Sie ja, seit Sie auf der Welt sind." „Na, na!" „Ist dem nicht so? Und Sie waren mir immer ein Wesen, dessen Entwickelung ich gerne beachtete. Nun mein' ich, Ihr Talent könnten Sie ja auch als Frau Assessor Spindler ausüben, ohne als die Gattin dieses correcten, wohlhabenden Herrn bei jedem Pinselstrich besorgt zu sein, ob er sich auch bezahlen würde. Der Assessor wird guten Weg machen. Ueber's Jahr wird er gewiss Regierungsrath sein. In etlichen Jahren Geheimer. Und ein Frauchen wie Ti« kann ihm in jeder Beziehung nur zum Vor- theil gereichen. Er weih das, er scheint Sie zu vergöttern, und so wird er Tie mit Vergnügen auf Händen in ein pompös ein gerichtetes Maleratelier im eigenen Hause tragen, wo sie ganz zu Ihrem Vergnügen Ihre allerliebsten fleischfarbigen Putten durch graue oder andere Wolken kvboldfen lassen können und was muth willige Phantast« noch sonst Ihren geschickten Händen eingiebt." Sie hatte mit Ungeduld zugehört und ihre Antwort klang gereizt: „Hat der abgeblitzte Assessor den einflussreichen alten Freund um Unterstützung gebeten?" „Mit Nichten! Aber ich finde mich nun einmal nicht in diese Selbstständigkeitsloelleitäten. Ich kann mich nicht mit der Vor stellung befreunden, meines verehrten Wesselbrunn Tochter in dec Bohöme zu wissen." „Hat Ihr Beamtenstol'z kein freundlicheres Wort für freie künstlerische Thätigkcit, Herr Lanvrath?" „Für die freie Thätigkeit? O ja. Aber keins für die freie, oft allzu freie Lebensführung, die sich so gern der Kunst gesellt, und manck-em ihrer Jünger, besonders heutiger Zeit, wichtiger erscheint als sie." „Und glauben Sie, dass ein Mädchen meiner Herkunft, meiner Erziehung vor solcher Gefahr nicht gefeit ist, auch nxnn es durch feinen Beruf genöthigt wird, als Künstlerin mit Künstlern zu verkehren?" „Ja und nein." „Was soll das heißen?" „Soll heissen: es kommt eben Alles auf den Anfang an. Nicht nur die guten Gedanken, auch der böse Feind kommt über Nacht . . . und er kommt rascher, als man glaubt, sowie man nur aus Leichtsinn oder Uebermuth die Thür offen läßt. Der erste Anfang entscheidet. ?rinoipiis obsta! Zu Deutsch: Dor allem Anfang nimm Dich in Acht! oder wie unsere Altvorderen an schaulich sagten: Gieb dem Teufel nur den kleinen Finger, und er hat schon die ganze Hand . . ." Nanda besah lächelnd ihre wohlgeformtrn Finger, einen nach dem anderen, und sprach: „So soll ich dem Teufel, will sagen den Menschen, immer nur die geballte Faust zeigen?" „Nein", antwortete Wendtwalt, „Sie sollten Ihr« Hand zum Bund für'S Leben in die eines tüchtigen, ehrlichen Mannes legen, drr Sie, und wenn Sie tausend Bilder malten, vor aller Zigeunerei und deren Folgen bewahrte. Wären Tie mir gleich- giltig, wäre mir nicht bange um Sie . . . Verzeihen Tie mir also die Philisterei. Ich habt nun einmal den altväterischen Schauder vor Allem, waS nach unregelmässigen Verhältnissen auSsieht." „Ich auch!" antwortete sie fest und stand aus dem tiefen Sessel auf. „Aber muß ich deswegen mich an einen Gecken und Streber wegwerfen, wie dieser näselnde Tpindler ist? Und wenn mir das Waffer bis an die Kehle ging«, ich würde nur
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite