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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.01.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000115021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900011502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900011502
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-01
- Tag 1900-01-15
-
Monat
1900-01
-
Jahr
1900
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Abend-Ausgabe Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 91. Jahrgang. 2b Montag den 15. Januar 1900. Sache ab! Feirilletoii n! Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhr, di» Abend-AuSgabe Wochentags um S Uhr. Leipzig, «ipztg. ildung des Boerenlager ist auf eine Tagen hin. landers mit während der geschleudert. Durban rren habe olonne ver- ht, daß eine fand gestern a i s e r und iplomatische t die DiS- hetti von vent Pel- l „Torrieu lcreke Lhat- eau" meldet ewellyn vier Meilen ;r errichtete hen Kreisen General doch hatte darüber. ildung des rath der >ren Sitz in : der Bank, >em darüber st gegen die in London Keuter'schen n Kriege daß kleine >ranje-Frei- eilungen in leSberg sind l für große rder in der lvärtig eine nahmen ge- ,» Resultat Krüger in welchem ache müsse i die ersten chsmith am eligen Leib- Altleri, r i vat- Buller rzwang sunden. tnangriff rsch, um ehe« und zu «bek iff statt- itere stnd eau" meldet hält sich seit uf den ent- der Boeren im Kriegs eine Snt- hat. seute die in lwünsche i der Papst St. PeterZ- cnde, ganz n« Epoche ihre Sorgen Dar Blatt t Vorzeichen hoffen, daß ; anbrechen tchen werde. ruSwärtigen :S Schiff , und daß sstschm Re in russisches r beschlag- Reuter'schen Telegramm iche Ge iland von >es Swazi- Engländer ia gebracht. cheS Gebiet. >eS Landes, nbaam, eine sie Lebens- riabai auS- Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Sorttm. Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgab«: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Anzeigeu-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactivnssrrich (4 ge spalten) 50^, vor den Familiennachrichteu (ögrfpalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Lobellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Lr-artion und Lrve-itioa: Johanni-gaffe 8. Lie Elprdition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Die ganze Hand. Roman von Hans Hopfen. pt.ichdruck verrott». So hatten sie die letzten Schritte schweigend bis zum Wirths- hause zurückgelegt. Immanuel wußte selbst nicht recht, warum rr noch neben Jenem herging. Harte, hitzige Worte wollten in ihm aufwallen, und auch er dachte daran, ob es nicht das Ge scheiteste wäre, die Antwort auf solche Vorwürfe dort drinnen cor den Genossen zu geben. Bald aber sagte er sich: Wozu? Der Chorus würde ihm nicht Gerechtigkeit wiederhallen. Gin nie gefühlter Etel vor der ganzen Gesellschaft, sammt ihren Führern, packte ihn auf einmal und, an der Thür angelangt, wollte er sich mit stummem Gruß mtfernen. DaS aber hätte dem Tribunen schlecht gepaßt, der sich mittler weile im Gehen seinen oratorischen Plan fertig gestellt hatte und darum biedermännisch ausrief: „Na nu, Genosse Winkler, übel nehmerisch dürfen wir untereinander doch nicht sein. Freie Meinung, freies Wort in Ehren allüberall gegen Feind und auch gegen Freund!. . . Daß Sie meine Meinung wurmt, begreife ich, aber deswegen können wir doch ein Glärlein Bier miteinander trinken. Bitte, einzutreten. Er machte wie ein gastlicher Wirth die Honneurs auf dem Schwellenstein, und der jüngere, gut erzogene Mann hätte eS wie eine Unart empfunden, wenn er sich dem also Ladenden versagt hätte; darum schritt er voraus hinein, obschon ihm Verdächtiges schwante. Aber er war auf irgend einen Angriff gefaßt. Er brauchte auch nicht lange darauf zu warten. Der mit Jubel empfangene Festgebrr gebärdete sich al-bald wie Einer, der inneren Unmuth besiegen möchte, mit diesem Vorsatz aber beim besten Willen nicht zu Stand« kommt. Der Unmuth war stärker als sein bester Will«. Dom DankeSgefühl gegen seine Genossen überfließend, wollte er doch nur Denen danken, die ehrliche, reinliche, zielbewußte wären, nicht Denen, die sich inS Schafsfell der Arbeiter steckten, innerlich aber Wölfe gebliebn wären, und je eher je lieber mit den kapitalistischen Blutsaugern heulen möchten. Der Beifall, der auf diese Worte au-brach, schien die Wände de- Wirth-local- sprengen zu wollen, und Winkler merkte be« Immanuel fuhr dicht unter seinem Feinde stehend, diesem in die Nase zu reden fort: „Wer Begabung und Kenntnisse be sitzt, darf aus der Menge hervorragen, wer für Viele arbeitet, darf Anspruch auf der Bielen Achtung erheben, wer für Viele geduldet, hat ein Recht erworben, auf Dankbarkeit. Und so un gerecht es wäre. Sie, mein hochverehrter Herr Genosse, weil Sie ein Landhaus, eine Fabrik und waS weiß ich noch besitzen, einen von den Capitalisten und Blutsaugern zu schimpfen —" Der Tribun und sein Adjutant hatten einander verständniß- innig angeblickt: Diese Wendung der Unterhaltung wurde ge fährlich. Dafür gab man kein Freibier aus. Darum kam Winkler nicht dazu, die so boshaft angelegte Periode zu vollenden. Mit wie aus einer Trompete geschmettertem: „Hinaus mit dem Streber! Hinaus mit dem Wolf im Schafspelz! Hinaus!" rannte der Helfer die Nächststehenden bei Seite oder schob sie mit sich auf den Redner los. Im nächsten Augenblicke schrien drei, alsogleich dreißig und zehn Sekunden später der ganze tobende Saal: „Hinaus Winkler! Hinaus!" Alles drängte gegen diesen und mit ihm gegen die Thür. Fäuste reckten sich, Ellenbogen stießen ins Gewühl, das sich immer fester zu einem wilden Menschenknäuel ballte. Der Abgeordnete sprang seitab vom Tische und schrie in den Lärm: „Es lebe die wahre, die echte, die unverfälschte Social demokratie! Freiheit! Gleichheit! Brü—" Und noch ehe er das dritte Wort zu Ende hatte hören können, stand Immanuel Winkler auf der Landstraße, während drinnen die Hochrufe auf die drei Symbola der Revolution kein Ende nehmen wollten und sein zerknüllter Hut ihm durchs Fenster vor die Füße flog. „Abgesägt und abgeworfen, fauler Streber!" tönte eS un sichtbar durch die Luft. Die schmetternde Stimme mochte die des FamuluS des Führers sein. Winkler raffte sein Hütchen auf. Also hinterrücks wollte er sich nicht abthun lassen. AIS er Miene machte, das Haus noch einmal zu betreten, um sich zu ver- theidigen, streckte sich ein Dutzend geballter Fäuste auS der Thür. WaS wollte er? Sich von der Mehrzahl verdreschen lassen, sich die Knochen zerschlagen lassen, wie der beliebte Ausdruck lautete? Da er sich noch in seiner Wuth besann, erscholl von drinnen taktfest vorgetragen das bekannte: Wer hat dich, du schöner Wald Aufgebaut so hoch da droben? Mit diesem zahmen Wander-CantuS sollte Wohl eindringlich bewiesen werden, daß hier nicht etwa »ine politische Dersamm- tixMr.TlWMt Anzeiger- Amtsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes «nd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Extra»Veilatzen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesürderung 60.—, mit Postbrförderung 70.—. Bezugs-Preis io der hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus- gaorstellea abgrholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau- » 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich ^l 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung in< Ausland: monatlich 7.50. reitS, daß seine Stimme keinen von diesen Bierleckern hypnoti- siren werde. „Es ist", fuhr der jetzt auf den Tisch gehobene Führer don nernd fort, „nicht Jeder ein Arbeiter und Arbeitergenoß, der sich Schwielen an die sonst rdohlgepflegten Hände schminkt, und in seiner reichlichen Garderobe einen alten Rock hervorsucht, wenn er unter uns zu erscheinen geruht. Und es ist nicht Jeder ein Märtyrer unserer heiligen Sache, der, weil er zu keinem anderen Berufe taugt, in einer unserer Redaktionen unterkriegt und gegen reichliche Bezahlung den Strohmann abgiebt. ... Ich warne Euch, meine wahren Freunde, vor solchen Wölfen im Schafspelz. Es sind ja manchmal recht begabte, recht unter nehmungslustige Leute, stimmt schon, aber Wölfe sind es doch, keine menschenwürdige Genossen, hungrige, freßsüchtige Wölfe, die sich nur zu dem Ende bei Euch einschleichen, um als Re dakteure, Emissäre, Delegirte und dergleichen Euer Geld oder al» Abgeordnete Eure Stimmen zu ergaunern. Ausbeuter find'S, genau wie die Andern, nein, unehrlichere, hinterlistigere, und sie gehören nicht zu unS, und wir wollen sie nicht dulden." „Nein! Nein!" brüllten die vom Gesangverein, und sahen rechts und link«, wen der Redner wohl meinen möchte. Der fühlte, daß es nun an der Zeit sei, dem wachsenden Groll sein Ziel zu zeigen und mit dem Manne, der ihn geärgert hatte, und von dem er sich für die Zukunft keines rechten Gehorsams versah, auf einmal abzurechnen. Er rief mit erhöhter Stimme: „Da ist unser werther Genosse Winkler, der vor Kurzem eine längere Haft in Plötzensee abgesessen hat . . ." „Hoch Winkler!" brüllten die Sänger; aber der Adjutant des Redner«, der dessen Absichten besser verstand, zischte laut in das Vivat, und mit betroffenen Gesichtern schauten die Leute bald ihn, bald Winklern, bald den Tribunen an. Dieser fuhr fort: „Der geprüfte Mann dort wird mir Recht geben, daß solche Leute unter un» sich einschleichen, die weit weniger auf da« Wohl des Ganzen, als auf ihren persönlichen Vortheil bedacht sind. Nicht wahr, Herr Winkler?" Der Redner grinste schadenfroh in de« Angerufenen Gesicht. Immanuel aber benutzte die Kunstpause, um sich rasch vor den Tisch, darauf Jener stand, zu drängen und mit gleich lauter Stimme zu entgegnen: „Da Sie die Frage an mich persönlich richten, so antworte ich Ihnen mit gutem Gewissen und in aller Anwesenden Namen: Hier ist kein Schleicher, kein Heuchler, kein Streber!" . . . „Bravo! Hoch Winkler!" brüllte e« von allen Seiten zu stimmend, während der Tribun sich blo« vor Hohnlachen schüttelte. lung einen mißliebigen Genossen gerichtet, sondern lediglich eine harmlose Liedertafel ihr Hausrecht ausgeübt habe. „Komödianten!" sagte Winkler, spuckte gegen das windschiefe Wirthshäuschen und ging seiner Wege, die Zähne auf den Lippen, die Faust im Sack. — Er wollte Genugthuung für den Schimpf, er wollte Rache habcn für den treulosen Ueberfall. Tagelang ging er umher wie der brüllende Löwe. Er verfaßte eine Klageschrift an den Parteirath, einen Zeitungsartikel gegen die wahren Ausbeuter des Proletariats. Es that ihm wohl, seinem Zorn die Zügel schießen zu lassen. Als er aber damit nahezu fertig war, sagte er sich selbst, daß er nichts Anderes damit erreichen würde, als daß ihn der Parteirath, von den Machthabern beeinflußt, würdevoll maßregelte und die Zeitungsleser ihn schadenfroh auslachten. Da waren keine Leute, die Genugthuung gaben, da waren keine Instanzen, die ihre Zeit damit verloren, dem Gekränkten Recht zu verschaffen. Er hatte sich ja mit heiliger Ueberzeugung in eine Gesellschaft begeben, wo man nur einen gemeinsamen Feind kannte: das Bllrgerthum und die herrschende Elasse, im klebrigen Jeder für sich nach Geltung rang und cs sich selber zuzuschreiben hatte, wenn ihm diese Geltung versagt blieb. Mit dem empfindlichen Ehrgefühl der alten Schule war hier nicht durchzukommcn. Wenn überhaupt, so gab's in seinem Fall nur eine Rache, nur eine Genugthuung, nur eine Rehabilitirung: den Genossen und ihren Führern durch eine frische That, durch in die Augen springendes Wirken zu beweisen, daß er keiner von Denen sei, welche man mißachten dürfe, wohl aber einer von Denen, mit welchen man rechnen müsse. Darum weg mit aller Sentimentalität! Zu jenem Ziele konnte nur Sammlung und Vertiefung führen, nur emsiges Ar beiten und schießhündische Achtsamkeit auf die erste gute Gelegen heit, sich Hervorzuthun. Die erste gute Gelegenheit! Ja, wo war sie? Wer zeigte sie ihm? Sie durfte nicht verpaßt werden. Aber bi« sich diese zeigte, war er der Abgeworfene, AuS- gestoßene, Unnützbefundene. Und al» solcher wollte er Niemand unter die Augen treten. Den Genossen schon gewiß nicht! Aeh, ihn ekelte vor den Genossen, mochten sie ihn au-lachen oder mit offenen Armen empfangen. So oft er an sie dachte, sah er dte urtheilSlose Meute vor sich, die in einem Äthern ihn begeistert hochleben ließ und entrüstet zur Tbür hinau-drLckte, ft nachdem der EchSser« knecht seinen Wink erließ. Haudel-beziehungen zum AuSlande für eine längere Periode so zu ordnen, wie dies im Interesse der deutjchen Industrie und der deutschen Landwirthschaft liegt, so werden die in Bezug auf dir Tragung der Kosten der Fürsorge für Wittwen und Waisen der Arbeiter bestehenden Bedenken wesentlich abgeschwächt sein und man wird eher, al- dies jetzt der Fall ist, an die Krönung deS socialpolitischen Gebäude- herantrelen können. Zur Zeit wird man sich damit begnügen müssen, diesen Plan in die Reihe der gesetzgeberischen Aufgaben de» Reiches gerückt zu haben. Mit der Ausführung wird so lang« zu warten sein, bis der richtige Zeit punkt gekommen ist." Mit dem Verlaufe der Verhandlungen deS preußischen Abgeordnetenhauses über die Matzregelung von politischen Beamten weiß die Presse nicht viel anzufangen. Doch überwiegt die Meinung, daß man einen Sieg der konservativen zu verzeichnen habe. Thalsache ist, daß die Regierung sich sehr friedlich gezeigt hat, bei näherem Zusehen findet man aber auch, daß die conservative Partei verhäliniß- mäßig maßvoll ausgetreten ist; ihr Hauptredner, Herr v. Köller, ist — physisch gemeint — vielfach nickt verstanden worden. Im stenographischen Berichte finden sich zwar selbst verständlich alle Schärfen, die man vernommen hatte, aber daS Ganze sieht gemüthlicher aus, als Einzelheiten sich angchört hatten, und es kommt hinzu, daß Herrn v. Köller's Vorliebe für scharf zuAespitzte Apper^uS seit Langem bekannt ist und immer geschätzt war. Seine im wahren Sinne deS Worte» „blutigen" historischen Reminiscenzen, die Hinweise auf die Schicksale Strafsord'S und Polignac'S, werden vielfach der Eigenthümlichkeit deS Redner» zugeschricbea. Jedenfalls können sie, wie fast überall hervorgeboben wird, sinngemäß nicht als auf die Minister gemünzt angesehen werben, und in Bezug auf ihre eigentliche Adresse erinnert man sich, daß Herr v. Bennigsen, als er vor wenigen Jabreo dringenden Anlaß fand, im Reichstage die Abkehr von dem constitutionellen System zu bedauern, mit einer warnenden Erinnerung an den AuSgana Napoleon'S III. nicht zurückhielt. Nur die abstraktere AuSdrucksweise des damaligen nationalliberalen Führers bat es verhindert, daß seine Mahnung dasselbe Aufsehen erregte wie die geschichtliche Parallele des rednerisch mehr aus populäre Wirkung angelegten Herrn v. Köller. Wahrschein lich wird auch dessen Rede in sehr kurzer Zeit zu den ver gessenen Dingen gehören. Als Symptom behält aber der Verlauf der letzten Interpellations-Besprechung seineBedeutung. Näher auf die Canalfrage einzugehen, haben alle Redner, außer den conservativen, vermieden. Formell mit Recht. Enthielt die Interpellation doch eine staatsrechtliche Frage, die nach der verfassungsmäßigen Zulässigkeit der Zurdispositionstellung von Beamten, welche in einer von der Regierung als politisch angesehenen Angelegenheit gegen dib Regierung gestimmt hatten. Aber schließlich drehte sich doch Alle» um den Canal, allerdings nicht sowohl um die Wasserstraße vom Rhein zur Elbe an sich, sondern weil die Auffassung der Regierung, daß die Frage deS CanalS eine hochpolitische geworden sei, wichtig ist — eine Entwickelung, an widerte: „Majestät, ich halte dafür, daß da- Volk durch »ine scharfe parlamentarische Rede eher beruhigt wird". Darauf bemerkte der Kaiser: „Im Gegentheil, Sie können eher durch eine solche scharfe Rede Beunruhigung Hervorrufen", vr. EtranSky: „Wenn das Volk sieht, daß seine Vertreter feiner Gesinnung Ausdruck verleihen, so greift eS nicht zu schärferen Mitteln und überläßt dies seinen Abgeordneten, in der Ueberzeugung, daß feine Interessen gut vertreten seien. Hierdurch wird im Lande eher Be ruhigung hervorgerusen." Hieraus sagte der Kaiser: „In der 2cko-Frage bin Ich mit Ihrem Standpunkt unversöhn» lich, und Ich bin im Stande, daS Standrecht proc!a» miren zu lassen, wenn sich das Volk in dieser Sache nicht fügt. In Armee-Angelegenheiten kenneJch keinenSpaß, und Ich sage Ihnen schon heute, daß Ich Niemanden amne- stire n werde", vr. Stransky vertheidigte nun den Standpunkt der Tschechen, worauf der Kaiser entgegnete: „Das Volk ist auf gehetzt. DaS hat die Intelligenz gemacht. Der Anfang ist in der Tischnowitzer Affäre Trbal geschehen." vr. StranSky: „Wollen mir Eure Majestät eine Bemerkung gestatten. ES ist wahr, daß die Intelligenz angefangrn Hot. Aber sie ist es auch, der die Gesetze zugänglich sind. Die Gesetze schreiben nicht vor, daß die Reservisten sich mit „Hier" zu melden haben, sondern Laß sie vortreten und ihre Pässe abgeben." Darauf sagte der Kaiser: „Herr Doktor, das ist ein Advocaten-Argument. Aber Ich sage Ihne», daß die» eine Angelegenheit der Dienstsprache ist, und diese ist in der Armee die deutsche." Vr. Stransky: „ES könnte ungünstige Folgen haben, wenn nicht ein Ausweg aus dieser Affäre gesunden wird und wenn den Empfindungen deS tschechischen Volkes nicht ent gegengekommen würde." Der Kaiser erwiderte: „Ich würde dies bedauern, aber Ich kann Ihnen nochmals sagen: daß Sie die Armee in Ruhe lassen!" — Hieraus lenkte der Kaiser das Gespräch aus andere politische Fragen und appellirte an vr. Stransky, auf die Verständigung zwischen Tschechen und Deutschen hinzu- wirken, vr. EtranSky erwiderte: „Wir zeigen ohnehin mehr Entgegenkommen, als mit unserem Standpunkte vereinbarlich wäre. Aber von anderer Seite geschieht nichts, und deshalb wird die Schuld nicht an un» sein, wenn der Verständigung-Versuch nicht gelingt." Ter Kaiser entgegnet«: „Er muß gelingen, die Verständigung ist daS Einzige, waS eine bessere Zukunft verspricht." Eine so scharfe Sprache hat der Kaiser von Oesterreick noch nie geführt. Er bat stets in versöhnlichen: Sinne ge wirkt, in nationalen wie in konfessionellen Fragen, obwohl es ihm in letzterer Hinsicht mitunter sckwer geworden sein mag, und deshalb hat man in tschechischen Kreisen geglaubt, auch in Armeeangelegenheiten verstehe der Kaiser „Spaß". Man ist jetzt in sehr energischer Weise eine» Besseren belehrt worden. Kaiser Franz Joseph ist nicht der willen lose Spielball, für den die WenzelSjöhne ibn ge halten. Sie habcn eS mit ihren Wühlereien in der Armee, auf welcher der Bestand de» TonaustaateS ruht, bei dem Monarchen gründlich verdorben. Aus jedem seiner Worte merkt man heraus, daß er mit seinen Sympathien durchaus nicht auf Seite der Tschechen ist, und daß ihre KampfeSweise ihn mit Widerwillen erfüllt. Hoffentlich leitet sich hieraus , ein Umschwung in der Behandlung der Sprackenfrage durch lung unserer Zoll- und Handelsverhältvisse zum Aus-I Inhalt und diese soll auch nicht gleichlgiktia für die Be- land. bevorsteht. Ist «S, wie zu erhoffen steht, nach Ablauf der »rtheilung der Chancen jener Angelegenheit sem. Wie man jetzt geltenden Handelsverträge erst gelungen, unsere Zoll- uvd un? wenigstens von unbefangen und ruhig beobachtender Seite aus Berlin schreibt," bat die Resignation der Canalfreunde seit dem 1l. Januar beträchiliche Fort schritte gemacht. Die Tonart der Regierung wird so auSgelegt, daß die Differenz zwischen Regiment und Canaloppofition viel von ihrer Scharfe eingebüßl habe und kaum mehr in einen Conflict oder in einen conflietäbn- lichen Zustand hineinsübren werde. Der Hauplstüypunct für diese Vermittlung ist aber nicht die jüngste parlamenta rische Erörterung, sondern eine Thalsache. Die Canalvorlage, die kommen wird und kommen soll, wird etwas von der abgelebnten Canalvorlage, man kann sagen, fundamental Verschiedenes sein. Das „Leipz. Tageblatt" hat aus diesen Umstand als einen politisch bedeutsamen schon oft hinge- wiesen und die von unserem Blatte gezogene Folgerung, daß durch die Erweiterung und Umwandlung des Entwurfes die Canalopposinon nachträglick materiell gerechtfertigt worden sei und ihre Träger logischerweise formell rehabilitirt werden müßten, beginnt jetzt, nach der Donnerstags- Debatte, auch in canalfreunvlichen preußischen Blättern Eingang zu finden, damit aber auck dir Veringerung der Hoffnung, daß der Mitiellandcanal, der als selbst ständiges Unternehmen gescheitert ist, in Begleitung anderer Wasserbauprojecte zum Ziel gelangen werde. DaS Sckiff, das ihn ans Land dringen soll, dürfte jetzt zu viel Ballast ausgenommen haben. Man weiß noch nicht, was der gesammle Wasserbauplan kosten soll, aber eS wird viel, außerordentlich viel Geld verlangt werden müssen. Tie Canalgegner haben bekanntlich von Anfang an das finanzielle Bedenken in den Vordergrund gesckobenj gegenüber einer ge waltigen Verstärkung dieses Bedenkens dürfte mancher Canal- gleickgiltige sich zur Opposition schlagen, und wenn wir die eine und die andere liberale Preßstimme recht verstehen, so kommt auch bei manchem Canalsreunke die Ueberzeugung: das ist zu viel, das geht nickt. Eö wäre nickt sehr zu verwundern, wenn die dem Mittellandkanal in Gestalt zahlreicher und be deutender anderer Projekte beigegebene Begleitung die Mör derin des ersten Planes würbe, oder — und daS ist sogar Wahrscheinlicker — wie ein lang wirkendes Schlafpulver auf das Mittellandcanalprojeck wirkte. Es kommt hinzu, daß die breite und tiefe Erörterung dieses Planes die Blicke mehr als je aus Vie dringliche Verbesserungs- bedürfligkeit bestehender Wasserläufe gelenkt und weiten Kreisen das Verlangen nahe gelegt hat, die recht ungeheueren Schäden, die saft alljährlich — merkwürdiger Wene auch vor den Thoren Berlins — durch uncorrigirte Gewässer ver ursacht werden, hintangehalten zu sehen, ehe man an den Bau neuer Wasserstraßen geht, deren Nutzen allerdings kaum zu bezweifeln ist. Die Klage über daö ckamnum emer gens wird die über das lueruw cessuus wahrscheinlich über tönen. Anläßlich deS CercleS, Weicker dem vorgestrigen DelezationS- Diner folgte, äußerle sich Kaiser Kranz Josef im Gespräche mit dem tschechischen Abg. vr. Stransky in sehr ent schiedener und scharfer Weise über die Armecsprache — und dre 2cke-Frage. Zwischen dem Kaiser und dem Abg. vr. Stransky entwickelte sich der „N. Fr. Pr." zufolge daS folgende Gespräch: , „ — „ . . - Der Kaiser sagte zu vr. Stransky: „Sie haben beim Heeres-I Rälhe der Krone zu Gunsten der gerechten deutschen Budget eine sehr scharfe Rede gehalten", vr. EtranSky Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. Januar. Die zweite Lesung de» Etats de- ReichSamtS deS Innern schleppt sich im NcichStage so langsam hin, daß man auf die Vermutbung kommt, die ausschlaggebenden Par teien suchten die Besprechung der Interpellation wegen der von englischer Seite beschlagnahmten deutschen Schiffe so lange hinzuzögern, bis der Reichskanzler eine befriedigende Auskunft geben kann. Fällt die Antwort dann wirklich be friedigend aus, so wird man auck die Verzögerung sich gefallen lassen können. Andere Früchte bringt sie freilich kaum. Auf die langen Wunschzettel, die dem Staatssekretär dieses ReichSamtS Überreicht werden, antwortet er so entgegenkommend wie möglich, fügt aber fast stets der Versicherung, daß die Anliegen der Redner wohlwollend geprüft werben sollen, eine oder die andere Einschränkung hinzu, aus der fick ergiebt, daß daS HauS noch lange warten kann, bis eS einen der angeregten Gesetzentwürfe zu sehen bekommt. Daß auch der am Freitag mit starker Mehrheit angenommene Antrag Stumm ans reicbSgesetz» liche Fürsorge für Wittwen und Waisen der Arbeiter vorläufig eine positive Folge nicht haben werde, bat Graf PosadowSky schon während der Debatte erklärt. Eine nachträglich ofsicivsc Kundgebung begründet nochmals den Standpunkt der Reichsregierung, läßt aber deutlicher, als die Erklärung des Staatssekretärs die- tbat, erkennen, baß die Reichsregierung der Anregung wohlwollend gegen- überstcbt und ihr im geeigneten Zeitpunkte Folge zu geben ernstlich entschlossen ist. Die „Berl. Pol. Nachr." schließen nämlich eine längere Auslassung über den Antrag folgender maßen: „Mit der Annahme dieses Antrages durch den Reichstag ist angesichts der grundsätzlich zu stimmenden Stellungnahme der RcichSregierung die mit Recht als Krönung deS social- reformatorischen Gebäudes bezeichnete Fürsorge für Wittwen nnd Waisen der Arbeiter rndgiltig in den Kreis der auf diesem Gebiete dem Reiche gestellten positiven Aufgaben gerückt und unsere Arbeiterschaft hat damit die Sicherheit erlangt, daß das Reich sich der Lösung dieser Aufgabe unterziehen wird, sobald dazu die richtige Zeit gekommen ist. Aber man wird dem Staatssekretär im Reichsamt des Innern darin beipflichten müssen, daß dieser Zeitpunkt noch nicht erreicht ist. Schon die Nothwendigkeit, zunächst die noch ausstehende Revision der Unfall- und Krankenversicherung zum Abschluss« zu bringen, verbietet eine sofortige Inangriffnahme eines so großen gesetzgeberischen Planes. Aber man wird auch nicht so leicht über die Be- denken hinsichtlich der Möglichkeit einer Beeinträchtigung unserer Concurrenzfähigkeit auf dem Weltmärkte hinweg- gchen können, wie dies von einigen Rednern im Reichstage ge schehen ist. Die heimische Production, insbesondere die Industrie, hat noch nicht Gelegenheit gehabt, zu erproben, wie schwer die Kosten der socialpolitischen Gesetzgebung, deren Höhe ohnehin in stetem Wachsen begriffen ist, in Zeiten niedergehender Con- sanctur drücken kann, und eS ist jedenfalls mindestens gewagt, ohne Weiteres anzunehmen, daß die deutjche Industrie und Laudwirthichast weitere 100 Millionen Mark jährlich an Kosten I oer aber die herrschenden Kreise und die Canalfreunde dieser Art tragen können, ohne in ihrer Leistungsfähigkeit geschwächt I mindestens ebenso stark betheiligt waren, wie vie Canatgegner. zu werden. Es kommt hinzu, Laß in naher Zeit eine Neurege-1 Die Canalsache also gab der Debatte vom Donnerstag den
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