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I. BeilM W LehM Willlll M AUW Nk. KON, FlkitG U. NsoMer lSi>8. (MlW>MNbe.f Amtltcher Theil. Iu da» Güterrecht»re»tfter ist heut« «iugetragru wocdeu, dab ,wiiche» Herrn Felix Hugo Hrimerbinger, Fabrikant zu Leipzig, und iriner Ehegattin Frau Alma Pauline Bertha geb. tzest» durch Vertrag vom 27. November 1900 Bitterlrennung vereinbart ist. Leipzig, den 28. Nov-mber 1900. Königliche» Amtsgericht, Abth. IIS. Schmidt. Auf Blatt «045 de« Handelsregisters, die Finna W. Rcuschütz in Leipzig bete., ist heule eingetragen worden, daß der bisherig« Inhaber Herr Theodor Friedrich Hauler antgeichieben und nun mehr der Kaufmann Herr Otto Paul Einst Kretzjchmar in Leipzig Anlmber der Firma ist, daß er ober nicht für die im Betrieb» de» üle'chüst» begründeten Verbindlichkeiten deS bisherigen Inhaber» haltet, daß auch nicht die im Betriebe begründeten Forderungen auf ihn übergehen. Leipzig, den 28. November l900. königliche» Amtsgericht, Abth. HL. Schuir bt. Auf Blatt 2927 de» Handelsregister-, die Firma Hecht L köppe in Leipzig betr., ist heute eingetragen worden, daß der Kaufmann Herr August Wilhelm Lscar Schuman» in Leipzig die Gesellschafter unmündige Geschwister Schumann nicht mehr als Vermögens beistand vertritt, sondern als Gejellschaster in dir Gesellschaft eiu- getreien ist. Leipzig, den 28. November 1900. kölliglichc» Amtsgericht, Abth. IIV. Schmidt. Neber da» Vermögen deS Handelsmanns Johullll Friedrich Scg r, Inhabers eines Handel» mit Lchneiderarukeln iu Leipzig, Markt 10, ist heute, am 28. November 1900, Nachmittags '/,5 Uhr, da» KoukurSversohren erösjnet worden. Veiwalter: Heir Nechtsauwalt HanS Barth in Leipzig. Wahllermin am 17. Dezember 1900, vormittags 11 Uhr. Anmeldesnst bi- znm 29. Dezember 1900. Prüfungstermin am 10. Januar 1901, vormittag» ll Uhr. Offener Arrest mit Anzeigepflicht bis znm 28. Dezember 1900. königliches Amtsgericht Leipzig, Abt. II ä?, den 28- November I9Ö0. Bekannt gemacht durch den Gerichlsjchreiber Sekr. Beck. Sonnabrnd, den I. Tezembcr IVOV, AormittagS IL Uhr sollen in L.-Nenstadt 4 Stück vnchdrncki'chnellprrsse» mit Tampsbctricd »sfentlich gegen sofortige Baarzahlung versteigcrt werden. Berjammlungeort: Kaijerhallen. Lcr Gcrichrsvvllzlchcr beim Kgl. Amtsgericht. Vc> stcigcrmig. Montag, den :r. Dezember öS. As., LormittagS LI Uhr sollen im Grundstücke Fregestrasze Nr. 5 (im Stalle) zwei Kühe versteigert werden. Leipzig, den 29. November 1900. Lcr Gerichtsvollzieher beim Kgl. Amtsgerichte. Sekr. Trauer. Versteigerung. I» einer Streitsache bin ich bcuust°aat, cin Pferd, brunnc Ttnte, ösfrotlich zu versteigern. Die V riteigerung erfolgt Loniiubriid, den 1. Tcccnibrr ar., Nachm. 2", Uhr im Grunvsuick Lüdstrnsze Nr. 72, hier. Leipzig, 28. November 1900. Uuxo Dlieile. König!. Sachs. Notar. Wci»-Nachlasi-2luctiou. Dienstag, den 4. Dcccm-er. vormitt. von LV Uhr an sollen im Stnöt. Lagerhsfe, Ätüchrrplut; Nr. 3, Eingang von Georgiring 17 dir NestbeiiLnde d?S zum Nachlasse de» 1891 verstorbenca Hülelier« Timpe gehörigen Lüdin-LngerS, bestehend in ca. 3000 Flaschen div. Rolh- und Wcisiwciuc, Cyalilpügncr rc. öffentlich versteigert werden. Franke, Lokalrichtrr. Die Gcmeiude Schönefeld sucht eine 1ü- bis 20pserdige Lokomobile und 1 Eentrifugal- pumpe von 2000—3000 Minutcn-Litcr Le.stuugriahigkeit zu Bornnhine eines mehrwöch gen Piiniprerfuct s zu leihen und erbittet Angebote bis zum 5. Lrzcmbcr v. I. Angebotsverzeichnisse übersendet auf Verlangen das Gemeindeamt zu Schönefeld. Ferasprech-Ailichlub Nr. 179. (Fortsetzung au» dem Hauptblatt«.) (2 raagermLud«, 29. November. (Telegramm.) An» Anlag der feierlichen Enthüllung de» vom Kaiser der Stadt Tangermünde geschenklrn Standbild«» Kaiser Karl» IV. war au» der ganzen Altmark eine große Menschenmrnge hierher zusammengeströmt. Die Stadt hatte Flaggenschmuck angelegt. Da» Denkmal erhebt sich auf dem äußeren Burg höfe zwischen den Resten der hoch am Eibufer gelegenen Burg unter dem noch wohlerbaltenen Capiteltburme mit der Frout nach dem Flusse, wo ein« Pontonbrücke zum Anlegen de» kaiserlichen Dampfer» errichtet ist. Buntdewimpelte Schiffe um geben die Brücke. Ueber diese führen neu angelegte Doppel treppen hinaufzum Festplatze mit dem Kaiserzrlt« und derTribüne. Weit über da» jenseitige Flußufer schweift von hier au» der Blick. Lom Denkmale führt die mit Flaggenmasten, Guir- landen und Triumphbogen in gordischem Stil geschmückte Feststraße, deren Häuser ebenfalls reichen Schmuck zeigen, an dem noch erhaltenen Thurme de» Hühnrrdorfrr Tbore» vor über nach dem Markte mit dem alten gothischen Backstein baue de» Rathhause» und von dort weiter durch da» prächtige, vom Kaiser erneuerte Neustädter Tbor nach dem Bahnhofe. Schon frühzeitig ordneten sich die Innungen, Abordnungen, Fabriken, Vereine, Feuerwehren und Schulen der Start Tangermünde und der beiiackbarten Orte zur Spalierbildung. Der kaiserliche Sonderzng traf um 1»/, Ubr iu Haenierteu ein, wo sich Oberpräsivent v. Bött ichcr und General v. Kt itziug eingesunken hatten. Der Kaiser bestieg mit dem Kron prinzen unv Gefolge den Elbdampfer „Freya' und fuhr uach Tangermünde, wo der Dampfer um 2 Ubr 20 Mm. an der Landungsbrücke anlegte. Im Gefolge de» Kaiser» befinden sich ObrrhofmarschaU Graf Eulenburg, General adjutant v. Plesfen, der Chef de» Geheimen l^ivilcabiiut» vr. v. LucanuS, General v. Habnke, Viceadmiral v. Senden-Bibran, Oberslallmeistrr Gras Wedel, General major v. Mackensen, die Flügelavjutanten Oberst v. Pritzeiwitz und Corvettciicapitäu Grumme, sowie Oberstabsarzt vr.Jlberg. -s- Halle a/S., 28. November. Ter verantwortliche Redakteur des hiesigen socialdemokratifchen BolksblatteS, Will). Smienty, ist heute Vormittag auf Verfügung deS hiesigen Landgericht» in Haft genommen worden. Er soll sich der MajestätSbeleidigung durch ein im „Volks blatt" erschienene» Gedicht, überschrieben „Die Hnunen- mctaille' schuldig gemacht haben. Die betr. Nummer des .VolkSblatteS" wurde beschlagnahmt. Altenburg, 29. November. Der Landtag wurde heute Mittag vom Slaatömiuister von Helldorsf im Auftrage de» Herzogs erösfaet. Oesterreich-Ungarn. Die Landtage. * Wien, 29. November. (Telegramm.) Da» all gemeine Zuteressc der inneren Politik wendet sich den gestern jür den Anfang Tecember einberufenen Landtagen zu, deren Arbeit eine Probe auf die Tbätigkeit des neue» R-ickSialkS sein wird. Die Landesfinanzen aller Kronländer befinden sich in einem stark zerrütteten Zustande, dem durch eine» einheitlichen Zuschlag von zwanzig Hellern zur staatlichen Branntweinsteuer auf jedes Liter Alkohol abgeholsen werden soll. Natürlich müssen alle Landtage, vor Allem der böhmische, der den längsten Zeitraum zur Beralbung erhält, der Vorlage ihre Zustimmung ertheilcu. (Voss. Zlg.) Frankreich. Kammer: Lwcikampfe im Heere. * Part», 29. November. (Telegramm.) TieKammer beendigte beute Vormittag die Beralbung deS Budget» der Colonien und begann die Derathuug deS Budget» des Ackerbauministeriums. * Paris, 29. November. (Telegramm d. „Boss. Ztg.'.) Leutnant BremonddarS, der zweite Gatte der ge schiedenen Frau, dessen Versetzung in das 18. Dragoner regiment in Melun zu den bekannten Zwischenfällen geführt bat, schlug sich gestern mit seinem Regimentskameraden Viguoa auf Säbel. Beide Kämpfer wurden leicht ver wundet. Weitere Zweikämpfe sollen folgen. (Leutnant BremonddarS bat sich, wie erinnerlich, mit seiner Gattin standes amtlich trauen lasten müssen, da die kalbolische Kirche mit Rück sicht auf die Unlöslichkeit einer katholischen Ehe die Vornahme der Trauung einer geschiedenen Frau verweigerte. In Folge besten ist da» Ehepaar von den Gattinnen der Regiments kameraden gesellschaftlich geächtet worden. Red.) Marine. T Berlin, 29. November. (Telegramm.) Der Dampfer ,K»lu" mit den obgelösieu Maanschaftea der Schiffe de» Kreuzer- g-iet wader», Traatportsührer Oberleutnant zur See Petzel, ist am 28. November in Port Said elngetroffen und hat oa demselben Tag« di« Heimreise nach Wilhelmshaven fortgesetzt. Der Dampfer „Prinz Heinrich" mit dem FähnrtchtranSport für die Schaffe des Kreuzergeschwader«, Tran»vortsührrr Captiänleutnaat Llom.her, ist am 28. November in Eingaporr eiag-troffen und will am 29. November di« Neil« nach Hongkong sorisetzen. S. M. S „Moltke", Kommandant Fregatten-Lapitäa Franz, ist am 25 No vember voa Torfu nach Jaffa in Se« gegangen. S. M. S. „Tiger, Lommandant Eorvetten - Lavitäa von Mittelstadt, ist am 29. No- vember ia Tsingtau «mgetrvffru. Deutscher Reichstag. 88 Berlin, 29. November. Bei fast leeren Bänken erfolgte heute die erste Berathung deS Gesetzes über die privaten Dersicherungsunternehmungen. Da» Gesetz be schränkt sich vorläufig aus die Regelung der öffentlich-rechtlichen Seite der Versicherungen, die weiteren Einzelheiten sollen ein-r späteren Vorlage Vorbehalten bleiben. Der Gesetzentwurf wird jedenfalls in einer Commission eingehend geprüft werden. Mit dem Beginn der gesetzlichen Regelung der Materie erklärte sich zunächst Vr. Opfergelt vom Centrum und vr. Lehr im Namen der nationalliöeralen .Partei einverstanden, wenn auch namentlich der Letztere bereits eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der Regierungsvorlage empfahl. Auch der Con- servative Rettich gab seiner Befriedigung Ausdruck, daß der wiederholten Forderung deS Reichstages nach reich?-esetzlicher Ordnung des Versicherungswesens endlich entsprochen werde. Müller-Meiningen von der freisinnigen Volkspartei hatte am meisten an der Vorlage aus zusetzen, dir er als äußerst lückenhaft bezeichnete. Nach einer auf der Tribüne nahezu unverständlichen Rede des Abg. Schrader von der Rickert-Grnppe ergriff der Staats sekretär des Innern, Graf Posadowsky, das Wort zu einer ziemlich kurz gehaltenen Empfehlung der Vorlane; er bat die Commission, von weitgehenden Aendcrungen Abstand nehmen zu wollen. Nach einigen weiteren Reden der Abgg. CaIwer (Soc.) und Kirsch (Centr.) wurde die Vorlage an eine Commission von 21 Mitgliedern verwiesen. Morgen steht u. A. der Antrag Nintelen, betr. Berufung in Strafi'ck-n, auf der Tagesordnung. 10. Sitzung vom 29. November. Am BundesrathSlische befinden sich: G<-"s Vosad^wsly und Minister v. Rheinbaben. Das Haus ist schwach besetzt. Präsident Graf v. Valle st rem eröffnet die Sitzung um 1 Uhr. 4 Zur Berathung steht der Gesetzentwurf über die privaten Versicherungsanstalten. Abg. vr. Opfer gelt (Centr., schwer verständlich) hält trotz der anerkannten Solidität des deutschen privaten Ver sicherungswesens, mit Rücksicht auf die verschiedene Gesetzgebung der Einzelstaaten, eine einheitliche Regelung für dringend ge boten. Leider beschränke die Vorlage sich streng auf die öffeut- lich rechtliche Seite des Versicherungswesens; hoffentlich werde aber auch bald ein Gesetz über die gesetzliche Ordnung des Ver sicherungsvertrages folgen. Redner beantragt schließlich die Ueberwcisung der Vorlage an eine Commission von 21 Mit gliedern. Abg. vr. Lehr (natlib.) steht der Vorlage ebenfalls sym pathisch gegenüber, hat aber gegen einzelne Bestimmungen schwere Bedenken, deren Beseitigung er von der Commission erhofft. Redner erkennt namentlich an, daß die Aufsicht über das Versicherungswesen einer einzigen Ncichsbehörde übertragen werden soll, empfiehlt aber eine vorsichtige Auswahl bei den Stellenbesetzungen. Redner legt schließlich nahe, trotz der Stellung unter Reicksaussicht, den Versicherungsanstalten nickt den Charakter privater Unternehmungen zu nehmen und ihnen das jenige Maß vvn individueller Freiheit zu lassen, daS sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe brauchen. (Beifall.) Abg. Rettich (cons.) betont, so berechtigt die Forderung nach einem solchen Gesetz über die Privat-Unternehmen sei, so unberechtigt sei die Forderung, auch die öffentlichen Versiche rungsanstalten in dieses Gesetz aufzunehmen. Jedenfalls sei auch zu prüfen, ob eS angezeigt sei, den Anstalten zuzugestehen, einen Theil ihrer Reservefonds in Hypothekcnpfandbriefen an zulegen. Abg. vr. Müller- Meiningen (freis. Dolksp.) bespricht die Mängel des Entwurfes, der uns nur einen Schritt weiter führe auf dem Wege der Verstaatlichung und Monopolisirung. Hier bei dürfe man die Regierung nicht unterstützen. Der Haupt mangel sei die Nichtausnahme der öffentlichen Versicherungen in da» Gesetz; ein weiterer Mangel sei der, daß der Versicherungs vertrag nicht gesetzlich geordnet sei. Auch der Buntscheckigkeit werde nicht abgeholfen; sie bestehe in vielen Gebieten Weiler, namentlich auf dem Gebiete der Besteuerung und der Präventiv- controle bei den Feuerversicherungen. Der ganze Entwurf zeige Mißtrauen gegen die deutschen Versicherungsanstalten, wo nichls ein solches Mißtrauen rechtfertige. Ein Unicum sei es auch, daß die privaten Anstalten die Kosten deS AufsichtsamtS selber tragen sollen. Das Gesetz löse seine eine Aufgabe, den Schutz der Versicherten gegen fraudulöse Benachtheiligung, gut, bei seiner zweiten Aufgabe aber, der möglichsten Schonung der Interessen der reellen Versicherungsanstalten, bleibe der Com mission noch viel zu thun. Abg. Schrader (freis. Der.) bedauert ebenfalls, daß daS Gesetz nicht auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten ausgedehnt werde, so daß gerade die kommunalen und staatlichen Anstalten besonders begünstigt werden, obwohl es eine bekannte Thatsache ist, daß ihre Einrichtungen vielfach rückständig sind und daß sie sich nur halten können, weil sie ein Monopol haben. Es wäre ferner zu begrüßen, wenn auch die privatrechtliche Regelung des Versicherungsvertrages noch in dieser Session vorgelegt werde; dann brauche die gleiche Materie nicht mehrmals berathen zu werden. Staatssekretär Graf Posadowsky führt aus: Vor der Vorlage des Gesetzentwurfes mußten erst die handelsrechtlichen Verhältnisse geregelt und das bürgerliche Gesetzbuch verab schiedet werden. Die Regelung der öffentlich rechtlichen Ver hältnisse des Versicherungsvertrages und der Besteuerung der Versicherungsgesellschaften, sowie die normative Regelung der Steilung der öffentlichen Versicherungen sind die einzelnen Theils des Versicherungsrechtes. Wenn daher eine gewisse Rechtsein heit im Privatversicherungswesen geschaffen werden soll, so müssen auch diese Etappen eingehalten werden. Davon, daß ein Entwurf über den privaten Versicherungsvertrag aufgestellt sei, ist mir nichts bekannt; aber selbst wenn es so wäre, müßte der Entwurf so viel Instanzen durchlaufen, daß er dem Hause in dieser Session nicht mehr zugehen könnte. Bei der Teurtheilung des Entwurfes mußte die Schaffung der Freizügigkeit und Nechtseinheit berücksichtigt werden. Diese Forderungen gewährt der Entwurf, und die Versicherungsanstalten erklärten den Ent wurf für tolerabel. Redner wendet sich dann gegen einzelne im Laufe der Debatte erhobene Einwände und vertheidigt namentlich die Nützlichkeit der Präventivcontrole, da sehr viele Brände nur Speculationsbrände seien; er bestreitet, daß die Vorlage vom Geiste des Mißtrauens getragen sei. In der Schweiz sei man viel weiter gegangen. Die Bestimmung, daß ' die Kosten von den Gesellschaften selbst zu tragen seien, sei nicht neu. Dasselbe bestehe beim Patentamt. Redner erhofft eine baldige Verabschiedung des Entwurfes in der Commission. DaS Gesetz soll die volkswirthschaftlich wichtige Thäiigkeit der Ver sicherungsgesellschaften nicht beschränken, andererseits die Ver sicherungsnehmer sicherstellen. Eine Hineinziehung der öffent lich rechtlichen Versicherungen bitte er nicht vorzunehmen, da diese eine schwere Gefahr für das Zustandekommen des Gesetzes bedeute. Abg. Calwer (Soc.) betont die Nothwendigkeit eines ein heitlichen Versicherrinosrechtes. Wenn man aber auch die posi tive Thäiigkeit der Gewerkschaften lahm legen und diese von dem guten Willen der Aufsichtsbehörde abhängig machen wolle, so scheine das, als wenn man den Arbeitern auf Umwegen daS bringen will, was man bisher nicht erreichen konnte. Eine solch- Politik der Hinterthiir machen wir nicht mit. Geheimrath Gruner wendet sich gegen letztere Auffassung deS Vorredners. Die Gewerkschaften fielen nur soweit unter das Gesetz, als sie Verficherungsaeschäfte betrieben. Nachdem der Abg. Kirsch (Centr.) nochmals die einzelnen in der Debatte besprochenen Puncte angeführt hatte, wurde der Entwurf an eine Commission von 21 Mitgliedern überwiesen. Alsdann vertagt sich das Hans. Nächste Sitzung: Morgen Mittag 1 Uhr. Anleih-qesehe und Antrag Rintelen über die Aenderung des Gerichtsverfassungs gesetzes. Schluß gegen 5 Uhr. T Berlin, 29. November. (Telegramm.) Der Seniorenconvent des Reichstages hat beschlossen, den Beginn der ersten Etatsberathung auf den 10. De- cember festzusetzen §tz Berlin, 29. November. (P r i v a t t e le g r am m.) In der Wahlprüfungscommission des Reichstages sind heute die Wahlen der Abgeordneten Henning, conservatiben Vertreters für 10. Frankfurt (Calau-Luckau), und Schulze- Steinen, nationalliberalen Vertreters für 7. Arnsberg (Hamm- Soest), welche in der vorigen Session beanstandet worven waren, auf Grund der nachträglich stattgehabten Erhebungen für giltig erklärt worden. FaurlleLon. Älte und neue Mediciner. Im Laufe des vorigen Jahrhunderts — wie das klingt?! —, sogen wir also in den letzten fünfzig Jahren, haben alle Wissen schaften große Fortschritte gemacht, große Umwandlungen er fahren. An die Stelle alter oder, wie sich die Neueren aus drücken, veralteter Forschungsmethoden, traten andere; die exacte Methode feierte in Physikalisch-chemischen Entdeckungen und mecha nischen Erfindungen große Triumphe. In der Medicin wurden die bisher maßgebenden Theorien zum alten Eisen geworfen, und wenn früher Jemand nach der schlechten Säftetheorie nicht gesund wurde, so kann er vielleicht jetzt mit Hilfe der Bakterientheorie krank bleiben. Vor einiger Zeit haben wir an dieser Stelle die Erinnerungen Kußmaul's besprochen. Er schilderte in anschau licher Weise seine Lehrzeit und seine Praxis, die Art seiner Behandlung und das Denken und Handeln der Aerzte zu seiner Zeit. Heute liegt unS nun ein nicht zu umfangreiches Buch*) vor, das ein praktischer Arzt vrrfaßt hat, und daS recht drast.sch den Uebergang der alten Medicin in die neue an der Berliner Universität schildert. Wenn ein Laie daS Buch durchgelesen hat — und es ist sehr interessant zu lesen—fragt er sich kopfschüttelnd, ob denn die alte Heilmethode, die alte Heilkunst der Menschheit wirklich genützt hat, ob nicht vielmehr sie mehr Krankheiten hervor gerufen als geheilt hat. Die Beantwortung der Frage schenken wir uns, allein, daS geht aus dem Schriftchen hervor, daß, wenn heute eine größere Menge Kranker geheilt wird, ja wenn viele Menschen überhaupt nicht krank werden, wir da» der Prophylaxis, der Verhütung der Krankheiten, zu danken haben, die sich die heutigen Aerzte vor Allem zur Aufgabe machen. Man pflegt immer zu sagen, die Menschen seien früher gesünder gewesen und hätten auch länger gelebt. DaS ist nun freilich nicht wahr, ob sie gesünder waren, wissen wir nicht, jedenfall» gingen sie nicht so oft zum Arzt, wie die Krankencassenmitglieder, aber älter wurden sie im Durchschnitt nicht. Im Gegentheil, wer sich ein mal die Müh« nimmt, die dickleibigen Kirchenbücher aus dem 17. und 18. Jahrhundert nachzuschlagen, wird finden, daß nach dem fünfzigsten Jahre nur wenig Menschen noch lebten. Und wenn die Todesursachen angegeben sind, xinn findet der aufmerk same Lesn regelmäßig angegeben eine „Geschwulst am Kopfe, im Halse, rin Leiden an den Beinen", was daS Alles sein konnte, das bleibt seiner Errathungsgabe überlassen. Zu jener Zeit wandte man sich ungern an den Arzt. Man hatte Angst vor *) Akademische Erinnerungen eines alten Arztes an Berlins klinische Größen, von vr. O t t o B r a u S. Leipzig, F. C. W. Vogel. 3^. 204 S. seinen Latwergen und Mixturen, vor seinen Messern und Glüh eisen, man docterte lieber selbst und aß Krähenfüße, kochte Elsteraugen und trank für alles und jedes Weh jeden und allen Thee. Dabei waren die Aerzte jener Zeit und bis in die Hälfte deS 19. Jahrhunderts hinein auch keine Dummköpfe, sie arbeiteten und handelten nach ihrem besten Wissen und Können, nur «ins verstanden und beachteten sie nicht, daS war die Prophylaxis. Selbst die Kliniken waren die schönsten An- steckungSherde, und Leute, die mit einem kleinen Nebel hinein kamen, kamen Wohl mit einem größeren wieder heraus, w«nn sie nicht, wie bei dem alten Professor Jüngken, einfach unter Schreien und Wehklagen in die Sterbekammer geschoben wurden, wo sie ihre letzten Seufzer aushauchten. Dieser Jüngken war Chirurg der alten Schule. „Er begann jeden Morgen", so er zählt Braus in seinem Buche, „feine Klinik mit dem Besuch der Krankensäle, in denen, trotzdem diese als klinische Säle viel weniger dicht belegt wann, als die anderen Räume der Charits, in Folge der mit schweren eiternden Wunden behafteten Kranken jene scheußliche Luft herrschte, di« heutzutage nur der noch zu beurtheilen weiß, welcher, wie wir Unterärzte, seiner Zeit damals 9—10 Stunden täglich in diesen Räumen sich umher bewegen mußte. Trotzdem jeden Morgen nach den Regeln der Hausordnung jeder Krankensaal ausgewaschen wurde, trotzdem jedes Stück beschmutzte Leinwand durch frische Wäsche ersetzt wurde und an den Fenstern eine Vorrichtung den permanenten Luftwechsel er möglicht«, bildete sich in diesen Räumen ein Hinturn oowpooi- tum von Gerüchen, nach Eiter, verbrauchter Lharpie und MenschenauSdünstung. Wenn ich heute, nachdem wir die Kennt- niß von den Bakterien besitzen, auf diese hygieinischen Verhält nisse der Charit« zurllckblicke, dann muß ich sagen: Diese chirurgischen Säle waren geradezu Pestherde derAnsteckung.derPyämie.Septrcämieu. s. w. Der alte Jüngken kannte von Jnfection und von allen feineren, mikroskopischen Vorgängen nichts; er steckte noch tief in der alten Krisenlehre. Die Blutmischung, die Vererbung, die Constitution deS kranken spielten die wesentlichen Rollen als Stützpunkte Lei seinen Erklärungen der Krankheitserscheinungen. Die SiterunH war fiir ihn di« Selbsthilfe der Natur, womit sie die matvria peceso« au- dem Körper hinauStrieb. Ich hör« ihn noch mit seiner begeisterten Stimme sagen, wenn der Unter arzt bei der klinischen Visite von einer großen eiternden Wunde die Charp e hinweagenommen hatte. „Sehen Sie, meine Herren, diese» ku» dsoum ot lauäabile, diesen schönen, rahm artigen, süßlich riechenden Eiter, das ist die Freude deS Chirurgen, der setzt di« gesunden Granulationen!" Daß dem Kranken durch diese schönen, großen, eiternden Wunden die Kräfte genommen und das Fletsch vom Leibe gerissen wurde, davon war keine Rede.* Das Gegentheil von Jüngken war Langenbeck. „Er ließ den Praktikanten", erzählt Brau» Vetter, „den Fall untersuchen, während er der Corona die Vergangenheit des Kranken mit- theilte. War der Praktikant fertig, so schloß er an seine Anam nese sofort die Frage: „Und nun, Herr L., was haben Sie ge funden?" Aus dcm Jnterrogatorium zwischen Professor und Praktikant schälte sich dann die Diagnose heraus, sowie die Indikation zur Operation. Dann wandte sich Langenbeck zu dem Patienten: „Legen Sie sich auf den Tisch, haben Sie keine Angst, Sie sollen nichts fühlen". Wie weit der Patient dieser Versicherung Glauben schenkte, konnte man auS den Mienen der zu Operirenden sehen. Das Chloroformiren begann und Langen- beck sprach nun, zur Corona gewandt, in ausführlichster Weise über den vor ihm liegenden Krankheitsfall und über die mög liche und in diesem Falle richtige Methode der Operation. So wie Billroth ihm meldete: „ES ist soweit", trat er an den Tisch und ging sofort mit dem Messer ins Zeug. Während der Operation trug er beständig vor, wie erzählend, waS er in jedem Augenblick machte. Für uns, die wir da oben saßen, war es ja sehr schwer, bei den vielen Köpfen, di« sich über daS Operations felde legten, überhaupt etwas zu sehen. Es war erstaunlich, wie dieser große Mann kaltblütig seine wohlgrsetzte Rede fließend sprach und mit pointirten Zwischenbemerkungen durch flocht; er sagte z. B. so wie nebenbei: „Hier habe ich die JugulariS durchschnitten, aber das geht wegen der Verwachsungen nicht anders, — hier muß ich die Carotis unterbinden — ober das Blut wird ja so dunkel! — sofort Wiederbelebungsversuche, meine Herren, der Kranke ist asphyltisch, lassen Sie sofort den elektrischen Apparat herbeischaffen!" Während er seinen Assistenten schnelle und sichere Weisungen der Wiederbelebungs versuche angab und selbst mit angriff, flocht er in ebenso wohl gesetzter Rede die Behandlung der Asphyxie ein und warnte die Zuhörer vor Allem, vor dem sie sich in solchen Fällen zu hüten hätten." Die berühmtesten Lehrer an der Berliner medicinischen Facultät in den vierziger Jahren waren Johannes Müller und Schönlein. Für Beide hat der Verfasser großes Lob. Die Natur Schönlein'», den wohl noch mancher jetzt lebende Arzt gekannt hat, schildert er ganz vortrefflich. Schönlein war Leibarzt Friedrich Wilhelm'- IV. Bei dem immer mehr sich entwickelnden Hirnleiden des Königs trat Schönlein, an der Spitze der behandelnden Aerzte, in den Vordergrund des öffentlichen Interesses, so daß der Kladdera datsch sdh sogar das humoristische Bulletin erlaubte: „Sr. Majestät der König u. s. w." und dann die Unterschriften: „Schönlein, Weiß, Nix* (letztere Beiden die mitbehandelnden Oberstabsärzte). Allgemein flüstert« man von der tn der Um gebung des Monarchen gegen Schönlein intriguirenden Hof kamarilla. Bald darauf hieß es, Schönlein habe der Königin auf deren Frage nach dem Befinden deS hohen Kranken und dem Stand der Krankheit erwidert: „Majestät sind und bkeiben verrückt!" Darauf hab« er seinen Hut genommen und sich ent fernt. In den Zeitungen stand dann bald die officielle Nach- richt, daß Schönlein, in Folge seines zunehmenden Leidens, sich genöthigt sehe, sowohl seine Stelle als Leibarzt wie auch als Professor niederzulegen, und daß er beabsichtige, sich in seine Vaterstadt Bamberg zurückzuziehen. In der That schied Schön lein dann auch als die zweite Coryphäe nach Johannes Müller im Herbst 1858 von Berlin — als Lehrer und Mann der Wissenschaft hoch angesehen, als Arzt geschätzt und geehrt, als Mensch von dem besten Theil der Berliner Gesellschaft geliebt und hochgeehrt. Auf alle äußeren Ehrenbezeigungen verzichtete er bei seinem Abgang. Frerichs scheint der Verfasser für etwas Faiseur zu halten, dagegen ist er voll der Bewunderung über Albrecht von Graefe. Was er von dessen Arbeitskraft und Thätigkeit erzählt, grenzt ans Wunderbare. Virchow hatte damals, in den Märztagen von 1848, die Anatomie und verwerthete mit großem Fleiß das reiche Material der Charits. Dann kam die Revolution und Virchow, der damals schon sich stets mit Politik beschäftigte und ein Feind aller hergebrachten Staatstyrannei war, saß in den Märztagen 1848 auf dem Predigtstuhl in der Charitskirche, und zu seinen Füßen in Schaaren die Spießbürger deS Luiscn- städter Viertels. Er hielt die wüthendsten Reden gegen die Tyrannen auf Fürstenthronen, glorificirte den Kampf des Volkes auf den Barrikaden und forderte schließlich unter dem frenetischen Jubel seiner begeisterten Zuhörer die Leute auf, an dem Aufruhr sich zu bethciligen. Das war dem preußischen Staat zu stark. Er mußte gehen. Mit großer Hochachtung spricht auch der Verfasser von Traube. Es würde zu weit führen, wenn wir hier noch mehr über die Erinnerungen sagen wollten. Sie sind anspruchslos, eine wissen schaftliche Fundgrube sind sie nicht, aber sie geben eine charakte ristische Schilderung jener Zeit und sind angenehm zu lesen. Die neu« Zeit stand der alten feindlich gegenüber. Eine kleine Anekdote mag daS -eigen. Der Gynäkologe Martin, die neuere Schule, vertrat die Eiscompressen, der Oberarzt der geburtshilf lichen Station in der Charitö, war als Anhänger der alten Schule für heiße Breiumschläge. Da gab eS denn manchen Conflict. Die praktische Lösung aber, kalte und zugleich warme Umschläge einer Kranken beizubringen, während der eine Arzt glaubte, daß sie nur kalte bekäme, und der andere umge kehrt, brachte die Wärterin zustande. Sie nahm, ehe der Ober arzt kam, die kalten, resp. Eiscompressen fort, legte die kühl gewordenen Breiumschläge auf den Leib, und nachdem der Oberarzt fort war, ließ sie den Patienten einige Pausen Zeit, um dann ihrem Leib di« kalten Umschläge wieder erträglich zu machen. Der von den beiden Aerzten wohl für sich die Heilung der Kranken in Anspruch genommen haben mag?