Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.08.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000823024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900082302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900082302
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-08
- Tag 1900-08-23
-
Monat
1900-08
-
Jahr
1900
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
16,37 d. 132,75 »t 84,40 ts ts 18 .8 10 8 b. )ll V. k. U. L. 147,— 131,43 132.25 101.75 43,30 157,— 10S,— 131.75 137.10 157,25 92,80 82,SV 91,3V kb. )td ik. k. t >o 0 111,25 72.3V 145,75 90.50 82,10 174,30 It. ld. kr K« 2Ü 187.50 65,— 204,— 113.10 200,25 100.50 81,— 198.75 148.50 141,— 212,80 178,— 157,25 188,40 144 25 188,50 340,— 198.10 159.10 145.75 83,40 69,75 213,20 216,— 84,53 216,50 ll. i> I-, >4 !k >k. 8. »d sr t> 1?. ill. 99.25 99,75 90,90 57,— 102.75 65,10 SII >iv 1 1» it tk. 1 184,— 93,10 198,75 333,— 186.50 174,10 194.50 146,20 120,— 107,60 101.50 :v Sodliis» «sickeod^u oii in 4kll OMwoxeld kissell/Ludr ) vsrdotsll.) >e1d j Lriek 400 1550 1000 2075 3700 9900 1125 3750 1250 1100 1550 550 1500 13900 400 7600 80 4575 3525 17100 3625 3600 2075 9150 17300 9400 11400 7350 1425.0 4050 2800 3400 600 1550 3300 950 2150 2500 2950 15200 1300 1800 1675 875 175 2600 180 '20300 1200 > 8800 > 1325 — 3475 — 900 — 2800 — 10500 1275 1325 iss xskrLxt. 825 150 2550 1500 t. 1 0,03). 04). li»" (21/8) ia tllä„Lidiri»' 6m" (21/8) io ;r: yLotdsn der UollLnd- dsr ^ilsll- l-illsäswpi'er Vrldorsee" »lesi»" (22,8) 5 Hoilldurx, der; „Lrono- iloll, ,KUeill- ?oll Loioilldo I kremen, ordLM (21/8) -mstadt" Ulli (21/8, 12 vdr > Ldordoore »cd Lrewev, «1,3, 7 vdr aieevkltk- i disdednrdl sit der t'skr impündlictier >ll rar ootor- MNLSll k»kn >—52 -t. llock 1ikill-Vitt«o- 70-72 -t, 82 oock L-87 fUr ooditiouellen 1« SL^.oock >, llocb klein- t Mr 100 ii, , lend köderen » Mr Ivo Irr r Kid« 2b di» d»dev »ood Ude 88-70 > Mr Ivv d« ; kort-«^t»l. cd Sedlappen > llocd «t«»» IvQ vU6üs^-v BezttgS.PrefS e der Hauptexpedition oder den im 8k»dt- lezirf und den Vororien errichteten Au«- Vbestellrn ab geholt: vierteljährlich./« 4.50, ktl zweimaliger täglicher Zustellung in» Hous ./L 5>.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich >6 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung ins Ausland: monatlich 7.50. Dir Morgen-Ausgabe erscheint um '/-? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um ö Uhr. Redaktion und Expedition: JoüanuiSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununtrrbroche» ««öffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'» Lorttm. Uu'yeriitätsstrave 3 (Pauliuum^ . Louis Lösche, D*G«t«»kr. 1«, Port. und Aöutgtplatz 7. Abend-Ansgabe. Anzeiger. Nmtslilatt des Löiligtichen Land- und Nntlsgerichles Leipzig, des Nathes uud Nolizei-Ämtes der Lladt Leipzig. Unzrtgen.PrniS die 6 gespaltene Petitzelle SO Pfg. Reklamen unter demRedactionsstrich (»go« spalten) 50^Z, vor den Familiennachrichmr (6 gespalten) 40/4. Größere Schriften laut unserem Preis« verzrichniß. Tabellarischer und Ziffenisatz nach höherem Tarif. Vrtra-Vetlagen (gesalzt), nur ml» de« Morgen-Ausgabr, ohne Postbefvrderun- -/t 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annalsmeschluß für Anzeige«: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. vri den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Expedittr» u, richten. Druck und «erlag vou E. Polz in Leipjl». Donnerstag den 23. August 190Ü, 9L Jahrgang. Die Wirren in China. —e- Wie dringend nöthig die Einnahme von Peking gewesen ist, erhellt daraus, daß die Gesandten, wie mit- getheilt, nur noch für drei Tage Nahrungsmittel hatten. Nun sind sie befreit und geborgen, wenn ihr Aussehen auch infolge der furchtbaren Entbehrungen und Aufregungen ein arg beklagenswertheS ist. Sonst wird uns noch berichtet: * Washington, 23. August. (Telegramm.) Der ameri kanische Geiandte in Peking, Conger, telegraphirt auS Peking vom 19. d. M.: Tie ganze Stadt mit Ausnahme des Kaiser, lichen Palastes ist nunmehr besetzt. Man glaubt, daß der Palast sehr bald genommen wird. Eine Anzahl Missionare haben Peking verlassen, andere bleiben bei den hier zilsainmen- gekommenen christlichen Flüchtlingen, deren Zahl etwa Tausend beträgt. Nach Telegrammen auS japanischer Quelle vom l7. d. M. sollte der kaiserliche Palast schon von den Japanern ein genommen sein; man wird sich aber doch an die amtliche Meldung Conger's vom 19. halten muffen. Wenn zur Zeit, so schreibt anscheinend ofsicivs und in Uebereinstinimnng mit unserer wiederholt geäußerten Auf fassung die Berliner „Post", in der Presse immer wieder die Frage ventilirt wird, was jetzt in Tschili geschehen werde, so muß dem gegenüber darauf hingewiescn werden, daß die Negierungen, bevor sie sich zu weiteren Maßnahmen ent schließen, daS Eintreffen der ausführlichen Berichte ihrer Gesandten in Peking ab warten müssen; denn von diesen Berichten wird die Stellungnahme der betreffen den Cabinette gegenüber der chinesischen Negierung ganz wesentlich abhängcn. Voraussichtlich dürften die amtlichen Schriftstücke der Gesandten aber kaum vor Ende September in Europa ankommen. Insoweit die militärische Lage in Tschili zur Zeit in Frage kommt, werden die verbündeten Truppen alle ihre Kraft anfbietcn müssen, nur nickt nur Peking dauernd besetzt zu halten und vor jedem feindlicken Handstreick zu schützen, sondern auch ihre Verbindungslinie mit der Basis in Taku-Tientsin zu sickern, zumal ja soeben wieder neuere Meldungen von verdächtigen Bewegungen chinesischer Truppen zu berichten wissen. So meldet man neuerdingS: * Washington, 22. August. Präsident Mac Kinley, Kriegs sekretär Root und der stellvertretende Staatssekretär AVer hatten heule eine längere Conferenz über eine Depesche, die von Chaffee eingegangen ist. Die Depesche ist nicht veröffentlicht worden, cs verlautet indessen, Chaffee weise in dec Depesche darauf hin, daß noch beträchtliche Kämpfe in der Umgegend von Peking, sowie zwischen Peking und der Küste bevor- stehen dürsten, weshalb cs unmöglich sei, auch nur annähernd einen Zeitpunkt für die Zurückziehung der amerikanischen Truppen von China zu bestimmen. * London, 22. August. Admiral Bruce telegraphirt aus Taku vom 20. d. Mts.: Ein kleines Gefecht soll etwa 6 Meilen südlich von Tientsin am 19. d. Mts. stattgefunden haben. Shanghai. „American Association in China" telegraphirt aus Shanghai: Die Lage im Aangtse-Tbale ist i>n wachsenden Maße kritisch. Nach Schätzungen von militärischer Seite sind l5 000 Mann nothwendig, um Shanghai wirksam zu schützen. Man müsse in die Negierung dringen, unverzüglich Verstärkungen dahin zu entsenden. Die Depesche wurde dem Staatsdepartement übermittelt. Tic Tciltschcn beim Entsatz von Tientsin. Ueber die Theilnahme unseres 3. Seebataillons an den Kämpfen vom Ende Juni erhält die „Köln. Ztg." folgende brief liche Mittheilungen: Am 19. Juni erhielt das 3. Seebataillon Befehl, sich mit Stab und Compagnien zu je 120 Mann nach Talu einzuschiffen. Am Nachmittag waren die Truppen aus S. M. S. „Irene" eingeschifft. Am 21. Juni Morgens konnte man auf der Taku-Rhede schon von Weitem mächtige Rauch säulen bemerken — einige Stunden später lag S. M. S. „Irene" inmitten eines über 30 Kriegsschiffe starken Geschwaders. Noch raffelten die Ankerketten, als an Major Christ durch einen Offi- cier des Geschwaders der Befehl an Bord überbracht wurde, daß das Seesoldaten-Detachement sofort zu landen und sich in Tongku sobald als möglich mit russischen Truppen zum Vormarsch gegen Tientsin zu vereinigen habe. Von Taku aus wurde unser Lan dungscorps von S. M. S. „Jaguar" in Schlepp genommen, deutlich waren an den Taku-Forts die Spuren der heftigen Be schießung zu erkennen, und zahllose Chinesenleichen, die in dem Peiho trieben, zeigten, wie hartnäckig der Kampf getobt hatte. Unter brausenden Hurrahrufen, die von uns kräftig erwidert wurden, fuhren wir an verschiedenen russischen, französischen und englischen Kanonenbooten vorüber; besonders stürmisch begrüßten uns unsere russischen Kameraden, mit denen wir in allererster Linie Freud und Leid, Kampf und Sieg für die Folge getheilt haben. Bei unserer Ausschiffung auf der Eisenbahn-Endstation Tongku herrschte bereits reges Leben. Der russische Oberbefehls haber, General Stössel, hatte soeben die Nachricht er halten, daß Truppen des chinesischen Generals Ma, von Schan- haikwan kommend über Peitsang in der Stärke von 1500 Mann gegen den Bahnhof im Anmarsch seien. Sofort erbot sich Major Christ, den Schutz des Bahnhofes zu übernehmen, während der Rest der russischen Truppen ausgeschisft wurde. Mit zwei russischen Compagnien, vier Maschinengewehren und der Compagnie GcnS wurde etwa 2 Kilometer nordöstlich Tongku an der Bahn nach Schanhaikwan eine Vorpostcnstcllung genom men. Stramm und militärisch meldete der russische älteste Officier seine Abtheilungen zur Stelle, gemeinsam versahen russische und deutsche Patrouillen die Aufklärung gegen den Feind, ein verständnißvolles Zusammenwirken und ein gegen seitiges Verstehen als Soldat uno Kamerad verband uns vom ersten Tage an mit den rus sischen Truppen. Drohend standen die Maschinengewehre auf dem Bahndamm, schweigend legten sich die russischen Trup pen auf den nassen lehmigen Boden, erwartungsvoll harrten unsere Leute der Dinge, die da kommen sollten. Sie hätten einen gepfefferten Empfang gehabt, die schlitzäugigen Kerle, für die als Parole ausgegeben war: „Kein Pardon" Aber sie fühlten sich sicher in ihrem von Sumpf umgebenen Fort Peitsang, und ein am ganzen Leibe zitternder gefangener Chinese bestätigte uns das, was wir vcrmutheten, daß sich die chinesische Besatzung von ihren dicken Forimauern nicht trennen würde. So wurde denn Leutnant Friedrich mit 50 Seesoldaten und 50 Ruffen als Feldwache an der Bahn belassen, die anderen Truppen wurden nach Tonglu-Bahnhof in Ortsunlerkunft zurückgezogen. Zwischen Ortsunterkunft in Kriegszeiien und einer solchen bei den heimathlichen Fleischtöpfen besteht aber ein recht großer Unterschied. In den wenigen Schuppen, welche noch nicht von den Russen besetzt waren, hatte sich bereits unser Vetter John Bull breit gemacht, und so mußten wir denn mit einem alten Petro leumschuppen und etwas Hartbrod vorlieb nehmen. Die eisernen Portionen mußten für ernstere Zeiten aufgespart bleiben. Aber die Stimmung blieb frisch und vergnügt; traf doch Abends die Kunde ein, daß Tientsin zwar hart bedrängt, aber noch nicht ver loren sei, und daß wir mit Tagesanbruch nach Tientsin auf brechen würden. General Stössel hatte mit einem Theil seiner Truppen und unserer Compagnie v. Knobelsdorfs noch an diesem Abend unter theilweiser Benutzung der Bahn Tschenliantschang erreicht, und unserem Commandeur überlassen, die weiteren Maßnahmen nach eigenem Gutdünken zu treffen. Sein und unser Aller Wunsch war in erster Linie, die schwer bedrängten Kameraden in Tientsin herauszuhauen, zumal da die Nachricht eintraf, daß am Tage vorher ein Versuch der Englän der und Amerikaner unter schweren Verlusten mißglücktwar. Am 22. bestiegen wir daher mit zwei Com pagnien Russen auf dem Bahnhofe Tongku einen Zug und er reichten nach vierstündiger Eisenbahnfahrt und vierstündigem Marsch, auf welchem wir durch einen tropischen Gewitterregen bis auf die Haut durchnäßt wurden, das Detachement des Gene rals Stössel, mit dem ein gemeinsames Biwak bezogen wurde. Die wenigen Kosaken, die zur Verfügung standen, hatten über den Feind so gut wie nichts in Erfahrung bringen können, wir konnten daher ebenso gut wenigen Tausenden, wie mehreren chinesischen Armeecorps gegenüberstehen, das Letztere schien sogar wahrscheinlicher. In unserer rechten Flanke bewegte sich ziemlich ungenirt chinesische Kavallerie; aus chinesischen Dörfern, wie aus dem zwischen uns und Tientsin gelegenen, sehr starken Arsenal, in welchem Millionen an Kriegsmaterial aufgcspeichert lagen, hatten die Patrouillen sehr lebhaftes Feuer erhalten. Die Bahn linie Tongku-Tientsin war derartig nachhaltig von Boxerbanden zerstört, wie es selbst unsere Eisenbahnbrigade nicht hätte besser machen können. Man denke sich in unseren Manövern ein Biwak, in welchem Proviant und Bagage vielleicht erst nach Sonnenunter gang eintreffen. Von 7 Uhr Vormittags ab hatten unsere Leute trotz der großen Anstrengungen bei glühender Hitze (29 Grad 6.) nichts in den Magen bekommen, ein Nachschub des Proviants auf der Bahn war unmöglich — die Marine-Infanterie ist nicht, wie die Armee, mit einer fahrbaren großen Bagage ausge rüstet —, die Hoffnung auf seinen Koffer u. s. w. hatte wohl Jeder von uns aufgegeben; sie kamen auch nicht in den späteren Tagen, sie wurden schließlich bei dem gänzlichen Mangel an Fuhrwerk einem englischen Transport angeschlossen und ge langten erst am 3. Juli in Tientsin in unsere Hände. Den Biwaksplatz hatte allmählich die Dunkelheit umhüllt. Da er schollen Commandorufe in den russischen Lagern: Antreten zum Zapfenstreich und Gebet. Auch unsere Leute eilten auf den Appellplatz. Ein eigenartiges Gefühl beherrscht den Mann am Abend vor dem Gefecht. Gewaltig drang zu uns der Gesang der kräftigen russischen Kehlen herüber, wie Meeresbrausen erscholl das lang anhaltende Hurrahrufen der Ruffen für ihren Zaren. Eiserne Stille ruhte bei dem Abendgebet über den Lagern. Und dann noch einige kurze, kernige Worte unseres Commandeurs, ein dreifaches Hurrah auf Se. Majestät mit dem Bewußtsein, morgen gilt es, zu siegen oder zu sterben. Ringsum flackerten die brennenden Dörfer, von Russen und Amerikanern in Brand gesteckt, unheimlich klang von Tientsin her Geschützdonner in die Ohren, hier und da vernahm man aus dem Vorgelände den scharfen Gewehrknall unserer Patrouil len. Unsere Seesoldaten-Compagnicn lagen dem Gegner am nächsten, eine Compagnie als Gefechtsvorposten, Gewehr im Arm, jederzeit schußbereit. — Noch am späten Abend war die Meldung eingcgangen, daß 500 Engländer und Amerikaner unsere etwa 2000 Mann starken Streitkräfte verstärken würden. Um Uhr Morgens hatte General Stössel seine Angriffs befehle ausgegeben, um 6 Uhr Morgens wurde auf der ganzen Linie angetreten. Wir Deutsche wollten in der vordersten Linie kämpfen, was auch der russische General dankbar annahm, indem er unserem Commandeur den linken Flügel übergab. Der Vor marsch ging zunächst zu beiden Seiten der Bahn. Gegen 7 Uhr vernahm man auf dem rechten Flügel lebhaftes Gewehrfeuer, kurz darauf sausten die ersten Granaten durch die Luft. Die russische Infanterie hatte augenscheinlich Fühlung mit dem Gegner, welcher das Arsenal besetzt hielt, gewonnen. Um 8 Uhr Morgens hatten Amerikaner und Engländer die vordersten Schützenlinien zwischen den Russen und unseren Compagnien verstärkt. Nach vollzogener Rechtsschwenkung betheiligten sich alle Truppen an dem Kampfe gegen den im Arsenal so gut wie völlig gedeckten Gegner. Gegen 10 Uhr Vormittags gelang es der Compagnie Genß mit einer russischen Compagnie, bis auf 500 Meter an das Arsenal heranzukommen; sie eröffnete das Feuergefecht, das ungemein lebhaft erwidert wurde. Um 10 Uhr 45 Min. überbrachte Leutnant Cretius über die von dem Gegner unter Feuer gehaltene Eisenbahnbrücke, welche die Chinesen kurz vorher in die Luft zu sprengen versucht hatten, von dem General Stössel die Mittheilung, er wolle unter allen Umständen den Weitermarsch auf Tientsin antreten. Da galt es nun, die bereits im Kampf stehenden Truppen vom Gegner loszulösen und diesen in Schach zu halten, bis unsere Truppen die nöthige Front veränderung vorgenommen hatten. Es war klar, daß nach dem Zurückziehen der Truppen vom rechten Flügel sich das gesammte Feuer auf den Theil vereinigen würde, der bis zuletzt liegen bleiben würde. Von diesem Stand halten hing die Ausführbarkeit der Front veränderung und damit der Erfolg des Tages a b. Keinem unter uns konnte eine frohere Botschaft werden, als die Nachricht, daßunserCommandeurfürdiesen Ehrenplatz bei dem russischen General für unsere kleine Schaar gebeten hatte. Erst um 11 Uhr Vormittags konnte die russische Compagnie und die Com pagnie Gene und v. Knobelsdorfs aus dem Gefecht an das Detachement herangezogen werden. Unter dem Schutze des russischen Artillrriefeuers wurden die Compagnien an den Bahn damm herangezogen, wobei Hauptmann Gen«, die Schützenlinie entlang gehend, anordnete, daß sämmtliche Verwundete mitge nommen würden, da bekannt war, daß die Chinesen die Ver wundeten auf die furchtbarste Weise verstümmeln. Das Beispiel des Hauptmanns Gen 6, der selbst zwei Ver wundete mitschleppte, sowie das tapfere Aushalten seiner Compagnie im heftigsten Kugelregen machte auf das ge sammte Detachement einen tiefen Eindruck. Noch während des Gefechts sprach General Stössel seine Be wunderung und seinen Dank für das todtver- achtende Aushalten unserer Leute aus, wodurch der Weitermarsch des Gros an dem Arsenal vorbei auf Tientsin ermöglicht und die Erreichung des Endzwecks, der Entsatz von Tientsin, näher gerückt war. Aber dieser Erfolg war theuer erkauft. Im Kampf für die Befreiung ihrer Kameraden, für die deutsche Waffenehre, getreu dem ihrem Allerhöchsten Kriegs herrn gelobten Eid, hatten Leutnant Friedrich und acht Kame raden ihr Herzblut hergeben müssen; fern der deutschen Heimath, auf grüner Aue mußten wir sie bestatten, die wackeren deutschen Männer, die sich in den Annalen der Marine-Infanterie ein bleibendes Denkmal gesetzt haben. 25 Mann waren außerdem verwundet und kampfunfähig geworden. Gegen 3 Uhr Nach mittags näherte sich das Detachement den Mauern von Tientsin. Feuillstsn» Ilonka. 1j Roman von C. Deutsch. Nachdruck verboten. I. Am nördlichen Ufer des Plattensees erhebt sich ein Gebirge, Tyhany genannt. Es ist nicht hoch, aber rauh und zerklüftet, von Schrunden und tiefen Abgründen durchzogen. Die schwere, von Dünsten gesättigte Luft, die vom See emporsteigt, hüllt es in einen bläulichgrauen Nebel, der im Hellen Tageslichte wie ein warmer Hauch auf dem Gebirge liegt. Auf der Wasserseite ist es fast unzugänglich, nur in den Niederungen, wo sich die ein zelnen Bergkcgel senken, können Boote ein- und ausfahren. Auf der anderen Seite aber, der Ebene zu, ist es bewaldet, und zahl lose Obst- und Weinpflanzungen ziehen sich wie ein breiter Gürtel um dasselbe. Von dem Gebirge aus hat das Auge einen weiten und herrlichen Ausblick. Fern, im blauen Nebelmeere fast verschwindend, liegen die Städte Weßprim, Weißenburg und Palota, deren Thllrme sich am Horizonte wie drohende Wächter obzcichnen, naher gerückt Füred, der malerische Badeort mit seinen niedrigen, weinbekränzten Bugen, der Plattensee inmitten der sonnbeglänzten Landschaft ruhend, wie ein losgerissenes Stück blauen Himmels. Auf der Ebene, die sich am Fuße der Berge dehnt, liegen zahllose Dörfchen, das stattlichste darunter daS Dorf Thhany. — Auf dem steilsten, thurmähnlichen Gipfel des Gebirges erheben sich die grauen Mauern eines alten Klosters, das zwischen grünen Baumgruppen wie eine blasse, kranke Erinnerung der Vorzeit hervorblickt. Unten am Fuße des Berges stand eine Hütte. Sie war nicht groß — aber schnee weiß waren die Mauern, spiegelhell blinkten die Fenster, von Cpheu war sie umkleidet bis ans Dach hinauf, und die mächtige Linde, die vor einem der Fenster stand und mit ihren breiten Äcsten das halbe Dach beschattete, war wie ein treuer Wächter, der Sturm und Wetter von dem friedlich trauten Orte ab wehrte. In der Hütte wohnte Jozi Bator. Wer die stramme, un gebeugte Gestalt de» Mannes sah, sein Helles Auge, sein frisches Gesicht, wer ihn nicht gekannt hätte, den Jozi Bator, würde ihm die sechzig Jahre nicht angesehen haben, die über seinem Haupte dahingerauscht waren. Er konnte aber auch nicht alt werden, der Mann, er hatte ein so menschenfreundliches Herz, einen so kindlich reinen Sinn, rin so zufriedene» Gemüth. Er war nicht immer der arme Fischer, der Tag für Tag, fahr-1 aus, jahrein sein Netz in die Wellen des Sees gleiten ließ und dann mit der schweren Beute nach Füred oder einem anderen Städtchen zum Verkaufe ging. Es gab eine Zeit, es mochte so gegen sechszehn Jahre her sein, da war der Jozi Bator ein reicher Mann, der reichste im Dorfe Thhany. Er war Richter und geliebt und geehrt von Jedermann; denn nie hatte cs einen menschenfreundlicheren, uneigennützigeren Mann im Orte gegeben. Jozi war glücklich, seine Aecker und Felder blühten, seine Weingärten gaben den besten Wein und seine Pußta den besten Weizen. Er hatte ein liebes, braves, gutes Weib, und als ihm nach Jahren der heißeste Wunsch seines Lebens erfüllt, als ihm'eine Tochter geboren wurde, zu einer Zeit, wo er schon fast alle Hoffnung aufgegeben hatte, glaubte er den Markstein des Glückes erreicht zu haben. Er hatte ihn in der That erreicht . . . Böse Jahre kamen und zerstörten und verwüsteten, was die guten gegeben. Mißernten, Viehseuchen und eine Feuersbrunst, die Haus und Hof zerstörte, machten ihn zum armen Mann. „Es ist schlimm, sehr schlimm", sagte er, als er neben seinem weinenden Weibe bei dem rauchenden Trümmerhaufen stand, „aber so lange man noch Kraft in den Gliedern, so lange man nicht den Tod eines theuren Menschen zu betrauern und kein Unrecht auf dem Gewissen hat, ist nicht Alles verloren, wir wollen von vorne beginnen." Den Tod eines Menschen! . . . Als er vor dem Sarge seines Weibes stand, es war kein halbes Jahr vergangen, da war es ihm, als habe man sein Herz mit in die dunkle Grube hineingesenkt, da war es ihm, als sei das Licht von der Erde verschwunden, und als habe sich über die ganze sonnige, lachende Welt ein dichter, grguer, trüber Schleier gelegt. Doch die Tage gingen und kamen, und jeder glättete und streichelte an dem wunden Herzen, daß eS immer ruhiger wurde, und die Hellen Augen seines Kinde» küßten eS wach, daß es wieder empfänglich wurde für Freude und Lust. Er hatte die Richterstclle niedergelegt, trotz der Weigerung der Gemeinde. „Ich bin jetzt ein armer Mann", sagte er, „und Ihr würdet mir nicht mehr so vertrauen; denn Armuth bringt Mißtrauen und Mißtrauen Verleumdung und Anfeindung. Ich bin ein ruhige» Gemüth und mein reiner Name gehl mir über Alles." Er zog in» Gebirge und baut« sich eine Hütte am Fuße des Thhany. Er fischte auf dem See, trug die Fische in die nahen Ortschaften und — liebte und erzog sein Kind. Und die Jahre kamen und gingen. AuS der kleinen Ilonka war ein große» Mädchen geworden, und al» sie fünfzehn Jahre zählte, hieß es bei Alt und Jung, daß es kein schöneres, reizenderes Gesicht zehn Meilen in der Runde gäbe, als es die Ilonka Bator habe, doch keiner von Allen war davon so überzeugt und durchdrungen, als Juran, der Sohn des Richters Janos Molnar. H. Mitten im Dorfe Thhany, nahe der Kirche, stand das stattlichste Haus; es hatte ein Ziegeldach und grün angestrichene Fenster und sah stolz auf die kleinen, strohbedeckten Häuschen, die sich rechts und links daran reihten. In diesem Hause wohnte der Richter Janos Molnar mit seinen beiden Söhnen und seiner zweiten Frau. Janos Molnar war nicht immer der reiche Mann gewesen, der er jetzt war, nicht immer hatte er in einem solch' stattlichen Hause gewohnt und so viel Felder und Rcbengelände sein genannt. Vor fünfundzwanzig Jahren war er ein armer Bursche, der als Knecht bei Jozi Bator diente. Janos war bei Wenigen beliebt, er hatte ein finsteres, hartes Gesicht, und so hart und finster wie dieses war seine Gemüths- art. Sein stolzes, neidisches Herz mißgönnte der Welt ihre Lust und Freude, der Jugend ihre Heiterkeit und Sorglosigkeit, dem Alter seine Ruhe und Behaglichkeit; er fand in Allem und Jedem Grund zur Bitterkeit und Haß gegen all Diejenigen, die einen größeren Antheil an den Gütern der Erde hatten. Jozi Bator war der Einzige, der dem finsteren, trotzigen Manne mit Liebe und Freundlichkeit begegnete, er schätzte seinen Fleiß, seine Sparsamkeit, seinen Ordnungssinn und sein nüch ternes Wesen, und schrieb seine Härte und Barschheit einer ver einsamten Kindheit und einer harten, freudlosen Jugend zu, ja, er ging in seiner Güte und Nachsicht so weit, ihm seine eigene Verwandte, ein junges Mädchen, das in seinem Hause als eigen auferzogen worden war, als Frau zu geben und eine kleine Mitgift, die in einem Häuschen und ein paar Aeckern be stand, dazu. Nach der Hochzeit mit Veronka, die ein hübsches Gesicht und ein liebes, sanftes Wesen hatte, war Janos glücklich, zum ersten Male in seinem Leben glücklich, denn er liebte seine junge, sanfte Frau. Sie waren Beide fleißig und sparsam und legten manchen Groschen bei Seite, und Molnar träumte sich schon als reichen Mann; denn da» war der heißeste Wunsch seines Leben». Im Laufe der Jahre wurde Janos der zweite Sohn ge boren; da geschah etwas, was das kaum erblühte Glück auf Jahre untergrub. . . . Veronka wurde krank und siechte sechs lange Jahre dahin. Es wäre besser gewesen, sie wäre gleich ge storben, denn nicht nur ging zu Grunde, was er erwarb, sondern was er erworben — der Friede seiner Seele. Diese sechs Jahre deä Elends rissen nieder, waS grün und blühend durch den Ein« fluß der Liebe in dem finsteren, harten Herzen des Mannes auf gegangen war, und sie bildeten die Erbitterung in ihm und den heißen Wunsch zum Aufwärtssteigen zu einer starren, eisernen Consequenz aus. Jozi Bator half großmüthig dem Elende ab und bewies sich der Kranken und den Kindern wie ein Vater; aber dies unab lässig gütige Betragen erzeugte eine Art Haß in Janos' Herzen; er haßte ihn, weil er der vom Glück Begünstigte war, der immer helfen tonnte, und er der vom Unglück Getretene, dem kein fester Boden gegönnt war. Sechs Jahre vergingen, da endlich starb Veronka, und wie Einer, der lange unter Schutt und Trümmern begraben gelegen und sich endlich herausgearbeitet hat, so fühlte sich jetzt Janos. Seine Liebe zu Veronka war längst untergegangen im Elend. Er wartete keine sechs Wochen und heirathete eine reiche Wittwe, die verwachsen, häßlich und um mehrere Jahre älter als er war. Sein Wunsch nach Geld wurde endlich erreicht, aber auf welche Weise? Janos verkaufte die kleine Hütte, in der er bis jetzt gewohnt, und zog in das große, stattliche Haus, nahe an der Kirche, das er sich erheirathet hatte. Fleißig und energisch, wie er war, vermehrte sich sein Reichthum von Jahr zu Jahr, bald war er der reichste Mann des Dorfes, und so erstieg er auch die zweite ersehnte Stufe seines Lebens: er wurde Richter. III. Es war um die Mittagsstunde. DaS gewaltige Hofthor des richterlichen Hauses stand offen, und durch dasselbe fuhr ein Ackerwagen in den Hof. Ans einer Bank vor der Hausthür, die von zwei Linden beschattet war, lag ein Bursche im trägen Halbschlummer. Bei dem Geräusch, den der Wagen machte, fuhr er jäh auf, sprang von der Bank herab und eilte an den Wagen heran, die Pferde auszuspannen. Der Bauer, der auf einem der Pferde gesessen, stieg ab. Es war ein Mann in den fünfziger Jahren, groß, hager, sehnig, daS Haar schwarz, die Augen dunkel und das braune, pergamentartige Gesicht kalt, unbewegt, fast ehern. „Wo wäret Ihr während des Sturmes, Vater?" fragte der Bursche, „ich war Euretwegen sehr in Aengsten." „Aengstige Du Dich um den Teufel und nicht um mich", unterbrach ihn der Bauer roh. „Bist drum hier auf der Bank gelegen und hast Dir die faulen Glieder gestreckt? WaS thust jetzt daheim? Warum bist nit bei den Arbeitern auf dem Felde draußen? Wo ist der Juran?" „Er steht beim Herd und kocht." „WaS?"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite