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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192605223
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19260522
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19260522
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-05
- Tag 1926-05-22
-
Monat
1926-05
-
Jahr
1926
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1926
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4. Bella«« za« Mesaer Tagevlatt. A»yy«»«i», SS. Mai ISS«, -beuis 7». Jahr« H 117 u -...L Natur, Vie B/ümlei» auf dem Felde, den oben besprochenen Maikäfer »nd uns arme Menschenkinder unwiderstehlich bestillt, ist gar kein anderer als teuer, von dem die Bibel spricht. ES handelt sich dabet nur um AuSdruckSsormen. Neben Len, und Liebe ist es die Frühlingsschwermut, die diesen Meist kennzeichnet. Auch sie ist heute aus unserer modernen Literatur verschwunden. Aber die Alten kannten sie wohl und unter ganzen Generationen hat sie, wie es nur beute bet irgendeiner Mobekrankheit der Fall ist, ge mittet. Wie die Apostel in der Apostelgeschichte hoffnungs los beisammen sitzen, so überkam auch unsere Urgroßväter eine völlig inhaltslose und unerklärliche Schwermut, die die modernen Forscher mit Pathologie bezeichnen würden. Man spricht heute ganz und gar realistisch vor Frühling», grtppe oder von der Ungunst der Zeiten, die den Menschen niederschmettert. In Wahrheit befällt uns die Frühlings schwermut ebenso wie unsere Ahnen, nur haben mir in der -ast unserer Zett nicht soviel Gelegenheit, uns mit ihr zu beschäftigen und unser Herz ist nicht mehr feinfühlig und aufnahmefähig genug, um sie so zu empfinden und so zn dokumentieren, wie eö die Alten taten. Wir sind heut« wiederum dort, wo die alten Minnesänger des Mittelalters standen, die e» in ihrer Modepoeste gleichfalls nicht be greifen konnten, baß man zu Pfingsten im wonnigen Mat ein schwermütig Gesicht machen konnte. Reimar von Zweter fragt solch eine» Narren, der in der Maienzeit weint, ob er von Sinnen fei. Aber ganz kurze Zett danach kommt schon der große Umschwung, und da» schwermütige Liebes gedicht wird zum ganzen Ausdruck einer Zett. Der kaiser liche Minnesänger Heinrich ruft auS: „Ich klage dir. Maien, ich klage dir, Sommerwonne, — ich klage dir, lichte Heide breit, — ich klag« dir, augenbrechender Klee, — ich klage dir, grüner Wald, ich klage dir, Sonne — ich klage dir, Venus, sehnendes Leid, — daß mir die Liebe tut so weh!" Aber nicht immer war diese Schwermutdichtnng so ganz auf das Irdische eingestellt. Besonders im Barock kannte man im Gegensatz zum Paradies der Erdenlust die Früh- lingsfreuben und Frühlingsschmerzen der Seele und man sprach von einem „geistlichen Maien", im Gegensatz zum weltlichen. Heute wissen wir, daß die Triebkräfte die gelichen sind. Ain Grabe des unvergleichlichen Sängers der Jrüh- lingsschwcrmut Hölty rüst eine verwandte Seele, Nikolaus Lenau, auS: »Hölty, Dein Freund, der Frühling, ist gr- kommen! Klagend irrt er im Haine, Dich zu finden!" Ter sonst unbedeutende Dichter und Zeitgenosse Goethes Nikolaus Meyer, klagt: „Der Frühling ist wieder gekom men — Herunter zum wallenden See — Doch will mir alles nicht frommen — Es ist mir im Herzen so weh!" — und er trifft damit vielleicht alS Erster den wahren Kern bcrLenzeS- schwermut, den uns unser Realismus deutlicher erkennen läßt: „Das körperliche Empfinden des Jrühliugsgesühls, bas sich im zivilisierten Menschen im Gegensatz zur reinen Natur als erzwungenes Unlustgefühl zu äußern vermag. Noch in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts erhebt man die Frühjahrsschwcrmut zum Urgrund menschlicher Tragik und Heine spricht von Les Frühlings trauriger Lust, nachdem JustinuS Kerner im Schmerz den Grundton der Natur erkennt. Das war der Höhepunkt reinsten Frühlingsempsinbens. Und dann bemächtigte sich die zünftige Romanschriststellerei der dankbaren Materie und hat viel dazu beigetragen, den Frühling aus der Literatur zu vertreiben, wenn es auch der gute Wille war, Schöne» zu schaffen und in» Volk zu bringen, der sie dazu trieb. Nun ist Pause. Schönheit, Pfingstgeist, FrühltngS- schwermut werden nicht mehr besungen. Aber — da haben wir's! — irgendetwas stimmt in un» nicht. Wir brauchen es gar nicht andren zu klagen. Jedermann hält in sich selbst Umschau — und es sieht dort verteusrlt nach Romantik au». Man gretst lässig nach einem blühenden Zweig. Ein kurzer Augenblick in einer anderen Welt und — tedermann sein eigener Dichter! Das Wander -er Pfingsten. Won H. Steffenhagen. an. Wer glaubt in unserer aufgeklärten Zeit noch an Wunder? Tas ist nach der Auffassung unserer heutigen Weltweise» ein längst überlebter Standpunkt. In ihrer Ueberhebung übersehen sie jedoch, daß es schon zn allen Zei ten Zweifler gegeben hat. Auch als sich das Wunder des Pfingstgetstes offenbarte, fanden sich sofort Spötter, die welt klug die ersten Träger des neuen Geistes verlachten und sic mit dem geringschätzigen Urteil abtun zu können glaöteu: »Sie sind voll süße» Weines". Auch manches andere Wort deS Hohnes und Spottes mag wohl noch lau: geworden sein über die Geschichte, die uns von dem Psingstsesl be richtet, über den brausenden Sturm und die feurigen Flammen, über die begeisterten Reden der Jünger Jesu und ihre nach ausenden zählenden Zuhörer. Diejenigen aber, die spotteten, vergaßen schon damals, daß es von der ersten Psingstversammlung in der Schrift heißt: „Die Menge der Gläubigen war bald ein Herz und eine Seele". „Einmütig" waren die Jünger zusammen, als der Tag der Pfingsten erfüllet war. Ist nicht üiöse Wirkung allein schon ein Wunder- Und gewirkt hatte es der neue Geist. Auch heute noch waltet dieser Wundergeist in der mannigfaltigsten Weise, und niemand kann mit Recht sagen, daß er von diesem Geist noch nichts verspürt habe. All jährlich spricht sich dieser Wunücrgeist erneut in der Natur au», zu keiner Zett des Jahres vielleicht eindringlicher und überzeugender als zur Pfingstzcit. Dem Zauber, den das Blütenmeer rings um uns her, das erauictende Grün der Wiesen, Felder und Wälder, der reiche Ansatz von Frlsthten aller Art allenthalben verbreitet, kann sich auch das leichtfertigste und verhärtetste Gemüt nicht entziehen. Es ahnt wenigstens, daß sich hier ein Wunder vollzieht; es empfindet eine Tatsache, die cs sich nicht erklären kann, die ^kein Gelehrter der Welt ihm deuten kann. Sv spricht schon die Natur zu denen, die sie nur oberflächlich betrachten, die nur ihre Reize bewundern und die in ihr ruhenden furchtbaren Gewalten fürchten. Nicht anders aber ergebt es dem Forscher, der sich vvn menschlicher Ueberhebnng frei- zuhalten weiß. Je tiefer der Menschengeisl einöringr in die Geheimnisse der Schöpfung, je emsiger er dem geheimnis vollen Walten der Natur nachforscht und ihre Gesetze zu ergründen sucht, desto mehr Wunder werden ihm kund, so daß er schließlich demütig mir dem Psalmisten bekennen muß: „Was ist der Mensch, daß du sein gedenkst!" Allein schon die auS dem innersten Herzen guellende Frühlings- und Psingsrfreude in der herrlichen Gottes natur ist ein Wunder. Wer wollte sic als etwas Ober flächliches und Weltliches, das einem Menschen oder gar einem Christen nicht gezieme, verurteilen? Ter Schöpfer de» Pfingstfestes selbst Hal eö uns gelehrt, uns an der Natur zu erfreuen, er, der wie kein anderer in dem offenen Buch des Alls zu lesen verstand. Seine unvergänglichen Gleichnisse und die herrliche Bergpredigt zeugen von seiner innigen Naturbetrachtung. Tie Lilien aus dem Felde und all die anderen bunten Blumen, das liebliche Gezwitscher der Vögel, den Landmann, der hinter dem Pfluge geht, und den Säemann, der guten Samen in die Erde streur, wußte er als wunderbare Schriftzüge zu deuten, die Gottes Schöpferhand in die Natur eingegraben hat. Aber das Pfingstfest erinnert uns nicht nur eindringlich an das sich immer wiederholende Wunder in der Natur. Pfingsten ist bas Fest des Geistes, und die Psingsterzählung von der Wunderkrafr des Geistes, des Wortes und des Verstände» ist zugleich auch ein Künden von dem Unfaß baren und Wunderbaren auf geistigem Gebiete. In allem Werden und Vergehen der irdischen Tinge bleibt eines uüerschüttert und unverändert: Tie göttliche Allmacht, welche die Wege der Menschheit lenkt, und die ewige Liebe, die mit heiligem Feuer die Herzen durchdringt. Sie allein ist die Triebkraft aller wahren Regungen und unteres Gemüt»- und Geisteslebens. Mag es uns auch in die>en trüben Zeiten oft erscheinen, als ob der Kamps in der Natur- und Geisteswelt einem Kampfe aller gegen alle gliche und wir von einem Pfingsten, da» wirklich von dem Pingst- geist durchdrungen ist, noch weil entfernt seien, so ist doch unverkennbar, daß diesen schlechten Zeitläuften zum Troy noch immer in unserem Volke unendlich viel lebt von dem, waS einst dem deutschen Wesen zur Ehre gereichte. Mächtig lebt in ihm noch der Trieb zu unermüdlicher Arbeit — mag er auch in der Gestalt gierigen Erwerbstriebes die Menschen auseinanderreitzen — aber eö und doch Zeichen Psingstfeiern Wagen fahren durch die Straßen, und Maien, frische, junggrüne Birkenzweige wandern aus den Wäldern in die Stadt und Häuser. Sie tragen sie alle in den Händen, große und kleine Menschen, und in die Zimmer ist der Früh ling mit ihnen eingezogen und vertreibt den letzten Winter staub, das letzte Winterdunkel. Auf den Tischen stehen dis zarten Zweige und von den Wänden nicken sie herab und Frühlingsglaube und Sommerhoffnung tragen sie in Häuser und Herzen. Uralt ist die Sitte der Maien, die Zimmer und Gänge mit ihnen zu schmücken. Vor Zeiten zogen wohl die Be wohner der Stadt hinaus in den Wald, an ihrer Spitze ritt der, Maigraf, und draußen vor den Toren übten sich in fest lichem Waffenspiel die Bürger, im Notfall gerüstet zu ie:" zur Verteidigung ihrer Stadt. Da kämpfte der Maiara' mit einem vermummten, unheimlichem Gesellen, dem Win ter, unter dem Jubel des Volkes unterwarf er ihn und mit Maien bekränzt, die sie aus dem Walde geholt, zog er mil den Seinen in die Stadt zurück, den festlichen Tag bei Tau- und Lustbarkeiten zu begehen. Weit verbreitet im Norden Deutschlands war diese Sitte einst, und viel alte Urkunde, berichten vom Maigrafenfest. Heute ist sie erloschen, wie io viele andere Gebräuche, die zutiefst zusammenhingen mil dem Erwachen und Vergehen der Natur. Nur die Maien, mit denen wir alljährlich unsere Häuser schmücken, der Mai baum, der zuweilen vor den Türen steht, erinnern noch daran. Helle und Licht, Freude und wiedercrwachende siegende Sonne bringt uns der Mai, der noch den letzten Kamps kämpft mit Sturm und Regen und winterlicher Kälte. Und sein schönstes, lichtestes, strahlendstes Fest ist das Pfingstfest, Erinnerung an den Beginn einer neuen starken Bewegung in der Welt. Jedes Jahr blühen die Pfingstkerzen auf den Wiesen und die Kastanien flammen rot und weiß. Das scheinbar Tote ist lebendig, ist jünger und schöner geworden, jedes Pfingstfest ist eine Mahnung zum Glauben an Krast und Güte, an den letzten endlichen Sieg des Guten und Großen in der Welt, auch nach aller Not des frostkalten, nebelver» hüllten Winters. ' Pfingsten, das Fest des Geistes. Pfingsten, von den Dichtern ost als das „liebliche Fest'' besungene, mitten in die Hochzeitstage der Natur fallende Fest, wird von der Christenheit als das „Fest des Geistes" gefeiert — und zwar als das Fest des heiligen, weil von Gott stammenden Geistes. Dieser göttliche Geist ist der Urgrund alles Seins, ist die Wahrheit schlechthin. Zu allen Zeiten haben die Menschen ahnungsvoll sich vor einem großen, das All erfüllenden Geist gebeugt, haben ihn verehrt und ihm Opfer gebracht. Uns, die wir uns Christen nenüen, ist dieser Geist mehr als ein ahnungs volles Sichhingeben, er ist uns Wirklichkeit. Wir setzen den heiligen Geist Gottes in bewußten Gegensatz zu dem unheiligen Geist des Bösen, der Verneinung, der Zer störung sittlicher Werte. Rechter Pfingstgeist ist Geist der Erneuerung, des Aufbaues von innen heraus, ist Geist Les Gewissens und unerbittlicher, Selbstzucht, der unbe dingten Hingabe an die Arbeit der Förderung des großen Ganzen. Wenn das deutsche Volk der Gegenwart Pfingsten feiert, wie es seinem Sinn entspricht, dann kann es nur in der heiligen Verpflichtung sein, alle Kräfte zusammen zuraffen zur inneren Erneuerung des Volks» lebens. So wichtig und wertvoll auch alle äußeren Maßnahmen zum Wiederaufbau des Volkskörpers sein mögen — wie z. B. die Linderung der zahllosen sozialen Nöte unserer Zeit, als da find: Wohnungsnot, Arbeitsnot, Bildungsnot u. a. —, sie alle werden nicht das Uebel an der Wurzel heilen, wekn nicht die seelische Erneuerung hin- zuttitt. Unser Volk hat sich ja leider in breitesten Schich ten vor dem Kriege durch glänzende» Wohlleben, nach dem Kriege durch zügellosen Materialismus, Lug und Betrug in unerhörtestem Maße die Seele verschachern und verder ben lassen, daß es vielfach kaum mehr fähig war, den Re gungen des guten heiligen Geistes Beobachtung zu schenken. Das Pfingstfest mahnt uns alle ernst und eindringlich, uns nicht auf tönerne Götzen zu verlassen, sondern uns dem lebendigen Geist aus der Ewigkeit mit ganzer Seele hin zugeben, dem Geist Gottes, wie er in Jesus Wirklichkeit war und für alle Zeiten sein wird. Wer da glaubt, er könne ein Volk in so abgrundtiefer Not, wie das deutsche Volk jetzt ist, zur Gesundung führen durch bloß äußere Maßnahmen und die geistigen Werke zu pflegen vernach lässigt, der ist in einem verhängnisvollen Irrtum. Pfingst geist ist Geist der Wahrheit, der keine Selbsttäuschung, keine Lüge, keinen Betrug, keine Oberflächlichkeit und Ge wissenlosigkeit verträgt. An Jesu Geist, der einst einer kleinen Schar siegende Kraft gab, daß sie die Welt mit aller ihrer Macht bezwang, wird das deutsche Volk genesen — oder es gesundet nie wieder. Möge dies jeder bedenken, der Pfingsten bewußt feiert als Fest des Geistes! Komm, du Heiliger Geist aus den lichten Löben der Cwtakeit und erfülle «eLerzen unteres Volke»? ZtiUiil, MÜM zWiMiemii! Literarische Psingfie«. — Heute uumoder«. — Aber: jeder» manu sei« ««««er Dichter. Bon Erich Boyer. Die neue Literaturrichtung wünscht die Darstellung des Schönen allein nicht mehr. In den guten alte» Romane» sind alle Jungfrauen und alle Jünglinge »art und fein, weiß wie Schnee, rot wie Blut und schwarz ivie Ebenholz. Man kann den Vertretern dieser älteren Aera gar nicht so ohne weiteres Unrecht geben, denn die Darstellung de» Nur ästhetischen wirkt aus unsere Sinne und — auch auf unseren Magen — in den meisten Fällen vorteilhafter, al» bte Art und Weise, in der Heutzutage irgendein Romanheld geschil dert wirb. Der Held oder der Intrigant von heute hat nicht nur ein Aeußeres, das einem Wachsfigurenkabinett entlehnt sein kann, es wird haargenau beschrieben, wie er sich räu spert und wie er spuckt, man erfährt, wann «r unrasiert ist, e» wirb dem Leser liebevoll mttgeteilt, daß sein Kragen nicht immer ganz reim tst und daß er daheim tm Wäscheschrank nur noch ein paar schmutzige Strümpfe aufbewahrt. So tst es auch mit den sonstigen Dingen, die man zu beschreiben hat und Romananfänge, wie etwa die Mitteilung, baß eine goldig lachende Sonne von einem ewigblaue» Himmel herab auf ein Aehrenfeld voll lebensbejahender Fruchtbarkeit üerabgesehen habe, kommen nnr noch in sehr vereinzelter Form und von der zünftige» Kritik mißbilligend gebrand- markt vor. Dreviertel von diesen guten alten Romanen, di« so einen oder einen ähnlichen Anfang batten, begannen tm Frühling zur holdseligen Maienzett, oder — was am be liebtesten war — zu Pfingsten. Tie Gründe dasür liegen auf der Hand. Zunächst einmal war der Frühling allein schon ei» Odium, das Le» Dichter unwiderstehlich ,u seiücm Schreibtisch trieb, und dann war entweder der Dichter selbst oder doch seine allernächste Umgebung von den geheimnisvollen und doch so allgemeinen Kräften Lenz und Liebe befallen oder gestreift morden, daß es eigentlich gar keine andere Möglichkeit gab, mit Maiendust, Pfingst geist nnd FrühlingSmoune den Pegasus für den kommen den Ritt zu füttern. Die Schriftstellerei von heute hat Pfingsten und Früh- jahr in die Rumpelkammer gestellt und beginnt lieber mit einem Gefängnishof, in dem cs nach verfaulten Kohlrüben riecht oder in der GnnimizeUe einer berüchtigten Irren- . anstatt. Nichtsdestoweniger muß oder müßte eigentlich auch in der heutigen Literatur so etwas wie Pfingsten vor kommen: aber soviel man auch im Blätterwalde herum wühlt, die Auslese sieht verteufelt schwach auS. Die Dichter vvn heute drücken sich »in das Thema Pfingsten fürsorglich herum. Denn es gilt als altmodisch, ja als verlogen, wenn man Pfingsten und alles was damit zu tun hat, halbwegs schön und verklärt darstellt, und wiederum geht es ja doch nicht an, den Pfingstgeist etwa mit den Erinnerungen eines dreifachen Raubmörders in mehr odcr weniger engen Zusammenhang zu bringen. In Wahrheit versteckt sich aber hinter dieser Tatsache das Zugeständnis, daß es tatsäch- lich einen Pfingstgeist gibt, denn wenn der nicht so Herrschend und nicht so von der Allgemeinheit empfunden werden würde, hätte man sich schon längst über dieses schein bare Ueberbleibsel aus einer „romantisch — verlogenen" Zeit hinwegsetzt. Daß, rein biologisch genommen, zu Pfingsten al» dem Höhepunkt des Frühjahrs irgendetwas „los" sein muß in der Natur, braucht wohl weiter nicht betont zu werden. Die Kater schreien es vom Dache, und die Maikäfer, die mau morgens von den Bäumen schüttelt, dokumentieren es zur Freude der Kinder in handgreiflicher Form. Und seit Darwin missen wir, daß unsere Urväter mit dem Mai käfer oder dessen Großvater in freunünachbarlichen Be ziehungen gelebt haben und daß infolgedessen jene Stim mung, die den Maikäfer im Frühling überkommt, auch irgendwie auf seine zufällig weiter entwickelten Verwandten übertragen worden sein muß. Gerade die Literatur von heute ist es ja, die den Darwinismus und seine Abarten yochtebcn läßt und über die Romantik von gestern lächelt, weil sie brav und folgsam an das Paradies und an die uucrgniüliche Geschichte mit dem Sündensall geglaubt hat. Es gibt also einen Pfingstgeist! Und der, der die gesamte pfingstkerzen Der' Frühling steckt ring» wieder Pfingstkerzen auf! So macht doch die Fenster weit und blickt hinaus, daß ihr es seht, wieder seht, wie jo manches Jahr schon und — so Gott will — noch manches Jahr wieder .. Und die Pfingstglocken läuten: nicht nur die von den Türmen rundher, die großen, erzenen, — nein, auch die tausend und aber lausend kleinen, Hellen, farbenfrohen, welche auch der Frühling gerufen und der weiche, warme, mütterliche Regen, — und der Helle, gold-goldige Sonnenschein. . . Alle die kleinen, dankbaren, leisen Pfingstglocken m Wald und Wiese, Rasen und Beet. So macht doch die Fenster weit auf und dis Herzen. .. Weit, ganz weit! Warum denn? Ei! wei! sie eins Botschaft haben für uns; beide: Kerzen und Glocken. War so dunkel und grau der Herbst, so voll Nebel und kalter Winds . . - und dann tst der Winter hingeichlichen durch die Tage und Wochen, hart und voll Kampf und Not, daß ihr alle Fenster verschloßt, und notdürftige Lampen anzündetet, um des Lichtes nicht ganz zu vergessen. Nun aber hat der Frühling wieder Pfingstkerzen auf» gesteckt rings, und Helle und warme Sonne die Glocken gerufen. Pfingstglocken: die lausend erzenen der hohen Türme uni 'c>l,Nnq-nn,ähiiqen in Wald und Flur .. . wieder, wie mankye» icyon- unv ------ sv eoo»r win — noch manches kommende Jahr. Darum machet die Fenster weit, ganz weit auf! denn eine Botschaft wollen sie such künden, diel'-. Psingstbolen: daß Grau und Sturm und Dunkel nicht bleibt und blei ben wird, daß immer wieder ein Frühling kommt und Pfingstkerzen aufsteckt rings und zahllos-unzählige, lebens starke, lebensfrohe Pfingstglocken bringt. Nur die Fenster müßt ihr aufmachen weit, uno — die Herzen, daß ihr sie erblickt und ihre Botschaft vernehmt, ihre ewige, frohftarke Helle Pfingstdotschaft. — Pfingsten . Wie ein gewaltiges Brausen nsm Himmel weht der Schöpfergeist, welcher einst --am An» sang — das große „Werde*' sprach, stets aufs neue durch alle Schöpfung und spricht „es bleibe" und sagt: „Erhal» ten"... . Darum fort mit grauem Zagen und Verzagen. Machet weil tzie Herzen solcher Botschaft,, solcher.
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