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— 126 „Beiden?" „Tas mußte ich doch. Aber jetzt darf ich einigermaßen hoffe» ans Ziel zu gelange». Ich glaube der kleinen Erbin Liebe sicher zu fein und warte nur auf eine günstige Gelegenheit, den entscheidenden Schritt zu wagen. . ." „Hier, Prinz, sehen Sie sich dies einmal an," begann Angelvtti kurz entschlossen. „Sie schulden mir 5(1000 Lire, ohne die 5, die Sie jetzt aufs neue beanspruchen, die ich Ihnen aber leider zu geben außerstande bin. Tie Saison geht zu Ende und die Fasten beginnen. Nach Ostern ver lassen die Tamen Rom. Dann tritt die Hitze ein, und die Festlichkeiten erreichen ihren Abschluß. Was bleibt nun noch von den Empfängen übrig? Heute ein letzter Hvfbal? und übermorgen der Kvstümball der Roccabellas. Und nun mein letztes Wort, Prinz! Wenn Seine Eminenz, Ihr Onkel, nicht binnen acht Tagen für Die um die Hand des jungen Mädchens angehalten hat, so ziehe ich mich zurück, und Sie mögen zusehen, wie Sie sich verteidigen können." „Mich verteidigen?" rief der Prinz erstaunt ans, „und gegen wen?" „Gegen Ihre Gläubiger, mein Prinz! Tenn nicht ich bin es, der Ihnen die Summe Vvrgeschossen hat; haben Sie das etwa geglaubt? Hin und wieder gab ich eine Garantie für Sie, aber bares Geld — nie? Ich bin selbst nur ein armer Mann, der schwer arbeiten muß und nicht in der Lage, dem Prinzen Montecorvelbo 50000 Lire vorschießen zu können. Es ist das Geld von Kunden und Freunden meinerseits, das Sie ausgeben, Don Cäsar, und diese Leute sind keineswegs gewillt, es zu verlieren." „Aber," erwiderte der Prinz, endlich aus seiner Be täubung erwachend, „wodurch hoffen denn diese Leute, ihr Geld wieder zu erhalten, es sei denn, daß ich eine reiche Heirat mache?" „Auf Ihren Palast hassen sie, Prinz! Alt und ver fallen ist er allerdings, aber seinen Wert hat er noch immer. Ter Palast ist es, der für die Lamme gut sagt, die man Ihnen geliehen." „Ter Palast?" „Natürlich? Dachten Sie etwa, daß man mir ohne jedwede Garantie dieses Geld anvertrauen würde? Es wurde gegen eine Hypothek auLgeyändigt, die Sie also, ohne einen Blick darauf zu Wersen, unterzeichnet haben!" „Rein Palast!" wiederholte der Prinz niedergr- schmettert, „stllglich . .." »Folglich wird, falls Sie das Geld nicht zurückzahlen können, der Palast verkauft werden," schloß Angelotti kalt. Ter Prinz war erblaßt. Mühsam nur vermochte er die Tatsache zu fassen, und seine Hand glitt wiederholt über die feuchte Stirn. Sein Palast! Der Palast seiner Later, der alte Palast der Montecorvelbos! Es war undenkbar. Wie hypnotisiert blieb er stumm bei diesem Gedanken stehen. „Sie sehen, Prinz, haß hier keine Zeit zu verlieren ist, um Ihre letzte Karte auszuspielen," sagte Angelotti nochmals mit klarer, schneidender Stimme. „Euer Ex zellenz darf versichert sein, daß ich nur in Ihrem Interesse rede. Und nun, Prinz, gestatten Cie mir, mich zu em pfehlen. ein Besuch, den ich nicht aufschieben kann, zwingt mich auszugehen." „Also," nahm der Prinz noch einmal mit zitternder Stimme das Wort, ,Lhr verweigert mir entschieden die öOVO Lire?" „Entschieden, T0n Cäsar, es ist mir unmöglich. Wenn Eie ihrer aber durchaus so benötigen, könnten Sie dann nicht etwa bei Freunden oder vvn Ihrem Onkel oder auch von Donna Bianka diese Summ« erhalten?" Ter Prinz lächelte matt. ,Lhr spottet, Angebstti, wenn Ihr von meinen Freunden sprecht. Was den Onkel Letrifst, so wißt Ihr doch besser wie irgend ein anderer, haß er nichts mehr besitzt, und Bianka"« — er errötete leicht — „hat schm» ein übrige- getan." „Tann beeilen Sie nur Ihre Sache bei den Damen und alles nimmt ein gutes Ende. Adieu, Prinz, und Glück auf!" X. Hierauf verließ Angelotti den Prinzen, fest ent- schlvssen, einen äußersten Versuch zu wagen, um seine 50000 Lire zu retten. Tatsache tvar, daß Angelvtti selbst dem Prinzen das Geld vorgestrcckt hatte, hinter sich aber hatte er Strohmänner, die zur Rot die gerichtliche Ver holzung auf sich nahmen, da es dem Sohne des alten Intendanten der Monteoorvellos einfach unmöglich ge wesen wäre, den Verkauf des Palastes selber vvrzunehmen. Taz» fehlte ihm vvn vornherein der Mut. Diese Exekution mußte er einer fremden Hand überlassen. Lieber aber würde er den Palast mit eigenem Gelde zurückkaufen, ehe er ihn in eines Fremden Besitz übergehen sah, um ihn dann an irgend einen Zweig der päpstlichen Verwaltung zu vermieten. Nun, man würde ja sehen. Vorläufig zog es Angelotti vor, seine 50000 Lire einzuziehen, Vvn denen ein gutes Drittel reiner Verdienst blieb. Sv entschloß er sich zu einem Besuch bei Donna Bianka, um für hie Monteoorvellos einen letzten Rettungs versuch zu unternehmen. Er ahnte, daß hier für Ton Cäsar der Grund seines Zögerns lag. Angesichts der ihm Vvn der Prinzessin gebrachten Opfer schämte er sich der unbedeutenden Schurkerei, die er zu begehen im Begriffe stand. Tiefe Bedenken mußte Angelotti zu beseitigen suchen, indem er Donna Bianka veranlaßte, selber dem Vetter zu dieser Heirat zuzureden. Hatten sie nicht schon einmal gemeinsam die Monte- corvellos gerettet? Tas war an dem Tage geschehen, als Prinz Urbino kurz vor feinem Tode dem nahen Ruin ins Auge gesehen hatten Damals wie heute hatte alles auf dem Spiel gestanden und der alte Prinz, wahnsinnig vor Schmerz darüber, war im Begriff gewesen, sich in den Tiber zu stürzen. Bianka, seine Nichte, Halle dos Kloster verlassen, um ihren Palast zu beziehen. Sie war ein Wunder der Schön heit, ein Schatz von Tugend und Talenten, und Ton Urbino sreute sich in dem Gedanken, daß es diesem schönen Geschöpf möglich sein werde, die alten Traditionen der glänzenden Prinzessinnen Monteoorvellos fortzusetzen. Er wartete nur auf Casars Einsicht und Vernunft, um sich das ihm bietende Glück genügend zu schätzen, zum Zweck einer Vermählung der beiden. Im letzten Moment, am Rande der Verzweiflung ange- kommen, erschien ihm Angelotti als Retter. Als Retter ja wohl, dachte Angelotti in diesem Augenblick, der in jener verhängnisvollen Stunde für den Prinzen Corglione um Biankas Hand bat mit der Bedingung, Ton Urbino die nötige Summe ohne Zinsen und auf unbeschränkten Zeit- rmrm hinaus vorzustellen. Freilich, über den stummen Jammer Biankas schloß er absichtlich die Augen, ebenso wie über den Schmerz und die Scham, die das Leben des alten Prinzen verkürzte, als Ton Urbino nach der Vermählung und nach Biankas Wegzug nach Neapel, von der alten Amme seiner Nichte die Einzelheiten über das Martyrium dieser Ehe erfuhr. Ter 40 jährige Prinz Giuseppe war gebrechlich; seine Gesundheit im Grunds erschütterte Obenein litt er im höchsten Grade an Epi lepsie, so haß hie fünf Jahre dieser Verbindung für Bianka eine mit jeder Stunde wächserne Qual bedeutete, Ton Urbino erlag dieser Prüfung^ Er ließ Angelotti rufen, der seinerseits versicherte, von diesem Zustande keine Kenntnis gehabt zu habens Vvn unaufhörlichen Gewissens bissen gefoltert, selber Biankas Unglück verschuldet zu haben, erstattete Ton Urbino eines Tages dem Prinzen Corglione die entliehene Summe zurück. In den Augen Angelottis eine große Tvrheit. Nach fünsjähriger Ehe starb Prinz Corglione, seiner linder- losen Witwe einen Teil seines Vermögens hinterlassend. auf öffe die B«r »erroalt rr — 127 — dessen letzter Rest gemeinsam mit den Reichtümern der Mvntecorvellos dahingeschmolzcn war. — Angelotti mußte warten. Donna Bianka war in der Kirche. Als Witwe nach Rom zurückgekehrt, lebte sie anfäng lich ihrer Trauer, später ihrer bescheidenen Einkünfte hal ber in äußerster Zurückgezogenheit. In dem Palast einer befreundeten Familie, der sich in demselben verfallenen Zustande befand wie derjenige ihres Vetters, hatte sie einige Zimmer gemietet. Angelvtti brauchte nicht lange zu warten. Ruhigen Schrittes betrat sie das kalte; kahle Zimmer. Seitdem Angelotti Bianka kannte, hatte ihre reine Schönheit keine Veränderung erfahren. Sie hatte jetzt ihr 28. Jahr erreicht, uyd in der Nähe gesehen, war sie in Wirklich keit vvn bezauberndem Liebreiz. „Ihr seid es, Herr Angelvtti?" begrüßte sie ihn mit ehrlichem Staunen, in dem sich eine verhaltene ängst liche Spannung fühlbar machte. „Was geht denn vor?" Für Tvnna Bianka war Angebotti bisher immer nur als Hiobsbote erschienen. „Ich muß Sie sprechen, Prinzessin! Tie Angelegen heiten Ihres Vetters stehen schlecht, sehr schlecht!" „Und was soll ich etwa dabei tun?" fragte sie ziem lich kühl, und mit einem gewissen Hochmut fügte sie hin zu: „Ihr verliert nur Zeit bei mir, Herr Angelotti denn Ihr wißt wohl, haß ich nichts mehr besitze". „Tavvn ist jetzt nicht die Rede", protestierte Ange lotti demütig, „es handelt sich im Augenblick nur darum, dem Prinzen einen Rat zu geben". „Um das zu können, müßte ich ihn doch sehen", ent gegnete sie traurig, er ist schon lange nicht mehr bei mir gewesen. Ihr seht also, es ist ganz unnütz. Um was handelt eS sich denn? Sagt mir die Wahrheit, An- gelotti!" „Tie Wahrheit wünscht Euer Exzellenz zu wissen? Tie ist grausam. Ich sage es Ihnen zum Voraus. Und dennoch, Prinzessin, sind Sie die einzige Person, deren Rat in der Sache seine Wirkung aus den Prinzen nicht verfehlen wird. Es gilt, ihn oder besser gesagt seinen Palast vor dem Verkauf zu retten!"« „Ten Palast der Mvntecorvellos verkaufen! Wodurch ist er denn in diese letzte Not geraten?" Tie Tränen perlten unter ihren Wimpern hervor, und angstvoll blickte sie in Angelottis Gesicht. Ohne ein Wort der Erwiderung zog Angelotti aus den Taschen seines Rockes ein kleines Register hervor und hielt die langen Zahlenreihen, die die traurige Geschichte des Verfalles der Monteoorvellos enthielten, Tvnna Bianka hin. Anleihen, unglückliche Spekulationen, Rech nungen vvn Lieferanten, Wetten u. s. w. wechselten mit einander ab. Hin und wieder hielt Angelotti bei dem einen und andern geheimnisvollen Zeichen an.. „Hier ist eine böse Schlinge, aus der Sie, Prinzessin, Ihren Vetter befreien könnten". Um Tvnna Biankas Lippen spielte ein bitteres Lächeln. ,Hch kann nichts Wetter für ihn tun", sagte sie, „selbst meine Juwelen sind dabei drauf gegangen, und ich hatte deren viel!" „Wie, Prinzessin? Auch Ihr Tiadjem sollten Sie ge opfert haben? Und iH bot Ihnen doch wiederholt eine Po günstige Gelegenheit, es anzubringen, aber Sie schlugen es mir allemal ab!"" „Nein", antwortete Bianka mit Würde. „Tas Diadem erbte ich vvn meiner Mutter, davon trenne ich mich nicht. Um es den Händen des Wucherers oder dem Hammer des Taxators zu überlassen". „Es ist so wundervoll und würde Ihnen eine be deutende Summe. . ." „Nichts da! Alles habe ich geopfert, selbst die Fa milienjuwelen, vvn Venen fast jedes einzelne das Geschenk eines Souveränen war.. Dieses Diadem von Rubinen aber wurde vvn dem Papste Leo X. in den Hvchzeitskorb einer meiner Ahnen gelegt. Wenn ich es nicht mehr tragen kann, so weihe ich es der Madonna. Aber," fuhr sie fort, „wir sind vvn unserem Thema abgekommen. Um einen Rat, sagt Ihr, handelt es sich bei meinem Vetter?" Darauf entrollte Angelotti vor Donna Bianka den für den Prinzen entworfenen Heiratsplan. Er zögert« einen Moment, ehe er von den Gefühlen Ton Cäsars zu vrden begann. Es quälte ihn eine Art Gewissensbisse angesichts der wehmütig auf ihn gerichteten Augen der Prinzessin. Er gehörte indes zu den starken Naturen, die zur Not der inneren Stimme Schweigen zu gebieten wissen, wenn die selbe ihnen störend in den Weg tritt. Tie 50000 Lire, die der Prinz ihm schuldete, ließen ihn Tvnna Biankas Trauer sehen. Und mit seinen grausamen Enthüllungen rücksichts los fortfahrend, setzte er hinzu: „Ter Prinz ist in Wahr heit verliebt in das junge Mädchen. Ties mag wohl der Grund seiner Zurückhaltung sowohl Ihnen wie seinem Onkel, dem Kardinal, gegenüber sein." Er schwieg einen Moment in der Hoffnung, daß eine Antwort Tonna Biankas ihm den Rest erleichtern würde. In dieser Erwartung fand er sich aber getäuscht. .'„Ter Prinz," fuhr er fort, „ist psrglvs und leicht lebig. Ties hat sein Verhalten seit dem Tode Ton Urbinos genügend bewiesen. Tie Neigung — sagen wir meinet wegen — die Leidenschaft, die ihm das junge Mädchen eingeflößt hat, — kurz alles zusammen zerrt Ton Cäsar in seinen Gefühlen hin und her. Seine eigenen Inte- teressen und sein Glück einerseits, Skrupel und Zartgefühl anderseits. Mit einem Wort, Prinzessin, «s muß doch nun einmal heraus, der Prinz hat mir gestanden, daß er einzig und allein aus dem Grunde zögere, well er Ahnen zu miß fallen fürchtet und Sie nicht betrüben möchte!" „Mich betrüben?" unterbrach ihn Manko, „weshalb?'" Mit einer erheuchelten Unbeholfenheit versuchte Ange lotti der Prinzessin zu erklären, daß Ton Cäsar sich durch ein geheimes Band, das ihm seine Freiheit raube, an sie geknüpft fühle, weshalb er vor dieser reichen Heirat, die seine letzte Rettung bedeute, wie vor einer unlauter» Handlung zurückschrecke. Tie Prinzessin lächelte stolz. „Mem Vetter schuldet mir nichts," entgegnete sie, „für ihn persönlich brachte ich die Opfer nicht, sondern sie gal ten der Ehre und Größe unserer Familie, denn auch ich bin eine Montecorvelbo. Etwas mehr oder weniger Lejd, ein weiteres Opfer, was liegt daran! Gern bin ich bereit, meinem Vetter den Rat zu erteilen, den Ihr, Herr Ange lvtti, so weise zu, geben vermögt!" Nach einem kurzen Schweigen fragte sie: „War das Fräulein vvn Verneuil nicht bei der Zeremonie in Sankt Peter zugegen?"" „Jawohl, Exzellenz." »Ich möchte wissen," murmelte sie, ,-ob es dieselbe ist, die ich bemerkte: ein schönes, junges, frisches Mädchen mit klaren, ehrlichen, braunen Äugen?"" ,Lch glaube wohl, Prinzessin, denn die Tamen haben auch Sie bemerkt." „Ich würde sie mit Vergnügen Wiedersehen", sagte Bianka mit sanfter Stimme. „Eines weiß ich, haß die Tamen übermorgen, Souurag abend, vor dem Batte bei Roccabellas eine Stunde in der Villa Medici zubringen werden, um ihre Kostüme zu zeigen, die vvn den jungen, französischen Malern gezeich net worden sind. Sollten Euer Exzellenz den Direktor kennen, oder könnten vielleicht Freunde. .."" „Wißt, Herr Angelotti," unterbrach ihn Bianka mit merklich verächtlichem Done, „die Prinzessin Corglione bedarf keiner Einführung. Wo sie sich zeigt, öffnen sich hie Türen alle vvn selbst." Angelottis wettere Gegenwart war überflüssig und