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ivr - an- so behandeln konnten, doch mochte es eine neue Art sein, daS Land gründlich von den Dänen zu reinigen. „Du," sagte Lieschen, „wenn wir jetzt nicht saufen, können wir nicht mit Heinrich fahren, denn er zieht schon seine Holzschuh an!" und sofort setzten wir uns in Trab. Der Schimmel stand träumend vor dem leeren Ernte wagen, und Heinrich gab ihm gerade einen ermunternden Schlag, daß er zusammenfuhr, und wir mußten über diese komische Bewegung erst gebührend lachen. „Nun, kleines Krupzeug, wollt Ihr mitfahren?" fragte Heinrich gönnerhaft, und behende kletterten wir hinauf und setzten uns auf das Brett neben unfern Freund. Polternd verließ der Wagen das Steinpflaster vor der Scheune, und wir fanden das Stoßen und Hopsen auf dem Brett sehr unterhaltend. Als wir auf der Landstraße waren, wies Heinrich mit der Peitsche nach dem Teich und sagte: „Habt Ihr das Zeugs gesehen, das da hinausfuhr?" „Ja, werden sie nun die Schleusen entzei schießen?" fragte ich „Ach dummer Snack! Da auf den Inseln sitzen noch ein paar Dänen und ihre Schiffe swimmen im Wasser herum, bei denen wollen die Deutschen reine Kant machen." „Schießen sie dann die Schiffe kaput?" fragte Lieschen. .^Justement," meinte Heinrich gemütlich. „Ich weiß auch mal was von Krieg zu erzählen, denn vor vierzehn Jahren war ich mitten dazwischen. Nicht, daß ich just Soldat war, aber mit andern Knechten sollte ich eine Kriegsfuhre in die Stadt bringen. Na, den Tag vorher war unser Humor mau flau. Mein Gott, solche Kugel kann ja leicht verkehrt laufen und einen friedlichen Menschen treffen! Und während wir weg waren, konnten die Feinde kommen und unser Geld nehmen! Ich hatte gerade 10 Speziestaler. Die band ich denn in einen Beutel und hing sie in den Brunnen, denn dahinein stiegen die Feinde doch gewiß nicht. Was mein Freund war, der vergrub sein Geld im Düngerhaufen. Er meinte, da grüben sie nicht so leicht nach von wegen dem Geruch Na, wir kamen wieder lebendig nach Haus, und mein Freund kratzte seine Täler wieder aus dem Mist heraus. Ein bischen stinken taten sie, aber es waren doch gute Taler. Als ich aber zu meinem Beutel kam, da hatten die Wasserratten den Strick durchfressen, und der Beutel Ivar und blieb versunken. Zehn ganze Speziestaler! Ja, ich weiß mal was von Krieg zu erzählen!" Mittlerweile waren wir auf der Wiese angelangt, wo Maß aus einem Heuschober herausgekrochen kam, in dem er mit Ali gevespert hatte. Maß war ein Zögling des Armenhauses, der vom Aufseher zur Erntezeit bald hier bald dahin vermietet wurde. Er stammte aus Jütlcknd, war nicht sehr schlau und nicht sehr flink, und da HeinrichIsich auch nie übereilte, paßten die beiden sehr gut zusammen. Während wir uns mit Ali im Heu wälzten, fing Maß au, bedächtig das Heu auf den Wagen zu laden, und Heinrich packte es zurecht. „Maß," sing er an, „weißt Du was Neues ?" „Nee!" „Drüben in der Mrdsee schwimmen Deine dänischen Brüder, und nun sind die Deutschen mit Kanonen ge kommen und machen sie alle dot." Maß hielt im Aufforken inne, und Heinrich erholte sich auch ein wenig. „Du willst mich man bloß was Weismachen," sagte Maß dann. „Kinder, ist es nicht wahr?" ries Heinrich trium phierend. ,La!" hieß es im> Lhor. „Hörst Du, eS ist wahr! Und wenn die Deutschen damit fertig sind, dann suchen sie hier daS Land nach Dänen ab, und wo sie einen finden, gleich dot gemacht! Nu weißt Du, wonach Du Dich zu richten hast." Maß sah sich ängstlich um, dann machte er ein dumm schlaues Gesicht und sagte: „Mein Taufschein ist weg- gesmissen!" „Dann hast Du noch Dein dänisches Gesangbuch." „Das verschenk ich geswind." „Aber dann ist Dein dänisches Taschentuch da, das verrät Dich!" Maß hatte ein rot und weiß gewürfeltes Tuch in der Tasche, worauf er sich sehr viel einbildete. Jetzt schien es ihn zu ängstigen, und als Heinrich einen Augenblick fort sah, zog Maß das verdächtige Tuch aus der Tasche und schob es mit der Heugabel unter das Heu. Nach einiger Zeit meinte Heinrich, daß der Schimmel nicht mehr schleppen könne. So ward das Heu festgebunden, und wir kletterten aufs Fuder. Selbst Maß kroch hinauf, da er behauptete, daß er durchaus nach Hause müsse. Während wir uns alle schön betteten, hatte Heinrich noch etwas mit dem Hunde zu tändeln, dann sprang er auch hinauf, und fort ging es. Maß gab mir einen kleinen Puff und flüsterte, nach Heinrich schielend: „Ist es wahr mit den Deutschen?" Ich nickte. „Aber das kannst Du glauben," fügte ich mit Stolz hinzu, „ein deutscher Soldat schießt nur Sol daten nieder, sonst keinen." Maß schien aber nicht ganz beruhigt, seufzte schwer und grub sich tiefer ins Heu ein, damit er vom Wege aus nicht gesehen würde. Hin und wieder hob er den Kopf und sah in die Gegend hinaus, ob auch etwas Ver dächtiges zu sehen wäre. Plötzlich richtete er sich auf, und das Entsetzen leuchtete ans seinen Augen, als er heraus stieß: „Herr du meines Lebens, was ist dies?" Wir reckten die Hälse, um auf den Weg zu sehen, und gewahrten Ali, der wohlgemut in der Spur trottete, und hinter ihm her schleifte als schönes Anhängsel seines Schwanzes das rot und weiß gewürfelte Taschentuch. Wir starben fast vor Lachen, und Heinrich, der sofort die Ursache witterte, sagte: „Sei man ganz getrost, Maß, der schwarz und weiße Köter und das rote Tuch machen zusammen die deutschen Farben." Dann aber richtete Heinrich sich stramm auf, gab dem Schimmel einen Schlag und rief: „Kinners, Wnners, im Dorfe ist was los!" Richtig, im Dorfe war etwas los! Die Leute liefen eilfertig hin und her, und dazwischen bewegten sich öster reichische Soldaten, als gehörten sie gan'z dazu. Wir konnten kaum erwarten, bis wir in unsere Scheune ein fuhren. Der erste war aber Maß, der vom Wagen kam und Ali heranlockte, um die verdächtige Fahne zu ent fernen. Lieschen und ich stürzten sofort in die Küche, um Mine zu benachrichtigen, daß das Fuder Heu da sei, denn sie mußte beim Abladen helfen. Me erstarrt blieben wir aber auf der Schwelle stehen, denn Mine hantierte mit hochroten Backen am Herde, und neben "ihr stand ein Oesterreicher, der mit flotter Zunge und wunderbarem Tonfall von seinen kriegerischen Heldentaten erzählte. „Ja, verwundert Euch nur!" rief Mine aus, „dieser Mensch will Ribitsch heißen und ist der Diener vom Hauptmann. Mutter ist auf dem Boden, um das Zimmer für den Hauptmann herzurichten. Kinder, Kinder, was sind das für Zeiten, in denen wir leben! In meiner friedlichen Küche muß so ein Mannsmensch herum lausen, der nicht einmal einen christlichen Namen trägt und sein Geschnack kann ich auch nicht verstehen." Ribitsch, in seinem Vortrag unterbrochen, wußte nicht recht, wo er wieder ansangen sollte, und Mine wandte ihm verächtlich den Rücken. Wir aber stoben davon. Lieschen hinaus zur Mutter, um das Stuben-Ereignis zu s — » 2L 2» T 8 8---* 2.-— IN « 2 8 8 108 bewundern; mir war dies zu mädchenhaft, daher lief ich ins Dorf. Bald hatte ich Monrad erwischt und ließ mir haarklein den Einzug der Oesterreicher schildern, der gleich nach dem Durchzuge der Kanonen stattgefunden hatte. Er konnte mir auch schon berichten, daß es das 9. Jägerkorps sei und daß es hier so lange liegen sollte, bis die ddirdsee von den Dänen gesäubert sei. „Es sind nicht solche Kerle wie die Ungarn," ver sicherte er, „denn Mutter fragte gleich den Unteroffizier, ob es wohl Diebe wären. Der sagte, daß sie keinem Menschen zu nahe kämen, weil sie Freunde sind. Aber Mutter verschloß doch alle ihre Strümpfe. In unserm Saale wird ein großer Tisch gedeckt, da sollen die Offiziere jeden Tag essen, und ich darf dann die Töpfe ausschrapen, sagt Mutter." Ich beneidete Monrad im tiefsten Herzen wegen dieses Vorzuges, wollte mir aber nichts merken lassen und meinte erhaben: „Pah, ausschrapen kann ich auch ohne Oesterreicher!" Monrad ward aber nicht beleidigt, sondern erzählte lustig weiter: „Das Bild von Heinrich VH., das in der Schenkstube hängt, hat Mutter gleich nach dem Boden gebracht, damit die Deutschen nicht gekränkt werden." Ich dachte an den kahlen Fleck, der an der Wand ent standen Ivar, und fragte: „Was kommt nun dahin?"' „Eine Fahne!" sagte er mit Stolz. „Wo kriegt Ihr die so flink her?" „Die machen wir selbst aus Vaters rotem Halstuch und Mutters schwarzer Schürze, und ein weißer Lappen wird mit Safran gefärbt, sagt Mutter. Tas wird fein, kannst Du glauben." Ich glaubte es und überlegte mit Eifer, ob wir nicht auch so schöne Fetzen hätten, doch Monrad störte mich in meinen Gedanken. „Wir haben auch frei gekriegt in der letzten Schul stunde," sagte er, ,chenn der Lehrer meinte, wir sollten uns die Oesterreicher recht besehen, das wäre so bildend. Der Lehrer ist auch gekommen nnd sitzt mit dem Unter offizier in der Schenkstube." Die Soldaten ordentlich besehen! Ja, das schien mir das Vernünftigste zu sein, darum ging ich denn mit Monrad durchs Torf und studierte den ganzen Kram. Von da an gab es überall viel zu sehen und zu hören, und wenn ich nicht durchs Dorf strich, teilte ich meine Zeit zwischen Heinrich und Ribitsch, den ich außerordent lich interessant fand. Maß ließ sich in der ersten Zeit nicht sehen, und cs hieß, daß er krank sei. Heinrich argwöhnte aber, daß er aus lauter Angst vor den Deutschen sich verkrochen habe. Endlich erblickte ich ihn eines Tages auf der Straße, Ivo er ganz keck einherging und einem Soldaten zutraulich zunickte. Ich lief gleich zu ihm, um zu fragen, wie es mit seiner Gesundheit gehe. Sowie er meiner ansichtig wurde, blieb er stehen und ries mir zu: „Grüß nur Heinrich, daß er ein alter Esel ist, weil er mich so geprellt hat; aber warte nur. Maß wird es ihm wieder geben, ja das wird er!" Schluß folgt. Zweimal verwaist. Rcvrllettr von Edwund Hardtkr. Nachdruck veriotrn. Ein heißer Sommertag neigt sich seines End« zu; kein Lüstchen regt isich, und fernher tönt das Rollen der letzten einfahrenden Erntewagen. Die Strahlen der scheidenden Sonne lassen alles wie in flüssiges Gold getaucht erscheine«, ste werfe« zitternde Reflexe auch in jenes Zimmer des weitläufigen Schlosses wo ein einsamer Mann am Fenster stützt und sinnend« Auges in den Park hinabblickt. Der eigenartige Zauber des zur Rüste gehenden Lage- hat auch den Grafen Eberhard Wredow in seinen Bm« gezogen, eine träumerische Stimmung war über den sonst so energischen tatkräftigen Mann gekommen. Unwillkür lich flogen seine Gedanken in die jüngste Vergangenheit zurück, die schweres Leid über daS sonst so ruhig-früedltche Haus gebracht. Mit dem inS Land ziehenden Frühling war da schwache Lebenslicht der seit langem kränklichen Gräfin, der Mutter Eberhards, erloschen, und schon stach wenig« Wochen stand dieser auch an der Leiche der Gattin. Ein hitziges Fieber, die Folge einer nicht beachteten heftig« Erkältung hatte sie hinweggerafft. Es war eine ruhige, auf gegenseitiger Achtung be gründete Ehe gewesen, die der Lod hier mit rauher Hand gelöst. Das Herz hatte nicht mitgesprochen, als Graf Eberhard einst um die Hand seiner Base zweiten GradcS anhielt; es galt lediglich einen Wunsch der beiderseitigen Familien zu realisieren. Mit der Zeit hatte sich dann ein Gefühl kameradschaftlicher Zusammengehörigkeit zwi schen den beiden Gatten herausgebildet, weit entfernt von jeder aufregenden Leidenschaftlichkeit. Das äußere Leben auf Schloß Wcedow war durch den Tod der jungen Herrin fast unberührt geblieben. Um das Getriebe des Haushalts hatte sich die Verstorbene nicht sonderlich gekümmert, wußte sie doch alles in guten Hän den und die Sorge für seine beiden Söhne im Alter von fünf und drei Jahren hatte Graf Eberhard einer Er zieherin anvertraut, die ihm von einer befreundeten Fa milie in der Hauptstadt warm empfohlen worden war. Wohl betrauerte der Graf die Heimgegangene auf richtig, aber mit dem Schmerz des trostlosen Satten hatte diese Empfindung wenig gemein. Er gedachte ihrer eb« wie eines guten Freundes, dessen Tod wohl in alte lieb gewonnene Verhältnisse störend eingreifen, diese aber ans die Dauer nicht erschüttern kann. Die Hauptsorge wandte sich jetzt seinen beiden Knab« zu, deren körperlichem und geistigem Wohl er jetzt er heblich mehr Aufmerksamkeit zuwenden mußte al- früher. Wenn er aber auch seine Buben zärtlich liebte, zum Pädagogen war Eberhard Wredow nicht geboren. Es bedeutete daher eine große Erleichterung für ihn, al- er diese verantwortungsvolle Pflicht zum größten Delle in die Hände der Erzieherin legen konnte. Graf Wredow schätzte sich glücklich, daß seine Wahl auf Magda Falk gefallen war uick» daß diese sich bereit erklärt, den verwaisten Kleinen die Mutter zu ersetz«. Denn sie nahm eS sehr ernst mit ihrer Pflicht. Durch ihe liebevolles Entgegenkommen, ihre sanfte, sympathische Stimme wußte sie sich die Herzen der Kinder vom erst« Tage ab zu gewinnen und daS innige Verhältnis ver tiefte sich noch, als Magda ihre kleinen Pfleglinge näher kennen gelernt und ihre Eigenheiten studiert hatte. Obwohl nicht direkt auf ihren jetzigen Beruf vottba» reitet, hatte Magda Falk in ihrem kindergesegneten El ternhause hinreichend Gelegenheit, sich im Umgang nrit den Kleinen zu üben und ihre gediegene wissenschafllich» Bildung befähigte sie, auch den weitergehenden Ansprüch« gerecht zu werden. Als ihr Vater, ein höherer Justiz^ beamter, dann plötzlich starb und die Seinen in bescheide nen Verhältnissen zurückließ, ergriff Magda mit Freud« die Gelegenheit, etwas zur Unterstützung der Ihrig« bei tragen zu können. Die Kinder hingen mit schwärmerischer Lt^e an ihrer Tante Magda; die sonst so ungSerdigen Knabe» folgt« .