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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 07.03.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-03-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192203074
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19220307
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19220307
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-03
- Tag 1922-03-07
-
Monat
1922-03
-
Jahr
1922
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 07.03.1922
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^r s«. vtlttge WM Riesaer ragevlatt. TieuStag, 7. Miln 1922, a«,i>ds. 75.Jahr«. Ter Berfa«, Am Montag mürben in Berlin für den Doflar, der im Frieden eine Parität von 4,20 Mark inne hatte, 266 Mart gezahlt, die Mark ist also nicht mehr den 65. Teil ihrer FnedenSparität wert. Damit nähert sie sich wieder be denklich und in rapider Entwicklung jenen, siirchterlichen Tiefstand vom 8. November deS vergangenen Jahres, an dem der Dollar bis zum phantastischen Preise von 310 Mk. hinaufgetrteben war, einem Punkte, an dem eine wirt schaftliche Revolution allerschlimmsten Charakters über Deutschland hereinzubrechen drohte. ES kam dann jener Rückschlag bis zu 180, der sich erst gegen Ende Dezember wieder in sein Gegenteil verkehrte, um von nun an einer erst langsameren, dann schnelleren Aufwärtsbewegung Platz zu machen, die nun jetzt mit einer neuen »Zprozeu- ttgen Entwertung unserer Währung ihren vorläufigen M- schluk gefunden hat. Es ist nicht notwendig, die Auswirkung solcher Ent wicklungen vor einem Publikum, das ähnliche Borgängc nun schon ost genug erlebt bat, noch einmal im Einzelnen auseinander zu setzen. Die Teuerung, die im Gefolge jeder Balutaentwertnng eintrat, wird auch diesmal nicht ans- bleiben, und sie wird schärfer sein als früher, weil in zwischen mehrere der Bremsen, die eine allzu scharfe An gleichung der deutschen Jnlandprcisc an das Niveau der Dalutenbewertung verhinderten, inzwischen abgetragen wor den sind. Die Verbilligung der Brotpreise, die übermässige Niedrighaltung der Bahn- und Posttarise bestehen garnickt. oder mindestens nicht mehr in früherem Umfang, die Kohlen- Preise sind außerordentlich erhöht, die ganzen Grund lagen des Produktionsprozesses weit Mehr als früher in unmittelbaren Zusammenhang mit der Lage am Welt markt gebracht worden. Tie Sintflut der Preise, die über uns herein zu brechen droht, wenn nicht durch ein Wunder ein ganz unvorhergesehener Umschlag in der Entwicklung am Devisenmarkt eintritt, wird also furchtbar und ver heerend sein, und keine Sorge kann groß genug sein, ver glichen mit den Wirren und Nöten, die uns fast unver meidlich bevorstebcn. Wir alle wissen, daß es nichts anderes als die Repara tionen sind, die wie ein furchtbar verzehrendes Gift den Verfall unseres wirtschaftlichen Organismus bewirke». Wir haben in den letzten Monaten nicht mehr eine passive, sondern eine aktive Handels-Bilanz gehabt, Beweis genug, daß wir, wenn wir nur für uns selbst aufziikommcn hätten, bereits wieder in eine Periode der Erholung gelangt sein müßten. Aber wir haben eben nicht nur für unsere Bedürf nisse aufzukommen, sondern auck für die Bedürfnisse jener Reparationen, die ein hirnloser Vertrag uns wider alle Vernunft und Möglichkeit aufgebürdet hat. Daß die Bestimmungen dieses Vertrages Phantasie sind, bedarf keiner Versicherung mehr, nachdem die Gegenpartei selbst durch ihre wiederholten Modifikationen des Schemas von London, das selbst erst nach monatelangcm Hangen und Würgen zustande gekommen war, die Undurchsührbaricit ihrer AnsangSPläne ipso facti zugcstanden hat. Wenn es wahr ist, was der „Dailh Telegraph" dieser Tage meldete — und es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Meldung zu- trifft, — wenn die Repavationskommission den Betrag der deutschen Zahlungen pro 1922 wirklich auf 720 Gold millionen in bar und 1-150 Goldmillionen in Sachliese rungen festgesetzt hat, zusammen also auf 2170 Millionen, so steht schon dies in einem so lächerlichen Kontrast zu jenen rund 3600 Millionen Goldmark, die man noch im Mai vorigen Jahres feierlich als möglich bezeichnete, daß kaum eine schwerere Kompromitierung einer Regelung denkbar ist als diese faktisch vollzogene Revision bereits »ach 10 Monaten. Aber auch diese Revision wird wieder umrevidiert werden müssen, denn auch sie überschätzt noch bei weitem den tatsächlichen Grad der deutschen Leistungsfähigkeit und die begründeten Berechnungen, die von wirklichen Sackkennern in den Reparationsstaatcn selbst angestellt worden sind. Wann es zu dieser Revision der Revision kommen wird, steht vollkommen dahin, denn es zeigt sich immer mehr, daß der Vertrag, der ein Instrument der Siegerstaatcn werden sollte, in Wirklichkeit wett melir zu ihrem Be herrscher geworden ist. Ter geschriebene Buchstabe hat eine furchtbare Gewalt, er hält die Menschen oftmals selbst dann noch in seinen Schlingen gefangen, wenn sie bereits längst den Glauben an igu verloren haben. Für einige der beteiligten Völker hat der Vertrag sozusagen schon ein Eigcu- Leben gewonnen und es gelingt ihnen ntckt, die Kraft zu entschiedenem Kampfe gegen seine unheimliche EMcnz aufzubringen. Sic versuchen cs also mit Umformungen, unter denen sich schließlich doch immer wieder der alte Unsinn verbirgt, oder mit Hinauszögerungen, die die Lage Nur immer mehr erschweren. So haben wir augenblicklich den Zustand, daß selbst jene vom „Tailv Telegraph" ge meldete Revision, deren Grundzügc bereits in Cannes seststanden, aus glatter Furcht vor dem Buchstaben noch rmmer nicht verkündet worden ist, und daß Deutschland heute noch einer nur auf kurze Zeit berechneten Zwischen regulierung zu gehorchen hat, die ihm auserlcgt, alle zehn Tage 31 Millionen zu entrückten. Tas macht '.080 Mil lionen im Jahr, also weit mehr, als jene 720 Millionen, die pran dock.bereits als äußerste Leistungsgrenze anzucr- kennen bereit ist. Es ist klar, daß die Levisenkäufc für diese Zahlungen in hervorragendem Maße an dem neuen Verfall der deutschen Mark Schuld find, und wenn auck eine Pariser Meldung unrichtig ist, daß Deutschland auck für diese Dckadenzahlungen ein neues Moratorium nach gesucht habe, so ist doch natürlich richtig, daß die deutsche Regierung auf die Uebertriebenheit dieser fortgesetzten Be lastungen selbst aus der Ententeperspektive heraus wieder holt hingewiesen hat und auf ihr Uebersteigen selbst der jenigen Summe, die für 1922 im Grunde doch bereits festgelegt ist. In der Tat waren die Reparationsforde rungen schon lächerlich, als man noch an sie glaubte, so ist doppelt lächerlich, auch nur einen Lag länger be' einer Regulierung zu blecken, an die man eingestandenermaßen selbst nicht mehr glaubt. Ter Verfall der deutschen Wirt schaft wird auf diese Weise nicht mehr nur durch Forde rungen herbeigeftthrt, die man wenigstens selbst noch für erträglich hält, sondern durch Forderungen, deren Un durchführbarkeit man bereits anerkannt hat. Und inso weit der Verfall Deutschlands auch kür die reparations- empfangenden Staaten unbedingt Schaden bedeutet, ist es nichts anderes, als. ein Wüten wider sich selbst, wider besseres Wissen. vor einer Regierungskrifis in Schwede«. Schweden ftrbt vor einer RegirrungSkrisiS. Innerhalb der bürgerlichen Parteien wächst die Abneigung, den weit- gehenden Vorschlägen der Regierung Branting» zu folgen. Die Konservativen find bereit, Branting zu stürzen. Aber auch in der liberalen Partei zeigt sich jetzt unter dem Ein stuß industrieller Kreise immer deutlicher die Absicht, den sozialistischen Regierungschef durch Verweigerung der er- wähnten Vorschläge rum Rücktritt zu zwingen. Der Ge danke einer bürgerlichen Sammlungsregierung hat an Aus sicht gewonnen. Die Vorschläge der Regierung unterliegen eben der Prüfung durch den Staatshaushaltsausschutz, der bis zum Ende de» Monats mit feiner Arbeit fertig wird, vis zu diesem Zeitpunkt mutz sich die stark wachsende Spannung läsen. Gründung einer Europabank. Senator Owen über de» Plan. Aus Berlin wird gemeldet: Ter amerikanische Senator Robert L- Owen, der fick zur Zeit in Berlin aushält und heute nack Paris und London abreisen wird, erklärte in einer Unterredung mit einem Vertreter der „Zeit" über seinen Plan, mit europäischer Hilfe eine Europabank zu gründen, u. a.: Tie Bank, die den Namen Federal Reserve Forxign Bank erhalten soll, soll ihren Hauptsitz in Newyork und Zweigniederlassungen dort haben, wo solche Niederlassungen von den Banken und Negierungen Europas gewünscht werden. Tic Bant soll ein Kapital von 500 Millionen GolddvllarS haben, das von den zwölf großen Federal Reserve-Banken der Ver einigten Staaten gestellt werden soll. Tic Bank wird sich einzig und allein mit der Diskontierung von Handels papieren befassen, die auf greifbare Waren begründet sind. Tie Papiere werden nur kurzfristig sein und auf Goldwerte lauten. Die Ncscrvcbank wird den europäischen Banken auck Goldkredite gegen solche Papiere geben und so mit Unterstützung der europäischen Banken Goldkreditreserven ansammeln, die sie bis zur Höhe von 2,5 Milliarden bringt. Owen verfolgt auk diesem Wege die Absicht, die Gold kredite zu einer Höhe zu bringen, daß sie groß genug sind, den europäischen Geschäftsmann in die Lage zu ver setzen, seine Verträge auf Goldbasis cckzuschlicßen und so viel Goldkrcdite zu finden, wie er braucht. Amerika wird auf diese Meise seinen Goldschatz nutzbringend für die europäische Produktion verwenden. Owen erklärte zum Schluß, er habe eine Abschrift dcS von ihm im Senat eingcbrachtcn Gesetzentwurfs über die Europabank dem Ge heimrat Tr. Kauffmann von der Rcichsbank vorgelegt nnd sei benachrichtigt worden, daß der Entwurf sorgfältig studiert werden solle. Sollten die europäischen Banken dem Plane zustimmcn, so werde er sein äußerstes tun, um den amerikanischen Kongreß zu bewegen, das Gesetz an- zunehmcn. MMMreile M Mele» zur zwmWWe. Gestern mittag weilten die Vertreter des NeichSver- bandeS der Industrie, der Landwirtschaft, des Großhandels nnd dcS Handwerks im Rcichssinanzininisterium. um über die Frage der ZivangSanlcihc gehört zu werden. Reichs« finanzministcr Tr. Hermes wurde von den Staatssekretären Sckröder und Zapft vertreten. Ten Vertretern der deutschen Wirtschaft wurden bestimmte Fragen vorgelegt. Sie machten die verschiedensten Bedenken geltend gegen die Art der Er- Hebung der ZwangSanleibe. Beschlüsse wurden nickt ge- faßt. — Beim Reichskanzler weilten gestern die Führer der Deutschen VolkSpnrtei Tr. Stresemann nnd Dr. Becker- Hessen. Auch diese Beratung galt dem Etcnerkompromltz und im besonderen der ZivanqSnnleihc. lieber die Beratung selbst ist so viel zu sage», daß die Steuerkompromißvarteien nach wie vor gewillt sind, auck die ZwangSanleibe zustande zu bringen. Auck in dieser Besprechung konnte natürlich kein Beschluß gefaßt werde». — In parlamentarischen Kreisen rechnet man damit, daß die Gewerkschaften am TonncrStag nochmals vom Reichtzstnanzminister Tr. Hermes gehört werden sollen. Man glaubt bestimmt, daß »och im Lause dieser Woche die ZwangSaulcihe im Ausschuß er- örtert wird. Die Kriegsschnlsifrage. Graf MontgelaS veröffentlicht im ..Verl. Taaebl." bis her unbekanntes Material über die deutsche Kriegserklärung au Frankreich vom 3. August 1914, durch das der in Frankreich noch immer herrschenden Ansicht cntaegcngctretcn wird, daß die deutsche Kriegserklärung allein mit dem Bombenabwurf bei Nürnberg bearündet gewesen sei. Graf Montaelas stellt auf Grund des Materials znsainmenfassend fest: Tie deutsche Kriegserklärung an Frankreich erwähnt in erster Linie Grenzverletzungen ans dem Landwege, hie in 56 Fällen vorqekommen seien, und erst in zweiter Linie solche durch Flieger. Tic unrichtige Meldung betr. den Bombenabwurf über Nürnberg ist auf die icklimme Leicht fertigkeit eines Fernsprechoisiziers zurück,ufnhren. Infolge der Berstümmlung aller Zifferntelegraminc des Berliner Auswärtigen Amts an die Botschaft in Paris vom Morgen des 3. August ab war der normale diplomatische Verkehr zwischen Deutschland und Frankreich unterbunden, wofür die Schuld nicht auf deutscher Seite liegt. Der Brief Kapps ans Reichsgericht. Wie wir bereits gestern kurz mitgeteilt babcn, ver öffentlichen die „Dresdner Nachr." eine aus Schweden vom 1. d. MtS. datierte Zuschrift KavpS. worin er mitteilt, daß er dem Reicksgericht seine Bereitwilligkeit erklärt habe, sich gegen Gewährung freien Geleits und Versckonung von der Untersuchungshaft selbst zu stellen. Weiter beißt es in dem Schreiben n. a.: Grundsätzlich stehe ich nack wie vor auf dem Standpunkte, daß eine Regierung, die den Besitz der Macht lediglick einem Hoch- und Landesverrat verdankt, kein Recht hat, über Hochverrat zu Gericht zu sitzen. Obwohl mir eine Ausfertigung der gegen Regierungspräsident von Jagow ergnngenen ReichSgericktScntscheidung nickt vorliegt, entnehme ick doch dem mir darüber bekannt ge wordenen Inhalt, daß ein Fehlspruch des Gerichts vorliegt. Herr von Jagow ist nach meiner Ueberzeugung zu Unrecht verurteilt worden. Ehre und Gewissen gebieten mir daher, für ibn einzutrcten. General v. Lüttwitz und die anderen an dem März unternehmen KappS beteiligten Personen werden in dem Schreiben weiter dringend gebeten, von einer Selbstgestellung Abstand zu nehmen und dem politischen Haupt des März unternehmens in diesem Falle den Vortritt zu lassen, da er ihre Interessen wie die eigenen in Leipzig vertreten werde. Die Zuschrift ist unterzeichnet: Wolfgang Kapp, königlich preußischer Wirkt. Geh. Oberregieruugsrat. Der Antrag Kapps beim Reichsgericht eingegange». Wie WTB. von zuständiger Stelle erfährt, ist Montag nachmittag zwischen 2 und 3 Uhr beim Reichsgericht eine Mitteilung des früheren GcncrallandschastSdireklorS Kapp eingetroffcn, in der er sich bereit erklärt, gegen Gewährung freien Geleits und Befreiung von der Untersuchungshaft unter Leistung einer Sicherheit von 100000 Mark sich zu stellen. Eine Berliner Korrespondenz schreibt hierzu: Als das Umsturzuntcrnchmen des Herrn Landschafts direktors Kapp vor jetzt zwei Jahren in die Brüche ging, da richtete sich einer der hauptsächlichen Vorwürfe, die man gegen ihn als den verantwortlichen Leiter des Streiches erhob, dahin, daß es nickt mutig gewesen wäre, feine Gefolgschaft im Stich zu lassen nnd sich selbst durch eilige Flucht im Flugzeug in Sicherheit zu bringen. Gerade jene aber, die den Dr. Kapp genau kennen, haben feinen persönlichen Mut nnd feine Berantwortungssreudigkeit stets hervor gehoben und ans seiner früheren Tätigkeit zu beweisen versucht. Nun kommt ein Brief an das Leipziger Reichs gericht mit dem Angebot, sich selbst zur Gerichtsverhand lung zu stellen. Der erste Eindruck, den man von der Be gründung dieses Schrittes gewinnt, die Kapp in einer Zu- schrift an die „Dresdner Nachrichten" gibt, ist der eines Gemisches von urwüchsiger Ritterlichkeit und politischem Unverständnis. Die Geste der Selbstlosigkeit, mit der Kapp sich bereit erklärt, Len Freund und Mitkämpfer Jagow zu decken, mutz sympathisch berühren, sie zeigt einen Charakter, der die innerliche Verpflichtung eines durchaus persönlichen Ehrgefühls über Sicherheit und Wohlbefinden stellt. Aber man hätte wünschen mögen, datz sich dieses Gefühl schon früher geäutzert hätte. Denn bestand nickt die moralische Verpflichtung dazu auch schon damals, als Jagow, Wangen heim und Schiele noch nicht verurteilt waren? Und galt nicht diese Pflicht nicht nur den Mitkämpfern im engeren Sinne gegenüber, sondern auch vor dem ganzen deutschen Volk, dem Kapp durch seinen törichten Streich zu dienen vorgab? Die psychologische Wertung des Kapp-PutscheS wird durch diesen Brief wesentlich bereichert. Zeigt er doch, datz eine gewisse temperamentvolle Initiative seiner Urheber durch politische Blindheit erheblich beeinträchtigt wird. Und wützte man cs nicht schon längst, so mühte man es jetzt erkennen, wie es überhaupt möglich war, datz dieses Unter- nehmen entstand, und wie es dann möglich wurde, datz cs so schnell »usammenbrach. Auch Kapp wärmt jetzt den alten Unsinn wieder auf, datz eine Regierung, die „den Besitz der Macht lediglich einem tatsächlich begangenen Hoch- und Landes verrat verdankt", nicht das Siecht hätte, über Hochverrat zu Gericht zu sitzen. Herr Kapp vergibt, datz in der Geschichte fast eine jede Aendcrung der Regierunasform eines Volkes durch eine Handlung bewirkt worden »st, die man letzten Endes als Hochverrat bezeichnen mutz. Er verschlietzt sich aber auch der Einsicht, datz ein solcher Hochverrat in dem Augenblick legalisiert wird, in dein er die Billigung durch eine Majorität findet. Seit dem Abschlutz des Verfassnngs- Werkes von Weimar kann aber nicht mehr davon die Rede sein, datz die deutsche Rrichsregierung sich auf einer hoch ¬ verräterischen Grnndlaae erbaue, das muß auck Herr Kapp, wenn er so gereckt empfindet, wie er vorgibt, schließlich ein sehen. nnd darum ist diese Art einer Entschuldigung gegen standslos. Er wird jetzt Gelegenheit haben, so hoffen wir, vor dem Reichsgericht seine Motive und Absichten auseinander,zusetzen. Und man wird, wenn er vor die Schranken des Gerichtes tritt, von ihm verlangen muffen, daß er damit nicht mir einen dekorativen Schritt unter nimmt, sondern sich auch freimütig mit dem ganzen Umfang seines Rechtsbewußtseins unter Recht nnd Gerechtigkeit in dieser Form beugt, wie sie durch das Reichsgericht repräsen tiert werden. Das französische Programm für Genua. Aus Paris wird gemeldet: Ter Bericht des inter ministeriellen Ausschusses, der gemeinsam mit Vertretern von Industrie, Finanz und Handel Las Programm für die Genueser Konferenz unter dem Borsitz des Ministerial direktors Scydoux aufgestellt hatte, ist abgeschlossen worden. Nack dem „Matin" bildet den Hauvtgegenstand der Be ratungen die russische Frage. Tie französischen Sachver ständigen verlangten von Rußland keine vollständige Umge staltung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Gesetze. Sie seien vielmehr der Ansicht, daß ein System langfristiger Pacht verträge für neue Konzessionäre jede erforderliche Bürgschaft gewähren könne, ohne die Landbevölkerung in Erregung zu bringen. Außerdem solle kein System der Kapitulationen verlangt werden, sondern gemischte Gerichte, zusammengesetzt ans Russen und Ausländer». Was die praktische Wieder aufnahme der wirtschaftlichen Bczielmngen betreue,^ so glaubten die französischen Sachverständigen, man müsse sie praktisch und fortschreitend gestalten nnd mit den Gegenden beginnen, von denen aus die Aussnhr von Robstosscn sich mit den geringsten Kosten vollziehen könne. Lian schlage hier eine halbe Maßnahme vor, die zwischen der sofortigen und kolonialen Ausdeutung Rußlands, welche die Engländer wollten, und der finanziellen und wirtschaftlichen Wieder herstellung stehe, die Frankreich verwirklicht sehen möchte. Die Londoner Vorkonferenz wird verschoben. Aus London wird gemeldet: Der diplomatische Bericht erstatter des „Daily Telegraph" schreibt: Infolge des Um standes, daß mehrere der Sachverständigen, die mit der technische» Vorbereitung der Genueser Konferenz dctraur sind, an den Erörterungen über die Reparationssragc, die in dieser Woche in Paris stattfinden, tciliichinen müsse», ist cs für notwendig erachtet worden, die Londoner Vor konferenz der alliierten Sachverständigen bis nächste Woche zu verschieden. Tie Entscheidung über die Reparationen dringend erwünscht. Zu der Meldung des „Pariser Journal", datz der Reichsfinanzmiuister dem Berliner Vertreter der Repara- tionskommission Hagucnin erklärt habe, die Reichsregierung werde sich bald außerstande sehen, die Dekadcnzaülnnge» Weiter fortzuseycn, wird von zuständiger Seite mitgeteilt, cs sei seitens der deutschen Regierung wiederholt daran' hingewiesen worden, daß die Dekadenzahlungcn immer schwieriger würden und daß eine endgültige Entscheidung über die Reparationen dringend erwünscht sei. Die englische Presse zur Regierungskrise. Der Berichterstatter des „Daily Telegraph- schreibt, die Lage habe sich gebessert. Einige der engsten persön lichen Freunde Lloyd Georges seien vor einigen Tagen der Ansicht gewesen, datz der Rücktritt des Premierministers unvermeidlich sei. Sonntag habe jedoch m unterrichteten Kreisen der Eindruck geherrscht, daß die Spannung etwas nachgelassen habe. Dian sei augenblicklich der Ansicht, datz Lloyd George nicht zurücktreten werde, weun nicht in den nächsten 24 Stunden ein Rückschlag erfolge. So sei e» möglich, datz beute die Mitteilung über eine erfolgreiche Regelung veröffentlicht werde. Lloyd George habe die Ab sicht, wcnn er im Amt bleiben sollte, unverzüglich seinen Urlaub anzutreten und die Zwischenzeit bis zum Zusammen tritt der Genueser Konfereuz zu seiner Erholung auszw nutzen. Ec hofft, nach einem zwei- bis dreiwöchigen Er- holungSnrlanb gestärkt zurückzukehrcu, um das Programm, da« in Genua erörtert werden soll, m Angriff zu nehmen. „Daily Cdronicle" bezeichnet die Lage als noch ernst. Der Kabinettsrat sei für gestern einbcrusen worden. Im Falle eines Rücktritts Lloyd Georges würde zunächst Chamberlain
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