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sein, wie könnte man auf der einen Seite sich als Partei zur Stütze des Thrones und Altars bekennen und auf der anderen Seite für eine Partei stimmen lassen, die eingestandenermaßen Thron und Altar umstürzen will! Es gibt im Deutschen Reiche keinen Wähler, dem man verständlich machen könnte, daß Feuer und Wasser sich mit einander friedlich und freundlich ver tragen. Was aber das Zentrum direkt nicht einzugestehen wagt, das besorgt es hundertfach indirekt. Bei den Wahlen erklärt das Zentrum sich gegen die Sozialdemokratie, ««d im Reichstage verbündet eS fich mit der Sozialdemokratie zn dem, was dem Reiche, dem Ansehen des Reiches im In- und Auslande Abbruch tun könnte. Warum ist der Reichstag aufgelöst worden? Weil er den Nachtragsetat für Südwest-Afrika abgelehnt hat, den Etat, durch den die Mittel gewährt werden sollten, das im heißen Ringen gegen Hereros und Hottentotten Er rungene festznhalten, für alle Zeit zu sichern. Wer hat diese ablehnende Mehrheit gestellt? Das Zentrum nrrd die Kazialdemakratie. Zentrum und Sozialdemokratie haben sich zusammen gefunden, Mittel zü ver sagen, über deren Unentbehrlichkeit nirgend ein Zweifel besteht, auch bei dem Zentrum selbst nicht. Diese Bundesgenossenschaft wäre über all und unter allen Umständen unnatür lich, sie ist es ganz besonders im vor liegenden Falle. Die Sozialdemokratie macht keinen Hehl daraus, daß sie Feindin der Monarchie, Feindin der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung, Feindin der Religion ist, während das Zentrum nur seine Stellung behaupten kann, weil es vorgiebt, für Thron und Vaterland, für Staat und Gesellschaft, für Un antastbarkeit der Religion einzutreten. Und doch gehen Zentrum und Sozial demokratie eine politische Gemeinsamkeit ein?! Seht euch doch diese Bundes genossen des Zentrums an, da drüben, jenseits unserer Westgrenze, in Frankreich: Da ist die Sozialdemokratie ton angebend, da beeinflußt sie alle Maß nahmen der Regierung, dort liegt für jedes Kind zu Tage, was die Sozial demokratie mit der Kirche im Sinne hat. Im Wege der Gesetzgebung und Verwaltung geschieht alles, was die katholische Kirche hemmt und schädigt und in ihrer Würde kränkt. Selbst den gottesdienstlichen Handlungen will die französische Sozialdemokratie die äußere Weihe nehmen, indem sie sie unter die gleichen Bedingungen stellt, wie Vereinsversammlungen, Schützen- und Sängerfeste. Unser Bild zeigt euch, wie die Sozialdemokratie in Frankreich mit der Kirche und ihren Dienern umgeht. Ist die Gesinnung der Sozialdemo kratie in Deutschland — von einer deut schen Sozialdemokratie kann man ja gar nicht sprechen, denn sie verleugnet ja ihre Nationalität — der Religion und der Kirche gegenüber eine andere wie in Frankreich? Niemand im Zentrum glaubt ernstlich, daß die sozialdemokratischen Bundes-