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192 Es ist der zlveitgrößte von Europa, und Ihr könnt Euch denken, daß auch die darinliegenden Schiffe viel größer sind als unsre Elbdmnpfer. Ta wir einen Tag Zeit in Hamburg hatten, unternahmen wir eine Rundfahrt durch den Hafen. Da lagen viele Schiffe mit Riesenleivcrn. An ihren Fahnen und Namen erkannte man, ob's deutsche, englische oder amerikanische Schiffe waren. Wir sahen auch ein javanisches. Aus vielen wurden die Lasten durch mächtige Krahne herausgeholt, und andre wurden neu bepackt. Rasselnd drehten sich die Krahne, und die schwe ren Kisten sielen in des Schiffes Leib. Hier und da sahen wir große Trockendocks. Sie sind gleich schwimmenden, oben offnen Häusern. Dahinein werden die Schiffe ge zogen und dann mitsamt dem Hause hochgehoben, sodaß sie nicht mehr im, sondern über dem Wasser stehn und ausgebessert werden können. Ta waren welche mit krebs rotem Leib« Ta» Meer mit seinem Salzgehalt hatte die Oelsarbe (die meisten Schisse sind mit weißer Oelfarbe gestrichen) von den Holz- und Ejsenteilen gefressen, und wenn nun nicht geschwind neue Farbe draufgestrichen wird, so frißt das Meer immer weiter und würde schließ lich die Schiffe durchlöchern. Mr suchten natürlich eifrig den „Feldmarschall", fanden ihn aber nicht, denn er lag in einem andren Teil des Hafens. Wir hätten bis dahin eine halbe Stunde Fahrt mit der Elektrischen gehabt, und so entschlossen wir uns, bis zum nächsten Dage geduldig zu warten. Vormittags sahen wir uns den Tierpark von Hagenbcck an, wo alle Tiere, selbst Löwen und Eisbären ohne Käfig im Freien sind. Sie klettern auf künstlich ge bauten Felsen umher und sind von den Beschauern nur durch einen breiten Graben und ein Gitter getrennt. Be sonders aufmerksam sah ich mir die Löwen an, die, bis auf einen, friedlich schliefen Tiefer eine aber stand oben auf dem Felsen und sah mit seinen grünen Augen wild auf uns herab. Ich dachte bet mir: „So möchte ich dich nicht in Afrika treffen, alter Freund!" Bald nach dem Mittagessen, dem letzten im lieben Deutschland, fuhren wir nach dem „Feldmarschall". Er war ein stattlicher Dampfer mit schwarz-wetß-roten Streifen an der gelben Esse. Noch rauchte sie nicht, denn erst abends, um 8 Uhr, sollte er-Hamburg verlassen. Längs des Hafens find große Schuppen, in denen die Kisten und alle die Tinge stehen, die die große Reise mitmachen sollen Ta liefen wir lange umher und suchten unsre Sachen, die mit der Eisenbahn vorrusgegange. waren, aber — wir fanden sic nicht. „Sie sind gewiß schon im Schiff," tröstete uns ein Beamter, und wir mußten es glauben. Einer unsrer Reisegefährten hatte einen Schein erhallen, auf dem stand, daß unsre Sachen alle in Hamburg eingetroffen seien und zu Schiff gebracht werden würden. Ten mußte er sorgfältig aufheben und später, als wir in Afrika ge landet waren, vorzeigen. Mr gingen nun in bas schwim mende Haus, in dem wir wochenlang wohnen sollten. Ans solchem großen Schiffe, das viel länger als der Albertplatz in Riesa ist, aber nicht so breit, gibt es drei Kajüten und ein Zwischendeck. Teck nennt m-.n den oberen Teil des Schisses, der unter freiem Himmel ist oder nur teilweise mit Segeltuch oder Holz überdeckt ist, zum Schutze gegen Lonne und Regen. Ta halten sich die Reisenden am Tage auf. Tie Leute, die im Zwischendeck fahren, müssen , aber auch da schlafen. In gutem Wetter und warmen Nachten ist das recht angenehm, aber — bei Sturm und hoher See! Ihr werdet davon noch hören. Tie 1. Kajüte ist natürlich die feinste und teuerste. Da fahren Grafen, Offiziere und andre feine, reiche Herrschaften, aber da ist es lange nicht so gemütlich wie in der 2. Kajüte. Wir fuhren 2., und oft kamen Herren und Tmnen aus der l. Kajüte zu uns herüber, weil es ihnen da besser gefiel, denn cs ging lustiger zu. Tie 3. Kajüte ist sehr einfach, da schlafen viele Leute in einem engen Raume, den man Kabine nennt. In den Kabinen 2. Klasse, die wir als bald anfsuchten, standen 4 schmale eiserne Betten, je zwei übereinander, ein schmales Plüschsofa unter dem runden Fenster, das Bullauge genannt wird, und 2 Waschtische. Alles war schneeweiß gestrichen und blitzte von Sauber keit. Mr lvaren zunächst nur zwei Tarnen in der Kabine und konnten uns die besten Plätze aussuchen. Wo hättet Ihr Euch wohl hingelegt? Oben oder unten hin? Nur ja recht nahe ans Fersler, denn wir fahren nach dem heißen Süden! In das obere Bett müßt Ihr auf einer lleinen Leiter hinaufsteigen, und wenn das Schiff recht schaukelt, gibt's einen großen Krach —> Ihr seid aus denk Bette von hoch oben heruntergefallen. Da legt Ihr Euch lieber unten hin, nichtwahr? Ja, aber da spürt man vom unteren Schiffsräume her ein kräftiges Pochen und Stoßen, das ist die Bewegung der Dampfmaschinen, und das ist auch nicht angenehm. Aber jetzt steht ja das Schiff noch. Ihr müßt mit mir erst den großen Augen blick erleben, wo es abfährt. Wir warteten mit klopfen dem Herzen darauf. Nach und nach kamen alle, die mit fahren wollten. Mr gehen auf dem Oberdeck auf und ab und schweigen. Tie Gedanken wissen nicht, wohin, ob nach yause oder in die weite Ferne, dem Schiffe schon voraus. Da — wir fahren zusammen — ein mächtiger, dumpfer Ton erschallt. Ter „Feldmarschall" ruft zum Aufbruch, bald darauf noch einmal. Tie Matrosen eilen an die Antertaue und an die rasselnden, durch Dampf kraft sich drehenden Mnden, um die sich die Seile, die das Schiff am Ufer festhielten, Wickeln. Ann Bug und Heck (das ist Vorder- und Hinterteil des Schiffes) ist je ein kleiner Tainpfer vorgespannt worden, den riesigen „Feldmarschall" vom seichten Ufer in das tiefe Fahrwasser hineinzuziehen Tie Tampfcrchen pfeifen, sie rauchen stark, aber der „Feldmarschall" regt sich noch nicht. Rasselnd wird die Schiffsbrücke ans Land gezogen. Ta kommt noch einer angckeucht Wer ist das? „Ter Dok tor!" rufen die Matrosen. Ja, den Schisfsarzt müssen wir doch milnehmen. Er wird von der schon schwebenden Brücke wie ein Barl herabgestoßcn, und die Matrosen fangen den dicken Doktor lachend auf. Die Leute am Ufer, die eben noch Abschiedstränen weinten, lächeln auch, sie winken mjt Tüchern und rufen alles Mögliche zu ihren abführenden Angehörigen herüber, es ist ein wüster Lärm, aber man versteht nicht, was sie rufen. Auf einmal wird cs Ml, die Schiffskapelle spielt, und alles lauscht der Musik. Sie blasen eine lustige Weise, ich weiß nicht, was es war, ich stand wie im Traum. Sie wollen uns den Abschied durch ihr frohes Spiel leichtes machen. Langsam und ruhig gleitend, läßt sich der „Feldmarschall" aus dcni Hafen ziehen. Er fährt hinein ins Abendrot. Allmählich wird die Hafenausfahrt breiter. Tie Nachk bricht herein. Ter Glanz des Wassers verschwindet, aber von den Usern glitzern die Lichter von Häusern und Straßen. Dir sehen, wie die Heimat im nächtlichen Tunket verschwindet. Behüt dich Gott, du deutsches Vaterland! Behüt euch Gott, ihr treuen deutschen Freunde! — Und nun frohgemut auf, auf nach Afrika! Denk- «ud Smvspriiche. Tu weintest einst, als du die Welt begrüßt'. Doch aller Lächelu grüßte dein Erscheinen; Golt gebe, daß, wenn du die Augen schließt, Tein Antlitz lächle, während alle weinen. - Niemand hört dir gläubig zu Wenn du beginnst: Ich bin klüger als du! Drum — wenn du Andre willst belehren, Mußt di! dich erst zu ihnen bekehren. * Tic Jugend will sich äußern, will sich freue« Druck und Verlag von Langer L Winterlich. Riesa. — Für die Nedalüou verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. CrMer an der Mr. Bellrtr. Gratisbeilage za» „Riesaer Tageblatt". «r. 48. Utes«, de» 87. Rodember IS»-. Ä-tzr». Der Sonntagsjäger. Roman von Fritz Skowrannek. Forschung. Um so mehr erstaunte er, als der Assessor die Vorfälle zu erzählen begann, die vor drei Jahre« Ernst von Riesa aus der Karriere warfen, so daß dieser die Heimat verlassen mußte. Tem Baron war es zunächst ganz unverständlich, was diese Erzählung bezweckte. ' Erst als der Assessor fortfuhr: „Ter Unglückliche nahm die Gewißheit einer treuen Liebe mit sich, die ihn als Leitstern durch die schwere Zeit der Prüfung führte", ging ihm ein Licht auf. „Herr Assessor, wenn diese Erzählung mich etwas angeht. . Ist etwa mein Kind darein verflochten?" „Allerdings, Her Baron." Braun sprang auf. Er wußte noch immer nicht, worauf sein Gast hinauswollte; aber schon der Gedanke, daß seine Tochter ihr Herz an den Unglücklichen ge hängt hatte, erregte ihn. Mit Mühe bezwang er sich, daß er den Assessor zum Weitersprechen auffordern konnte. In gedrängter Kü-ze erzählte jetzt Burmeister, was er von den Schicksalen des jungen Mannes in der Fremde wußte, und fügte die Versicherung hinzu, daß er sich unn eine neue Stellung und mit ihr daS Ver trauen seiner Vorgesetzten errungen habe. Mit fühlbarer Zurückhaltung fragt« der Baron, waS denn nun eigentlich der Zweck des Besuches sei. Burmeister hatte diese Wendung erwartet. Er er hob sich „Herr von Braun, ich hoffe in Ihren Augen als ein ernster Mann zu gelten, der jeden seiner Schritte nur nach reiflicher Ueberlegung tut." Auf die zustimmende Verneigung des Freiherr« fuhr er fort: „Hier handelt es sich um das LebenS- glück zweier Menschen, von denen einer Ihr Kind ist. Deshalb habe ich von Ernst von Riesa, wenn auch mit ciuigcm Bedenken, den Auftrag übernommen. Ihnen die Litte vorzutragen, einem brieflichen Verkehre der leiden Liebenden kein Hindernis i» den Weg legen zu »rollen. Ob und wann Ernst von Riesa sich Ihnen mit weitergehenden Wünschen nähern wird, hängt von der Zukunft ab . Jedenfalls wird er es nicht früher tun, als dis er. mit offener Stirn vor Sie hintreten darf" Ter tiefe Erust, mit dem er gesprochen, hatte seine Wirkung nickt verfehlt. Ter Baron lud ihn wieder mit einer Handbewegung zum Sitzen ei». „Verzeihen Sie, wenn mir die Antwort schwer fällt! Sie werben verstehen, daß ich durch Ihre Mitteilung überrascht bin, da Sie mich gleichzeitig vor eine schwere Entscheidung stellen. Ich will in Ihre Versicherung, daß Ernst von Riesa seine Schuld gesühnt hat, keinen Zweifel 'etzen. Vergefsen Sie aber nicht, daß er ein Deklassierter ist und in den Auge» der Menschen, mit denen wir hier Zusammenleben, stets als solcher gelten wird. Er hat seine Karriere als Jurist anfgeben müssen, er ist als Reserveoffizier mit schlichtem Abschied entlassen worden; dann, ist er für die GeseltschaftSschicht, in der wir uns bewegen, unmöglich." „Zugegeben, Herr Baron, obwohl ich betonen muß, daß dies-.: Umstand mich nicht nötigt, ihm meine Ach tung vorznenthalten. Es ist zudem nicht erforderlich, daß er in Ihren Gesellschaftskreis zurückkehrt- Er wird in seinem jetzigen Berufe bleiben und sich so weit empor- aryeite«, daß er Jh.er Tochter eine gesicherte, sorgen freie Existenz zu biete« vermag." E „Das die Zukunft bringt, kann niemand vorauS- sehen, Herr Assessor. Es liegt mir fern, meine Tochter beeinflusse« zu wollen; denn ich weiß selbst, daß eine tiefe Leidenschaft mit dem Widerstand« wächst. Ich tonn mich aber auch nicht zu dec Äclaubnis des Brief wechsels entschließen Ist die Neigung zwischen de» beiden so stark, wie Lee behaupte«, dann wird sie auch ohne diese» fortdäue^n. Um Ihnen aber mein Ent gegenkommen zu beweisen, will ich gestatten, daß Ernst von Riesa mir ab und an über fein Ergehen Nachricht gibt Ich behalte mir jedoch vor, davon meiner Tochter so viel mllzuteilen, wie ich für gut befinde." Burmeister verbeugte sich zustimmend. „Ich glaube Ihnen versichern zu können, daß Ernst von Riesa Ihnen für dieses Entgegenkommen dankbar sein und danach handeln wird Ich füge noch hinzu, was eigentlich selbstverständlich ist, daß Ihre Tochter von dem Schritte, den ich bei Ihnen unternommen, keinerlei Kenntnis hat." Mit einem gemischten Gefühle sah der Baron se'nenr Gaste nach, der nach kurzer Verabschiedung den Wage« bestieg und davonfuhr. Eine aufrichtige Freude hatte sei» Herz erfüllt, als der Assesfor bei ihm eintrat und durch sein feierliches Benehmen die Vermutung ent stehen ließ, daß er als Werber erschienen sei? Ohne Bedenken hätte er ihm dir Hand feiner Tochter an vertraut. Nun war nicht nur diese Hoffnung zerronnen, sondern auch die traurige Gewißheit eingekehrt, daß seine stolze Tochter, sein Liebling, ihr Herz an einen Unglücklichen gehängt hatte, der, von seinen LtandeS- gcuossen geschieden, sich in einem neuen Berufe mühsam aufwärts rang. Das war ein bitteres Bewußtsein für einen Vater, dem der Best? und Höchstgestellte nur eben gut genug für sein Kind erschien. Wrc oft hatte er bedauert, daß dieses Kind, da- ihm im Charakter glich, nicht auch der Erbe des Namens war! Ec hatte sich mit dem Gedanken getröstet, daß Lotte die Stammutter eines andern, stolzen Ge schlechtes werden würde. Jetzt hatte sie ihre Neigung einem Manne geschenkt, von dem die Bekannten im besten Falle mit einem bedauerlichen Achselzucken sage« würden: „Sie wissen doch, der junge Riesa, der um die Ecke gegangen ist" . . Tie Nachricht, tue der Assessor ihm gebracht, hatte ihn in seinem Innersten tief getroffen^ Lange faß er, vor sich hiuvrütend, am Schreibtische. Tann ließ er sich ein Pf-cd satteln und ritt hinaus ins Feld, um ourch die körperliche Anstrengung seine Gedanken etwas zur Ruhe zu bringen. XVI. Der alte Riesa war glückstrahlend aus Hamburg zuruu'geKckrt. Das ergreifende Wiedersehen mit feinem einzigen Jungen hatte ihn zwar sehr aufgeregt, aber die Freud: hakte ihn ersichtlich verjüngt Auf Wunsch des Assessors hatte er in seinem Eltern haus- eineu Besuch gemacht. Vater und Mutter haken sich gefreut, von ihrem Zweiten so vi:l Liebes und Gutes zu hören, uno der ältere Bruder, der schon selbständig die Geschäfte des Hauses leitete, hatte Ernst einen Wirkungskreis in Aussicht gestellt, in dem er