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— V2 «nd Percy Barker ist gerettet. Den steifen Finger aber be hielt er zum Andenken an jene Stunde. Doch — kein Thema ohne Variationen! — So erzählt man denn die Geschichte auch folgendermaßen: Eines Nachts hatte sich Percy Barker mit einem Kame raden im Walde gelagert. Die Nacht war dunkel und der Wald dicht. — Die Versuchung war zu groß für — Percy Barker! Er zog fein Messer, er stürzte sich über den Kame raden, schon blitzte der Stahl über dessen Brust, als er er wacht. Es entspinnt sich ein heißer Kampf, in welchem Barker verwundet wird. Weiter berichtet diese Variation nichts. Doch wir kennen die Fortsetzung. Ter ehemalige Gold gräber wurde Bankier. Das Glück, daß sich ihm so abhold gezeigt, wendet sich: Der alte James Hood war ein kluger Mann. Percy Barker war Spekulant. Dann trat Benjamin Hood in die Firma,, die von jetzt an den Namen „Barker und Hood- führte. Und wenn mich nicht alles täuscht, ist es eben der Ches dieser Firma, der jetzt bei mir schellt. 14. Es war so dunkel im Zimmer, daß ich die Züge und die Gestalt des Eintretenden nicht zu erkennen vermochte. Ich schritt ihm entgegen, und noch ehe ich das Schweigen gebrochen hatte, erklang eine tiefe ernste Stimme, und zwei blitzende Augen begegneten den meinen — ich hörte und sah, daß meine Vermuthung sich bestätigte. Percy Barker hatte sein Versprechen nicht vergessen. „Ja, da bin ich, Mr. Moore, und zwar komme ich früher als ich versprach. Wenn ich nicht irre, ist die Uhr eben erst ein Viertel über acht. Aber desto bester, denke ich. Eure Zeit ist wohl sehr kostbar — besonders in diesen Tagen — und was mich betrifft, meine Zeit gehört allen anderen eher als mir selber!" „Mr. Barker,- erwiderte ich, „Sie sind mir sehr will kommen. Nehmen Sie gefälligst dort im Sofa Platz. Es ist so dunkel, daß Sie den Weg kaum finden können. Aber Sie müssen entschuldigen — ich war so in Gedanken versunken und erwartete Sie nicht so früh. Ich will sofort Licht anzünden lassen.- Er aber legte seine Hand auf meinen Arm, als wolle er mich an meiner Absicht hindern. „Nein, Mr. Movie," und seine tiefe Stimme klang so bestimmt, saft befehlend, „n-.iu, lasten Sie das! Ich bitte Sie! Meine Augen sind jo angegriffen und müde. Es ist eine wahre Wohlthat, sie einen Augci.vlick ruhen zu lasten." Er legte die Hand über seine Augen, als schmerzten sie ihm. Mr. Barker war mein Gast, ich hatte keinen Grund, seine Aussage zu bezweifeln. Freilich konnte ich mit dem besten Willen nicht bemerken, daß seine Augen überangestrengt waren. Trotz der Dunkelheit, die im Zimmer herrschte, konnte ich sehen, wie seine Augen blitzten, während er sprach. Nun. mir konnte es nur angenehm sein, im Dunkeln zu bleiben. Auf die Weise blieb ich von seinen scharfen, prüfenden Blicken verschont. Wir setzten uns. Er nahm Platz auf dem Sofa, ich auf einem Stuhl am Tische vor demselben. „Ja, Mr. Moore, jetzt sollen Sie hören, was ich aus dem Herzen habe. Seien Sie ruhig, ich werde nicht unbarm herzig sein. Ihre Geduld soll auf keine allzu harte Probe gestellt werdcn." Barkers Worte gefielen mir. Er sprach anders als am Vormittage. Jetzt zeigte sich Mr. Barker als wahrer Ge schäftsmann — er faßte sich kurz und ging geraden Weges auf di« Sache zu. „Vor allen Dingen, Mr. Moore, muß ich Ihnen er klären. weshalb ich heute morgen bei Ihrem Besuche so wenig zuvorkommend war. Sie haben sich gewiß darüber gewundert, nicht war? — Mr. Moore, Sie müssen wissen, ich bin eine Art Doppelgänger. In mir wohnen zwei verschiedene Natu ren, die nicht das geringste miteinander gemein haben. „Sie hatten heute Vormittag das Unglück, den Geschäfts mann Percy Barker zu treffen, den Geschäftsmann, der mit Geschäften überhäuft ist; den Geschäftsmann, im wahren Sinne des Wortes, der keine Zeit hatte, auch nur einen Augenblick an den Kompagnon zu denken, — an seinen ermordeten Kom pagnon, der Theilhaber der Firma ist. „Jetzt aber kommt meine andere, bessere Natur zu Ihnen, Mr. Moore. Jetzt ist der Privatmann hier und steht völlig zu Ihrer Disposition." Mr. Barkers Stimme klang so aufrichtig, so überzeugend, daß aller Unwille, den ich gegen ihn gehegt hatte, plötzlich verschwand. Was konnte auch natürlicher sein, atz seine Worte! Vielleicht konnte er mir die Arbeit erleichtern — die fehlenden Lücken ausfüllen. „Also Mr. Barker, wenn ich Sie recht verstehe, gestatten Sie mir, Ihnen einige Fragen zu stellen?" Mr. Barker lehnte sich „in die Sosaecke zurück, so daß sein Gesicht völlig im Dunkeln verschwand. Fragen Sie, Mr. Moore, fragen Sie nur!" Und ich zögerte nicht, seinem Wunsche nachzukommen. „Entsinnen Sie sich vielleicht, Mr. Barker, um welche Zeit Benjamin Hood am Dienstag das Kontor verließ? Sie sagten, daß Sie sich auf den Abend verabredet hatten, — bitte, geben Sie niir ein wenig genauer an, wie diese Sache zusammenhängt." „Mit dem größten Vergnügen, Mr. Moore! Benjamin Hood entfernte sich am Dienstag wie gewöhnlich um fünf Uhr vom Kontor. Des wichtigen Geschäftes wegen, das mich, nebenbei bemerkt, augenblicklich so völlig in Anspruch nimmt, hatten wir, wie gesagt, eine Zusammenkunft auf den Abend verabredtet. Wo und wann? Gegen neun Uhr in unserem gewöhnlichen Klub, im „Unionklub". Ich war lange vor der festgesetzten Zeit dort. Ich wartete und wartete, aber nein! Kein Benjamin Hood ließ sich blicken. Kein Mensch ist voll kommen, wir haben alle unsere Fehler, und Benjamin Hoods Hauptfehler war Unpünktlichkeit. Kurz, seit wir uns um fünf Uhr trennten — er verließ das Kontor, ich blieb noch eine Viertelstunde bei der Arbeit — seitdem sah und hörte ich nichts wieder von ihm. j (Fortsetzung folgt ) Rose, Wein und Liebe. Wer sich ein Röslein pflücken will, Der murret nicht, und trägt >s still. Wenn ihn ein Dorn des Rörleins sticht, Er scheut die kleine Wunde nicht. Begehrst Du Deiner Liebsten Herz, So nimm es ganz, auch seinen Schmerz: Denn Lieb' und Rosen sind sich gleich. Sind beide hold, doch dornemeich! Und trinkst Du Wein, so trink' ihn rein, Gieß' Wasser nie in ihn hinein: Nur reiner Wein erlabt Dich recht Und giebt Dir Freuden gut und echt, Und wenn Du liebst, die Sorge bann', Daß Liebe je erkalten kann! Denn W'in und Liebe sind sich gleich, Nur rein, sind sie an Gaben reich! Gottlieb Putz. Druck non Lonyrr ck W'n'rriim m Rixia — F,"r Redaktion verantwortltch. Herm. Schmidt in Riesa. CrMler an der Elbe. Belletrist. Gratisbeilage zu« „Riesaer Tageblatt*. Rr. 2». Riesa, de« S. I.in 18V4. 17. Iahe» Eine Woche. (Fortsetzung.) Ja, in dieser Stunde fühlte ich wirklich, daß es sehr sehr schwer ist, seinen Stolz zu besiegen. Und dies Opfer sollte mir erspart werden. Der Zufall — oder hatte hier eine höhere Macht die Hand im Spiele — begünstigte mich. Ich erreichte das ersehnte Ziel, ohne einen Finger danach auszustrecken. Ich hatte mich also entschlossen, durch Hilfe des Adju tanten Morrison die Bekanntschaft des alten Thomas zu machen. Zu diesem Zwecke schrieb ich folgende Zeilen: „New Dork, den 4. März 1870. Mr. Henry Morrison! Ich weiß, daß Sie sich — wenigstens im Anfang — über diesen Brief wundern werden. Und ich versichere Sie, daß nur die Noch mich zu diesem Schritte treibt. Aber, Mr. Morrison, es gilt die gemeinsame Sache, es handelt sich nm die Ehre des Korps — und da ist ja jeder Streit vergessen! Sie arbeiten ja außerdem in derselben Sache, wenngleich Sie keinem höheren Befehl Folge leisten. Wie weit Sie gekommen sind, weiß ich nicht. Aber ich glaube, es würde für uns beide von Vortheil sein, wenn wir gemeinsame Sache machten. Den Dienst, welchen Sie mir heute leisten, wer de ich Ihnen ein anderes Mal nach besten Kräften vergelten. Aber die Zeit ist kurz und die Sache hat Eile. Könnten Sie sich deswegen nicht — vorausgesetzt, daß Ihre Zeit es erlaubt — wenn möglich vor sechs Uhr bei mir einfinden? Ich versichere Sie, daß die Entdeckungen, die wir gemeinsam machen werden, auch unser gemeinsames Eigenthum sein sollen. Mit vorzüglicher Hochachtung John Moore.- Es hatte keinen Zweck, ihm den Brief durch die Post zu senden. Das würde zu viel Zett in Anspruch nehmen. Ich mußte ihm denselben durch den Portier zukommen lasten. , Ich ziehe meinen Rock an und begebe mich auf die Straße. Ter frische Wind kühlt meine brennende Stirn; mir wird leichter ums Herz; die Zweifel schwinden. Die Sache erscheint mir wieder in rosigerem Licht. Alles würde schließlich noch ein glückliches Ende nehmen, und daß der Fall ein höchst inte ressanter war, das ließ sich nicht leugnen. So ein keiner Spazirgang in freier Luft thut doch Wunder. Aber was geht dort vor sich? Warum stürzen die Menschen so angstvoll zur Seite? Die Straße ist ja plötzlich wie reingefegt. Ich höre dröhnende Laute, die näher und näher kom men; Pferdehufe schlagen funkensprühend gegen das Stein pflaster; jetzt wird ein Wagen sichtbar, der in wilder, schneller Fahrt dahinrast. Man stüitzt auf die Trottoirs, man preßt sich so nahe wie möglich an die Mauern, mau sucht in die Thorwege ein zudringen, in die Hausthüren und Läden. Großer Gott! Mitten auf der Straße, auf dem Weg, den der Wagen unwiderruflich einschlagen muß, steht eine Frauengestalt. Ich sehe, wie sie schwank, wie ihre Füße ihr den Dienst verweigern — sie fällt auf die Knie, gefaßt, das Unvermeidliche über sich ergehen zu lasten. Ich kenne mich selber nicht mehr. Ich bin völlig von Sinnen. Ich stürze vorwärts. Mit eiserner Faust greife ich in die Zügel. Das Pferd bäumt wild auf. Mit verzweifelter Anstrengung stemme ich mit allen Kräften dagegen — das Pferd wirst sich zur Seite. Ein Dutzend kräftiger Fäuste fasten zu, greifen inG Thier in die Mähne, in die Zügel. Das Mädchen ist gerettet. Sie liegt noch immer ohnmächtig auf der Straße. Ich richte sie auf. Sie ist ganz jung, kaum zwanzig Jahre alt. Ihr Gesicht bedeckt Todesbläste. Ich hebe sie mit meinen starken Armen auf und trage sie in den nächsten Laden. Es ist ein großes elegante« Modemagazin. Der Besitzer, ein galanter, älterer Herr, stürzt herbei. Ich ziehe eine kleine, mit einem Siegel versehene Karte aus der Tasche, und seine Höflichkeit verdoppelt sich. Wir legen die junge Dame auf ein Sofa im Hinter zimmer. Mr. Jenkins läuft hinaus, um Wasser zu holen. Ich netze ihr Stirn und Wangen mit da» flaschen Raß — ein leiser Seufzer wird hörbar — «S vergeh« einige Augenblicke, — sie streckt die Hand auS, greift nach dem Glase und trink. Die dunkeln Augen blitzen. Sie fährt mit der Hand über die von Locke» umrahmt« Stirn, als wollte sie sich auf das Geschehene besinne». Dann erhebt sie sich und schickt sich an zu gehör. —- Mr. Jenkins zieht sich zartfühlend einige Schritte Müll »M wolle er damit andeuten, daß das ganze Verdienst nur gebichre^ daß sie mir allein zu danken habe. „Mein Herr," ihre Stimme klang sanft und mild, „haben Sie innigen Dank für das, was Sie an mir gethan. Wie konnte ich auch nur so dumm und unvorsichtig sein; noch mals tausend, tausend Dank." Und sie machte einige Schritte in der Richtung »ach der Thür. Aber sie hat sich verrechnet. Ihre Macht über sich selb« ist nicht so groß, wie sie glaubt. Die Röche ihr« Waage» verwandelt sich plötzlich wieder in Todteublässe, sie führte die Hand an die Augen, als schwindele ihr; sie war kurz daran, umzusinken. Abermals stützte ich sie. Sie «griff meine» Ar« »ad hatte in wenigen Augenblicken ihre Schwäche überwunden. „Gestatten Sie mir, daß ich Sie ein Stückchen WegeS begleite? Nur so weit, bis Sie sich in der frischen Lust völlig erholt haben. Mein Name ist Moore, John Moore. Sie blickte hastig zu mir auf, als suche sie zu «gründe», weß Geistes Kind ich sei. „Besten Tank, mein He«!- Die alltäglich«, so ost mißbraucht« Worte kangen, als kämen sie wirklich auS dm» Herz«. Mr. Jenkins geleitete uns bis a» die Thür, und wir traten auf die Straße hinaus. Ich fühlte ein« fest«, rnad« Arm, der sich schüchtern auf dm mein« legte. Weine Be kleiden» ging qu« über die Straße u»d bog d«n zur Link« ab, ich suchte meine Schritte nach da» chrigm zu richt«. „Mr. Moore," sie sah mich mit ihrem tief«, offenen Blick an, „Mr. Moore, ich bi» gewiß sthr unhöflich geg«