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Riesaer G Tageblatt und Anzeiger Mktlell nß Lqrt-tt) Amtsblatt »er König!. Amtshauptmannschast Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des StadirathS zu Riesa. 130 Freitag, 8 Juni 1804, ME. 47. Zahrg. Las Riesaer Tageblatt «scheint jeden Ta- Abends mit Ausnahme der Sonil- und Festtage. BteneljShrttchrr Vrju-Sprri» bet Abholung m den Expeditionen in Riesa und Strehla!» AuSgichestÄ^ sowie am Schalter der kaiserl. Postanstalten 1 Mark 25 Ps., durch die Tröger frei ins Hau« 1 Mark SO Ps., durch den Briefträger frei tnS Haus 1 Mark 65 Pf. «u,rtgea-«m>ahme Mr dte stummer des Ausgabetage- bis Vormittag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kastantenstrabe 59. - Für die Redactton verantwortlich: Herm. Schmidt in Riesa. Rothschild. * Die großmächligste aller irdischen Großmächte ist be kanntlich das Geld. Geld regiert die Welt! ist ein altes Sprichwort, das im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen den ' Vorzug hat, eine unumstößliche Wahrheit auszusprechen. Der Name „Rothschild" ist auf der ganzen Welt bekannt und die vier Bankhäuser in Wien, Frankfurt a. M., Paris und London, die so firmiren, beherrschen den Kapitalmarkt voll ständig. Kupfer, Quecksilber und Petroleum befinden sich fast vollständig in Händen dieser Rothschilds und wenn die kleinste Bauerfrau ihre Lampe anzündct, hat sie, ohne cs zu wissen, zuvor an Rothschild ihren Tribut entrichtet. In Oesterreich-Ungarn und in Brasilien sind die Rothschilds die maßgebenden Träger des Staatskredits, wenn die Frau des alten Anselm Meyer-Rothschild sagte: „Es gicbt keinen Krieg, denn mein Mann giebt kein Geld dazu", so ist das kennzeichnend. Neuerdings kommt nun die Meldung, daß das Haus Rothschild, nachdem es an den Diamantfeldcrn von Kimberley gewaltige Beträge verdient hat, die Goldfelder im Süden von Transvaal anzukaufcn, die nicht verkäuflichen aber wenig stens unter seinen Einfluß zu bringen beabsichtige. Die Golderzeugung am Witwatersrand ist von 52>/, Millionen Mark in 18S1 auf 106 Millionen Mark in 1893 gestiegen und wird im laufenden Jahre auf 150 Millionen Mark zu stehen kommen. Gegenwärtig liegt diese Erzeugung in den Händen einer großen Zahl von Aktiengesellschaften. — Der „Deutsche Oekonomist" berechnet den kapital-sirtcn Reinge winn jener Goldfelder auf mindestens eine Milliarde ohne das Anlagekapital. Nach den Schätzungen des preußischen Bergraths Schmeißer haben die Goldvorräthe im Witwa tersrand einen Werth von etwa sieben Milliarden Mark. Es handelt sich annähernd um ein Drittel der Golderzeu gung der Erde, also um ein Riesenunternehmen, an das einzig und allein das genannte Welthaus denken kann. Wo es bisher hervortrat, hat es alle Konkurrenz niedergeworfen, in letzter Reihe auf Grund seiner gewaltigen Kapitalsüber macht. Die Ausbeutung eines Goldmonopols in Transvaal würde zunächst den monopolisirten und daher billigen Ankauf aller Produktionsmittel ermöglichen. Tritt in Transvaal an Stelle des bisherigen freien Wettbewerbs unter den Ar beitgebern wie Arbeitnehmern eine Monopolverwaltung, so kann sie nach ihrem einseitigen Interesse die Nachfrage regeln. Kauft das Rothschildsche Syndikat dort alle Bergbaurechte auf, so kann es die Erzeugung nach Belieben feststellen, seine Arbeiter nach Gutdünken ansiedeln und nach seinem Ermessen die Beschaffung des Bedarfs an fremden Jndustrieerzeugniffen und Lebensmitteln organisiren. Kein Ladengeschäft, kein Gasthof ist mehr sicher vor irgend einem plötzlichen Boykott durch die Monopolverwaltung, vor dem Ruin durch ein eige nes Monopolunternehmcn. Nicht weniger eingreifend wie in Transvaal würde ein RothschildscheS Goldmonopol auf die Währungsverhältnisse wie auf die Finanzpolitik der Kulturstaaten zurückwirken können, ebenso sehr zum Vortheile Rothschilds und der Bör senspekulation, wie zum Nachthelle der einzelnen Finanzver waltungen und der produzirenden Bevölkerung. Rothschild könnte je nach dem Bedarf seiner Spekulation die Goldaus beute sinken oder steigen lassen und nach seinem Interesse die heutigen Währungsschwankungen leiten. Von seinem Standpunkte aus beklagt der „Deutsche Oekonomist" solche Auswüchse des Kapitalismus. Die menschliche Gesellschaft wird es nicht ertragen, sagt das Blatt, in eine kleine und abnehmende Zahl allgewaltiger Kapitalisten und in ein rie- sigez Heer von Proletariern aufgelöst zu werden und sie wird selbst unter den nachtheiligsten und verhängnißvollsten Katastrophen sich dagegen aufbäumen. Durch nichts treibe die Gegenwart sicherer in den Strudel der sozialdemokrati schen Gefahren, als durch Mißbräuche des Kapitalismus, und im Interesse der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung verlangt der „Deutsche Oekonomist", daß den angedeuteten Auswüch sen, also auch den Mouopolbestrebungen des Hauses Roth schild, thatkräftig entgegengetreten werde. — Da da» gen. Blatt nicht im Gerüche steht, sozialdemokratische Anwandlungen zu haben, so wäre es sehr interessant gewesen, wenn es seine Ansichten darüber verlautbart hätte, wie es sich denn eigent lich da» Einschreiten gegen Rothschild denkt. TageSgeschichtr. Deutsches Reich. Der Kaiser ist völlig wieder hcr- gcstellt. Morgen Sonnabend findet im Neuen Palais große musikalische Abendunterhaltung statt, zu welcher außer den ' Mitgliedern der königlichen Familie sämmtliche Minister, die Mitglieder des Bundesraths, die Generalität, die Bot schafter und Gesandten geladen sind Nach 8 7 des soeben in Kraft getretenen ReichszcsetzcS über die Abzahlungsgeschäfte ist derjenige, der Lotterieloose, Jnhaberpapiere mit Prämien oder Bezugs- oder Antheil- scheine auf solche Loose oder Jnhaberpapiere gegen Theil- zahlungen verkauft oder durch sonstige auf gleiche Zwecke abzielende Verträge veräußert, mit einer Geldstrafe bis zu 500 Mk. zu bestrafen. Es macht keinen Unterschied, ob die Uebergabe des betreffenden Papieres vor oder nach der Zahlung des ganzen Preises erfolgt. Damit sind die Raten- loos-Geschäfte, die in den letzten Jahren an allen Ecken und Enden des Reiches wie Pilze aus der Erde schossen, unmög lich geworden. Dem „M. N. N." zufolge glaubt man in militärischen Kreisen Bayerns nicht, daß das im verflossenen Jahre für die Offiziere und vor Kurzem für die Unteroffiziere und Mannschaften der preußischen Armee angenommene graue Manteltuch auch für die bayerische Armee zur Einführung gelangt, da es in der Farbe weit empfindlicher als das bis herige Manteltnch and in der Haltbarkeit wenigstens nicht wesentlich bester als dieses sein soll. Auch in Sachsen wurde aus diesen Gründen das neue graue Manteltuch von einem bedeutend dunkleren Farbenton gewählt als ihn das preußische graue Manteltuch zeigt. Ueber den Ausgang der ReichstagS-Ersatzwahl in Plauen i. V. giebt den Blättern immer noch zu Commentaren Anlaß. Interessant ist darunter speciell eine aus freisinnigen Kreisen selbst hervorgehende Feststellung über das Verhalten der Frei sinnigen. Die „Berliner Zeitung" zieht zunächst aus der Thatsache, daß beim ersten Wahlgange statt der 4000 Frei- sinnigen im vorigen Jahre nur gegen 2000 freisinnige Stimmen abgegeben worden sind, den Schluß, daß viele Volksparteiler im Mangel an Vertrauen auf den Erfolg des volksparteilichen Kandidaten sofort für den Socialdeinokraten gestimmt haben. Dann fährt das freisinnige Organ fort: „In der Stich wahl haben die Socialdemokraten über 2000 Stimmen hin« zugewonnen; die Freisinnige Bolkspartei war Mann für Mann für den Kandidaten der äußersten Opposition einge treten." Das ist wenigstens ehrlich! Nachdem der Kaiser, wie die „N. A. Z." erfährt, die Ernennung des Geheimen Legationsraths von Kiderlen-Wächter zum Gesandten in Hamb arg vollzogen hat, ist die dadurch erledigte Rathsstelle in der politischen Abtheilung des Aus wärtigen Amtes dem Legationsrath von Lindenau verliehen worden. Dem Vernehmen nach wird der Gesandte von Kiderlen seinen Posten noch im Laufe dieses Monats antreten. Am Montag giebt der Justizminister von Schelling ein größeres Mahl, zu welchem sämmtliche Minister und Staats- secretäre Einladungen erhalten haben. Eine kaiserliche Kabinetsordre vom 14. Mai d. I., die jetzt im „Arm.-V.-Bl." veröffentlicht wird, genehmigt, daß die zur Militär - Turnanstalt kommandirten Offiziere bei ihren dienstlichen UebungS-Radfahrten im Gelände Zivil-Rad- fahrer-Anzüge, sowie die zur Landesaufnahme kommandirten Offiziere während der Dauer der Feldarbeiten Zivilkleiber tragen dürfen. Ueber die Frage der Burenansiedlung auf deutschem Gebiet erhält der „Hamb. Korr." eine sehr bemcrkcnswcrthe Zuschrift aus Sübaftika: „Die Bewegung unter den Buren dehnt sich immer mehr aus. Die geheimen und offenen Machinationen der kapkolonialen „Cnque" haben mit fast unheimlicher Schnelligkeit ihre Früchte getragen. Wenn der Auszug der Buren in so großartigem Maßstabe, wie er ge- plant, wirklich erfolgt, so ist man dem Ziele, worauf hinge- arbeitet wird, „Bereinigte Staaten von Südafrika", einem großen Schritt näher. Drei Fliegen fallen mit einer Klappe durch die Auswanderung. Erstens wird die ohnehin sehr schwache Lebenskraft der beiden Republiken gebrochen; zwei tens werden große Strecken des Gebiets der Ehartered- Kompagnie durch die Auswanderung bevölkert ; und dritten» ist der Krieg Deutschland» mit den Buren fertig. Die be ständigen Hetzereien in den Zeitungen — die „Beschuanaland News" berichten soeben wieder von einer Niederlage der Schutztti'vxe — haben Deutschlands Ansehen in Südafrika schwer geschädigt. Viele Buren erklären ganz offen, nach „Witboisland" zu wollen, um von dem „Captem Grund zu erwerben. Wohl warnt der Generalkonsul zu Kapstadt vor Ankauf von Land von Witboi, doch ist zu fürchte», daß sich hierdurch nur Wenige der ganz niederen Burenklasse vom Zuge werden abhalten lassen. Hört man doch von allen Seiten: „WaS wollen denn die Deutschen gegen m s machen, wenn sie nicht einmal im Stande sind, gegen Hottentotten zu fechten?" Er wird dann über die unzureichenden Maßregeln zur Bekämpfung WitboiS geklagt und zuletzt heißt es: „Viel kann auch durch schärferes Auf treten der Konsuln erreicht werden, indem in Proklamationen rund heraus erklärt wird, daß Jeder, der von Witboi Grund und Boden kaufe, als Hochoerräther betrachtet und, falls er auf deutschem Gebiete betroffen werde, als solcher bestraft werden solle. Mit Höflichkeit verschafft man sich bei diesen Trekkern keinen Respekt." Der Staatssekretär im Reichsschatzamte faßte die Er gebnisse der Reichs-Silber-Konferenz in die folgenden Sätze zusammen: „Ich glaube, daß Uebereinstimmung in dreier! i Be ziehung in dieser Versammlung erzielt ist: daß in der That mit dem schwankenden und niedrigen Silberpreise gewisse Schädigungen für unseren Außenhandel und auch für unser inneres Erwerbsleben verknüpft sind, daß Deutschland allein nicht in der Lage ist, wirksam« Maßregeln zur Hebung des Silberwerihes zu ergreifen, daß eine Hebung des Silber preises im Wege der Monopolisirung, Kartellirung oder Regalisirung der Silberproduction jedenfalls nicht ausführ bar sein möchte. Streitig ist die Frage geblieben: ob über haupt und eventuell auf welchem Wege die Steigerung des Silberprelses gegenüber der freien Production erreichbar er scheint, welches Schwergewicht den durch den Silbersturz ge schädigten wirthschaftlichen Interessen gegenüber den Inte ressen unseres gesammten Wirtschaftslebens beizumessen ist, w Icke Relation zwischen dem Gold- und Silberpreise für eine internationale Regelung vorzuschlagen wäre, und ob nicht dir von verschiedenen Seiten sorgeschlagenen Heilmittel viel leicht gefährlicher wären als die Silberkrankheit selbst." Tpanieu. Die an den Handelsvertrag mit Deutsch land anknüpfenden Vorgänge in Spanien spitzen sich immer kritischer zu. Zunächst erscheint ein baldiger Ministerwechsel unvermeid.ich. Der Ministerpräsident Sagasta sowohl als auch der Minister des Auswärtigen Moret haben sich dieser Tage im Senat noch einmal bemüht, die Obstructiv» gegen den Vertrag zu brechen; sie haben in durchaus loyaler und offener Weise anerkannt, daß Deutschland allen Grund habe, sich durch das Verfahren des spanischen Parlaments verletzt zu fühlen und dasselbe als einen Mangel selbst an äußerer Rücksicht und Höflichkeit zu empfinden. Ablehnen könne man den Vertrag, aber die Entscheidung immerzu hinausschieben, müsse verletzend wirken. Keine ernsthafte Nation würde künftighin mehr mit Spanien verhandeln wollen. Zugleich wiesen die Minister nach, daß Spanien größere Vorthrile von dem Vertrag habe als Deutschland. Gegen die harten Köpfe der spanischen Conservatioen half das aber Alles nicht». Es stellt sich überhaupt immer deutlicher heraus, daß der Handelsvertrag nur das Werkzeug ist, um die liberale Re gierung zu Fall zu bringen. Inzwischen wird von verschie denen Seiten berichtet, daß sich die Folgen des Zollkriegs für Spanien bereits in sehr empfindlicher Weise bemerkbar machen. Die Ausfuhr von Wein und von Produkten der Colonien, Kaffee, Tabak, har eine fühlbare Störung und Einschränkung erfahren. vertlicheS «nv Sächsisches. Riesa, 8. Juni 1894. — Ein alter Veteran, ein ehemaliger Angehöriger unserer Reitenden Abtheilung, ist jetzt zur großen Armee abberufen worden. Der Verstorbene, eine auch in weiteren Kreisen bekannte Persönlichkeit in Geithain, Namen» Fischer, hat bei der Reitenden Abtheilung mehrere Feldzüge mitge macht. Er erlitt im deutsch-französtschen Kriege bei dem heimtückischen Ueberfall der Franzosen in dem französischen Dorfe Etrüpagny in der Nacht vom 29. zum 30. November 1870 eine schwere Verwundung. Bei der Bertheidigung de» ihm zugetheilten Geschütze» zerschmetterte ihm eine Kugel den Unterkiefer und riß einen Theil der Zunge weg. Der