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Beilage zum „Riesaer Tageblatt". W» >«» t »l,t.,Nch - NI.I» — Für dl« dl»«»«» »>„«>»!,>m»l Hdrmdn» Schmidt d, «tdl» UZttl Freitag, 6. August 19VS, »Seads. SS. Jahr». Die Entrevuen. Sh« der Har seine groß« Besuchgreise antrat, hatte er «f der Standart<Re«de tn den finnische« Gewässer» «in« Segegnnag «tt unserem Kaiser. Jetzt wird er aus der Rückfahrt von Therbourg und Cowes wiederum mit dem Rats« -usammenireffen. An der ersten Begegnung nahm«» di« beiden auswärtigen Minister teil, diesmal soll der in tim« Eharatter gewahrt «erden. Zwischen den beiden Begegnung« lagen die Entrevuen des Aaren mit dem Präsidenten FallitzreS und dem König Eduard. Schon dieses äußere Arrangement läßt erkennen, daß der Zar mit Sorgfalt darauf fleht, daß für ein« deutschfeindlich« Auslegung seiner Besuch« kein Raum gelassen wird. Auch di« Tttnksprüch« in Therbourg und Cowes find aus den friedlichsten Ton gestimmt worden und enthalten keinerlei Spitze gegen Deutschland. Französisch« Journalist« gegenüber hat sich Herr Iswolski sogar sehr herzlich über die deutsch-russisch« Beziehungen ausgesprochen. Alle» das läßt den Schluß zu, daß die Entrevuen an der allge meinen friedlichen Abspannung; die sich seit Monaten in Europa fühlbar gemacht hat, nichts geändert haben. Das entspricht den Wünschen und Absichten der deutschen Politik, die tn dem Festhalten ihrer geraden, friedlichen Richtung sich nie hat irr« mach« lassen. Den Grad der Herzlichkeit zu bemessen, welcher der Zar tn Frankreich und England begegnet ist, haben wir keinen Beruf. Jedenfalls aber muß man sich vor einer übertriebenen Bewertung der sozialistischen und radikalen Kundgebungen hüten, die in beiden Ländern in die offizielle Begrüßung hinrinklangen. In Frankreich haben die ausgesprochensten Sozialdemo kraten, sowie sie zur Macht gelangten, ihren Tyrannenhaß tn di« Tasche gesteckt und sich zum Bündnis mit Rußland als der Grundlage der französischen auswärtigen Politik bekannt. In England ist «S selbstverständlich, daß die Staatsmänner sich durch Volksversammlung« oder Parka- mentsminoritäten nicht von ihrem Wege abbring« lassen, klebrigen- richtet sich di« Kritik der englischen Arbeiter partei auch nicht gegen ein gutes Verhältnis zu Rußland überhaupt, sondern gegen das russische Regierungssystem. In seinem Trinkspruch hat der König dieser Kritik ein Zugeständnis gemacht, indem er mit besonderer Herzlich- kett von dem Besuch der Dumamitglieder sprach. Dadurch hat er auch der radikalen englischen Presse ermöglicht, die Toaste freundlich zu besprechen. Im großen und ganzen wird man also wohl nicht fehlgehen, wenn man «»nimmt, daß die internationale Lage nach den Entrevuen dieselbe geblieben ist, wie sie vorher war. — k— Ruhe in Barcelona. ,s» Luigi Barcini, der auf die alamierenden Meldungen kon dem Aufstand in Katalonien sofort nach Barcelona geeilt ist, entwirft im Corriere della Sera interessante Bilder von der Volksstimmung in Spanien und von dem Anblick, den Barcelona jetzt, nach den Tagen des Aufruhrs, dem Fremden bietet. Da die direkte Bahnver bindung nach der Hauptstadt Kataloniens unterbrochen Mr, entschloß sich der italienische Journalist zu dem Umwege über Madrid. „Die Ereignisse in Spanien", so beginnt er seine Schilderung, „haben auf mich den Ein druck jener Berge gemacht, die von weitem gewaltig aus« sehen und dann kleiner und kleiner werden, je näher man ihnen kommt". Im Ausland füllen die Aufruhr berichte die Zeitungen, „aber als ich die spanische Grenze passierte, war ich überrascht von der schläfrigen Ruhe des Landes und der Teilnahmslosigkeit des Bol- ker. Niemand weiß etwas Bestimmtes, niemand sorgt sich darum, etwas zu erfahr«. Vergebens sucht inan nach Symptomen jener fieberhaften Spannung, die sonst ein Volk in wichtig« Augenblicken von historischer Be deutung befällt. In Spanien hört man nichts von den Torgängen, die in der Welt ein so lautes Echo fanden. Und man denkt: Idiese Nation ist entweder so wunderbar gesund und stark oder so unheilbar krank und schwach, daß sie ihre eignen Schmerzen nicht mehr fühlt." Die Züge in Nordspanien verkehren fahrplanmäßig; sie find besetzt von DergnügungSreisenden, die den Sonntag auf dem Linde oder am Strande verbringen wollen. „In den Waggons plaudert man von den bevorstehenden großen Stiergefechten in San Sebastian und erörtert die Qualitäten der einzelnen Derreros. Ich sitze mit einem Herrn im Kupee; als ich ihn nach deki letzten Nachrichten t5on Barcelona frage, antwortet er nur lächelnd« „Barcelona ist ein wenig verrückt." Und dann klagt er über die Sommerhitze. . ." Um Mitternacht wird Madrid erreicht. „Nirgends eine Spur des Belage rungszustandes. Eine sorglose Menge belebt die Puerta del Sol, an der nie das Leb« Mfhört. Ich lausche neugierig auf die Gespräche der „Flaneuros"; über all« liegt die unerklärliche Erwartung irgend eines amüsanten Zwischenfalles: aber diese Erwartung ist seit einem Jahrhundert stets die gleiche. Man spricht von allem Möglich«, nur nicht von einer Revolution. . . Ich trete in ein Cafä und knüpfe mit d« Nachbarn ein Gespräch am. Um Ausschluß zu finden für diesen sorglos« Gemütszustand. Und ich erfahre genug, um mir ein Urteil bilden zu können. Barcelona ist im übrigen Spanien nicht beliebt, besonders nicht in Ma drid. Der alte Haß zwischen Katalonien und Kastilien ist nicht erloschen und bricht bei jeder.Gelegenheit Neu hervor. Das Bombartement in Barcelona macht Madrid nicht mehr Sorge, als wenn es in einer fremden Stadt, in einem fremden Lande stattgesunden hätte. Der Mi nister des Inne« war wenig populär: seine Stellung hat sich jetzt gefestigt, seitdem man ihm -en Ausspruch zuschreibt: „Wirr werden Katalonien eine Lektion geb«, die eS eine Weile lang nicht vergessen wird. Der Krieg in: Rif wurde in ganz Spanien verurteilt: heute jubelt man den Truppen zu, weil Barcelona sich dem Kriege widersetzt hat. Die Armut im Lande urck» die Unzufrie denheit ist groß Md eine revolutionäre Bewegung hätte leicht ganz Spanien überziehen können: aber Barcelona begann mit dem Aufruhr und nun trotzt ganz Spanien der Revolution. Katalonien hat separatistische Tendenzen: nun soll es fühlen, daß eS unlösbar.mit dem Reiche verknüpft ist." Aus der Fahrt nach Katalonien — es ist Sonntag — sieht man auf allen Stationen geputzte Frauen und plaudernde Männer, die gleichgiltig dem Zuge nachstarren. Bisher verkehrt« die Züge nur bis Rens; es. geht das Gerücht, das dieser Zug als erster bis Barcelona fahren kann. „Am Horizont, hinter den Hügeln, taucht die glänzende Wasserfläche des Mtttel- meereL auf. Der Zug fährt weiter. Polizisten bewachen die Strecke. An zerstörten Delegraphenpfvsten kommt man vorüber; an der Herstellung wird bereits gearbeitet. Wir erwart« größere Zerstörung«; aber die Dörfer liegen still und friedlich im Grünen. Im Zuge fahren junge Kavalleristen, die in den Krieg hinaus müssen. Sie singen und sind stolz auf ihre Lunien Uniformen und lachen und scherzen. Dann fahren wir in Barcelona ein, das lärmende und fröhliche; es ist, als ob nichts geschehen wäre. Noch einige Spuren vergangener Angst: an einigen Häusern fremdländische Fahn«; ein« selt samen Eindruck machen diese bunten Rufe, die auf spa nischem Boden ertönen: „Habt acht, wir sind keine Spanier.. ." Plötzlich sehen wir ein großes ausge branntes Kloster. Türen und Fenster sind von dem Feuer zerstört, die Gewölbe rauchgeschwärzt. Auch die anliegende Kirche ist verbrannt. Aber nirgends ein Zei chen eines Kampfes. Es war keine wütende blinde Menge, die führerlos die Kloster überfiel. Man ging mit Me thode zu Werke. Nach einem genau« Plane versammelte sich die Menge vor irgend einem Kloster, man schlug an die Pforte Und sagte: „Geht heraus, es wird Euch nichts geschehen. Wenn Ihr Widerstand leistet, werdet Ihr niedergeschlagen." Und die Klosterbrüder und die Nonnen verließen ihr Heim und ging« unbehindert davon, während die Slufrührer Feuer anlegten, ohne auch nur die Einrichtung zu berühren. Auf den Straßen herrscht die alte Heiterkeit Barcelonas, das den schönen Abend genießt. Spaziergänger auf den Straß«. Inden EaföS elegante Sommertoiletten; draußen verkehren die Straßenbahnen, Equipagen fahren vorüber. Automobile ro.len dahin. Die Zeitungsverkäufer bieten singend ihre Ware feil. Nirgends eine Erinnerung an den Auf ruhr; nur hin und wieder reitet lässig eine Kavallerie- Patrouille vorüber. Bon Ferne klingen Trompetensig- nale. Die von Madrid entsandten Truppen sind einge- tross«. Im Hafen sind sic gelandet. Nun marschieren sie in die Stadt. Appell wird abgehalten. Das Volk strömt ««gierig herbei, um das Schauspiel zu ge nießen. Biele Frauen sind darunter. Mrgends ein Zei chen von Angst. Eine Viertelstunde später marschieren die Truppen in ihre Quartiere ab und alles liegt wie der still und ruhig. Ich unternehme einen Rundgang, erstaunt und ein wenig enttäuscht. Ich hatte mir die Dinge anders vorgestellt. In den Stadtgärten sehe ich die Gärtner, die am Tage nach der Revolution fried lich ihre Pflanzen begießen. Ein wirklicher Kampf läßt andere Spuren in der Volksseele zurück. Die Unterbrech ung des täglichen Lebens war kurz und leicht, der Kämpf kann nur oberflächlich gewesen sein, denn nirgends hat ec die gute. Laune verdorben. . ." Tagesgeschichte. Zur Fiuanzreform gab irzder gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer Württem bergs Ministerpräsident ». Weizsäcker auf Anregung mehrerer Redner folgende Erklärung: Ich begrüße die Gelegenheit, den Standpunkt der württembergischen Regierung zur Die Nachtbuben. Erzählung au» dem Bregenzer Walde von F. Wichmann. 15 Nachdruck vervoten. Candida beugte sich über ihn und fuhr mit leiser Stimme fort: „Tu schwebtest zwischen Leh« und Tod. Der Arzt, Len wir von Bezau geholt, hatte Dich ausgegeben, nur ich nicht! Ich wußte, daß ich verworfen war, ewig verworfen, wenn es mir nicht gelang, Tein Leb« zu rett«. Denn mein war war ja all die Schuld, — alle Schuld an diesem ganzen Eleno, das über unsere Häuser gekommen ist! Tag und Nacht, nur mit der Bäuerin abwechselnd, wachte ich an Deinem Lager." Dominik ließ der Kopf nachdenklich auf die Brust sinken. „Tie Schuld, sagst Du — die Schuld? Was für eine Schuld könntest Du hab«?" --Daß ich Dich zu den Nachtbuben trieb und damit allB Unheil heraichbeschwor -- den Haß und die bittere Feindschaft Unserer Bäter!" Aeänentratm- in ihre Augen und erstickten ihre Stimme; sie wandte den Blick zur Seite. Ein schmerzlich trübes Lächeln glitt über Dominiks Sstsicht. „Du magst mich nimmer anschauen, gelt? Einst war O amderSt Gib mir einen Spiegel, Candida!" „Sin« .Spiegel? Wo-«?" rief sie angstvoll »mV er blassend. „Ich Mchtzt' seh«, W bi« Wohl sehr häßlich ge- rövrden!" La stürzt« Sie Trän« in dichtem, fähigem Strom aus ihr« Augen. „Rein, Dominik, die Brandnarben kn Deinem Gesicht zier« Dich schöner, als SiegeSwundm den Krieger! Schön bist Du, schöner als je, denn Deine edle Seele hat Dich mit HinnnelSretzen geschmückt!" Sie hatte so leidenschaftlich heiß, so voll glühender Bewuudvcung gesprochen, daß er tief erschüttert ihr die — er suchte die Decke zurückzuschlagen — sonderbar >- was war der rechte Arm so schwer — daß er ihn nicht heben konnte daß ----- Em kaltes Graus« über rieselet ihn plötzlich. -Mein Arm —Wv ist mein Arm?" ächzt« er, „Candida — sie haben mir meinen Arm genommen?" Und wie gebrochen sank er in die Kissen zurück. Eine Weile konnte das Mädchen vor Schluchzen nicht sprechen. Tas war zuviel —; das ertrug sie nicht. Aber da er seine Frage noch lauter, ja jammernder widerholte, stieß sie endlich hervor: „Es ging nicht anders der Doktor verlangte es, eS war die einzige Möglichkeit, Dich zu retten!" Er schloß die Augen; ein unendlich schmerzlicher Zug lag um seinen Mund. „O, hätte man mich sterb« lassen!" -.Nein, sage das nicht, Dominik," tönte es La an sein Ohr, „nicht das, — Du tötest mich! Muß denn das Glück zwei Arme hab«?" „TaS Glück?" fragte er traurig. „Welches Glück kann eS auf Erd« noch für ein« Krüppel geben? Für Leben und Liebe ist er verpfuscht! Wer kcknn solch elendes Wes« noch mögen?" Da warf sie sich über ihn, Laß ihr gelöstes Haar wie ein goldener Schleier seine Schulte« umwallte, und preßte ihre Lipp« in heißem, wilden Kusse auf feinen Mund. „Dominik, ich hab' zwei kräftige, gesunde Arme kie follen für Dich schaff« und Dich auf Händen trage« durchs ganze Leb«, — wie Du es verdienst!" ES dauerte eine'Weile, bis Dominik sich vor seiner lleberraschung erholte. Er hatte ganz still gelegen und ihre Liebkosung« ging« über ihn hin wie ein wonniger Mairegen über die verdurstete Flur. „Candida -- nein!" raffte er sich endlich* auf, „das —- das wär' zu viel der Dankbarkeit!" „Ter Dankbarkeit?" rief sie. „Begreifst Du denn nicht daß ich Dich liebe, —- —" „Ich habe mit viel« gescherzt, Candida," sagte er, .Hoch geliebt habe ich nur Dich, — wenn ich auch stolz und eitel sein mochte, -- doch damit ist's vorbei — seit sch ein Krüppel bin!" Die Tränen trat« ihr von neuem in die Augen. „Vergib mir, Dominik, vergib mir! Ja, ich hielt Dich für selbstsüchtig, für herzlos^ ich glaubte nicht, daß Tu der treue, der Aufopferung fähig wärst für deine Nächsten, und wie — wie hast Tu mich lügen gestraft!" „Candida," jubelte er da aus, „Du gibst mir mehr als alle Aerzte der Welt mir hätten geben können!" Und er schlang den link« Arm um ihre Schulter und zog sie zu sich auf das Lager herab, mit seinem Munde ihre Lipp« suchend. Eine Weils verharrten sie in langem, seligen Kusse; dann fuhr Dominik plötzlich erschreckt zurück, als habe er einen finster« Schatt« vorüberstreichen gesehen, der sich zwischen ihn und sein Glück dräng« wollte. „Und unsere Bäter?" fragte er. „Candida, was soll aus unserer Liebe werden, wenn Haß und Feindschaft d«a Boden sind, auf dem sie blüht?" Dunkle Trauer legte sich auf Les Mädchens, schöne Züge. „Unsere Bäter!" wiederholte sie schmerzlich. „Wir haben nur noch einen, Dominik!" „Ter Euch und Euren Bund segnet Von ganzem Her zen!" sprach plötzlich eine tiefe Männerstimme hinter ihnen. Und eine andere, weibliche wiederholte: „Bon Kerzen, meine lieben Kinder!" „Vater, Mutter, — Ihr vertragt Euch wieder -- mit dem Hirschgrundbauer rief Dominik in Hellem Er staunen. „Ueber dem Grabe stirbt der Haß!" sprach Candida ernst mit tief bewegter Stimme. „Mein Vater hat seine schwere Schuld gebüßt. Am Morgen nach jener Schreckens nacht haben Holzknechte von Jsarsfeld ihn tot gefunden!" „Gott sei seiner armen Seele gnädig!" sagt« sie alle, „Ter Waldtzat ihn um den Verstand gebracht," fügtet der alte Starzlhofer wie entschuldigend hinzu, „der Wald, der nun, nachdem der Prozeß entschieden ist, uns. ge hört, — Dir, mein Sohn, dem ich alles übergebet" Dominik lächelte in stillem Glücke vor sich hin' „Mir — dm Wald?" sprach er. „Er soll niemand mehr entzwei«! Der Candida geb' ich ihn al» Braut- geschenkt"----- - , kSchkuLI