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Nltd üochO jo gefürchteten Besuch in Waldhügel bei der Aamilie Mn Warth» machen. Der Gutsherr hatte sich wiederholt während Wolfs Krankheit nach Hessen Befinden erkundigen lassen, und der junge Martens hatte, sobald er dazu imstande gc- dmjen war, schriftlich sür diese Freundlichkeit gedankt Nut» versichert, daß er nicht versäumen loiirde, nach feiner Herstellung seinen 'persönlichen Dank auszu sprechen. Hente nun war der Tag gekommen, wo er in Waldhügel feinen Besuch Machen wollte. Ztr Laldhögel wurde er von dem Hausherrn liebenswürdig empfangen, auch Frau von Wartha er schien bald und forderte den Gast in gewinncnoer Weise aus, den Nachmittag und Abend bei ihnen zu bleiben. Wolf nahm die Einladung an, obgleich er fühlte, daß er sich "selbst Folterqualen auferlegte. War er doch jetzt schon wie im Fieber, nocnn eine Tür gingst oder er im Nebenzimmer einen leichten Schritt Arte. Di: Erwartung, daß das geliebte Mädchen jeden Augenblick eintreten konnte, peinigte ihn schon bis zur Unerträglichkeit. , Doch gleichviel. Er wollte diese schmerzlich schönen Stunden mit ihrer Wonne und ihrer Pein bis auf die letzte Minute auskosten, mochten seine zitternden Nerven sich dabei znrechtfinoen, s-o gut sie vermochten. Er Konnte nicht anders handeln, denn er mußte Elisabeth sprechen. In der geschützten Veranda, die an den Gartensaal stieß, war der Kaffee aufgetragen. Fran Von Wartha forderte die Herren ans, ihr dahin zu folgen Nun wa^der ersehnte unc zugleich gefürchtete Augen blick gekommen. Elisabeth trat ihnen entgegen Sie reichte Wols die Hand und murmelte ein paar Be- grüßungsrvorte. Wie schön sie tvar, als sie so vor ihm stand, das Gesicht von rosiger Glut überhaucht, in den Augen, die sich rasch wieoer senkten, einen schüchternen, bitten den Blick. i i Er l«Island diese stumme Sprache und empfand es wie einen beglückenden Reiz, daß er Hüter ihres Ge heimnisses tvar. Fester drückte er ihre Hand, während er sie langsam an seine Lippen führte. Sie verstand fein« schweigende Antwort, die in dem warmen Drucke der Haito lag, wie eine Erneuerung seines Gelübdes. Seine Krankheit und teilnehmende Fragen nach seiner Gesundheit galen oem jungen Mädchen einen tvillbonimencn Stoff, um eine unverfängliche Unter haltung einzuleiten. - *Das Gespräch berührte nur die alltäglichsten Dinge. Der Hausherr bemächtigte sich bald der Führung des selben und leitete es auf die Tagessragxn der Politik. Elisabeth versank in Schweigen, und jetzt, wo die heiße Blutwelle, die ihr bei der Begrüßung mit Wols ins Antlitz gestiegen war, zurücktrat, fiel es dem jungen Martens aus, wie blaß und zart sie aussah. ZMl Garten ttobten die jüngeren Ander des Hauses Und vottjülrte» schließlich einen solchen Lärm, daß Kea» von Wartha es doch nötig sand, sür etwas mehr NUHe zu sorgen. Sie ging selbst zu dem lärmenoen Etz» und wollte beschwichtigten, wurde aber mit so jubelndem Hurra begrüßt, daß sich der Tumult nur steigerte, und es ihr- nun zweckentsprechend erschien, sich mit der unbändigen Schar etwas weiter ab von -er Veranda, zu entfernen. l Herr von Wartha spann unterdessen den Faden der Unterhaltung unverdrossen weiter, bis dieser jäh Ukgeriflen wurde durch tie Meldung des Dieners, daß ter Inspektor de» Herrn zu sprühen wünsche. Mit einer Entschuldigung an feinen Ga st verließ her Hausherr die Veranda. Wtolf mid «isabeth umreit allein. W« Augenblick fchGiege, beidch Uber Marten- sagte sich, daß die Minuten kostbar wären, und er sic ausnutzen müsse. Er stand ans und lehnte sich an den Pfeiler dem jungen Mädchen gegenüber. „Befürchten Sie nichts! Mein Schweigen ist un- rerbrüchlicv. Ich werde dafür Sorge tragen, das; alles in Nichtigkeit kommt, ohne den leisesten Verdacht zu wecken." Elisabeth sah ihn au. Es lag eure scheue Be wunderung in ihren Augen. Zugleich! aber hob sic bittend die Hände zu ihm empor, und mit zitternden Lippen wehrte sie: „Unmöglich! Jetzt unter den veränder ten Umständen kann davon nicht die Rede sein!" ,»Was ich einmal auf mich genommen hiabc, trete ich nicht wieder ab", erklärte er. „Haben Sie das Vertrauen zu mir verloren, daß Sic mir die Sache aus der Hand nehmen wollen?" > „Nein, o Gott, nein! Sie sind ja der treueste Freund, den ich habe, der einzige, dem ich mich anver trauen kann!" Sie hatte die Worte mit einer ge wissen Leidenschaftlichkeit hervorgestoßen, und Wolf, berauscht von diesem Geständnis, beugte sich zu ihr nieder. „Wenn ich Ihnen auch nie mehr sein darf, Elisabeth, so lassen Sie mich wenigstens Ihren treuesten Freund bleiben für immer." Ihre Hände umfaßten seine Rechte, die er ihr cnt- gegengestrecir hatte. „Für immer — für immer", wiederholte sie leise. Dann gab sie seine Hand frei, lehnte sich zurück und fügte festen Dons hinzu: „Diese Sache aber können Sie nicht «ordnen, das geht über Ihre Kraft. Ich werde es tun." Flüchtig, wie ein verirrter Sonnenstrahl, huschte ein Lächeln über Wolfs ernste Züge bei Elisabeths Worten. „Tie Macht der Schönheit und der Seelenstärkc ous Ihrer Seite, dagegen kann ich nicht auskommen", antwortete er, „aber die tatkräftige Arbeit, das Ringen um Existenzfragen aus meiner Seite. Auf diesem Gebiete, glaube ich, bin ich doch leistungsfähiger." „Es hak olles seine Grenzen, auch die Opfer, die man annehmen kann. Ein Ausweg hat sich gesunden," sagte sic m>i einem müden Lächeln. „Hören Sie mich au! Bis vor kurzem habe ich wie eine Nacht wandlerin gelebt, die nicht sieht und hört, was um sie her vorgeht, und auch das Nächstliegende nicht begreift. Es ist aber anders geworden, ich haben sehen gelernt!" Sie hielt einen Augenblick inne, ihre Lippen zuckten, und cas liebe Gesicht nahm einen, unendlich schmerz lichen. Ausdruck an, als sie fortfuhr: „Tas ökit ist verschuldet, die schlechten Jahre bringen es immer nreh: herunter. Meine Eltern wissen oft nicht aus mach ein, — die jüngeren Geschwister müssen erzogen werden, mein ältester Bruder wird auch noch immer von den Eltern unterstützt. Wie soll, wie kann das alles durchgesührt werden!" Sie hatte sich ganz heiß gesprochen und machte jetzt wieder eine kurze Pause, während der er ratlos vor sich hinstarrte und ver zweifelnd Lachte: warum wurde es mir nicht ver gönnte, die Geliebte aus diesen Sorgen herausznreißen und sie als mein ein und alles, mein Glück und meine Klone in Rauschebach als Herrin einzufüyren? Elisabeth hatte einen Zweig des Voten Weinlaubes abgebrochen und pflückte zerstreut ein Blatt nach dem andern kavon ab. Es wurde ihr offenbar sehr schwer, davon weiter zu sprechen Er wollte ihr helfen, aber als er die ersten Worte gesprochen, winkte si- ihm hastig ab. „Wir haben nicht viel Zeit, ich mu f Ihnen alles sagen. Freiherr von Hagencw hat um mich angehalten. — Seine Güter liegen im Süden Von Schlesien, — er kennt die miß liche Lage der Eltern, er kann für sie eintreten — sür V- GrzieMng der Keinen storgen, Gr kann'-, denn er richtet Massenauflagen für Rotationsdruck. lag in sie sich Avise ASretz- und Geschäfts karten Briefköpfe, Briefleistrn Bestellzettel Broschüren, BillclS Deklarationen LanksaaungS- nnd EinladunllSbriefe Einlaßkarten Etiketten aller Art Fakturen, Flugblätter Formulare in div. Sorten Frachtbriefe Gebrauchsanweisungen Frcmdenzeitel Haus- und Fabrik- Ordnungen Geburtsanzeigen HochzcitSeiuladungen -Zeitungen und -Gedichte «astenschilder Kostenanschläge Kataloge, Kontrakt« Kontobücher Lohnlisten, Mahnbriefe Mitteilungen, Menus Musterbücher, Notas Plakate Programme Preiskurante Postkarten, Quittungen Rabattmarken Rechnungen Speisen- und Weinkarten Statuten, Tanzkarten Stimm-, Theater- und Sackzettel Visiten- und Verlobungskarten Wechsel, Werke Zirkulare, Zeugnisse re. »e. re. ist reich, und cr will's auch — cr hat's zugesagt, fokale» ich die seine bin. Morgen kommt cr her zur Verlobung." Bleich, mit weitgeöfsneten Augen hatte Wols sie angestarrt. Er Wollte nicht glauben, ivas sie ihm -a sagte. Jetzt aber unterbrach cr sie heftig mit dem kurzen Wort: „Ueberredct! Vertonst!" Hart war der Ton seiner Stimme dabei und härt der Ausdruck seiner flüsteren Züge. Sie sah ihn an, Schmerz und Vorwürs im Blicke. Das bändigte sofort seinen aufbrausenden Zorn. Er legte die Hand über die Angen, um wieder Herr seiner selbst zu werden. „Nicht überredet, nicht verkauft," hörte cr sie sagen. „Es ist mein freier Entschluß, mein Jawort zu geben. Ich werde die Treue halten, die ich ver spreche." I Sie wartete auf seine Antwort, aber als er noch immer schwieg, beugte sie sich seitwärts ihm näher zu uiid sagte flüsternd : „Unser Wappenspruch lautet: . Der Pflicht getreu — lassen Sie mich unbeirrt meinen Weg gehen — Kindespflicht erfüllen — für meine Ge schwister sorgen" — „Sich opfern", stieß er hdrvor, ohne sic anzusehen. Sanft legte sie die Hand aus seinen Arm. „Für meine Eltern, denen ich jede Stunde des Glückes danke, ist mir nichts zu schwer. Bon meiuer Heirat hängt es aö, «ob die Meinen eine Stütze erhalten im Ringen, um die Existenz, oder ob sie darin unterliegen. Ich hake gewählt — der Pflicht getreu. Gott wirb Helsen. Ich kann den Weg gehen, denn ich bringe dem Mann aufrichtige Hochachtung entgegen, dem ich mich morgen angelobcn will, um sein treues Weib zu Nerdcu." Wolf hatte die Haiw 'von den Augen genommen. Nicht Leidenschaft, nur anbctend-c Bewunderung sprach jetzt aus seinen Zügen. „Engel!" murmelte er halb laut und nahm ihre Hand in die seine. Sie ließ es still geschehen. „Wols"'— zum ersten Male nannte sie ihn bei seinem Tausnamen — „Sie werden für mich bleiben, was Sie mir gewesen sind, der treueste Freund." „Bis in den Dod", gelobte er bebend. Er fühlte, wie ihre Hand in der seinen zitterte. Sie kämpfte mit den Tränen, und die Stimme ver sagte ihr, sie mußte sich näher zu ihm beugen, damit er ihre Worte verstand. „Wir wissen voneinander, das; wir treue Freunde bleiben, — das aber muß alles sein —, vermeiden Sie ein Zusammenkommen, soviel es angeht. — Es ist besser so. — Schonen Sie die schwache Frau." Nur wie ein Hauch kamen die letzten Worte über ihre Lippen. Er hatte sic aber doch verständen, hatte alles verstanden. „2er Pflicht getreu", antwortete cr und' sich auf. Sie sah ihn an, hingcbendcs Vertrauen ihrem Blick, und cr gelobte sich heilig, nie soll in dem Manne getäuscht sehen, den sie zu ihrem treuesten Freund erhob. Voll verhaltener Glut und Loch in schener Ehrfurcht küßte er ihre Hand. „Sie haben mir ein heiliges Recht übertragen, in dem Sie mir den teuren Namen „Freund" gaben", sagte er. „Ich stütze mich auf Ihr Wort, als Ihr treuester Freund sage ich Ihnen, lassen Sie jenen Alena in Ncnischebach unb alles, was damit zusammen hängt, eine Sache bleiben, die nur «vir zwei wissen. CS könnte ein Stein des Anstoßes werden in Ihrem neuen Leben, und ich gäbe mit Freuden mein Herz blut hin, könnte ich Ihnen dadurch eine Unebenheit auf Ihrem Lebcnspsad erleichtern. Vertrauen Sie dem Freunde, lassen Sie ihm das einzige Glück, das Sie ihm gewähren können, das. Bewußtsein, Ihne» einen Dienst geleistet zu haben." Die Bilchdruckercl von LmzrrMnirrlick (T. Langer und H. Schmidt) nicsk Goethcstratze Nr. öS hält sich zur Anfertigung nach stehender DrucksachenLei sauberer Ausführung und billlgsterPreiS- i strllung bestens empfohlen. KvRk IsMdlstt — Amtsblatt — Fernsprechstclle Nr. 2d. Telegramm-Adresse: Tageblatt Nies». Ehe »lisateth imstande war, zu antworten, trat Herr Von Wartha auf die Veranda, und von der andern Leite tönten lustige Kinderstimmcn und ver kündigten oje Annäherung d«er Mutter und ihrer Schar. Die Gegenwart der Kinder enlpfanden beide Teile air diesem Abend als eine Erleichterung, und unbe wußt gewannen sie durch deren fröhliches Geplauder allmählich das Gleichgewicht ihrer Seele zurück. Wfls war es zu Mute, als müsse er mit jeder Minute geizen, wie mit einer kostbaren Spanne Zeit, die nie wieoerlchren würde, und doch fühlte er alle Qualen der Trennung doppelt scharf bei dem Anblicke des geliebten Mädchens. Jene Stunden in Waldhügel gruben sich mit un- lmslkschlichen Zügen in seine Seele ein. Jetzt war der Augenblick des Abschiednehmens ge kommen. Er hatte sich seine» Wirten, empfohlen und verbeugte sich nun tief vor Elisabeth«. Sie reichte ihm ihre Hand. Worte fanden sie beide nicht. Dann stieg cr in den Wagen und griff nach den Zügeln. „Lassen Sie sich bald mal wieder bei uns sehen. Sis sind uns immer sehr willkommen", rief ihm der Hausherr freundlich zu. „Ich oin in den nächsten Monaten viel beschäftigt — aus Reifen", antwortete dieser. Er sah auf Elisabeth, die dicht neben dem Wagen schlage stand. Ihr Gesicht wär hell vom Mondschein beleuchtet nnd erschien ihm wie verklärt in seiner wehmntsvouen Lieblichkeit. Langsamer fügte er hinzu: „Ich würde gern kommen, aber ich kann nicht, Pflichten halten miü fern, und die Parole lautet: „Der Pflicht getreu"." Er grüßte tief mit der Peitsche, lockerte die Zügel und fuhr tavon. Er wußte, Elisabeth "von Martha hatte ihn ver- standen. 3. Kapitel. Am nächsten Tage hatte der junge Martens in dec Kreisstadt zu tzun. Nach erledigten Geschäften wollte er in dein Gasthausc einkehren, als ihm ein herrlicher Viererzug ausfiel, der vor der Tür desselben hielt. Wolf war ein so großer Pferdeliebhaber, laß cr nicht umhin konnte, stehen zu bleiben und die präch tigen Goldfüchse zu bewundern. Ein Herr trat ans dem Gasthause, der Kutscher salutierte mit der Peitsche, und ein reich betreßter Diener mit dem Staubmantel und der Reisetasche Les Herrn folgte diesem aus dem Fuße. Er sprang rasch voran, um die Wagcndecke zurückznschlagcn. Wolfs Blick hatte zufällig die Reisetasche gestreift, und seine scharfen Augen hatten aus ihrem silbernen Schilde den Namen — Freiherr von Hagenow — ge lesen. Alles Blut strömte ihm zum Herzen, und seine Augen hingen wie gebannt an dem Herrn, der jetzt eingcstieqen war uno noch einige Worte mit dem Kutscher wechselte. Tas also war der Mann, den, Elisabeth angehören würde, un^ der jetzt nach Waldhügel fuhr, um sich das Jawort der Geliebten z» holen! Schars prägte sich ihm die Erscheinung des Frei- Herrn bis ans den kleinsten Zug' ein. Eine vornehme Erscheinung, kühl, aber nicht ab stoßend, ein sehr energischer Mund und klar blickende Auge», alles spricht von einem äußerst bewußten WillcnSausdruck, aber nicht v«on Härte — lautete Wolfs Urieii, indem cr sich bemühte, möglichst gerecht zu bleiben, unbeeinflußt von persönlichen Gefühlen. Er starrte dem leichten Gefährt nach, mit dem der Viererzua datlonbrauste, viS «S seinen Micken ent»