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Beilage zum »Riesaer Tagetlatt". Druck und Verlag »an Langer L winterlich in Mesa. — Für dle Redaktion »erantwörtlich: r. Langer tu Riesa. ASS. Dienstag, S. Oktober 19V«, «seadS. 59. Jahrg. Tagesgeschichte, l DeutschrG «eich. Eine neue Mllttäroorlage mit nicht un- Ledeutenden Mchrforderungen soll, wie di« „Germania" erfährt, dem Reichstage in den nächsten Monaten zugehen. G» handelt sich dabet hauptsächlich um eine ziemlich erheb liche Vermehrung der Genie - Truppen zur ausgiebigeren Verwendung des Telegraphen- und Telephondtenste« sowie «ine systematische und ausgedehnte Verwendung des Auto mobils im Heeresdienste. Daneben dürste, uach den Er fahrungen der letzten Manöver zu schließen, auch eine nicht unerhebliche Verstärkung der schweren Feldarttllerie gefordert werden. — Gegenüber dieser Meldung der „Germania" bringt die „T. R." eine Notiz, die oom „W. T. B." weitergegeben wird. Sie lautet: „Wir können auf Grund won Erkundigungen an unterrichteter Stelle Mitteilen, daß die Nachricht tn jeder Beziehung unzutreffend ist. Durch daS Gesetz über die Friedenspräsenzstärke deS deutschen H?eres von 1905 ist dis P'.ästnzstälke des Heeres bis zum 31. März 1910 sejtgelegr, und niemand denkr daran, innerhalb dieser Zeit Neuformationen zu beantragen, die mit der gesetzlichen Festlegung in Widerspruch ständen. Wohl aber dürften, wie tn jedem Jahre, so auch im nächsten Etat, Neuforderungen für Material, zum Beispiel für Automobile, Maschinengewehre usw. erscheinen. Die oft recht gut informierte „Dortmunder Zeitung" meldet aus Amsterdam, daß die Verhandlungen über den fchon seit Jahren projektierten Abschluß einer deutsch holländischen Po st union am 1. Dezember im Haag beginnen werden. Der Abschluß soll dann bereits Hum 1. April 1907 perfekt werden. Ein Seminaristen streik ist im Seminar in Dramburg in Htnterpommern auSgebrochen. Wie das „B. T." meldet, halten sich die Seminaristen deS TagS Aber in ihren Zimmern auf und erscheinen nicht zum Unterricht, nachts aber sind sämtliche Klaviere in Tätigkeit und zu ihren Melodien erschallen lustige Gesänge. Die streikenden Seminaristen verlangen bessere Behandlung, brsscre Kost und die Erlaubnis zum Besuche einer Wirt schaft. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" legt dar, der Minister der öffentlichen Arbeiten habe im Anschluffe an das vor Jahresfrist an alle Eisenbahnbedienstete -erlassene Verbot des Genusses geistiger Getränke während Les Dienstes die Eisenbahndireklionen angewiesen, dafür zu sorgen, daß allen Bediensteten Gelegenheit geboten wird, sich während deS Dienstes Erfrischungen, insbesondere alkoholfreie Getränke, zu billigen Preisen zu verschaffen. Die Preise sollen so bemessen sein, daß die amtlichen Herstellungskosten voll gedeckt werden. Die Presseäußerungen, die behaupten, daß die Verwaltung bei der Preisfestsetzung für die Getränke die Selbstkosten nicht hinreichend berück sichtige, seien ebenso unbegründet, wie die Behauptung, daß die Verwaltung mit dieser Einrichtung den Mineralwasser fabrikanten eine unerträgliche Konkurrenz bereite, denn die Käuftr dieser von leiten der Eisenbahn hergestellten Ge tränke seien vordem als Abnehmer der öffentlich angebotenen Mineralwässer wegen des viel höheren Preises nur ganz ausnahmsweise in Betracht gekommen. Am 3. Oktober tritt in Berlin die Konferenz für Funkentelegraphie zusammen. 29 Staaten haben die Ein ladung der Kaiserlichen Regierung zur Konferenz an ¬ genommen. Abgelehnt haben China und Peru. Die Antwort der Türket steht noch au». Die Nord». Allg. Ztg. fügt hinzu: Wir heißen die fremden Delegierten in Berlin herzlich willkommen und hoffen, daß die gemein same Arbeit mit den deutschen Delegierte» zu der aus allgemeinen Verkehrerücksichten überaus wünschenswerten internationalen Verständigung über Regelung der Funken telegraphie gelingen werde. * Neber die Notwendigkeit strengster Mäßigkeit tn den Tropen schreibt Haup'.mann a D. Franz Hutten tn seinen „Wanderungen und Forschungen im Nord-Hinter land von Nord-Kamerun" (Braunschweig 1905, G. 104): „Mäßigkeit, Tätigkeit und Körperpflege müssen die Richt schnur auch für die Lebensweise im Busch sein. Mäßigkeit im Btkkehr mit dem anderen Geschlecht, Mäßigkeit im Ge nuß geistiger Getränke. Letzteres anlangend ist ab und zu ein Schluck Kognak ganz gewiß nicht schädlich, aber sicher ist es besser, den mitgeführten Kognak mehr als Arznei denn als Genußmittel zu betrachten. Für den Alkohol als Genußmittel findet man in den einheimischen Getrtnken voll kommen und, was die Hauptsache ist, gesunderen Er satz .. . Vor erner sehr entschuldbaren Ueberschreitung der MäßigkeitSgrenze kann ich nicht genug warnen. Hat man lange Zeit im Busch gelebt, und hat sich der Magen au ausschließlich einheimische Lebensweise gewöhnt, so darf man, endlich wieder an der Küste angekommen, nur allmählich den Uebergang von der Lebensweise der Wildnis zu der so gänzlich verschiedenen der zivilisierten Welt betätigen. Ich habe selbst eine schlimme Erfahrung gemacht. Nach nahezu zweijährigem Aufenthalt im Innern endlich wieder an der Küste angelangt und der Versuchung in Gestalt einer Flasche Bier und eines meiner europäischen Leckerbissen er legen, mußte ich diese Unvorsichtigkeit mit mehrtägigem Fieberanfall büßen. Mehr als ein Afrikaner hat diese eine an sich so unschuldige Ausschweifung, nachdem er alle Fähr nisse seiner Expedition glücklich überstanden, mit dem Leben bezahlen müssen." Italic«. Die Preisverteilung der Mailänder Ausstellung ist beendet, jedoch werden noch einige Tage bis zur Veröffent lichung der Liste der Ausgezeichneten vergehen. Auf 475 deutsche Aussteller sind 485 Preise gefallen, darunter 171 große Preise, auf 137 österreichische 112 Preise, darunter 41 große Preise, auf 537 schweizerische 228 Preise, darunter 75 große. Für die wichtigsten anderen Nationen sind die Ziffern folgende: Italien 3995 Aussteller, 3260 Preise, 335 große Preise. Frankreich 2493, 3480, 452; Belgien 688, 484, 159; England 195, 228, 75; Ungarn 57, 35, 25. Die Preise sind in 5 Klassen geteilt: Große Preise, Ehrenpreise, goldene, silberne und bronzene Medaille. Sämtliche deutsche Aussteller haben in der Lokomotiven, und Waggonabteilung große Preise erhalten. (B. L.-A.) Rumänien. In Rumänien gibt es mehr als zwanzig Tausend Blinde, für die es bisher unmöglich war, geeignete Unter kunft zu finden. Carmen Sylva. die Königin von Ru mänien, hat nun den Plan gefaßt, eine Blindenkolonie zu gründen, in der die Unglücklichen irgend ein Handwerk oder eine andere Kunst lernen sollen, die sie späterhin in ihren Familien ausüben können. Der Sekretär der Kö nigin, ThcodoreScu, ist selbst blind und hat eine Schreib maschine erfunden, die es den Blinden ermöglicht, auch schriftliche Arbeiten auSzuführen. Der Petersburger Korrespondent eine» rhetntschrn Blatte» drahtet, daß die öffentliche Unsicherheit tn Peters burg und Moskau tn schreckenerregender Weise -»nehme. Au» militärischen Kreisen erfährt der Korrespondent, der Zar habe sich sehr ungehalten Über beängstigende Zunahme gemeiner Verbrechen geäußert, wobei er seine Umgebung auf die Sicherheit und die geordneten Verhältnisse tn Fm- land htnwie» und sich über die administrativen Fähigkeit,» de» dorygen GeneralgouoerneurS sehr lobend auLsprach. Ja den verschiedensten Stadtteilen Petersburgs verpflichtete die Polizei die WohnungSinhaber schriftlich, noch 6 Uhr abend» unbekannten Personen nicht mehr zu öffnen. Die Polizei ist durchaus machtlos. In zahlreichen Fällen verließen dre Schutzleute nachts ihren Posten, um sich selbst in Sicher heit zu bringen. Der Petersburger Korrespondent deS „Daily Telegraph" meldet seinem Blatte, daß zwischen den Armeniern und Tataren im Kaukasus wieder grimmige Kämpfe begann«rr haben. Die feindlichen Nationalitäten haben einander eine Reihe blutiger Schlachten geliefert, die auf beiden Sein» große Menschenverluste zur Folge halten. Der Kautvsu« sei durch die Wiederaufnahme dieser Fehde tu ein wahr,« Inferno verwandelt. AuS Petersburg wird gemeldet, daß Tausende Polen auS Russisch-Polen flüchten, um der Schreckensherrschaft zu entgehen, die sich in zweifacher Hinsicht gellend mocyi. erstens die Schreckensherrschaft der Truppen und der Poli zei und zweitens der Revolutionäre. Beide zusammen machen den Aufenthalt in Russisch-Polen zu einer wahren Qual Die Flüchtlinge wenden sich wegen der AuLwei- sungspolitik der preußischen Behörden nach Oesterrent. Biele sind in Lemberg eingetroffev. In Warschau überfielen mehrere Bewaffnete eine« von der Reichsbank zurückkommenden MagiftratSkassierer, d-c von einem Gehilfen und zwei Unterbeamten begleitet war. Dem Ueberfallenen wurden 4610 Rubel geraubt. Einern Unterbeamten gelang eS, 2600 Rubel in Sicherheit zn bringen. Die Räuber sind entflohen. Dänemark. Die Tagung des dänischen Reichstages ist am Mr», tag mittag vom König mit einer Thronrede eröffnet wor den, in der zunächst der Dank deS Königs sür die an den traurigen und freudigen Ereignissen, von denen der König und die königliche Familie in dem verflossenen Jahre be troffen worden sind, bewiesene Teilnahme auSgesprr cheir und die Hoffnung ausgedrückt wird, daß die vollzogenen Wahlen den Willen, die Kraft und den Mut zu erner» fruchtbaren, guten Zusammenarbeiten der Kammer des Parlaments bei den Aufgaben vermehrt haben möchten, deren Lösung daS Volk erwarte In der Thronrede wer den dann verschiedene Gesetzentwürfe angekündigt, darunter solche betreffend die Kommunalwahlen, die Zoll«! oüben, die Verantwortlichkeit der Minister, die Reform der sstesrs- pflege, die Abänderung des Grundgesetzes, die Berfie'e»ring gegen Arbeitslosigkeit, die Ausdehnung der Unfälle rfich«. rung auf die Landarbeiter usw, ein Fischereigesetz, die Er-- Weiterung deS Eisenbahnnetzes usw. In der Thronrede heißt es sodann weiter: „Es ist mir eine Freude, ftsri-cll«» zu können, daß die Beziehungen zu den fremden Mächten freundschaftlich und gut sind; ich hoffe, daß es auch künft'g so bleiben möge, ebenso wie ich dessen gewiß bin, l aß ter Reichstag stets dazu Mitwirken wird, daß die Selbständig- Erzählung aus den kanadischen Goldfeldern von George Sorbett. von Helene Hardt. (Nachdruck verbalen.) 1. Kapitel. . WEWKE kW wichtiger »rieft Sylvester Bolton blickte sich verzweifelt in seinem kahlen, «»wohnlichen Zinimer um und rief in einem Tone, der deut lich die tiefe Liebe verrieth, welche er für seine junge Gattin empfand: „Also um Elend und Entbehrung mit mir zu theilen, da zu folgte sie mir; meinetwegen schlug sie die Hand eines Bewerbers aus, der ihr ein sorgenfreies, glückliches Leben zu bieten im Stande war. Nm den unbedeutenden Schauspieler zu heirathe», deshalb entfremdete sie sich ihrer Familie! Ein Schauspieler! Wohl mögen sie über meinen Beruf die Achsel zucken, denn kein Gastspiel führte seit meiner Verhcirathung zu einem festen Engagement. Man darf cs mir nicht ver argen, daß der Gedanke zuweilen in mir aussteigt, mein Tod -möchte eine Befreiung sür sie sein, denn derselbe würde we nigsten» da» Gute zur Folge haben, daß zwischen meinem ge- Liäten Weib« und ihren Angehörigen eine Aussöhnung statt fände. Gott bewahre mich gnädigst davor, den Verstand zu verlieren!" Diese Bitte an das Schicksal war in den letzten Tagen häufig seinen Lippen entschlüpft und entfuhr ihm auch in die sem Augenblick, da er von einein vergeblichen Gange tn der Angelegenheit eines erhofften Engagements in sein öde» Heim zurück!« hrte. Da fiel sein Auge plötzlich auf einen Brief, der vor ihm -auf dem Tische lag. Die Handschrift seiner Frau erkennend, chffnete er schnell und hastig den Umschlag. v »Nktu geliebter Mann!" so lauteten Hre Zeilen, /Du darfst me'.nenvegen nicht in Sorae lein. mm >. Du vor mir znhanst anlangeu solltest, den-: ich bade mich in einer wichti gen Angelegenheit auf den Weg gemacht. Es bricht mir nämlich das Herz, Dir nach vergeblichen Gängen bei der Heim kehr nicht eine kräft'ae, stärkende Mahlzeit vorfetzen zu können, und ich b:n fest entschlossen, Dir wenigstens stir eine Woche reichliche und gu'c Nahrung zu verschaffen, ohne welche schließ lich die Gesundheit leiden muß. Ein Mann, der leidend und hinmllig aussiebt, wird viel weniger ein freundliches Entgegen kommen zu erwarten haben als einer, dessen gesundes und blühendes Aus'ehen auf eine tüchtige Arbeitskraft schlie ßen läßt. Da ich Dir leider in Deinem Beruf nicht zu helfen vermag, so halte ich es für meine Pflicht, mich Dir wenigstens in anderer Weis: nützlich zu erweisen und deshalb habe ich mich entschlossen, einige meiner Schmncksachen zu v:r'etze.'. Ich bin fest überzeugt, daß Du bald ein Engagement finden wirst nnd dann wollen wir gemeinsam die jetzigen etwas un- gemüthlichcn Tage belächeln nnd vergessen. Erwarte mich nicht vor sieben Uhr zurück." „Mich zu sättigen an den Speisen, deren Erwerb so viel Demüthigung für mich einschließt, scheint mir fast unmöglich," sprach er, den Brief betrachtend, leise vor sich hin, „aber an dererseits darf ich sie auch nicht betrüben, ihr die Freude nicht rauben dadurch, daß — ach, sie kommt, Golt segne sie!" — Aber nicht LucieS leichter Schritt war es, der sich ans der morschen Treppe hören ließ, sondern der eines Mannes, wel cher gewohnt ist, berufsmäßig täglich viele Treppen zu er klimmen. Sein schnelle?, scharfes Klopfen an der Thür ließ Sylvester Boltons Herz schneller schlagen. „Sicherlich ein Brief vom Agenten," rief cr erleichtert aufathmend und hielt dann den Brief enttäuscht in der Hand, denn er erkannte die Handschrift eines seiner besten und ältesten Freunde, Felix GoodwinS, und zwar aus Britisch- Columbien. „So ist er also wirklich aurgewandert!" rief er ertzgunt. „Er bebauviele ja stets, es sei das beste, was ein Mann tbun könne, nnd so will ich ihm denn von ganzen Herzen Glück wünschen, daß ihm Fortuna holder war als mir!" Wenn schon der Poststempel der Briefe; den Le'er des selben in Erstaunen ge'etzt hatte, io steigere si:b dieses Ges ihl noch bedeutend, als ihm der Fn nlt des S areibens bekannt wurde. Jauner wieder überflo z cr 'ne Feilen und seine H:..d umschloß krampfhaft ein Sluck Panier, da; für einen Mann in seiner augenblicklichen Lag: fast ein Vermögen bedeute-«. Da trat Lucie mit Packeten beladen leise ins Zimmer nnd so bald sie ihres Manne? aanchtig wurde, wußte sie auch, daß etwas Besonderes geschehen sei. „Was ist Dir, Sylvester," rief sie erstaunt, „Du siehst so freudig aus, hast Du endlich ein Engagement gefunden?" „Ach, mein Liebling!" ries der junge Mann, seine Gatt?» leidenschastlich umarmend, „ich gl mbe, endlich wird die Sonne anch sür nnS scheinen! Aber es ist alles so unbegreiflich, daß ich fast zu träumen wäbne! Lies mir den Bries laut vor, daß ich an seinen Inhalt glaube! Aber zunächst betracht» dies hier und sage mir, was es ist." Zitternd vor innerer Aufregung nahm Lucie das Stück Papier, welches ihr Gatte ihr reichte. Sprachlos vor Er staunen hasteten ihre Blicke auf demselben, denn es war ei» Weck sc' über fünfhundert Pstmd, angewiesen von Felix Good- win, rahlbar an Sylvester Bolton. „Fünfhundert Pstmd!" rief sie in höchstem Erstaune», „das ist ja genügend, um uns für unser ganze» Lebe« za reichen Leuten zu machen!" „b'licht gan, so, Geliebte," entgegnete Bolton froh lächelnd, „aber jedenfalls kommt uns das Geld gerade jetzt äußert gelegen, und wenn Dir der Inhalt des Brieses bekämet sei« wird, so mußt Du auch ein sehen, daß sür uuseoe Zu kunft höchst wahrscheinlich auf eine wunderbare Weise Der , sorgt ist." — .VSU..... . /