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Politische Tagesüberficht. ParlamentUrischer «Semd bei« 5teich»t«»»prrfib«ute» SS»«. Der Reich»tas»präsib«nt Löb« hatte aester« die Reich» regteruna. di« preuhische Regierung, bi« Spitzen der Behörden, Parlamentarier. Vertreter der Kunst, Wissen schaft, Literatur und der Presse zu einem parlamentarischen Abend in sein Heim im Prästbentengebände aeladen. Bon der Reichsregieruny waren die Minister Herst, von Keudell, Schiele und Gehler, non der preußischen Rcaieruna die Minister Dr. Beiirr, Dr. Hüpker-Aschofs und Steiner der Einladuna gefolgt. Die Länder waren durch idre Bevoll- mächtigten »um Reichsrat vertreten. Mit Ausnahme der Kommunisten waren die Führer aller Parteien mit zahl- reichen Mitgliedern erschienen. Unter den anwesenden Künstlern befand sich auch Jan Kiepura, der die Gäste durch meisterhaften Vortrag von Arien und Liedern erfreute. Aus der Diplomatie. Der finnische Gesandte Wnolljokt hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt Lcgationssekretär Sohlbcrg die Geschäfte der Gesandtschaft. Vollversammlung der Hcereskammer. Ain tü. Dezem ber tritt die Vollversammlung der Heercskainmer de» Reichswehrministeriums zur Aussprache über wirtschaftliche Fürsorge und VersorgungSfraaen zusammen. Um bi« Renreaelung der Bezüge der österreichisch«, Buudesbeamteu. Im österreichischen Nationalrat wurde aestern die Regierungsvorlage über die Neuregelung der Bezüge der Bundesbeamten eingebracht und in erster Sefuug sofort dem Finanzausschuß und durch diesen einem UnterauSschuh zugewiesen, der die Vorlage noch morgen vormittag beraten wird. Am Donnerstag soll dann der Finanzausschuh selbst und am Freitag das Plenum des Nationalrates die Vorlage in zweiter und dritter Lesung verabschieden, damit di« Auszahlung noch vor Weihnachten flüssig gemacht werden kann. Weiter hat di« Regierung außer kleineren Vorlagen ein Gesetz etngebracht über An» kauf von Baugrund für di« Villa des gewesenen staatlichen Operndirektors Richard Strauß. Wechfel in der Leitung des Reichsbanners Berlin. Wie die Vossische Zeitung meldet, hat Staatsminister a. D. Sie- ring sein Amt als Gauvorsitzcnder des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold Berlin-Brandenburg niedergelegt, da er durch sein« Tätigkeit als Landrat und als Abgeordneter stark überlastet ist. Zu seinem Nachfolger ist der frühere mecklenburgische Ministerpräsident, der sozialdemokratische ReichstagSabgeordnetc Hans Stelling in Aussicht genommen. Vertrauensvotum für das belgische Kabinett. Der Senat hat mit 85 gegen 53 Stimmen einen Antrag angenom men, in dem dem neuen Kabinett JaSpar das Vertrauen ausgesprochen wird. Die französische« Radikale« gegen das Frauenstimm recht. Die radikale Senatsfraktion wählt« in ihrer gestrigen Sitzung eine Delegation, die den Auftrag erhielt, dem Ministerpräsidenten, dem Minister des Innern und dem Juftizmtnifter di« Erklärung abzugeben, daß st« in ihrer großen Mehrheit sich gcg«n da» Wahlrecht für die Frauen ausspricht. - - „FriebenSionntag" in England. Die Internationale Fri«den»ges«llschast teilt mit, daß der nächst« Sonntag in England und ander«« Ländern al» „Frieden-sonntag" be gangen werben wirb. — Vrianb erstatt« Bericht über die Senser Tagnnq. Im Mtnisterrat, der unt«r dem Vorsitz de» Präsidenten der Re publik Doumergn« stattfand, hat Minister d«s Aenhern Brians über die Arbeiten auf der Tagung deS Völkerbunds rates Bericht erstattet und ein Exposs über die außen politische Lage gegeben. Parlamentarisches Jubiläum. Der Reichstagsjournalist Erich Kabclitz war am Dienstag 25 Jahre ans der Journalistentribüne des Reichstags tätig. Am 13. Dezem ber IE erschien er zum ersten Male im Reichstag, gerade während der großen Mündigen Dauerrebe des sozialdemo kratischen Abg. Antrick bei den Zolltariskämpsen. Ter Ver ein der Parlamentsjonrnalisten hat unter Ueberrcichnna eines Blumenstraußes freundliche Glückwünsche übermittelt. Filmverbote im besetzten Gebiet. Tie Interalliierte Rheinlandkommission hat den amerikanischen Kricgssilm „Rivalen" und den deutschen Kriegssilm „Vom Schicksal gebeugt", zur Ausführung im besetzten Gebiet verboten. D«r Beraleichsnorichlag der mecklenburgisch«« Regie, rang zur Fürstenabfindung. I» der gestrigen Vollsitzung des Landtages brachte die Regierung einen Gesetzentwurs ein, der sich mit der endgültigen Absindnng des mecklenbur gischen Fürstenhauses besaßt. Als Abfindungssumme ge währt der Staat dem Fürstcnhause vier Millionen. Von dlefcr Summe soll eine Million sofort bar bezahlt werden, die weiteren drei Millionen bis spätestens 3l. März l!t28, andernfalls tritt für den Schuldbetrag eine entsprechende Vcrzinfung ein. Mit der Annahme dieses Vergleiches nimmt der Staat die Klag« gegen das Fürstenhaus zurück. öMtierlk MMiiU Was soll man sagen, wenn Amerika, das Land VSillonS, da» mütterliche Land der Nbriiftungsidee, zur Zeit ein Marineprogramm frrtigarftellt bat, das sensationellkte und weitgehendste, das sich Amerika in den letzten 2« Jahren je leistete? Was soll man sagen, wenn »och vor nicht asizulanaer Zeit Herr Coolidae die größten Seemächte zu einer Abrüstungskonferenz zuiammenberiel und beute ein Aufrüftungsprovramm der Orffentlichkeit übergibt, daß diefe AbriiftungSfordernng zu einer lächerlichen Farce macht? Man hat zu beachten, daß das nunmehr von dem amerikanischen Präsidenten gebilligte neue Marine programm den Neubau von nickt weniger als 26 Kreutzern, von 3 Fluazeiinmuttersckiffen, von ö Il-Boot-Kreutzern, von l8 Groß-Zerstörern fordert, h eriiir rund anderthalb Milliarden Dollar in Rechnung letzt, von denen mindestens zweihundert Millionen Dollar bereits für das nächste HanSbaltslaßr bewilligt werden tollen. Auck der größte ?lbr>iftunasideologe wird nun ,narben miisien, daß die Ber einigten Staaten von Nord-Amerika mit der Vorlegung diese« neuen MariuevrogrammS endgültig au« der Front derjenigen Völker verschwunden ist. die ehrlick und aufricktia der LSiuna der AhrüstuuaSfraa» dienen wollen. Die Vor lage der neuen Mariuefordrrungen ist auck in anderer Hinsicht von der größten politischen Bedeutung kür die Weltlage. Sie ist eine Antwort aus das Sckeitern der letzten Abriistliiigekonirrenz der Seemächte. Sie ist «ine Kundgebung Amerikas, die wissen lasten w ll, daß mau in Wa'b'ugton nickt mehr aus einen Erfolg der Abrüstung»- bemübnugeii hofft, daß man daher entschlossen ist. aus dieser Erkenntnis die notwendigen Folgerungen zu ziehen, und zwar Folgerungen, die aus der Abrüstung eine Auirüstung sondergleichen mache». Um die Bedeutung dieses neuen amerikanischen Marineprogcamms richtig zu erkennen, ist «s dienlich, sich vor Augen zu haiteii, daß es große Kreise in Amerika gibt, die selbst dieses übelspannte AuirüstungS- Programm nur als eine schwach« Folgerung anschen und «S daher bekämpfe» wolle», da es ihn«» nicht weit genug gebt. Das Programm der amerikanücken Regierung ist selbstverständlich aus das Volum de- Parlamentes ange- 5//1AK' LI««», iAvdlannsti»»»«« 1. smsc 7Vs/H/rsc/ris- Sssc/rso/c (Laster* an ow u VvimKaufmann - - -b üdEikE« dsvoprugte Die letzten Barrs. Roman von Albert Graf von Schlippenbach. 17. Fortsetzung Nachdruck verboten SrF merkte, ln ihrer Erregung zu weit gegangen zu sein. „Verzeih!" stammelte sie, „aber die Erbitterung, die mich seit der Kenntnis jenes Brieses beherrscht, riß mich hin. Gewiß, du meinst es gut mit mir, ganz besonders danke ich dir auch für den Zartsinn, daß du mich durch meine Arbeit, durch die Verwaltung Schwarzhofs das Recht er werben läßt, noch hier zu weilen,- wenn du aber in ab sehbarer Zeit das Gut selbst übernimmst, dann bitte ich dich, mich ziehen zu lassen." „Und Rosemarie?" Mit der einfachen Frage, mit den beiden Worten traf Kurt das Richtige. Agnes erbleichte. Rosemarie! Wie sollte sie es er- tragen, sich von dem Kinde, das ihr ans Herz gewachsen war, zu trennen?! Kurt erriet den Kampf zwischen Stolz und Liebe zu seinem Töchterchen in ihrem Innern. Wieder griff er nach ihrer Hand. „Hast du mir nicht versprochen, für mein verwaistes Kind zu sorgen, über es zu wachen ? Kann dein Stolz der Mutterlosen nicht ein Opfer bringen?" Sie versuchte zu sprechen; Tränen erstickten ihre Stimme. „Agnes, wenn ich nun auf Ehre versichere, daß ich dir auch, nachdem ich dich näher kennen lernte, aus reiner ver wandtschaftlicher Zuneigung angeboten hätte, in Schwarz hof zu bleiben, auch wenn ich jenes Versprechen nicht gab, wirst du mir dann glauben? Meinst du, ich würde meine Rosemarie, von der ich mich noch nie trennte, dir so lange gelassen haben, nur well du zufällig meine Cousine bist, nicht weil ich dich Hochschätze und verehre, und ich gerade dich für geeignet Halle, dem Kinde die eine zu ersetzen, die eigentlich unersetzlich ist — die Mutter?" Kurt sprach mit warmem, überzeugendem Tone, der von Herzen kam und -u Herzen ging. Sie schaut« ihm prüfend t» dt« Aua«. Net«, fetzt tzncach er die Wahrheit. »Ganz gewiß, Vetter?- -Auf Ehr« und Seligkeit s- Mtt feste» Druck umschlossen stch ihr» HüMw» ^Lnd du bleibst?» »Gern l- „Ich danke dir,- Gr zog ihre Recht» an feln» Lippen. Ihr Natt war gemacht. Am Üebjten hätte Kurt sie noch in dieser Stunde gebeten, ihr Leven für immer mtt dem seinen zu verknüpfen, lein gesiebtes Weid und Rosemarie auch dem Namen nach eine zärtliche Mutter zu werden, doch er drängte gewaltsam di« Regung seines überwallenden Herzen« zurück. Die Zett war noch nicht gekommen, Agne« von Liebe zu sprechen. Erst mußte die Wunde ausheilen, die der Inhall de» Briefe» ihr schlug, mußt» jede» Miß trau«« verschwunden fein. Deshalb schwieg er von feinen Wünschen und Hoffnungen. „und nun wollen wir da» von mir langersehnte und wochenlang schmerzlich vermißt« Plauderstündchen halten,- metnte er heiter. „Wir hab«» gewiß beide viel «u erzählen und müsse« dock unsere Erlebnisse während der Lr«nnung»zett aus tauschen." Noch lange saßen Vetter und Cousin« am Lisch zu sammen, und je länaer sie plauderten, um so mehr schwand ihre Befangenheit. Al» sie sich endlich gute Nacht boten. war Agne», zur Freude Kurts, wieder ganz die alle ge worden. 4S. Kapttel. Im Kreise Tempelbach-Wonneburg herrscht« seit einigen Wochen hochgradige Erregung. Die Wahlen zum Abgeord netenhaus« standen vor der Tür. Früher wäre das für niemand in diesem abgelegenen Winkel des lieben deutschen Vaterlandes ein Grund gewesen, sich sonderlich aufzuregen. In den kleinen Städten gab es zwar Anhänger der frei sinnigen Partei, und auf dem Lande waren bäuerliche Be sitzer dem in der Mitte der achtziger Jahre gegründeten Bauernbund beigetreten, doch die Freisinnigen und die Bündler waren bisher zu wenig zahlreich gewesen, um irgendeine Rolle spielen zu können. Sie begnügten sich, gelegentlich zu schimpfen, doch nicht allzu laut; denn in der Stadt liefen sie Gefahr, Kundschaft einzubüßen, und auf dem Lande waren die Leute in vielen Dingen erst recht vom Großgrundbesitz abhängig. Das konservative Wahl komitee — ein anderes gab es eben im Kreise nicht — stellte nach Besprechung mit den Vertrauensmännern ein fach vor jeder Wahl den Kandidaten auf, der auch stets glatt gewählt wurde. Seit zwanzig Jahren vertrat nun schon Herr Fritz von Witzenhagen den Kreis, und er tat es mit der ihm angeborenen Würde. Er redete zwar nie im Abgeordnetenhaus« zu Berlin, und das war vielleicht ganz gut, aber er nahm gewissenhaft an allen Sitzungen tett und stimmte genau so, wie die Führer der konservattoen Partei es anordneten. Das war ja die Hauptsache. Die nötigen Wahlreden arbeitete ihm Iustizrat Hörn nicht nur aus, sondern er hielt sie sogar meistenteils in seinem Namen unter dem Borwand, daß ein Halsleiden momentan Herrn von Witzenhagen, den langbewährten Parlamentarier, hinderte, viel und andauernd zu sprechen. Nur, wo e» nicht zu umgehen war, sprach Witzenhagen selbst, nach- dem er Hörns Rede so aut wie möglich auswendig gelernt hatte. Und das politisch reife Volk hörte ihm andächtig zu. Blieb er einmal stecken, nun, dann half ihm Herr Max von Heuberg wieder den Faden finden, der, das Manus^ipt Hörns in den Händen, stets hinter dem Redner saß. Polemik und Debatten kannte man in den Wahlversammlungen im Kreise Tempelbach-Wonneburg bisher noch nicht. So «ar denn alle» immer ruhig und ohne Schwierigkeiten gegangen. Nur ein einziges Mal wagte Christian Strempel — der Sohn vom allen Schuhmachermeister Karl Strempel in Tempelbach — der einige Zett in Berlin gearbeitet und dort sogar sozialdemokratische Versammlungen besucht hatte, Hörns Rede durch einen Zwischenruf zu unterbrechen. Da war er aber schlecht anaekommen. Der Iustizrat donnerte ihn mtt den Worten nieder, er sollte sich lieber um seine Arbeit kümmern, al» hier verständige Menschen durch törichte Bemerkungen belästigen. Die letztgelieferten Stiefel seien miserabel genug gearbeitet und viel zu eng gewesen. Da» hätte er wohl auch in den Berliner Versammlungen gelernt! Ein Mensch aber, der zu enge Stiefel machte, hätte sich-rsich einen Horizont, der nicht weit genug wäre, um io der Politik mitzureden. Der alleStrempel aber konnte nur mtt Mühe zurückgehallen werden, den rebelllschen Sohn, au» Furcht, seinen feinsten Kunden zu verlieren, vor allen Leuten nicht zu verprügeln. Sehr beschämt und verlegen war der Uebeltäter Christian dann fortgeschlichen. Acht Tage lang sprach man damals im ganzen Kreise über den unerhörten Vorfall. Erst als beim Rindvieh de» Bauern Jochen Stabenow die Klauenseuche ausbrach, flaute die Entrüstung ab, und ein neues Thema für di« Unter- haltung der Stammgäste an den Biertischen kam an di« Reihe. Der alle Strempel aber kam am Tage nach der denkwürdigen Versammlung zu Hörn, bat tausendmal für die Missetat des Sohnes um Entschuldigung und fragte endlich, ob der Herr Iustizrat mtt dem Ho—ri—zahnt vielleicht die Leisten gemeint hätte. Der Christian, dieser Esel, müßte sie unbedingt verwechselt haben, obgleich er ihm noch eigens einschärfte, ja die rechten zu nehmen, was auch gar nicht schwer wäre, da für den Herrn Iustizrat die Hrößte Nummer gerade paßte. Und das sollte auch gewiß nie wieder vorkommen. Neuerdings hatten sich aber vor der Wahl regelrechte Oppositionsparteien gebildet. In den Städten war es den Sozialdemokraten gelungen, in Arbeiterkreisen und beim Klemhandwerk festen Fuß zu fassen. Auf dem Lande hielt eine große Anzahl Pächter und Bauerngutsbesitzer zum Bunde der Landwirte, zu dessen Gunsten ja der Bauernbund aufgelöst war. Auch der Freisinn begann sich zu regen, seine Anhänger zu sammeln und fester zusammenzuschließen. Herr August Kahl, ehemaliger Lehrer und nun Lauern» Hofsbesitzer in Unterrankin, hatte es verstanden, sich zur Seele der Bewegung auf dem Lande zu machen. Seine freisinnigen Ansichten hing er zunächst an den Nagel und wurde überzeugter Bündler. Vielleicht gelang es ihm auf diese Weise, wenigstens ins Abgeordnetenhaus zu kommen. Für ihn war die Hauptsache, die Genüsse der Residenz gründlich kennen zu lernen. Deshalb häurete er sich denn politisch auf das schnellste. Zeit und Geld besaß er ja über genug, sich ausschließlich der neuen Partei zu widmen. Von tl. r - attischen Landwirtschaft d!« boß-im d-r alte Großknecht besorgte, der schon zur Zell des ersten Mannes seiner Frau Dertrauensperson gewesen war, verstand er freilich gar nichts. Um so klüger redete er natürlich in allen landwirtschaftlichen Versammlungen. Da seine Gattin daheim tm Geldschrank auch ein ziemlich dickes Paket Wert- oapiere liegen hatte, war er der Geeignete, über die Not v« Landwirtschaft nunmehr zu klagen. Zwar zeichneten sich sein« Reden weniger durch Sachlichkeit als durch Pathos, weniger durch verständlichen Satzball als durch Länge aus, da « aber stets im Brustton der Ueberzeugung sprach, ge nügte er den Ansprüchen einer großen Zahl seiner Zuhörer vollauf, besonders, da er nie heiser wurde und große Mengen Alkohol vertrug. Mit diesen, für einen angehenden Parlamentarier unschätzbaren Eigenschaften ausgerüstet, fuhr er schon seit Wochen im Kreise umher und war jeden Abend tn dem Krug eine» andern Bauerndorfes zu finden, wo er den Leuten mtt einer von Sachverständnis nicht getrübten Unverfrorenheit klarzumachen versuchte, in ihrem eigenen Interesse wäre es nötig, daß er, August Kahl, siegreich aus der Wahl hervorginae. Darum müßten sie ihre Wahl männer verpflichten, ihm die Stimmen zu geben. Er hatte «» auch versucht, tn den Ortschaften, di« zum Großgrund besitz gehörten, für sich Stimmung zu machen. Dabei war er aber weniger glücklich gewesen. Natürlich gab es auch dort Bauern und Kossäten, die auf eigenem Grund und Loden saßen, doch man war in jenen Gemeinden zu sehr gewöhnt, der Parole zu folgen, die vom Herrn des Haupt gute» ausgegeben wurde. Im Kreise Tempelbach-Wonne- burg herrschten meist noch etwas patriarchalische Verhältnisse. Grundherr und Hintersassen standen sich gut. Was der Patron wollte, tat die Gemeinde. Freilich, es gab auch Ausnahmen. In Oberrankin herrschte ewig Zank und Streit. Die bäuerlichen Besitzer standen auf fetten Kahls, und Heuberg war natürlich auf den „verfluchten Sozial demokraten", wie er den ehemaligen Lehrer betitelte, sehr schlecht zu sprechen. Sein Zorn datierte auch nicht aus neuester Zeit, sondern bestand bereits seit Jahren. Gleich nachdem Kahl die Witwe geheiratet hatte, kam es zu einem