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lanon an die Tschechen bildet« gestern den Gegenstand un ausgesetzter vemlthungen der Regierung, um ihn au» der Welt zu schaffen, da seine Annahme die tschechisch-slawische Opposition wecken, seine Ablehnung die deutschen pari«, mentartschen Minister zum Rücktritt zwingen würde. Bi« in die späten Abendstunden wurden Konferenzen über einen neuen Kompromißoorschlag abgehalten, der die Mandat«- tzahl auf 516 erhöht und die Spannung zwischen dem deutsch - romanischen Block und dem slawischen Block auf zwei herabdrückt. Die Entscheidung fällt wahrscheinlich erst heute mittag. «nßland. Gin Telegramm de« „Berl. Tagebl." au« Petersburg meldet, daß die Untersuchung wegen der Kapitulation von Port Arthur beendigt worden ist. Der Bericht soll dem Zaren in etwa drei Wochen vorgelegt werden. Die Unter- suchungSkommisston, die unter General Ropp tagte, stellte fest, daß die Kapitulation der Festung ein schwere« Per- Lrechen war und fordert für Stößel Orden- und Rang- entkletdung sowie den Tod durch Erschießen, für General Fock Rangentkleidung und 29 Jahre Zwangsarbeit, für General Reiß Rangentkletdung und Deportation, für Statt- Halter Alexejew und General Smirnow sowie für einige andere Offiziere einen allerhöchsten Verweis. Ein voller Sieg der Reaktion würde es sein, wenn sich da« nachfolgende Telegramm, daS dem „L.-A." au« Moskau zugeht, in seinem vollen Umfange bestätigen sollte. Danach habe die Regierung angesichts der jüngsten Ereignisse endgültig beschlossen, die Freiheitsbewegung ge- waltsam zu unterdrücken. Alle Unterhandlungen wegen Bildung eines parlamentarischen Kabinett« seien abge- -rochen. Die Militärdiktatur soll proklamiert werden, falls Lie Gärung in der Armee zunimmt. Der Kriegsminister will sämtliche Militärbezirke bereisen, um die Stimmung der Armee auS eigener Anschauung kennen zu lernen und den Ansturm gegen die Revolution vorzubereiten. Bei den Levorstehenden Ereignissen werde eine wichtige Rolle dem Komitee der Reichsoerteidigung zufallen, daS, wie vielfach -ehauptet wird, der Organisation des Pogroms nahestand. Der Exmintster Durnowo soll aus dem Ausland auf einen leitenden Poften zurückberufen werden. Mehrere Minister und Mitglieder der Hofkamarilla arbeiten auf eine Auf- lösung der Reichsduma hin. Einstweilen aber werde dieser Plan in Peterhof nicht gebilligt. Die revolutionären Par teien rüsten sich zum entscheidenden Kampf und bewaffnen ihr« Anhänger. In Moskau allein verfügen die Revolu tionäre über 1500 Gewehre. Einstweilen darf man diese alarmierenden Meldungen wohl als starke Uebertreibungen bezeichnen. Aus aller Wett. Lvnd'on: „Daily Telegraph^ zufolge sind in den mittleren Gebieten Japans große Neberschweimnungen cingetreten. Ter Eisenbahnverkehr ist unterbrochen. Tie Gegend von Kofu ist in einen ungeheuren See verwan delt. Eine große Anzahl Menschen ist ums Leben gekom men. Man glaubt, daß sich der Schaden auf mehrere Millionen Nen beläuft. Tie Bevölkerung hat zu tausen den in Tempeln und Theatern Zuflucht gesucht. Viele sind auf die Tücher der Häuser geflüchtet und rufen um Hilfe. In Matsumoto sind etwa 40000 Gebäude über schwemmt. Tie Küpserbergwerke stehen unter Wasser. — Berlin: Gestern vormittag kurz nach 8 Uhr wurde eine eiserne Pendelsäule der Ueberführung eines Neben gleises des Anhalter Personenbahnhofes über das Halle- fche User durch! ein Lastfuhrwerk durch die Schuld des Kutschers umgesahren. Unter dem' Gewicht' eines^in die sem Augenblicke die Brücke passierenden Leerzuges senkte sich der der Mittelstühe beraubte Hauptträger. Verletz ungen vvn Personen sind nicht vorgekommen und es liegt nur eine leichte Beschädigung des eisernen UeberbaueK vor. Tie Arbeiten für die Hebung des Haüptträgers sind bereits in Angriff genommen^ so daß die Brücke in we nigen Tagen wieder betriebsfähig sein wird. — Ham burg: Hier wütete gestern ein heftiger Gewittersturm, der verschiedentlich Schaden an Häusern und Bäumen an richtete. In Alllona wurde ein Tachjdeckermcister oom Dach eines Hauses geweht. Ter Mann war auf dsr Stelle tot. — Wien: Tie Touristen Müger-Kottbus, Schierz-Lautzen und zwei Berliner Studenten unternahmen eine Be steigung des HundWopses in Südtirols wobei Krüger und Cchierz abstürzten; der erstere erlitt erhebliche Verletz ungen, während der letztere unverletzt blieb. — New- yvrk: Seit Sonntag morgen wurden 52 Erdstöße in Socorro (Texas) verspürt^ und die aus 2000 Einwohnern bestehende Stadt gleicht, jetzt einer Ruine. Tie Bewohucr leben andauernd In panikartigem Schrecken und ent fliehen auf der Santafe-Bahn. Doch auch'auf den Zügen sind sie nicht ihres Lebens! sicher, M>eil chie'Erde in gro ßen Massen bröckelt und auf das Gleis''fällt. Im gan zen Rio Grande-Täl halten die Erdstöße an nud die Bewohner müssen auf freiem! Felde kampieren. Heiteres aus der Zeitungswelt. Von W. Simon. — Nachdruck verboten. Ter Humor, welcher ohne Zutun und sehr oft zum Verdruß von Herausgeber, Redakteur und Autor in den Spalten der Zeitungen anzutreffen ist, wird in der Mehr zahl der Fälle von; jenem Kobold verursacht, der ach „Truck fehler" bekannt in den Schriftleitungen, wie Schriftsetze reien' gefürchtet ist Ihm ist nichts! heilig und es sind Fälle vorhanden, wo eines Druckfehlers wegen das Blatt der Konfiskation verfiel, ja sogar der Redakteur in strafge richtliche Untersuchung gezogen wurde, weil man annah.n, daß der Truckfehlerdämon nicht ohne sein Wissen gearbei tet habe. Man glaubt ess mitunter nicht, daß es möglich wäre, einen so sinnstörenden Truckfehler zuwege zu bringen; aber es ist möglich meist dann, wenn die Fertig stellung der Zeitung pressiert — und unter einer solchen Signatur stehen ja die meisten Blätter — oder wenn eben sonst alles ungünstige zusam'msnwirkt, d. h., wenn auf Seiten' des Setzers sowohl wie des" Korrektors nicht die nötige Aufmerksamkeit obwaltet oder wenn Zeilen des fertigen Satzes „zusammengeworfen" werden und nach dem neuerlichen Setzen ohne Korrektur sofort in die Presse toMMen. Es kommt aber auch vor, daß man den Truck fehlerteufel, wie es ja bei den Teufeln üblich ist. etwas in die Schuhe schiebt, was er nicht verbrochen hat, sondern auf das Kerbholz des Redakteurs oder des Setzers kommt; deuu es ist eben bequemer, dem Zeitungsleser gegenüber die Schuld für einen Schnitzer einem Tritten, der sich nicht rechtfertigen kann, zuzuschieben. Manchmal birgt der Druckfehler Unsinn, sehr ost aber einen, wenn auch nicht immer schmeichelhaften Sinn. Ja, mitunter spricht so ein Truckfehler unbewußt die vom Redakteur ängstlich vermiedene Wahrheit, wie z. B. ein mal, wo von einer ,,elenden" statt „eilenden" ReiclKhilfe die Rede war, oder, wo in dem Berichte über die von einem Abgeordneten abgehaltene Versammlung^ gesagt wurde „Keiner hat Wohl soviel wie er im'Interesse des allge meinen Kohles (Wohles) gesprochen." Harmlos sind Truck fehler, wie „Er ist von dem Vertrauen beeselt" (beseelt), öder „ein reizender Damensloh (Tamenslor) verschönte den Abend." Bösartiger klang es schön, als in einer Wiener Zeitung die Oesterreichische Nordwcstbahu eine „Mord westbahn" genannt wurde und zwar nachdem kürz vorher einige lethale Unfälle auf derselben Passiert waren. Eben so ist folgendem Truckfehler Satire nächst abzusprechen „Er kämpftt bis zum Dode einen ehelichen (ehrlichen) Kamps." „Sie waren wie Orestses und Pylades, einer borgte (bürgte) für den andern." „Der Bote mußte die ganze Stadt durch saufen (durchlaufen)." Einer der witzigsten Truckfehler ist wohl der im Göthescheu Gedicht, wo stjeht: „Tie Augen gingen ihm über, so oft er trank daraus." gedruckt stsand: „Die Augen gingen ihm über, so ost trank er daraus." Als Uhland seine Gedichte herausgab, schickte er den selben ein Motto voran, lautend: ,Mieder sind wir, unser Vater Schickt uns in die weite Welt." Ter Druckfehlerteufel machte aber daraus: „Meder sind wir" usw. Einem andern alsl Uhland hätte das endlosen Spott eingetragen. Bei einem der Schillerfeste, die man in Stutt gart jährlich auf der Silberburg zu feiern pflegte, war das Lied „An die Freude" znm Festslied bestimmt word.n. Mit dem Abdruck dieses Liedes in der Hand, begannen die Chöre der Schulen ihren Gesang. Ta kam eine Stelle, wo der Vortrag fast zum Jauchzen, anschwoll. Woran lag es? Kraft eines Druckfehllers war zu singen: „Unser Schul buch (statt Schuldbüch) sei vernichtet'" Einem Trücksehler ist auch das Götheschr Zitat ^Selbst wenü Engel (statt Enkel) um uns trauern" zuzuschreiben. Ter Truckfehler tritt aber auch ganz Modern auf; cr huldigt einer alles nivellierenden Tendenz, wie die Soz'al- demokratie. Deshalb macht er auch nicht Halt vor hohen und höchsten Herrschaften. So brachte die „Rostocker Zei tung" in ihrer NuMister vom 17. April 1892 die Mit teilung, „Ter König von Schweden ist au einem Kohl- (Kehl)kopfkatarrh erkrankt." Tie „Rhein- und Wied Ztg." Nr. 118 des Jahres 1888 Machte wiederum aus dem gro ßen "Schweiger einen „General - Geldmarschall". T as „Schwetzinger Tagbl." V0m "27. Oktober '1893 teilte den Untertanen mit, daß der Großherzog von Baden mit dem Schneckzuge (Schnellzuge) in Karlsruhe eiugctroffeu sei. Und da sage noch einer, daß Potentaten nicht auch sparen und mit dem Bummelzuge fahren! Die vor einem Teze- uium in Bilin (Böhmen) erschienene „Voltsschrift" brachte einen Bericht über die Aufführung des „Meineidbauers" des Wiener Burgtheaters, bei welcher dem Hosschauspieler Reimers ein Unfall passierte. In dem kurzen Berichte wurde der Verletzte bald „Reimer", bald „Riemers", bald „Nicmers" und bald richtig „Reimers" genannt. Ein sehr gelungener Druckfehler war auch! jener iM „Müssiger An zeiger". Es war in den 70 er Jahren und die Gründung eines Scharfschützenlorps "im Zuge. Genanntes Blatt be richtete darüber. Jin Truck aber wurde aus dein „Scharf schützenkorps" ein „Schafschützcnlvrps". Tic hierüber er bosten „Schafschützen", die nun für den Spott nicht zu sorgen hatten, stellten als Aequivalent hierfür dem Redqt- teur eine Tracht Prügel in Aussicht. Einen ähnlichen Druckfehler wies das in Lcitmcritz i. B. erscheinende Blatt „TasDolt" auf, das in seiner Nr. 40 v. I. 1902 von einem ,-Schafwagen verkehr" (Schlafwag.n verkehr) sprach. Eine neue Züchterei erfand die „Teplitzer Zeitung", indem sie in ihrer Nr. 119 vom Jahre l: V2 von „Bühnenzüchtern" (Bienenzüchtern) meldet. In der Nummer vom 17. Oktober desselben Jahres heißt es in derselben Zeitung: Ein Mitglied des hiesigen Stadith a ters trug in der Jahnfeier ein von ihm vertontes <v.r- tontes) Lied vor. Tas Interessanteste bei der Sache ich daß mehrere Mitglieder erwähnten Vereines vaohn hießen. In einem andern Aussige» Platte machte der K.brtö im Setzkasten aus dem Gasthaus „Zum Waldesjeum" eine Waldessau, aus dem Asyl- und Waiseuh usvcrein einen Waisenhauverein, in den Mitteilungen der Volksküche aus „sauren Bohnen" gleich „saure Böhmen" und aus mner Das Nicke Gebot. Roman von Maximilian Brytt. aZ) (Nachdruck verboten.) „Sie hatten auch schon Ihr Gepäck fertiggestellt, Herr Doktor, nicht wahr?" fuhr der Untersuchungsrichter fort. „Allerdings. Ich hatte es am Tage der Abreise meines Bruders in Gemeinschaft mit bessern Gepäck durch einen Matrosen nach Saßnitz schaffen lassen." „Halben Sie es dort wieder in Empfang genommen?" »Ja." „Wo befindet es sich im Augenblick?" „Hier auf der Bahn." „Befanden sich darunter etwa ärztliche Requisiten, Apparate, vielleicht auch eine Apotheke?" „Gewiß. Ich führe derlei auf meinen Reisen immer bei mir." „Wo bewahren Sie die Gegenstände auf?" „In einem Handkoffer, der sonst nur noch die not wendigsten Gegenstände für »wei, drei Tage birgt." „Diesen Handkoffer glauben Sie also bestimmt mit dem anderen Gepäck nach Saßnitz geschickt zu haben?" Werner bejahte. „Haben Sie ihn denn gestern mit Ihren anderen Sachen «ffammen auch wieder ausgeliefert erhalten?" .Natürlich!" Pribnow sah den Kommissar fragend an. Weindel schüttelte den Kopf. „Herr von Gleichen irrt fichl" sagte er bestimmt „Er hat gestern auf dem Bahn hof zu Saßnitz auf seinen Depotschein vier Gegenständ« auS- gehändigt bekommen; der bewußte Handkoffer war aber »icht darunter." Werner sah sich ganz erstaunt nach dem Sprecher um. ^Allerdings — beschwör« könnte ich eS nicht. Ich bin aber doch der festen Meinung, ich hätte damals fünf Kolli nach Saßnitz schicken lassen.' Der Komissar entnahm seiner Brieftasche den Depotschein, den er dem Bahnhofspförtncr gleich nach Werners Weggang von der Station abverlangt hatte. Nun ward Werner unruhig. „Sollte sich der Hand koffer wirklich nicht bei meinen Sachen befunden haben, so wäre mir das geradezu rätselhaft", sagte er. „Befand sich in diesem Handkoffer nicht auch ein Leder etui mit einem Totcnkovf, das Opiate und derlei Dinge enthielt?" fragte der Untersuchungsrichter- „Gewiß. Ich habe es noch kurz vor meiner Abreise in der Hand gehabt " „Jawohl", fiel Weindel ein, „bei jener Unterredung, die kurz vor dem Tode Ihrer Schwägerin in Ihrem Zimmer stattsand." „War bei jener Unterredung vielleicht auch Fräulein v. Jenichen zugegen" fragte der Untersuchungsrichter. Werner bejahte. „Sie hat also jedenfalls auch gesehen, daß Sie das Kästchen mit den Medizinkolben dem Handkoffer wieder ein verleibten?" „Vielleicht — ich weiß nicht." „Hatten Sie, seitdem das Etui gefüllt worden war, Ge brauch von einer der darin enhaltenen Flüssigkeiten gemacht?" „Nein. Meine Praxis ruhte vollkommen." „Und auch für Ihre Schwägerin haben Sie niemals davon etwas gebraucht?" „Nie." „Hm. Seltsam! Man hat Ihr Etui nämlich gesunden. Ein Fläschchen fehlte darin." „Da» wundert mich, denn — wie gesagt . . ." Werner stockte abermals. „Auch daS Fläschen hat man gefunden. ES ist — dieses hier, Herr Doktor! ES scheint Opium enthalten zu haben." Ganz bestürzt griff Werner nach dem ihm zugercichlen Gegenstand. » „Allerdings — das ist mein Eigentum. Aber was ist mit dem Inhalt geschehen?" „Das möchte ich Sie fragen, Herr Doktor. Man hat dieses Fläschchen nämlich in dem Sterbezimmer Ihrer Schwägerin entdeckt." .Unmöglich!' entfuhr es dem Arzt. Dabei streifte sein Blick unwillkürlich die zitternd auf ihrem Platze verharrende Mädchcngestalt. Entsetze» packte ihn an, als er HannaS Augen sah, deren Blick in voller Qual auf ihn gerichtet war. Nun erhob sich der Untersuchungsrichter. „Und Ihre Medizintasche, Herr Doktor, sand man im Reisegepäck des Fräuleins b. Jenichen!" „Allmächtiger Gott!" kam cs von Werners Lippen. Hanna hatte das Antlitz längst wieder scheu gesenkt. Ihre beiden Hönde falteten sich. Unbeweglich saß sie da. Pribnow entwickelte in scharfem Tone alle Verdachtsmomente, die gegen sie Vorlagen. Als den schwerstwicgenden führte er zum Schluffe ihr verstocktes Schweigen an. Ta wandte sich Werner ganz erschüttert an seine Braut. Flehentlich bat er: „Hanna, ich beschwöre dich, mache den grausamen Zweifeln ein Endel Sag: wie bist du in den Besitz dieser Tasche gekommen? Du hörst ja, welch furcht barer Verdacht dadurch auf dich fallen muß, wenn du jetzt noch etwas zu verschweigen suchst." Geschlossen blieben die Lippen. Nur ein ergreifende» Stöhnen ward vernehmbar. „Fräulein von Jenichen", hob Pribnow wieder an, „hat die Kranke von Ihnen vielleicht ausdrücklich verlangt, Sie sollten ihr ein Opiat verschaffen, damit sie ihrer Qual selbst «in Ende zu machen vermöge?" Blitzartig huschle ein hellerer Schein über HannaS Ant litz. Aber sie schwieg noch immer. Inständig drang Werner in seine Brant, ein Geständnis in diesem Smne abznlegen. . .