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Beilage z«m „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag »o» Langer t Winterlich in Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: i. v.r ArthurHähnet in Ries«. SIS. Donnerstag, IS. September 1S0S, abenbS. SS. Jahr,. Deutsch-Südwestaftika. Unter dem Titel „Deutsch - Südafrika im 25. Fahre deutscher Lchutzherrschaft" hat der durch seine Tätigkeit in Deutsch-Lüdwestafrika bekannte Bürgermeister Dr. Wil helm Külz ein Buch herauSgegeben, in dem er die Ent- töiSlung dieses Schutzgebietes in den 25 Jahren deutscher Herrschaft eingehend erörtert. Beginnend von der terri torialen Entfaltung der deutschen Schutzherrschaft, wird ein Gesamtüberblick über die Entwicklung des Deutsch tums bis auf den heutigen Tag gegeben. Entstehung und Werdegang der deutschen Niederlassungen, das Werden und Wirken der deutschen Truppe, die Entwicklung der Ber- tSaltung und Rechtsprechung und das deutsche Kultur- und Geistesleben finden eine gleich abgeschlossene Dar stellung wie die einzelnen Gebiete des deutschen Wirt schaftslebens. Tie Tätigkeit der Gesellschaften, die Farm wirtschaft, der Bergbau, der Handel, alle diese verschiede nen Wirtschaftsformen werden vom Verfasser in klarer und' übersichtlicher Weise in ihrem Entwicklungsgang vorgesührt. „Was ist Südwest für ein Land?" fragt Dr. Külz am Ende seines Buches. Und'er gibt die Antwort auf diese Frage mit den Worten des Staatssekretärs Dernburg: „Südwest ist kein Land, wo Milch und Honig fließt, kein Land, wo man reife Früchte pflücken kann, es ist ein Land der extensiven Wirtschaft, die nur auf großen Flächen produzieren kann, aber es ist ein ungemein pro duktives Land und ein sicherer Produzent. Wer hier Land, Kapital und Arbeit richtig anwendet, kommt zu ge sichertem Wohlstand." Die wesentlichste Frage ist jedoch die nach der Wirtschaftsgebarung des Landes. In ihr, sagt Dr. Külz, gehen alte die unzähligen Unterfragen auf, die in diesem werdenden Baulande der Lösung harren: Landfrage, Cingeborenenfrage, Viehfrage, Slbsatzfrage, Lerkehrsfragen und wie sie alle heißen mögen. Hier gilt cs, die Betriebsfaktoren in ihrer Eigenart zu er kennen, sie richtig einzuschätzen und die dadurch gegebenen Formen der Betriebsgestaltung zu wühlen und zu fördern. Oberstes Bestreben für die Farm- und Viehwirtschaft muß bleiben, Oualitätsprodukte zu erzielen, sonst hat oas Land in einigen Jahren' Produkte in Hülle und Fülle, und der Weltmarkt' geht mit höhnischem! Achselzucken an dieser Produktionsstätte vorüber. Viehzucht und Farm wirtschaft in ihren verschiedenen Erscheinungsformen find' nicht die ausschließlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten. Dev Bergbau weist vielversprechende Anfänge auf. Eine Fülle neuer Probleme hat sich hier ergeben und wird sich noch weiter ergeben. Der Behandlung von Deutsch- Südtresiasrika als eines wirtschaftlich zu erschließenden Gebietes hat zn entsprechen die Vcrwaltungsforrn des Landes, insbesondere die Art, in der die Bevölkerung selbst an diesem Verwaltnngswcsen teilzunehmen hat. Tie Verwaltung muß sich mehr als im! Mutterland in den Formen der wirtschaftlichen Jnteressentengemeinschaft bewegen. Der deutsche Charakter des Landes ist oabes nicht zu vergessen; denn das Land ist in seiner unmittel baren Nachbarschaft an das in einer gewaltigen und un>» aufhaltsamen Zentralisationsbewegung begriffene britische Südafrika ein Vorposten des deutschen Vaterlandes. Das Endziel ist hier die wirtschaftliche und verwaltungsmäßige Selbständigleit in engstem staatsrechtlichen Verhältnis zum Mutterland?. Trotz der'schweren Zeiten, die in! den vergangenen 25 Jahren das Land wiederholt heimgesucht' haben, hat doch das erste Vierteljahrhundert der Entwicklung er freuliche! Anfänge auf allen Gebieten des kolonialen Lebens gebracht. Freudige Zuversicht kann den nervösen Pessimismus ablösen, der früher so oft lähmend, hem mend und störend in den Weg getreten ist. Ja, man darf es hoffen: das zweite Vierteljahrhundert! wird die Opfer lohnen, die das erste an Gut und Blut hat bringen müssen. . r-"l— Tagesgefchichte. Die Kaisermauöver tv SSddrulschland. Vorgestern nachmittag besetzte Rot die Höhen zwischen Lsselbrunn und Laura sowie nördlich von Gerlachheim, auf denen Geländeverstärkungen auSgeführt wurden. Um sich jedoch die Mitwirkung der noch von Norden im An marsch befindlichen bedeutenden weiteren roten Streitkräfte zu sichern, ging Rot später noch weiter zurück und erwar tete gestern den Angriff des Gegner» nördlich der Linie Hartheim-TauberbischofSheim. Blau ging gestern weiter vor, und zwar ging da» bayrische 1. Korps auf da» rechte Tauberufer über, um den östlichen roten Flügel anzu- greifen. Da» bayrische KorpS ging vor, im weiten Bogen östlich aurbiegend. Der Kaiser, der sich mit dem Thron folger Erzherzog Franz Ferdinand gestern schon um 6^ Uhr in» Manöoergelände begeben hatte, vtrweilte bi» in den Nachmittag hinein auf den Höhen bei Tauberbischofsheim, wo auch fast sämtliche fürstlichen Manöoergäste sich ein- fanden. Ueber den Aufenthalt de» Kaiser» im Manövergelände am gestrigen Tage wird weiter gemeldet: Sestern morgen ließ der Kaiser sich zunächst in Tauberbischofsheim vom kommandierenden General v. d. Tann über die Aufstellung und die Absichten des roten bayrischen 3. Korps orientieren, fuhr hierauf nach Efselbrunn zu dem Standort der Ma- nöoerleitung und von da über Heckfeld auf dem Wege nach Beckstein vor, wo die Marschkolonne der blauen 26. württembergischen Division angetroffen wurde. Dann fuhr der Kaiser über Tauberbischofsheim, an dem Kriegerdenkmal von 1866 vorbei auf die Höhe 328 nordöstlich der Stadt und erwartete hier den Angriff des blauen bayrischen 1. Korp» gegen die Stellung der roten 10. bayrischen In- fanteriebrigade auf dem rechten Tauberufer. Gegen 4 Uhr nachmittags war der Angriff siegreich fortgeschritten. Al» auch die Stadt Tauberbischofsheim in die Hände der Bor- truppen von Blau gefallen war, kehrte der Kaiser nach Mergentheim zurück. — Der Kaiser hat den Grafen Zep pelin eingeladen, mit seinem Luftschiff zum Kaisermanöver zu erscheinen. Groß II manövrierte gestern glänzend. Sobald er beschoßen wird, sucht er Deckung in den Wolken und geht in größere Höhen. Deutsches Reich. Zur gestrigen Fahrt des Z. III nach Mannheim wird noch gemeldet: Das Luftschiff Z. III, daS um 12 Uhr 40 Min. Mannheim wieder verlassen hat und zunächst einen großen Bogen über der Stadt und Ludwigshafen machte, hat um 1 Uhr 10 Min. Bürstadt passiert und ist um 3 Uhr 12 Min. in Frankfurt a. M. wieder ge- landet. Kurz vor der Landung erlitt das Luftschiff einen Zylinderbruch, weshalb heute kein Aufstieg erfolgte. Nachdem der Hafen von Rotterdam wieder für cholerafrei erklärt und daselbst den Schiffen wieder reine Gesundheitspässe erteilt worden sind, hat der Norddeutsche Lloyd seine Bestimmung vom 10. September, wonach die ausgehenden Reichspostdampfer auf seiner ostafrikanischen Linie den Hafen von Rotterdam vorläufig nicht anlausen sollten, wieder aufgehoben. Der Reichspostdampfer „Kleist", welcher am 22. September Bremerhaven verläßt, wird Rotterdam fahrplanmäßig anlaufen. Oesterreich. Die Mehransprüche, die die HerreSoerwaltung tm vor gestrigen Mtnisterrate machte, belaufen sich für 1910 aus zirka 100 Millionen. Da» Marineprogramm umfaßt 4 Dreadnought», 3 Rapidkreuzet und 24 Torpedoboote. Die Gesamtkosten der Dreadnought» betragen 235 Mill. In der Untersuchung der Angelegenheit de» Trienter vankdtebstahl» wurde neuerdtng» ein geheimer Gang ent deckt, der die Magazine von Sobbt und Arnoldt mit der Wechselstube der Banca Corporation verbindet und der mit Waffen angesüllt war. Daraufhin verschwanden zwei Unteroffiziere der Genteiruppe, die in die Affäre verwickelt sein dürften, unter Mitnahme der Kassengelder. In Trient^ Rooeredo, Bozen, sogar in Innsbruck werden täglich Ver haftungen vorgenommen. Angeblich soll sogar der Bischof von Brixen irgendwie in die Angelegenheit verwickelt sein. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Die au» der Banca Corporattva nach und nach gestohlenen Gelder, die zu irredentistischen Zwecken verwendet worden sein sollen, erreichten die Höhe von */, Million Kronen. Frankreich. Sin Teil der politischen Presse beschäftigt sich mit der durch die Manöver auch äußerlich zum Ausdruck gebrachten Tatsache der Neubefestigung de» deutsch-österreichischen Block». Im „Eclair" begründet Judet dies mit der unklugen Her ausforderung Englands, da» die Hälfte Europas gegen Oesterreich aufrufen wollte und dieses daher wieder in die Arme Deutschlands trieb. Weder Frankreich noch Rußland hätten hierzu mithelfen dürfen. Denn die Lockerung der Allianz Oesterreichs und Deutschlands liege zu sehr tm Interesse Frankreichs. Leider habe dieses aber durch eine ungeschickte Taktik die Bande, die es zu lösen galt, auf neue eng knüpfen helfen. Heute habe auch England seinen Fehler eingesehen. Allein es sei zu spät. Jahre würden notwendig sein, um das Gleichgewicht im Herzen deS Kon tinents wiederherzustellen. Die Marokkopolitik Spaniens erregt in Paris lt. „L. Tgbl." immer mehr Mißbehagen, da eine dauernde Besetzung deS Rissgebiete» befürchtet wird. Die französische Negierung hat in Madrid mitteilen lassen, daß sie sich einer solchen Gebietserweiterung in Marokko widersetzen müsse. Von spanischer Seite ist versichert, daß eine Gebietserweiterung zwar geplant sei, doch müsse das Maurengebiet besetzt bleiben, bis der Sultan Spanien die Kriegskosten bezahlt habe. Auch diese vorläufige Besetzung erregt hier Unwillen. England. Aus Genf wird dem „L.-A." gemeldet, daß der dort tagende jungägyptische Kongreß das britische Parlament telegraphisch aufgefordcrt habe, dafür zu sorgen, daß die britische Armee Aegypten wieder räume; England erfülle damit nur ein von Gladstone abgegebenes Versprechen. Ein anderes Telegramm wurde an Hilmi Pascha nach Konstantinopel abgesandt, in dem dieser gebeten wird, seinen Einfluß auf England aufzubielen, um den Abzug der fremden Armee herbeizuführen. Aus Kairo wird ge- drahtet, daß sich dort anläßlich des 27. Jahrestages der britischen Okkupation etwa 6000 Personen zu einer Protest versammlung vereinigten und ein Telegramm an den Premierminister Asquith richteten deS Inhalts, daß daS ägyptische Volk auf den feierlichen Eid der britischen Re gierung baue und hoffe, daß diese endlich ihr Versprechen erfüllen und das Land an seine Eigentümer zurückgeben werde. Türkei. Die kretischen Schutzmächte haben der Pforte lt. „L. Tgbl." mitgeteilt, daß sie den Autonomieentwurf für Kreta schließen. Offenbar seinem Schwesterchen, sich mit Kuno von Vir Schwarmgeister. Historischer Roman von Gustav Sangt.' L. Fortsetzung.) /«Nachdruck verboten. „Sehr wohl, Euer Edlen!"- ? „Noch eines! Kommen Euch die Stadt- und Stifts knechte in den Weg, so heißt sie in des Teufels Namen nach Hause packen." „Und wenn bei der Gelegenheit die Wämmser der Knechte hier oder da von Miseren Klingen einen Schlitz erhalten sollten?" fragte der Wachtmeister blinzelnd. „Alles schade, was nicht trifft!" . Ein vergnügtes Brummen war die Antwort. Als Herr von Ascheburg wieder über den Schloßhof schritt, sprengte die Reiterschaar schon gewappnet zum Schloßtore hinaus. — In dem Lager der fahrenden Leute, auf das wenige Stunden vorher Kuno von Rauschenburg so unvermutet gestoßen war und wo man den Edelknaben Wohl schon wieder vergessen hatte, hockten jetzt Männer und Frauen in einem Halbkreis auf der Erde, in der Mitte Divara mit ihrem Wawer und eilt einjae Jahre älterer Knabe. Dieser Knabe hatte große Ähnlichkeit mit dem Mädchen, aber während deren Schönheit, der treuherzige Blick der Augen, der sanfte Ausdruck ihres Gesichts Jedermann an zog und fesselte, fiihlte man sich von dem Knaben abgc- stoßen. Das schwarze, struppige Haar hing ihm wirr um die Schläfe, die funkelnden Augen schossen zuweilen haß erfüllte Blicke und über das fahle Antlitz flog ein so hä mischer Zug, daß es den Anschein hatte, als durchtobten wilde Leidenschaften die Brust dieses Knaben. Nur wenn er sich zu dem Mädchen beagte und mit ihr sprach, spielte ein Lächeln um seine Lippen, dann ließ die Ähnlichkeit der Sinder auf ew Geschwisterpaar hing der Snabe mit großer Liebe an Der schvarzbärtige Mann, der Rauschenburg unterhalten und ihn aus dem Walde geführt hatte, saß etwas abseits und während die anderen Mit glieder dieser Gesellschaft sich an Speisen und Getränken labten und sich halblaut unterhielten, saß der Schwarz bärtige, anscheinend das Oberhaupt dieser Leute, schweig sam da und las in einem Buche. Da schmetterte hell und laut ein Trompetensignal durch den Wald und das Schnauben und Wiehern von Rossen störte den Waldesfrieden. Die Leute unterbrachen ihre Unterhaltung und fuhren entsetzt auf, der Schwarzbärtige verbarg das Buch, in welches er eben noch vertieft gewe sen,- in seinem Wamms und Wawer stieß ein kurzes hei seres Wutgeheul aus. Ehe noch Jemand recht begriff, was die Störung zu bedeuten hatte, da brachen die Panzer reiter des Burghauptmannes schon in die Lichtung ein. „Donnerschlag!" rief der Wachtmeister Stahlhut. „Wir sollen nur einen Malefizkerl fangen und finden hier eine ganze Gesellschaft bei einander. Sicher steht die Sippschaft Nlit dem Morde in Verbindung!" Die Frauen fielen in ein Zetergeschrei ein, während die Mämrer, in ihrer Dritte das- Oberhaupt, mit finsteren Gesichtern erwartungsvoll dastanden, als sie von den Rei tern in einen immer engeren Kreis cingeschlosscn wurden. „Laßt Niemanden durch und bindet sie fest!" befahl Stahlhut. Die Reiter sprangen von ihren Pferden und warfen sich auf die Leute, die in ihrer Wehrlosigkeit gegenüber den Kriegsleuten keinen Widerstand wagten. Schon war die Hälfte gefangen genommen und gebunden, da rief der Wachtmeister: „Halt! Da hinten läuft noch einer!" Einer der Reiter schwang sich wieder auf sein Roß und sprengte in der angedeuteten Richtung davon. Er hatte den Flüchtling bald eingeholt und brachte den sich heftig Sträubenden gewaltsam zurückgeschleppt, es war ein grotesk gekleideter Mann mit einem großen Dudelsack auf dem Rücken. Er geberdete sich wie ein Wahnsinniger, riß und zerrte an den festen Stricken. „Der hätte fast ein Kunststück vollbracht und wäre ent wischt, obgleich er angibt, ganz blind zu sein," sagte der Retter. „O, der stellt sich blind, damit wir ihm nicht zu sehr auf die Finger sehen!" lachte der Wachtmeister Stahlhut. „Koppelt sie paarweise an die Pferde. Bet den Zelten bleiben vier Mann Wache. Wehe Euch, wenn Ihr Euch von den Stadtkncchtcn verdrängen laßt. Sagt, der Wacht meister Stahlhnt hat Euch im Namen des Herrn von Ascheburg hierherpostiert, bis es entschieden ist, was mit dem Kram der Malcfizbande geschehen soll. Jetzt wandte sich das Oberhaupt der Gefangenen an den Wachtmeister. „Wessen beschuldigt man uns, daß wir hier, wo wir uns zu kurzer Rast niedergelassen haben, überfallen und gleich Dieben und Mördern gefesselt und fortgeschleppt werden von unserem Eigentum?" „Ja, Diebe und Mörder, das ist der richtige Name," gab Stahlhut zur Antwort. „Auf der Sparenburg wer det Ihr das Weitere erfahre», und Eure Zungen schon ge läufig werden, wenn man Euch erst die Daumenschrauben ansctzt." Ein wieherndes Gelächter der übrigen Reiter folgte diesen Worten. „Fort!" befahl Stahlhnt und die an die Pferde ge bundenen Gefangenen mußten in schnellster Gangart den Reitern folgen. Die beiden Kinder, di? man in der rich tigen Annahme, das», sie schon nachfolgen würden, ungefcsselt gelassen hatte, liefen hinter drein. Divara weinte lauh. denn ihr Wawer war vou einem der Reiter mit einem scharfen Schwcrthieb niedcrgehauen worden. Der Knabe, der ab und zu sein Schwesterchen zu trösten suchte, blickt: noch finsterer und trotziger darein, als zuvor, sodaß « ganz das Aussehen eines kleine» Koboldes hatte.