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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 29.11.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-191111295
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19111129
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19111129
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-29
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 29.11.1911
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Mittwoch, AH. November 1911, abeuvtz S77 in unserer Industrie Rücksicht nehmen. Unserer Industrie täte vor allem eine kräftigere Politik al« in den letzten Jabren not. Wa di« Reich»finanzreform anlange, so wäre eS dankenswert, wenn einmal geprüft würde, welche Wirkungen sie auf Industrie und Handel gehabt habe. Abg. Fleißner (Soz.) ging auf den von seiner Fraktion etnaebrachtrn Streuerantrag ein, der «ine Befreiung aller Einkommen vis 800 M. von der Einkommensteuer erstrebt, und verlangt eine Reichseinkommensteuer. Abg. Diener fRsp.) dankt der Regierung für ihre Förderung des gewerblichen Mittel stände« und bittet auf diesem Gebiete nicht nachzulassrn und weitere Mittel einzustellen. Darauf vertagt das Hau» die Wciterberatung auf Mittwoch vormittag 10 Uhr. Schluß 4 Uhr. Deutscher Reichskag. 211. Sitzung. DienStag, 28. November, 12 Uhr. Am BundeSratStische: Delbrück, Wermuth, von Breitenbach, Dr. Peters. Tie zweite Lesung des s chissahrtsabgabengesehe« wird fortgesetzt. Die wesentlichsten Bestimmungen des Ent- wurss sind mit den beiden ersten Artikeln bereit» erledigt. Die VollSpartei beantragt die Einschaltung eine» neuen Artikels II, der auch für die nicht zu den GemeinschaftSströmen gehörigen Wasserstraßen Strombciräte schaffen will. Aba. Goth ein (Vp.): Wir wollen die RechtSunaleich- heit zwischen den Gemeinschaftsströmen und den anderen Wasser» straßen beseitigen. Diese letzteren erhalten nicht» Positives, nicht einmal em« Zusage, da» ist nicht eine Versöhnung, das ist eine Verhöhnung. ES ist ein Ausnahmegesetz zuungunsten de» OstenS. Der Redner empfiehlt einen weiteren Antrag der Volks» Partei, wonach die endgültige Entscheidung über den Anteil der Sckiffahrtsabgabcn sür solche Anstalten, die nicht nur zur Erleichterung des Verkehrs, sondern auch zur Förderung anderer Zwecke und Interessen bestimmt sind, dem obersten Verwaltungs gericht zustchen solle. Preußischer Minister v. Breitenbach: Die Wasser» straßenbeiräte in Preußen habe» sich durchaus bewährt. Wir werden aus vielfachen Wunsch daran gehen, ihre Mitglied schaft zu verstärken und sie weiter auszubauen. Der Antrag würde daher zu Gegensätzen zwischen den kommunalen und pro vinziellen Garantieverbandcn uno den Strombeiräten führen. Es handelt sich um eine eminent praktische Frage, die ein genaues Sachverständnis für das einzelne Stromgebiet voraus setzt. Das hat das oberste Verwaltungsgericht nicht. Der Aus bau der Wasserstraße» würde aufs schwerste gefährdet werden. Abg. Winckler (k.): Meine Freunde werden den An trag in beiden Teilen ablehnen. Hier liegt nicht der geringste Anlaß vor zu einem reichsgerichtlichc» Eingriff in die Landes gesetzgebung. Eine Instanz, die über Parlament und Negierung steht und deren Entscheidungen vorher unbekannt sind, würde den Ausbau der Wasserstraßen erschweren. Abg. Dr. David (Soz.): Hier spielen wieder großagrarische Interessen die Hauptrolle. Wir stimmen den Anträgen dec Fortschrittler zu. Nach kurzer weiterer Erörterung werden die An träge der VollSpartei abgelehnt. Desgleichen eil: weiterer Antrag der Volkspartei zu Artikel III, der die Bestimmung, wonach bet Inkrafttreten des Gesetzes be reits ausgeführte Negulierungswerke abgabenfrei sind, ohne jede Ausnahme, deren einige die Vorlage Vorsicht, durchgeführt haben will und der weiter auch die Ersatzbauten für solche ältere Negulierungswerke abgabesrei lassen will. Abg. Dr. v. DziembowSki (Pole) beantragt, die im KommissionSbeschluh vorgesehen« Ausnahme Zuungunsten der Warthe von Posen abwärts zu streichen. Abg. Graf Westarp (k.) unterstützt den Antrag v. Dziem- bowskt im Namen der Konservativen und reichsparteilichen Ab geordneten der Provinz Posen. Es handle sich nicht um «ine prinzipielle Frage, sondern um Rücksichtnahme auf ganz spezielle örtliche Verhältnisse. Abg. Gothein (Vp.): Graf Westarp urteilt nicht von einer höheren Warte, sondern von der Warthe seiner Provinz. In der Abstimmung wird der Antrag DziembowSki mit kleiner Mehrheit abgelehnt. Abg. Dr. Varenhorst (Rp.) beantragt eine Resolution auf besondere Wahrung der Interessen der Fischerei bei den Stromverbesserungen. Auch diese Resolution wird abgelehnt; es verbleibt durch weg bei den Kommissionsbeschlüssen. Die zweite Lesung des SchiffahrtSabgabengesetzeS wird erledigt.^ Die gestern abgebrochene zweite Lesung de» Sarrsarbeitgesetzes. wird bann fortgesetzt. Sächsischer Bevollmächtigter Geheimrat Dr. Hallbauer erwidert auf die Angriffe des sozialdemokratischen Abg. Schmidt gegen die sächsische Regierung, die die Beteiligung der Gewerk schaften an der Hygieneausstelluna in Dresden verhindert habe. Ebenso verwahrt der Bevollmächtigte seine Regierung gegen den Vorwurf, Gegner von Heimarbeitausstellungen zu sein. Die Beratung des Hausarbeitsgesetzes geht weiter beim § 3. Die Kommission hat die nach dem Entwurf in die Be fugnis des BundeSratS gestellten Vorschriften über die Auslage pon Lohnverzeichnissen oder das Aushängen von Lohntafeln obligatorisch gemacht. Diese Bestimmung gilt aber nicht für- neu «inzuführende Muster, auch können Ausnahmen gewährt werden. Abg. Albrecht (Soz.) beantragt Streichung dieser ein schränkenden Beschlüsse der Kommission. Er wiederholt die An griffe gegen die bürgerlichen Parteien, die nichts Durchgreifen de» und Wirkungsvolles gegen das Elend der Heimarbeit tun wollten. Die Ausnahmen machen den ganzen Paragrap'en illusorisch und verhindern jede Klarheit über die Lo.,u- Verhältnisse. Die «bgg. Manz und Dr. Naumann (Bp.) beantragen im Gegensatz zu den Sozialdemokraten an Stelle de» Satzes: „Für neu einzuführende Muster gilt diese Bestimmung — über den AuShana von Lohntafeln und Lohnverzeichnissen — nicht" zu setzen: „Für Muster und Probearbeite» gilt diese Bestim mung nicht". Ministerialdirektor Caspar ersucht um Ablehnung der sozialdemokratischen Anträge. Die Ausnahmebestimmungen sind unentbehrlich. Die fakultative Bestimmung de» Entwurf» hätte vor der obligatorischen des Kommissionsbeschlusses den Vorzug verdient, denn dann würde der Bundesrat für eine Reihe von Industrien die Bestimmungen über den Aushang sofort erlassen können, nun kann er es erst dann, wen» alle erfordere licken Ausnahmen ermittelt sind. Abg. Manz (Vp.): Wir mußten weitergehende Wünsche zurackstellen, um überhaupt etwas zu erreichen. Mit dem All- Heilmittel Lohnerböhung, mit solchen Gewaltkuren » la Eisen bart wird man die Hausindustrie nicht auf gesunden Boden stellen. Von einer Hintertür bet unserem Anträge ist nicht die Rede. Muster, und Probearbeiten lassen sich gar nicht in die Lohntafeln hineinschreiben, denn da» muß erst ausprobiert und au-kalkuliert werden Sächsischer Landtag. Original-Bericht. )( Dresden, 28. November. Zweite Hammer Die zweite Kammer begann heute di« auf vier Tage berechnete allgemein« Dorberatung über den »eche«s»«ftStertcht für 1908 09, den StaatShauShaltr- etitt da« Kinausgesetz für 191213 sowie die hierauf bezüglichen Anträge. Der ordentliche Etat schließt m Einnahme und Ausgabe mit 447206812 M. ab, während »n den außerordentlichen Etat 46467 700 M. eingestellt worven sind. Hau» und Tribünen waren gut besetzt, am Regierungstische außer einer großen Zahl von Kommissaren sämtliche Minister. Es lag ferner rin Antrag Hähne! (Kons.) vor, den Rechenschaftsbericht an die RechenschaftSvcputation, den ordentlichen Etat mit Ausnahme einiger Kapitel an die'Finanzdeputation ä und den Etat der Eisen bahnen an die Finanzdeputation ö zu überweisen. Staatsminister v. Scydcwitz ging in seiner Etatrede zunächst auf den Rechenschaftbericht ein. Die Finanzveriode 1908 OS schließt mit einem wesentlich geringeren Ueberschusse als die von 1906/07 ab. Während diese 46 Millionen erbrachte, ergab jene nur 27 Millionen. Beim Etat der Ueberschusse haben die Forsten, die Lotterieverwaltung, die allgemeine Kassenverwaltung und die Steuern die höchsten Beträge ergeben. Die Eisenbahnverwaltung bat diesmal einen geringeren Beitrag geliefert. Die Einkommen steuererträge sind dank der gestiegenen Einnahmen an Gehältern und Löhnen wesentlich günstiger geworden. Im Etat der Zuschüsse weisen die meisten Verwaltungen Minderausgaben auf. Alle Ressort« sind bestrebt gewesen mit den Staatsgeldern sparsam zu wirtschaften. Beim außerordentlichen Etat für 1908/09 sind 36700000 M. verausgabt worden. Das StaatSverinögen belief sich auf 768000000 M., denen 893 Millionen an Passiven gegen- Kücrstanden. Allein die Einnahmen aus den Forsten und Eisen bahnen überschreiten den Betrag der zur Verzinsung der Staats schulden erforderlich ist. Die sächsischen Staatsschulden sind seit 1902 um rund 110 Millionen infolge Tilgung zurückgegangen. Dieser günstige Stand der Finanzen ist'dem früheren Staatsiniinster Dr. v. Rüger zu danken, der mit seltener Einsicht und Energie durch seine zielbewußte Finanzpolitik und sparsame Wirtschaftlich keit diesen Erfolg erzielt hat und zwar in einer Zeit, wo andere öffentliche Gemeinwesen ihren Anleihebestand vermehren mußten (Bravo.) Wenn demgegenüber jetzt in Sachsen vermehrte Bedürfnisse ohne verstärkte Inanspruchnahme der Steuerzahler befriedigt werden können, so ist cs der segensreichen Tätigkeit des Herrn v. Rüger zu danken, der sich damit ein bleibendes ehrenvolles Denkmal in oer Geschichte der sächsischen Finanzen gesetzt hat. (Lebhafter all- seitiger Beifall.) Ich bin mit meinem Amtsvorgänger voll über zeugt, daß auf eine angemessene und regelmäßige Tilgung der Staatsschulden zu halten ist. «Sehr richtig!) Bei der günstigen Lage unseres Erwerbsleben haben wesentlich höhere Einnahme- Einstellungen erfolgen könne». Ich glaube, die erhöhten Ein stellungen verantworten zu können, um so mehr, da das Jahr 1909 ein weiteres Steigen der Einnahmen gebracht hat. Die sprunghafte Erhöhung der Einnahmen, wie sie das Jahr 1910 besonders für die Eisenbahnen gebracht hat, ist nicht zu Grunde gelegt worden. Diese außergewöhnlichen Einnahmen entsprangen außergewöhn lichen Verhältnissen, z. B. dein ganz bedeutend vermehrten Kohlen transport, der Internationalen Hygiene-Ausstellung usw. Aller dings sind auch durch die Einstellung der Schiffahrt andere Volks kreise wieder schwer betroffen worden. Der Minister erwähnte so dann, daß in einem ErgänzungSctat noch eine Forderung für die deutsche Zentralbibliothek enthalten sein werde. Der Gedanke, diese Bibliothek zu gründen, sei vom Reiche aus gegangen. Die säch sische Negierung habe sich angesichts der führenden Stellung, die der deutsche Buchhandel sich in Leipzig errungen habe, bemüht, daß diese Zentralbibliothck nach Leipzig verlegt werde. Tie Re gierung hoffe, daß ihre Bemühungen von Erfolg sein würden, und werde deshalb in einem NachtragSctat die nötigen Mittel anfordcrn. Die Regieruirg habe sich um so mehr für Leipzig bemüht, als diese Stadt einen Bauplatz für das Bibliotheksgebäude unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe. In dieser deutschen Zentralbibliothek solle von jedem deutschen Litteraturwerk ein Eremplar gesammelt werden und damit eine unersetzliche Fundgrube für alle Zeiten erstehen. Der Minister beschäftigte sich mit den Einstellungen bezw. Mehrausgaben bei den einzelnen Kapiteln und erwähnte u. a., daß gegenüber den Bestrebungen der Regierung die Dienstgeschäste zu veremfachen, insbesondere die Steigerung der persönlichen Aus gaben auffallend sei. Die Steigerung mache sich aber notwendig infolge der Dienstvermehrung bei einigen Stellen; andererseits seien aber auch ganz erhebliche Verminderungen der Stellen einge treten. Die Etatsaufstellung sei von einer andauernden weiteren Entwickelung des gesamten StaatSwesenS ausgegangen. - Der Minister habe, als er den Eid in die Hand des Königs gelegt habe, versprochen, an den bewährten Grundsätzen seines Amtsvor gängers festzuhalten und keine Ausgaben ohne Deckung zu be willigen. Er werde die Geschäfte im Sinne einer verständigen Finanzwirtschaft, nicht aber einer leichtsinnigen Ausgaben- und Schuldenwirtschaft führen. ES werde möglich sein, die erhöhten Ausgaben des neuen Etats auch diesmal wieder ohne Anleihe durchzuführen. Dabei wolle er aber schon jetzt erwähnen, daß auch der Etat 1914/15 ganz erhebliche Steigerungen gegenüber dem jetzigen Etat aufweisen werde, da u. a. die Erhöhung de» WohnungS- geldeS, die Unterstützungen infolge der Dürre, die Lasten die das neue Volksschulgefetz mit sich bringen würde, u. a. die StaatsauS- gaben wesentlich erhöhen würden. Der Minister ging dann auf den außerordentlichen Etat ein, und kam hierbei auf die ReichS- sinanzreform zu sprechen und stellte ihre günstige Wirkung für die Finanzlage des Reiches fest. Die Bundesstaaten hätten für die Sanierung der Reichsfinanzen erhebliche Opfer gebracht. Im Jahr« 1910 werde sich im Reiche ein Mehrertrag von 117 Millionen er geben. Wenn die Bundesstaaten die Leistungen, welche die ReichS- ftnanzreform mit sich gebracht habe, auch gerne übernommen hätten, so könnten sie sich doch der immer wieder auftretenden Anregung, dem Reiche die Vermögenssteuern zu überweisen, nicht anschlteßen. Sachsen müsse sich aufs entschiedenste dagegen aussprechen. Eine Ueberantwortung oer Vermögenssteuern an da» Reich würde den Bundesstaaten an da» Lebensmark gehen. Besonders Sachsen laste sich von keinem anderen Bundesstaat in feiner RrichStreue über treffen. Der Minister empfahl schließlich den Rechenschaftsbericht uno den Etat, au» dem die erfolgreiche wirtschaftliche Arbeit de» gesamten sächsischen Volke« heroorgehe der wohlwollenden Prüfung oe» HauseS. (Lebhafter Beifall.) Abg. Opitz (Kons.) ginä zunächst auf die allgemeine Lage rin, die-durch die anhaltende Dürre de» letzten Sommer» bestimmt worven sei. Der Regierung gebühre Dank sür die Maßnahmen, die sie zur Abwendung der üblen Folge, getroffen habe. Die letzten Jahre seien Jahre eine» höchst begrüßenswerten allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwunges gewesen. Finanzminister Dr. v. Rüger sei der rechte Mann zur rechten Zeit gewesen. Seine Freunde brächten dem neuen Finanzminister volle» Vertrauen entgegen. Die Aufstellungen in dem Etat seien fast zu vorsichtig erfolgt. Die finanziellen Beziehungen zum Reiche seien dank der letzten Reichs finanzreform bedeutend günstiger geworden. Abg.'Hettner (Ratl.) stimmt in vielen Punkten dem Vorredner bei und geht dann eben- fall» auf Einzelheiten d«S Etat» ein. Wenn eS wieder zu Handels» «ertrügen komme, müsse man jedoch mehr als bisher auf die Lage Abg.'Gierbert» (Z.> spricht im gleichen Sinne. Dis Festsetzung von Mindestlühnen würde geradezu zum Schade« der Musterarbeiter ausfalten. » Abg. Everling (nl.) stimmt diesen Ausführung«« zu. Unsere Freunde von der Industrie haben un» in der Kommission an vielen Beispiele» glaubhaft gewacht) daß die Ausnahme bestimmungen unentbehrlich sind. Für gewisse Gewerbe wär« die AuShängung der zahllosen Lohnverzeichntsse nicht» al» un nütze Schikanierung. Freilich werden «» die Au»nahmen schwer machen, da» Gesetz bald in Kraft zu setzen, und darum beantragen wir an einer späteren Stelle, daß dieser 8 3 und 3» erst durch Kaiserliche Verordnung in Kraft gesetzt werden soll, wenn di« Industrien, die Ausnahmen wünschen, berücksichtigt worden sind. Möglich, daß 8 3 erst nach einigen Jahren in Kraft tritt, ich bedaure baS; aber die Herauslassung der Ausnahmen wäre geradezu ein Ueberfall auf die Industrie und eine Schädigung auch für die Heimarbeiter selbst. Die Ausführungen des Herrn Albrecht leiden an der alten Parlamentskrankheit: Ueber- treibung, Verallgemeinerung und Wiederholung. Abg. Dr. Goller (Bp.) spricht im Sinne der Vorredner. Er verwahrt die obersränkische Hausindustrie gegen ihre ten denziöse Beurteilung durch die Sozialdemolraten. Auch die Berliner Heimarbeitausstellung war tendenziös; da stand z. B. an einem Stück: zwei Pfennig Stundenlohn; nur in ganz kleiner Schrift stano darunter, daß eS sich um eine sünfund- sicbzigjährlge Witwe handelte. (Zurufe von den Soz.: Ist das kein Hungerlohn?) Nein, das ist tendenziös. (Große Unruhe bei den Soz.) Abg. Stadthagen (Soz.): Jetzt verstehe ich «S, baß Sie den Witwen bei der Reichsversicherungsordnung eine so lächer lich geringe Rente ausgesetzt haben. (Gelächter.) Da können Sie noch lachen? DaS ist Ihre Arbeiterfreundlichkeit! Sie lachen, wenn die Witwen hungern. (Große Unruhe.) Sie wollen rück ständigen Fabrikanten nicht wehe tun. Abg. Schmidt (Soz): Herr Goller kennt die Löhne in feinem oberfränkischen Wahlkreise nicht. Gehen Sie doch in die Hütten Ihrer armen und elenden Heimarbeiter. Der Redner versucht, in Erwiderung auf den sächsischen Regierungsvertrcter/ über die Hygieneausstellung zu sprechen, wird aber vom Vize präsidenten Dr. Spahn daran gehindert und behält es sich für die dritte Lesung vor. Abg. Goller (Bp.) weist mit Entrüstung die Unter stellung zurück, daß er den Zwcipfennigloyn der Witwe als auskömmlich hingestellt habe. Er habe nur gegen die ten denziöse Verallgemeinerung gesprochen. Abg. ÄiesbertS (Z.) beantragt, den strittigen Satz folgendermaßen zu fassen: „Für die Ausarbeitung neuer Muster gilt diese Bestimmung nicht". In dieser Fassung wird 8 3 angenommen. Es werden sodann die Paragraphen beraten, die einen behördlichen Einfluß auf die Verhältnisse der Heimarbeiter vorsehcn. 8 3a, von der Kommissioil neu eingeführt, sieht die Aushändigung von Lohnbüchern und Arbeitszetteln vor mit Ausnahmen für vereinzelte Geweröczweigc wie in § 3. Die Sozialdemokraten beantragen auch hier die Streichung der Aus nahmen. Die Sozialdemokraten stellen einen weitgehenden An trag mit Vorschriften über die gesundheitliche Einrichtung der Räume, in denen HauSarbeitcr mit der Anfertigung, Ver arbeitung, Verpackung usw. gewerblicher Erzeugnisse beschäftigt sind. Ein anderer Antrag verschärft die Bestimmung des Ent wurfs, der bei Empfangnahme oder Ablieferung der Arbeit den Hausarbeitern Zcitverfäuinnis ersparen will. Ministerialdirektor Caspar stellt fest, daß dieser Antrag der Sozialdemokraten auf die Vorschrift hinauSlanfc, daß der Industrielle dem HauSarbeitcr die Arbeit in die Wohnung schicken und von dort abholcn lassen müsse. DaS gehe zu weit. Im Anschluß an den Hauptantrag der Sozialdemokraten über die Slrbcitsräumc findet eine nochmalige erregte Aus einandersetzung über die Elcndsschilderei besonders der ober fränkischen Hausindustrie statt. Abg. Dr. Pfeiffer (Z.) wirft den Sozialdemokraten vor, sie wollten die Heimarbeit ganz beseitigen: ikr Antrag würde jedenfalls diese Wirkung haben. Abg. Albrecht (Soz.): Dann hätten wir doch nicht zweimal ein Helmarbeitcrschutzgesctz cingercicht. Abg. Everling (nl.): Die Sozialdemokraten umarmen in ihrer Bärenliebe die Heimarbeiter so, daß ihnen der Atem ansgcht. Ihr Erfurter Programm gilt auch noch. Verbot der Heimarbeit in der NahrungS- und Genußmittelindustrie. Ta müßten Sie also in Sachsen die Zigarrenindustrie vernichten. Das würde sür Sachsen eine Hungersnot bedeuten, oder di« 2. Beilage znm „Riesaer Tageblatt". «otatton»druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Für dir Redaktion verantwortlich. Arthur -ähnel in Riesa. «4. Jahr-
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