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Mittwoch, SS. Robember 1911. abeubS «4. Johrg S77 inM Riesa, Goethestr. 59. N Ä! M »ein die Wmhme in Me Nr Wirb 8W bei der Reichsregicrung wird aus Berlin gemeldet: Au zuständiger Stelle betont man gegenüber den Ausfüh rungen Edward Greys, daß die ganzen deutsch-englischen Differenzen sich hätten vermeiden lassen, wenn die eng lische Regierung der deutschen Note loyalerweise das Ver trauen geschenkt hätte, auf das sie Anspruch hatte. Es ist bemerkenswert, daß Edward Grey cs nicht für nötig gehalten hat, nach däeser Seite auch nur ein Wort der Entschuldigung vorzubringen, nachdem sich heransgestellt hat, daß die Versicherung unserer Regierung, in Ma rokko nicht festen Fuß fassen zu wollen, durchaus ernst und ehrlich gemeint war. Auf die Acußerungen, die Edward Grey unserem Botschafter am 4. Juli d. I. ge macht hat, hat die deutsche Regierung es absichtlich ver mieden, zu antworten, da diese Antwort im wesentlichen nur das bestätigen konnte, was der englischen Regierung bereits mitgcteilt war, bei ihr aber keinen Glauben ge funden hatte. Es war daher durchaus gerechtfertigt, daß die deutsche Regierung mit dein Schweigen der Ver achtung über diese Anzweiflung ihrer Loyalität hinweg ging. Hätte die englische Regierung eine Ergänzung der ihr bereits erteilten! Auskünfte für wünschenswert ge lsalten, so wäre nach diplomatischem Brauch der gegebene Weg gewesen, durch ihren Botschafter in Berlin bei der deutschen Regierung anfragcn zu lassen. Im übrigen be tont man, daß die Rede Greys zweifellos offen und ehrlich gewesen ist, daß sie aber naturgemäß den von Herrn v. Kidcrlen-Wächier betonten Vorwurf, daß Eng ¬ land sich ungerechtfertigter- und störendcrweise in die deutsch-französischen Behandlungen eingemischt habe, nicht habe beseitigen können. Ob seine Versicherungen freundschaftlicher und friedliche« Gesinnung gerade jetzt bei uns auf einen guten Boden fallen werden, wo diese Aera ausgesprochener englischer Unfreundlichkeit hinter uns liegt, erscheint recht zweifelhaft. Wie ernst die Si tuation gewesen ist, ergibt sich aus den auch von Sir Edward Grey mitgeteilten Worten. Wenn zwei große Lander bereits erörtern, ob das, was ihnen von der anderen Seite geboten wird, mit der Würde ihres Landes vereinbar ist, so geht das tatsächlich bis an die äußerste Grenze der friedlichen Ausein andersetzung. Tie Rede Greys wird natürlich in der Presse eingehend besprochen. Wir lassen zunächst einige Urteile der tungen nicht aus der Luft gegriffen waren, daß also England tatsächlich, während wir noch mit Frankreich in Unterhandlung stcnrden, kriegerische Msichten gegen Deutschland hatte." Aus den Urteilen, die die übrige deutsche Presse abgegeben hat, sei hier besonders einigen Ausführungen des „B e r l. Tageb l." Raum gegeben, die klar beweisen, was Deutschland von der Versicherung Grey's, daß Eng land „mit Deutschland auf gleichem Fuße leben ivill" zu halten hat. Tas genannte Blatt schreibt: „Tann kommt das Hauptstück oes zweiten Redeteils: die Erklärung, daß keine geheime Abmachung zwischen England und Frank reich existiere, mit Ausnahme jener, nun vor einigen Tagen auch veröffentlichten Festsetzungen, die aus dem Jähre 1904 stammen und die sich! auf eine eventuelle Abschaffung der Kapitulationen in Aegypten und auf Spaniens Rechte in Marokko beziehen. Nichts Geheimes, sonst sei zwischen den beiden Regierungen abgemacht, alles hänge nur von freien Entschließungen ab, und einem Frankreich, das Deutschland provozieren wollte, würde England seine Unterstützung nicht leihen. ES be steht also, wie, Sir Edward Grey vor dem britischen Parlament durch sein Wort verbürgt, auch keinerlei militärische Konvention, Lord Frcnch und die anderen englischen Generale, die wiederholt in Frankreich geweilt, haben dort nichts Bindendes scstgesetzt, und wenn Eng- sächsischen Presse folgen. Der in der Marokkofrage mit den Alldeutschen' durch Dick und Dünn gehende „DreSdn. Anz." schreibt am Schlüsse seiner Ausführungen: „Der Gegensatz zwi schen der Unterhaussitzung! vom 27. November, wo mit brausenden Chcers Konservative, Liberale, Iren und So zialdemokraten dem Vertreter einer folgerichtigen und darum siegreichen Auslandspolitik zujubelten — und dem Tage, wv der deutsche Reichskanzler ver suchte, eine deutsche Niederlage als Erfolg dar- zustcllen, ist packend — aber auch lehrreich. Es ist hohe Zeit, daß das deutsch« Volk die Konsequenzen aus der empfangenen Lehre zieht." — Das jetzt im freikon servativen Sinne redigierte „Leipz. Dagebl." schreibt: „Die Rede Greys, wie wir sie verstehen, bedeutet nicht ein Entgegenkommen gegen» Deutschland, ein Nachlassen der Spannung okev eine Besserung. Wir meinen: Sie bedeutet den dritten Gipfel der Ueberhcbung. Der erste wurde vom 3. zum 4. Juli erklommen, der zweite am 21. Juli und dritte am 27. November 1911. Wir schließen daraus nicht, daß ein Krieg unvermeidlich sei. Wir hal ten es für ganz falsch- darauf zu verzichten, einen anderen Ausweg zu finden. Mer ein normaler Zustand ist es nicht, wenn der Einfall der 150000 englischen Soldaten in ein neutrales Land und durch dieses hindurch in Deutschland in der Öffentlichkeit kühl erwogen wird. Um die 150000 Mann hätte es uns leid getan, um sie und ihre Mütter. Aber wir können den Plan nicht so schnell vergessen. Man kann es den Deutschen nicht verdenken- wenn sie fester und enger zusammenrücken und dieses Land, das Land ihrer Väter und ihrer Kinder, zu schir men suchen." — Das konservative „Chemn. Tagebl." äußert: Der Don der Rede war im ganzen höflich und friedlich. Eine völlige Beruhigung zu schaffen, ist die Rede Greys nicht geeignet, weil sie sich über wichtige Dinge, die in Deutschland Aussehen und Erregung ver ursachen mußten, ausschweigt, lieber die vielbemerkttz Rede des Obersten Jaber, die geradezu sensationell wir kende Enthüllungen brachte, geht der Herr Staatssekre tär mit einer spöttischen Geste hinweg. Daß Herr Jaber keine amtliche Person ist, brauchte nicht betont zu wer den, denn das wissen wir selbst, aber der Herr Staats sekretär ist eine amtliche Person, und wir durften von ihm erwarten, daß er in dieser Eigenschaft uns klipp und klar sagen würde, ob die Behauptungen des nichtamt lichen Obersten ein Phantasiegebilde seien oder nicht. Tas hat Sir Grey geflissentlich vermieden und deshalb sind wir zu der Annahme gezwungen, daß jene Behaup- fün Kull» ,iek voi> Vreden 1811 Lolciene/säecisille Orkdeu kcke /^uss keil u ng Posen 1911 „Und Sie konnten schweigen?" „Rings um mich nannte man die Tote Lydia von Ruf- fer. Vielleicht täuschte ich mich doch. Weshalb vorzeitig meine Schmach verkünden? Ich konnte dann wenigstens noch schwei gen, bis Lydia von Rufser, die in diesem Falle ja leben mußte, zum Vorschein gekommen war." „Wie schrecklich, wie schrecklich," rief Lydia händeringend, „wußten Sie denn nicht, daß Sie durch Ihr Schweigen die furcht barste Beschuldigung gegen einen Schuldlosen unterstützten?" „Ich wußte es, ich kämpfte schwer, aber ich unterlag. Mein Stolz blieb Sieger." „O, das ist unverzeihlich." „Ich habe schwer gebüßt. Sehen Sie mich an, ich bin ein Fünfziger," antwortete er. Sie konnte sich trotz ihres gerechten Unwillens des Mit leids nicht erwehren; er hatte das Ansehen eines Siebzigers. „Ich bin mit nach Hannover gereist und habe auf dem Kirchhof der prunkvollen Bestattung meines armen Kindes beigewohnt," fuhr er fort. „Dann kehrte ich nach Berlin zu rück und gab dort vor, meine Tochter sei für längere Zeit zu einer Freundin, die sie in der Pension kennen gelernt, nach England gereist. Man glaubte mir, denn man fand es sehr begreiflich, daß wir unS getrennt hatten; unsere Zerwürf- nisse waren nicht unbekannt geblieben. Mit der größten Auf merksamkeit verfolgte ich dabei die Entwickelung der Dinge in Eutin, soweit die Zeitungen darüber berichteten." „Und hätten Sie auch geschwiegen, wenn man Pöplau verurteilt hätte?" fragte Lydip. „Nein," rief der Ministerialrat aufspringend. „Meine An wesenheit bei der Gerichtsverhandlung gibt Ihnen den Be weis dafür. Wären Sie nicht gekommen, so würde ich, ehe die Geschworenen ihren Spruch gefällt hätten, vorgetreten sein und die Wahrheit bekannt haben." „In zwölfter Stunde," sagte Lydia vorwurfsvoll; „o, Sie haben eine schwere Schuld auf sich geladen." „Ja, das habe ich," gab er zerknirscht zu, „ihr ganzer Umfang ist mir erst während der Verhandlung klar geworden und darum bin ich gekommen, Ihre Vergebung zu erflehen." Er wollte ihr zu Füßen sinken. Sie wehrte ab, es war gar zu entsetzlich, den alten gebrechlichen Mann, über dessen einge fallene Wangen jetzt Tränen rollten, sich so demütigen zu sehen. „Ihnen und Herrn Pöplau meine Beichte abzulegen, bin ich gekommen," fuhr er fort. „Er ist verreist, ich will ihm alles mitteilen; es ist ja nun vorbei," sagte Lydia abwehrend. „Doch nicht, was .. was soll aus meines armen KindeS Leiche werden?" fragte er. „Ich weiß eS nicht. „Sie können sie nicht in dein Gewölbe lassen," fuhr er fort, „aber seien Sie barmherzig, gönnen Sie der Unbekannten ein Grab auf dem Friedhof." „Sie wollen sich auch jetzt nicht zu ihr bekennen?" fragte Lydia erstaunt. „Lassen Sie das Geheimnis zwischen mir und Ihnen und Ihrem Verlobten bleiben. Wozu mit den Gebeinen der Ar men ihre Verwirrungen auch noch einmal hervorzerren? Bet ten wir sie stillinden Schoß der Erde; ich habe meinen Abschied eingereicht und will den Rest meiner Tage verleben als Hüter des Grabes der Unbekannten, in ihrer Nähe soll man mir auch die Ruhestätte bereiten." Lydia vermochte dem Unglücklichen dieBitte nicht abzuschlagen. Was er auch gegen sie und Ludolf gesündigt hatte, die auf seinem Gesicht eirwegrabeneSchrift verkündete, was er gelitten hatte, und daß sein Erdwallen nur von kurzer Dauernoch sein werde. „Es sei, wieSie es wünschen," sagte sie. Er ergriff ihre Hand und preßte sie an seine Lipven, dann entfernte er sich eilig. Wenige Tage später öffnete sich in stiller Abendstunde das Ruffersche Grabgewölbe auf dem Kirchhof in Hannover von neuem. Der Sarg, von dem man die Platte mit der In schrift entfernte, ward hinauSgetragen und in ein bereits vor her bereitetes Grab gesenkt. Nur ein alter Herr, den niemand kannte, wohnte diesem eigenartigen stillen Umzuge bei. Ueber dem mit Efeu umsponnenen Hügel erhob sich in -der Folge ein einfaches Kreuz mit der Inschrift: „AuS dem Kellersee gezogen am 10. Juli 1880." 191,20 Der Platz, von welchem der Sarg entfernt worden war, blieb im Rufferscheu Erbbegräbnis nicht lange leer. Als der nächste Frühling ins Land kam, senkte man einen anderen ein, der aus weiterFerne.aus dem sonnigenSüdengekommen war und Ediths sterbliche Hülle barg. Sie hatte nicht lebend nach Deutsch land zurückkehren, hatte überhaupt nicht mehr leben mögen. Das Geheimnis der Akuten. Roman von Jenny Hirsch. 62 Auf diese Nachricht beschloß ich unsere sofortige Abreise am nächsten Morgen, und wir packten. Elisabeth war stumm, tränenlos und würdigte mich keines Blickes. Mehrmals lauschte ich während der Nacht an ihrer Tür, es war alles still, als ich am Morgen nach ihr sah, hatte sie meine Wachsamkeit getäuscht. DaS Zimmer war leer. Auf dem Tisch lag ein Zettel, der nur die Worte enthielt: „Ihr habt getötet, was ich geliebt habe, ich kann und mag mit Euch nicht mehr leben. Sucht mich im Kellersee." Lydia, die mit steigender Spannung zugehört hatte, konnte hier einen Ausruf des Entsetzens nicht zurückhalten. Rat Usedom aber fuhr in seinem traurigen Berichte fort: „Ich kannte meine Tochter hinreichend, um zu wissen, daß diese Worte keine leere Drohung enthielten, sondern traurige Wahrheit waren. Zum Schmerze des VaterS gesellte sich nun noch der gekränkte Stolz des Beamten und die Rücksicht auf meine Söhne. Ich fürchtete, es würde ihnen nachteilig sein, wenn es verlautete, daß ihre Schwester eine Selbstmörderin lei. Vielleicht ließ sich das wenigstens verheimlichen. Ich rief meine Wirtin, sagte ihr, meine Tochter sei schon voran nach -er Station gegangen, um dort ein eiliges Telegramm auf zugeben. Dann ließ ich das Gepäck nach dem Bahnhof schaf fen und ging selbst dahin, nahm aber nur eine Fahrkarte nach Eutin und logierte mich im „Kieler Hof" ein, um dort die weitere Entwickelung der Dinge abzuwarten. Die Umstände waren mir außerordentlich günstig. Wenige Stunden nach meiner Ankunft war die ganze Stadt in Aufregung; man suchte nach einem verschwundenen Mädchen mit braunem Haar, wie meine Elisabeth auch besessen hatte, nach Ihnen, Fräulein von Rufser. Alle Nachforschungen, die Ihnen galten, mußten auch sie lebend oder tot ans Tageslicht bringen, ich brauchte keine Hand dämm zu rühren. O, der gräßlichen Tage und Nächte, die ich auf den Wanderungen, die ich in meiner Unrast unternahm, verbrachte! O, des entsetzlichen, niederschmetternden Anblickes, als ich an der endlich gefunde nen, grausig verstümmelten Leiche meiner Tochter stand." „Sie haben sie erkannt?" rief Lydia. „Auf den ersten Blick." HMrteHusreiämunqen: A 1. Beilage zum „Riesaer Tageblatt Rotationsdruck und «erlag von Langer t Winterlich in Riesa. — Kür die «edattion veraniwortüch: Arthur -ahnet in Riesa. Bestellungen «ms da» „Messer Hagektatt" Amtsblatt der Kgl. Amt-Hauptmannschaft Großenhain, der Kgl. und städtischen Behörden zu Riesa sowie de» Gemeinderate» zu Gröba mit Unterhaltungsbeilage „Erzähler im der Elbe" für den werden angenommen an den Postschaltern, von den Brief trägem, von den Austrägern d. Bl., sowie von der Geschäfts stelle in Mesa, Goethestraße 59; in Strehla von Herrn Ernst Thieme, Schlosser, Riesaer Straße 256. Bezugspreis wie bisher: UV Pf. bei Abholung in der Geschäftsstelle SS - - - am Schalter jeder Post ¬ anstalt innerhalb Deutschland SS - durch unsere Austräger frei ins Haus SS - durch den Briefträger frei in» Hau». jeder Art finden im Riesaer Tageblatt in der Stadt sowohl wie auch in den Landbezirken, in allen Kreisen der Bevölkerung vorteilhafteste Verbreitung. Die «eschSstSftelle.