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gebührende Ehre antat. Ter Trennungsschmerz hatte dem trefflichen Appetit der Jugend nicht geschadet Ta Trina und ein zweites Mädchjen, wie Sophie Inge zuflüsterte, das Lehrstubenmädchstn, servierten, so entschied sich Inge dafür, daß draußen jedenfalls eine perfekte Köchin ihres Amtes waltete, die diese delikaten Hühner gebraten und diese köstlichen Erbsen und Karot ten gekocht habe- Ihr fiel ein, wie die Mutter einst ge sagt, sie beneide Tante Christine um die Gabe, die ein- fachstten Landmädchen so vorzüglich anzulernen. Tie arme Mama — sie bekam auch niemals eine Köchen, die ordentlich allein kochen konnte- Inge wollte nächsten Winter Kochstunde nehmen — das war jetzt sehr fein, und alle jungen Tomen der besten Kreise lernen kochjen- Sie wandte sich an Sophie- „Tu, Sophie, Ihr habt doch eine perfekte Köchin drau ßen, die kann aber gut kochjen!" „Tie perfekte Köchin, mein Schatz, sitzt neben Dir — ich habe gekocht und koche immer — aber das Küchcn- müdchjcn geht mir zur Hand, ich habe sie gut „angebän- dtgt", wie Vater immer sagt." „Tu, Sophie, hast gekocht?" „Ja gewiß, sonst bekämen wir nichsts zu essen, denn Life, das Küchpnmädchen, muß auch das Hühnervieh und und das liebe Borstenvieh besorgen " „Wie klug und geschickt Du bist," sagte Inge auf- richtig, „ich möchte auch kochen lernen " Sie sah über den Tisch hinfort ins Leere- Ja, sie wollte kochen und wirtschaften lernen, wie sie alles an dere gelernt hatte — nichst nur um Mamas und Papas Willen, sondern auch für die eigene Wirtschaft- Ob Henrik das wohl möchte? Mit einem Male fühlte sie einen Stich im Herzen — es war doch etwas anderes um Henrik Tie Stühle schurrten auf dem schneeweiß gescheuer ten Fußboden — Frau Forstmeister hatte die Tafel aus- gehoben Im Familienzimnier brannte die Hängelampe über dem gemütlichen Cofaplatze, und Sophie eilte, den schönen Flügel aufzuklappen, der den größten Raum im Zimmer einnahm- In zwanglosen Gruppen stand man, sich Unter- haltend, umher. Herr von Tiorgerlvw rückte an dem Noten pult, das neben dem Flügel stanH dann nahm er eine Violine aus dem Lederetui, die außerdem noch sorglich in ein weiches Ceidentuch gehüllt war- Und während Sophie, am Flügel Platz nehmend, verständnisvoll die Töne anschlug, stimmte er das herrliche Instrument Tante Christine nahm ein grauwollenes, grobes Strick zeug zur Hand, und Inge bedauerte aufrichtig, keine Mrbeit mit heruntergebrarA zu haben- „Tante Christine, gib mir auch ein Strickzeug!" Verständnisvoll griff die Fsrstmeisterin in ihren gro- ßen Arbeitsvorb, der, auf Firmen ruhend, beständig neben Hrem Sojaplatze stand, und eme einfache Strickarbeit mit zwei dicken, langen Holznadeln hervorziehend, sagte sie: „Ta Inge, das kann man im Schlaf stricken, immer rechts, erste Masche abstecken- Das sind warme Schals für die Leute zur Winterszeit." Ta zogen schon die ersten Töne des Gounodschen „Ave Maria!" durch den stillen Raum Tiese Art Hausmusik gefiel Inge sehr, es gefiel ihr überhaupt so gut hier, wie sie es nie für möglich ge halten- Ohne sich eigentlich Har darüber geworden zu sein, fühlte ihr Gemüt die wohltuende Ruhe dieses Feier abends- - , , ! Feierabend — sie sagte im Geist das Wort langsam Vor sich hin- Sie kannte bei der Rastlosigkeit ihres "Lebens daheim kaum einen Feierabend, wo Geist und'Herz aus ruhen können. Ihre Feierabende mit ihren Festen und Zerstreuungen bedeuteten oft mehr eine Anstrengung- Tas Schjönste daran war das Zusammensein mit Henrik- Ta war er wieder, der jugendfrohe, schjöne Henrik, und sie erinnerte sich deutlich ihres Abschieds- „Ob sie ihm stets treu bleiben würdet Wie ernsthaft er das gefragt hatte- Und ihre ebenso ernste Gegenfrage: „Und Du mir, Henrik?" Nein — ein Zurück gab es hier nicht, mochten die Hin dernisse auch turmhoch vor ihnen stehen- Ihre Liebe mußte sie alle besiegen Tie Töne waren verhallt, der Forstmeister war, wie immer, wenn er Musik hörte, begeistert- „Und nun, Herr Assessor — liebe Sophie — mal noch etwas von Mozart. Sie wissen, es geht nichts über meinen Mozart" > Nach dem musikalischen Teile des Abends, für den zu morgen Inge ein Tuett mit Stophie versprach blieb man noch in angeregter Unterhaltung beieinander, bis plötzlich Konrad mit einer großen Laterne auftauchjde- Dabei machte er ein äußerst vergnügtes Gesicht und sang, den Ton des Torfnachstvächters nachahmend: „Hört Ihr Herrn und laßt Stichtagen, daß die Glock' hat elf geschlagen —" Tas war das Zeichen zum Aufbruch die jungen Herren begaben sich über die in tiefer Finsternis" liegende Torf straße nach dem gegenüberliegenden, zur Fvrstmeisterei gehörenden sogenannten „Jägerhaus", und auch Onkel und Tante zogen sich zurück, während Sophie ihren Flügel schstoß, die Noten fortlegte und dann, ihren Arm um Inge legend, sagte: „Nun, komm, Herzens-Inge, Tu wirst müde sein " Fortsetzung folgt. Herbstmorge». Herbstmorgen hat die Flur geweckt; Sie regt sich nicht; die Nacht war hart- Purpurne Blättchjen, überdeckt Mit Perlen, sind noch ganz erstarrt- Cin blauer Tust Hüllt alles ein; still ist die Luft- Brombeer greift rankend übers Feld; Tes Wandrers Fuß erschrickt vor ihr; Raubvogelschxei mitunter gellt Von fernher aus dem Waldrevier- Und wieder bald Wird alles still, kein Laut erschallt- Auf einmal, einem Schatten gleicht's. Taucht aus dem Nebel das Gespann Tes Pflügers auf, und langsam steigt'S j Gemessenen Schritts am Berg hinan. Und wendet um, Im Tust verblassend wiederum- O Korn, nun bald'weich -ugedeckt. Ruh, sanft, schjön ist dein Bett gemacht- Bis dich, die Frühlingssonn' erweckt. Bis dahin ist manch lange Nacht- Wer wird einst sehn Tas Aehrenfeld in Wogen gehn? ? I. Tr. Dank und Verlag von Lang« t Winterlich, Riesa. — Hidr di» Redaktton verantwortlich Herman« Schmidt, Riesa. » ü 0 v Erzähler an der Elbe. velletr. Gratisbeilage za» „Riesaer Tageblatt". Rr. 4». Die gnädige Fra«. Erzählung von A. Burg. Nachdruck verboten. I. Es war den ganzen Tag sehr heiß gewesen- Nun aber begannen die Schotten des Sommer-Spätnachmittags sich auf Wald und Feld zu senken- — Still und einsam lag, zehn Minuten vom nächsten Tiorfe entfernt, der kleine Bahnhof in all dem tiefen Sommierfrieden- Mauch? mal ging es wie ein zitternder Don durch die Tele graphendrähte — dann wieder vollständige lautlose Ruhe- Ter Bahnhofsvorsteher und sein Helfer hatten sich in das Stationsbureau zurückgezogen, der Verwalter der sehr wenig besuchten Bahnhofswirtschaft hielt seinen Nach? mittagsschslaf, der stets? zwischen zwei „fälligen Zügen" ihn erquickte, nämlich dem um 1 Uhr 52 Min- mittags und dem, der nun in 15 Minuten, von der Reichjshaupt- stadt kommend, Heldorf berühren müßte- Noch hatte er das Läutewerk des Telegraphen nicht anschlagen hören, ein Don, der ihn bestimmt und sicher weckte, gerade zur rechjden Zeit, um noch einmal mit dem Staubtuch "über die schönen, bunten Wein- und Likörflaschen des Büfetts'zu fahren und zudringliche Flie gen von der großen Glasglocke zu schjeuch^n, unter der einige „belegte Butterbrote" zu sehen waren- Ein an derer Ton riß jetzt den dicken Wirt aus seinen Träumen, die ihm gerade wieder den Besitz einer großen Bahnhofs wirtschaft an einem recht lebhaften Kreuzungspunkte mehrerer Bahnlinien borgegaukelt hatten, das Rollen von Rädern auf dem holprigen Steindjamnt, der sich auf der Rückseite des Bahnhofsgebäudes hinzog- „Wer kommt denn da?" fragte auch unten der Stationsvorsteher und setzte eilfertig die rode Mütze auf- « Ter junge Gehülfe hatte schjon hinausgelugt- „Forstmeisters," sagte er lakonisch „Mit zwei Wagen?"! wunderte sich droben der Wirb Ter erste Wagen war indessen vorgefahren, ein schstnes, mehr solides als elegantes Gefährt, von einem einfach livrierten Kutscher' geführt, der grüßend an den Zylinder griff, als die stattliche Gestalt des graübär- tigen Forstmeisters den Wagen verließ- Ter zweite kleine Leiterwagen war offenbar zur Be förderung von Gepäck bestimmt, aus dem! von Säcken ge bildeten primitiven Bock saß ein Forstlehrling in seiner grünen Uniform- Uniform trug auch der hochgewachsene Forstmeister, den der am Schjubfenster der Verkaufsstelle amtierende Beamte nach seinen Wünschen fragte- „Eine Bahnsteigkarte!" forderte der Angekommene und betrat, nächstem das Faktotum des Bahnhofs, der Güterexpedient, Portier und Gepäckträger in einer Per son war, die Karte durchlocht hatte, hinaus auf den Bahnsteig, wo der Vorsteher soeben den Befehl gab, das Einfahrtssignal zu geben- , Tie Herren grüßten sich militärisch und der Vorsteher fragte: „Wollen Sie ein bißchjen reisen, Herr Forst meister?" s - „Nein, nein, mein lieber Herr Vorsteher, das nicht, ich hole mir mal wieder lieben Hausbesuch ab- Sie wissen, mein grüner Wald lockt im Sammler die Grvßstadt- menschstn." , s j > - . t l 2S. Jahr,. „Ta kommt er schon," meinte der Beamte, und ivies mit der Hand auf eine kleine, ganz feine Rauchwolke, die anscheinend sehr fern noch bei einer Biegung des endlos sich ausdehnenden Schienenweges erschien- Nichjt zwei Minuten noch und keuchnd und pustend rollte der lange Zug vor den kleine^ Bahnsteig- Einige Landleute, die vom Schpveincmarkt aus der nächsten Stadt kamen, einige Frauen, die dort Einkäufe gemach hatten, entstiegen der vierten Wagenklasse, während aus einem Damenabteil der zweiten ein zartes Mädchnantlitz er- wartungsvoll hiuausschjautc- Auf diesen Abteil ging der Forstmeister zu, um, nach dem eine ganze Menge kleinerer Gepäckstücke ihm über reicht und von ihm an den Gepäckträger weiter gegeben waren, einer schlanken, jungen, eleganten Tame beim Aussteigen behülslichj zu sein- . „Willkommen, liebes Kind," sagte der alte Herr, in dem er die zarte Hand kräftig drückte- „Tu mußt mit meiner Abholung fürlieb nehmen, die Tante und Sophie, die mich begleiten wollten, haben soeben durch Besuch aus der Nachstarschaft Abhaltung bekommen-" „Mama und Papa lassen vielmals grüßen, lieber Onkel," sagte das junge Mädchn und sah etwas schüch tern zu dem imposanten Forstmann auf, der der Bruder ihrer Mutter war. „Ich hoffe. Tu wirst Dich bei uns Wohl suhlen, liebe Inge, obgleich es gegen Tein Vaterhaus und gegen Ber lin nur still und einsam ist bei uns- Ta Tu Dich über er- holen und kräftigen sollst, so wird Ruhe und Stille Dir gewiß wohltun. Ich hab's meiner geliebten Schwester ver sprochen, daß Tu Tich wohl fühlen sollst- Was an uns liegt, werden wir dazu tun." ! Inge antwortete nichjt, der Onkel hatte eine so be stimmte Art und Weise, wie sie sie kaunt kannte, wie sie z. B. der Vater ihr oder der Mutter gegenüber nie in Anwendung brachste. Sie musterte die stolze Gestalt in der kleidsamen grünen Uniform ihr zur Seite- Tas Gesicht des Onkels gefiel ihr, trotzdem ein Zug von eiserner Energie und unbeugsamem Willen darauf lag, aber in den klugen, blaugrauen Augen las sie viel, viel Herzensgüte- Sie waren an den Wagen getreten- ,Bitte, Inge. — steige ein," sagte der alte Herr mit einem Anflug von Ritterlichkeit, und er folgte, als sie Platz genommen hatte, fast mit' jugendlicher Gewandtheit- Der Kutscher hatte die kleinen Gepäckstücke neben sich untergebrachst, und Inge sah sich nach ihrem großen Koffer um- i s „Ten bringt Fritz, der Forstlehrling," beantwortete der Onkel die stumme Frage, und „Vorwärts, Balzer," mahnte er. ! ; s ! Tie schönen Braunen griffen aus, und im Nu lagen Bahnhof und Steindamm hinter ihnen; nicht weit von der Station bogen sie in eine wohlgehaltcne Chaussee ein, die zunächst durch Felder und Wiesen, dann durch herrlichen Wald führte, der in reizvoller Mischjung Nadel- und Laub holz aufwies. , > l Hin und wieder tauchste in der Nähe oder Ferne ein Torf, ein Gehöft, ein stattlicher Gutshof auf- Jnge schjaut« stumm rmt M , , - j Riesa, deu 6. Oktober ISO«.