Suche löschen...
Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192704222
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19270422
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19270422
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-04
- Tag 1927-04-22
-
Monat
1927-04
-
Jahr
1927
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1927
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
H.Silj ü kl. VMir st. «»Mit. Herr Reich-Minister a. D. Dr. Külz bat in seiner Eigen- schait al- Bvrfltzenber der D. D. P. Herrn Minister ». D. Professor Dr. Sevfert zn dessen 85. Geburtstag solsende» Schreiben »ngrhen lassen: Lehr verehrter Herr Ltaat-mintster! AI» Vorsitzenden der Landespartei Sachs«« der Deut schen Demokratischen Partei ist es mir gern empfundene Pflicht nnd herzliches Bedürfnis, den aufrichtigen Wünsche» Ausdruck zu geben, die wir alle an Ihrem 88. Ge- »urtStag für unseren in Arbeit und Kampf bewährte»« Freund und Führer empfinden. Wo auch immer Sic im politischen Leben dr» Reiche» und des Landes gewirkt haben, ob in der Nationalversamm lung oder im sächsischen Parlament, ob al» Minister oder al» Fraktionsführer, ob im ParteianSschub des Reiche oder als Mitvorsitzender der Landespartei — überall haben wir das gleiche Bild Ihrer seltenen Persönlichkeit vor un gehabt, in der unwandelbare Pslichttreue und höchste sitt liche Auslassung von Leben, Amt nnd öffentlichem Wirke»», Schlichtheit und Vornehmheit des Charakters und klare Entschiedenheit im Verfolgen des für richtig Erkannten, starker Drang zn gesundem Fortschritt und warme Liebe zn Volk und Vaterland sich zn einer Harmonie vereinigten, wie wir sie in unserer harten Zeit nnr so selten im staat lichen nnd politischen Leben unseres Volkes finden. Wenn ich auch weist, dast Sic Ihre Arbeit nicmal» «m de» erhofften Dankes und Lohnes «Villen getan haben, son dern aus jenem tiefe«« und starken Drang znm Helfen — Wollen, der das Kennzeichen jedes wahren Politikers ist, so dnrsen Sie doch die Gcwitzhcit haben, dast Ihr unermüd liches Wirke» reiche Früchte getragen hat und weiter trage« wird. Mit unserem aufrichtigen Danke verbindet sich der herz liche Wunsch, dast wir Sie noch lange unter -en führenden Persönlichkeiten unseres öffentliche«, Leben» und unserer Partei sehen mögen. Heller nnd warmer Sonnenschein möge sich über Ihren Lcbcnspsad in Amt und Kamili« breiten. Mit den herzlichsten GeburtSkagSwünschen nnd -Grüben Lin ich in dankbarer Verehrung Ihr Dr. Külz. Birrmitt-Prozes;. «s Vcrlin, 21. April. In der heutigen Verhandlung VeS Varmat-ProzcsscS, in der nochmals die Zeugen von der Girozentrale und vom Rcichopostministcriilm vernommen wurden, erklärte der Zeuge Direktor Müller: Bei den ver schiedenen Zusammenkünften im Restaurant Borchardt ver suchte Barmnt immer die Zeche zn bezahlen. Wir lehnten das ab. Varmat hat dann hin^r unserem Nucken bezahlt. Wir haben aber das Geld später cingcschickt. Direktor Gehrke bestätigt diese Aussagen. Während der Aussagen des Zeugen versuchte Henri» Varmat wiederholt zn Wort zn kommen nnd wird vom Bor» üstenden energisch znr Ordnnnq gernsen. Als der Vor sitzende dem Angeklagten das Wort erteilt, rnst dieser: „DaS ist alle? unwahr." Der Angeklagte Lange Hegcrmann be stätigt demgegenüber die Aussagen dcS Zcngcn. — Der Vorsibcnde erklärt cS für unerhört, dast Barmat zwei Zen gen. die unter Eid stehen, einer falschen Aussage verdächtigt. — Als der Angeklagte Hcnrn Barmat sich gegen den Vor- I« Normende i^gr; M-MM fick gor nicht» »« verwichren, sie hab«« sich *«r anständig »metzmm, «»rauf Varmat da»wische«ruse«d erveut »rot«- viert. VM«i-vltzstttzii-Prsretz. L«lpl»la. fFnnkspruch.j 8« Begin« de» heutige« S. ver- bandlung-tage» im Wiktng-Qlmnpia-Prozest teilt Recht», anwalt Dr. Sack mit, daß er Kapitän Ehrhardt a« Gericht»» stelle geladen »ade. Sodann wirb in der Verhandlung fort- gefabren. Während d«r weiteren Verhandlung erfchte»» Kapitän a. D. Ehrhardt 1» »aal. Ili. Mil« iHlMlltbjfnM lll M. In dem Ostertagen fand in Köln der 18. Deutsche Esperanto.Kongress, verbunden mit der Jahres hauptversammlung des Deutschen Esperan to-Bun des statt. Er stand hauptsächlich unter der Devise: „Esperanto nnd die Schule", nnd auf die ses Thema war auch das 140 Seite» starke Kongrestbuch eingestellt, das den Teilnehmern als wertvolles Kongreß dokument überreicht wurde. Den Austakt zum Kongreß bildeten zwei Lehrproben, die von Rektor Simon-Köln nnd Lehrer Degen-Leipzig nnt einer nichtesperantokundigcn Kölner Schulklasse abge- halten wurden. Als Vertreter der Kölner Schulbehörde nahmen die Schulräte Schuh und Lons an dieser er folgreichen Veranstaltung teil. Der Samstag abend vervimgts die Kongreßteilneh mer zu einer zwanglosen Begrüßung »n der „Wolken burg". Gesangsvorträge ,n Esperanto, dargeboten von einer blinden Konzertsänger,n und nnt echt kölschem Humor gewürzte Vorträge eines Kölner Voi-stmrdsmttglic- des hielten d,c Teilnehmer bis nach Mtteruacht zu- saimnen. Ain Ostersonntag fand in der Wollenburg die feierliche Eröffnung des Kongresses statt. An der überaus gilt besuchte,, Versammlung nahmen auch Vertreter der Landes- und städtischen Behörden teil, u., a. RegiermngSrat Holderschnndt als Vertreter de» Regie-, rungspräsidenten, Polizeipräsident Baukuecht und Postrati Tesch von der Oberpostdirektton Köln, die die Dcrsamm«. lnng iin Namen ihrer Behörde mit anerkennenden Wort«« über Esperanto und seinen Nutzen begrüßten. Ferner waren auch mehrere Vertreter ausländischer Esperanto- Organisationen anwesend, die ihre Begrüßungsansprache in Esperanto hielten und dadurch den anwesenden Nicht esperantisten gleich eine praktische Hörprobe von der Esperautosprack>e gaben. Noch den Begrüßungsansprachen der verschiedenen deutschen Landes- und Gruppenbertrrtec gab der Bundesvorsitzende Dr. Kltemke-Berlin, ein kur zes anschauliches Bild von, Wesen des Esperanto, keiner leichten Erlernbarkeit, ermöglicht durch die überaus logische Graimnatik der Sprache, und über deren Verwendungs möglichkeit. Besonders wies er darauf hin, daß Esperanto das notwendige Berständlgungsmittel für den erstrebten und wahrscheinlich auch tominonden europäischen Staa ten bund werden müsse. Ostertages ^anden »rve» Arb«,tss1bung«n statt. Sie b" schäfttgten s»ch hauptsächlich mit inner« Bundesangelegen, beiten und Propagandamöglichketten und verliefen ,« «utzerst harmoMer Weis^ Aus dem qkeschäftSbericht de« Bund^aeschäftllfSht«» Gchwarz-Berttn^ng hervor, daß der.Bund int vergangenen Geschäftsjahre auf alle« »ustäichigen Geb^en gut gearbeitet hat. Die Vermögens. Verhältnisse de» Bundes find befriedigend, fein Mitgln- derzuwachs ist zwar in Anbetracht der ungünstigen wirt schaftlichen Verhältnisse nicht erheblich, aber doch ganz erfreulich. Für das laufende Geschäftsjahr bestehen d», besten Hoffnungen zu einer weite«» günstigen Entwick- lung des Bundes. Al» Kongretzort für 1928 wurde ein stimmig Potsdam getvählt, dessen Oberbürgermeister du, Einladung durch einen besonder» entsandten Vertreter anSsprechen lick. Folgende Vorträge wurden außerdem gehalten» „Esperanto und die Volkshochschule" von Prof. Schulze- Elberfeld, „Esperanto-Ferienheime" von Herrn Funken. Koblenz, „Die Ernährung iin Pftanzenleben" von Prof. Läufer-Mainz. „Esperanto und Katholizismus" von Kap. lan Wachowski. Am Dienstag machten zahlreiche Kongreßteilnehmer einen gemeiuschastlichen, wohlgelungenen Ausflug in das Siebengebirge. Die Kölner Tagung hat wiederum bewiesen, dast Esperanto lebt und nicht vom Wege zu seinen» vollen Siege abwcicht. MW« lck fnij'Mc» SiziÄnItt-M. X Lyon. Der sozialistisch« Kongreß hat gestern nach! keine Arbeiten beendet. Er bat hinsichtlich der allgemeinen «ntwastnnng eine Entschlieft»«« angenommen, in der die Delegierten der französischen Sozialisten aufgesordert wer den, folgenden Standpunkt zu vertreten: . , Die fatalistische Arbeiterinternationale lenkt die Auf merksamkeit der Arbeiterklasse und der Decnokratie auf di« Berscdlevvuua und di« berechneten Verzögerungen, die durch die Schuld der Regierungen in der Erörterung über di« MMunaSbeschrankuugen sich geltend gemacht haben. Die ^Rsiftunasbeschranknna ist al« erste Etappe einer ernstlichen t,»»d allgemeinen Abrüstung anzufehen, die notwendiger- eMtse der Entwaffnung Deutschlands, wie sie im Friedens- vtrbrag vorgesehen ist, folgen muß. Diese Abrüstung muß sich auf alle RMungSkategorien erstrecken, sowie auf all« chemische« oder sonstigen Kampfmittel, und zwar muß eine Regelung eher unter der Autorität des Völkerbundes und Lurch Förderung der Beschlüsse des Völkerbundes getroffen »verden att durch Sondrrabkommen zwischen den Regierun gen. EssM nötig, auf die Regierungen einen Druck auSzu- ubeu, die von den Parlamenten bereits vorgesehenen 7!lb- rüstungsmaßnahmen zu ratifizieren. Zu diesem Zweck wird «ine kräftige Kampagne angeregt. Die Frag«, ob Paul Boneour Delegierter bei»» Völker- bu»»d bleiben kann, ist voin Kongreß dem ständigen Ver- waltungSauSschuß zur Erledigung überwiesen worden, da sie bekanntlich auf dem Programm des nächsten internatio nalen Sozialiftenkonkreffes steht, wo sie eine allgemeine Regelung finden soll. vielen, vielen Weihnachtskerzen, die hienieden ans" zahllosen Fenstern in die weiße Nacht strahlten und ein Heer blitzen der Funken in ihr weckten, machten sie schier erbleichen. Ja, selbst das blanke Mondschiffchen, da» würdevoll in ruhiger Helle seine Bahn zog in dem stolzen Bewußtsein, zu dieser gleißenden Schncepracht zn gehören, wie die goldene Sonne in den blauen Lenztag, spielte gegen wärtig doch nur eine Nebenrolle. Aller Augen suchten die Weihnachtsllchter. Es nmßte schon ein heimatloser Wanderer, oder sonst ein einsamer, familienfremder Mensch sein, der heut den Blick erdenab- märts kehrte und aus fernen Himmelsleuchten Trost und Freude schöpfte. Nun, Dollrad stand mit beiden Füßen auf dem Boden, der versprach, ihm Heimaterde zu werden, und so schaute er über seine nächste Umwelt kaum hinaus. Er freute sich an der lichtbeglänzten Schneehelle der Straßen, dem funkelnden Tannenglanz hinter den Fenstern, und wie er dabei die frischkalte Luft einatmete und den festen Schnee unter seinen raschen Füßen knirschen hörte, wich die selt same Beklemmung, die sich ihm vorhin aufs Herz gelegt und ihm ward fast froh zu Sinne. Sich der vornehmen Blücherstraße nähernd, ließ er da» Stadtgetriebe völlig fhinter sich und kam nun in ein« fast ländliche Einsamkeit, wo die weißen Villen still in ihren weiten verschneiten Gärten standen und hinter Iherabge- lassenen Jalousien nur ein diskreter Schimmer elektrischen Lichtes in die Nacht hinausglitt. Hier kam die bleiche Mondleuchte mehr zu ihrem Recht. Don ungefähr sah Dollrad hinauf, nicht sehnsüchtig oder unruhvoll, nein, er lachte vergnügt in das bald volle Nund des geheimnisvollen kalten Lichtkreises, denn er dachte: »Das gibt klingenden Frost — prächtige Schlittenfahrt. Ob ich die ganz« kleine Bande mal morgen hinausfahr« in dies herrliche Winterprangen?" Und er straffte den jungen Körper, dehnte sich, ob er wohl noch die frühere Geschmeidigkeit spüre. „Zwei freie Tage, ha, die will ichnutzen. Einen halben Winter auf dem Kontorstuhl festgesessen. Das Leben hat's nicht gekostet, o nein, aber die Steifheit in den Knochen, die muß wieder raus." Er winkte heiter dem Men Licht zu: „Schaffe nur Frost, du kaltes Blaßgesicht, starrenden Frost." Wenig später hatte er diesen Weihnachtswunsch völlig vergessen. Da stand er in einem hohen weiten Saal, wo ihn «ine blendende Lichtflut, wohlige Wellen von Wärme und köstlichen Blumendüften umschmeichelten, stand vor einer hohen Frauengestalt im weißen schleppenden Gewand, au» dein ein Leuchten und Gleißen brach, da* alle» Flammen und Glänzen umher beschämte. Er neigte sich tief vor dieser königlichen Fe« Und staunte bei sich: „Daß es so wunderschön« Frauen uicht nur im Bilde gibt. Solche sah ich nie." An diese schöne junge Frau, dl» ihn «nsi stmmdlkcher Ruhe bewillkommnete, dränst» sich jetzt «tt lebhaftem Ungestüm ein Bübchen in schwarzer Sammetbluse, aus deren breiten Spitzenkragen sich dunkle seidige Locken ringelten. Dies entdeckende Kind, der schönen Mutter völliges Ebenbild, «sich in seinem kostbaren kleidsamen Anzug einem Edelknaben de» Mittelalter». „Als wäre er aus einem Bandykschen Fllrstenbild herausgeschnitten," dachte Brurad. Run merkte er auch, daß er sich dennoch verspätet hatte, denn der Junge hatte bereits die Arm, voller Spielsachen, um derentwillen rr eben die Mutter mit irgendwelchem Anliegen vedeänate, und eine hastige Umschau belehrte ihn, daß er inmitten weihnachtlicher Strahlenhesie stand. Er stammelte «tyeEyHauckdlgcmo. da» der La «Wertteil, witllger Lat. Ich hatte da« gute Glück, in einer liebens würdigen Familie Unterkunft zu finden, in der — — —" „Mein Himmel, Klüoen, sind Sie « denn leibhaftig ? Wie kommen Eie bloß hierher? Keine Ahnung, daß Sie de» Meinen bekannt find." Hinter einer der beiden am Boden stehenden Liese» tannen kam ein junger Mann mit lebhaft oorgestreckter Hand auf Dollrad zu. Der legte nrcht minder üb«rascht Vie sein« hinein, zugleich aber trat ein Zug von Verlegen heit in fein eben »»och so freimütiges Gesicht, den» der da ! rat, dessen strenge Vilurmchken ost gefurchter wurve, wmrr« ! lächelnd ab: „Wir hätten ia gern gewartet; aber heut ist > der Junge Regent. Seine Ungeduld war nicht länger zu > zügeln." „Ich mochte khn überdies nicht allzulange anfdleiben lassen," schaltete die weiße Frau ein. „Eine Stunde über gewohnte Bettzeit ist ihm erlaubt, mehr würde schaden, j Er braucht viel Schlas, mein reizbarer Jung«. Aber nun j müssen Sie unsere Tannen sehen, Herr Klüsen, ich hab« ! sie selber geputzt. Wir sind ganz oo LwiU«. Möge es Ihnen bei uns gefallen. Es freut mich. Sie nun kenne» zu lernen." Sie sagte da» im Ton der gelassenen vornehmen Dame. Ddllrad hörte dennoch einen Hauch von Wohl wollen au« ihttw Aaren kühlen Stimme heraus. „Eie muß von meinem Vorleben unterrichtet sein, legt mir meine Fehl« nicht zur Last, bedauert nur Mer Mißgeschick," dacht« er. „Und meine schönen Sachen müssen Sie auch besehen, ich hab' furchtbar viel bekommen," rief Harald. Auch au» den großen dunkelblauen Lugen diese» verwöhnten Knaben sachte Kinderlust ihn cm. „Ob da» Herrn Klüsen interessiert?" Die junge Frau »ahm lächelnd ihr fchwarzlockiges Bübchen an die Hand und schritt mit leichten Füßen vor ihm her durch den weite« Saal. Da» lange Gewand gab ihr etwas Schwebende», »der den schönen Kopf trug sie hoch auf dem schlanken Hal». „Wie ein weißer Schwan gleitet sie dahin, welch eine stolze ruhige Grazie sie hat," dacht« Bollrad. Aber da» strahlende süße Knabengesicht entzückte ihn noch stärker. „Alle» muß ich sehen," lachte er ihm zu, „ich komme gerade von einer Kinderbescherung h«, die mir ebenfalls viel Spaß machte." «Und Sie so lange festhieü? Daun müssen Sie sich bereits recht eingelebt haben." Zella Brügge wandte mit ein« schnelleren Bewegung den brünetten Kopf zurück. In ihren mächtigen blau, dunklen Augen lag staunendes Fragen. „Ja," sagte « offen, „«« ist mir leichter gemacht und Wohler geworden, als ich erwarten konnte. Gnädige Frau kennen vielleicht meine Hamburger Vergangenheit?" Sie aickte kurz. Aber es lag Teilnahme in ihrem Ge sicht, der gegenüber durfte er aufrichtig sein. So sprach « ehrlich weiter: „Dann werden Sie auch begreifen, gnädige Frau, daß ich mit großer Unsicherheit, ja fast Furcht m da» neue Leben, die fremden Verhältnisse trat. E» ging dann freilich nicht über meine Kraft, dies Fügen in Zwang und Enge, daß ich ab« noch heut mit Kämpfe» und Zweifeln zu ringen habe —" „O, da» verstehe ich — ja, nur zu gut," fiel fi« rasch und leise ein. „Dennoch, Sie sind Sieger geblieben, da» muß Sie freüen." Leuchtend ruhten ihre großen Augen auf seinem Ge sicht. Er wurde fast verlegen. Für einen Held«« hatte er sich wirkvch noch nicht gehalten. ,< „Ihres Herra Gemahl» Hochherzigkeit, gnädigste Frau, hast mir manch« Schwierigkeit überwinden," «el bescheiden, „und auch von anderer Sette kam williger Lat. Ich hatte da« gute Glück, in einer >u finden, in d« — kein willkommener Mahner an eine Vergangenheit, die ver gessen sein mußte. Andererseits hatte er einige Vorliebe für den jungen Referendar von Rieger gehabt, den er in einem vornehmen Berliner Klub kennen und schätzen lernte. Denn ohne ein Duckmäuser oder Spielverderber zu sein, überschritt der Baron niemals eine gewisse Grenze, Diese Selbstbeherrschung des jungen flotten Juristen, der sicher in guten Verhältnissen lebte, oder er wäre nicht Mitglied des exklusiven Klubs gewesen, hatte Vollrad besonders im- paniert. Dennoch konnten ihm in seiner gegenwärtigen Lage die Berliner Reminiszenzen nichts weniger denn an genehm sein, «a diese unvermutete Begegnung war ihm geradezu peinlich. Aber die offensichtliche Wiedersehens freude de« ander» bekämpfte nachgerade seine nervöse Bestürzung, so Latz er schließlich die gelassene Antwort fand: „Jawohl, Baron, dir Wett ist wieder mal zu klein. Ich bin's und bin'» auch wieder nicht. Der Hamburger Klüven, den Sie kannten, ist nämlich lange tot und be graben, der jetzige ist als bescheidener Arbeiter auferstanden. Ob Sie den kennen wollen, steht dahin " „Keine Redensarten, Klüoen. Was Ihre mystischen Worte besagen wollen, verstehe ich nicht ganz. Sie müssen mir das spät« auf gut deutsch übersetzen, jedenfalls aber ist der neue Klüven, wie Sie sich tiefsinnig nennen, Gast meines Schwagers. Weshalb, um Himmels willen, sollte ich dem die Freundschaft aussagen? Uebrigens steht Ihnen di« neu« Haut ganz famos. Sie sehen womöglich noch frischer und schneidig« aus als „dunnemals". Und sollten Ihnen 'nen paar runde Nein« MMionen unterm Arm weg- gerutscht sein, die Balance scheinen Sie drum nicht ver- loren zu haben. Lrgo, Klüoen, ob in alter oder neuer Luflage, mir sind Sie der gleiche. Eie wissen doch, ich war immer ein bißchen verliebt in Sie. Riesig freut mich dies Wiedersehen. Meine paar Urlaubstage müssen Sie mit mir teilen, ich laß Sie gar »»icht los." Dollrad lachte. Nicht so harmlos und herzlich wie der Referendar, sondern ziemlich gezwungen. Er kam sich nun doch wie ein Kettenhund vor, den «in ungebundener zum freien Mitlauf animieren will. „Sehr liebenswürdig, Baron, nur muß ich bemerken, daß «nein Tag acht Arbeits stunden hat." § „Richt so rigoros, Klüven, km Lurnahmefall lassen fie stch mal kürzen," mischt« sich der Kommerzienrat jovial ein, denn « hatte die Erkennungsszene amüsiert beobachtet. „Ia, ich finde den besonderen Fall so nett, daß wir gleich mal drauf anstohen müssen. Dm Sekt trinken wir besser nach dem Essen, aber ein alt« Burgunder scheint nur ganz ««eignet, die alte Freundschaft zu begießen." < Der Wein wurde gebracht, der Kommerzienrat füllte eigenhändig die Gläser. Lollrad hätte ein Stoffel sein muffen, wenn «r vor so vebenswürdiger Güte in der herben Reserve geblieben wäre. Die feinen Kelche klangen geameinand«, die Feuergeister de* Wein» verjagten die finsteren Schemen dräuend« Rückereianisse. Rur die warme leuchtende Gegenwart der Stunde kam zum Recht. Die brachte wird« volle Lebenslieder, und fie wiegten Bollrad In ein« süße Vergessenheit fein« Sorgen, in einen Traum von Schönheit und Eleganz und Behagen, wie er ihn dereinst in selbstverständlicher Wirklichkeit gelebt und dann in entsagungsvoller Askese zu vergessen gestrebt. Ah, nun ihn wted« der Luxus ein« verfeinerten Lebensart umfloß, di« ihm ehemals Lebenslust gewesen, empfand er erst völlig, war er in diesen Monaten entbehrt, geduldet, und nun kam «ich er sich vor wie «in Held im Exil. Und wenn da» Glück dieser Stünden nur ein Rausch war, dem die grausamst« Ernüchterung folg« müßte, er genoß ihn gleichwohl mit allen Sinnen wie einen süßen, süßen Zauber, der eiveq kurrm. Rückblick gewährt m ein verlorenes
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)