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hatte. „Na, Kleine, nn laden Sie man ab," erinnerte sie der Kutscher. Sie machte sich eilig daran/ Hutschachtel, Reise tasche, ein elegantes KSsserchen und noch etliches Hand gepäck aus dem Wagen zu nehmen. Netter Julius, der beschäftigt gewesen war, die zudringliche Jugend zurück- -utreiben, kam jetzt herzu. „Cousinchen, Du wirst Dich doch nicht mit meinen Sachen beschweren," rief er, „das darf ich nicht -»geben!" dabei griff er nach der Tasche, die sie in Händen hielt. Dabei geschah eS, daß diese aufsprang und etliche Sachen herausfielen. Eine Schachtel mit Puder ent- ledigtc sich ihres Inhalts und gab Veranlassung zu ber geistreichen Bemerkung eines DorfschlingelS, der sich wieder heran gedrängt, „das seien Müllersleute, die haben ihr Mehl alleweile mitbrächt." Unwirsch fuhr der feine Stadtherr herum und schob die Gasser sehr energisch zurück. Kathi aber langte von der Erde ein fremde- Etwas auf, das sie noch nie gesehen hatte uno vorsichtig mit zwei Fingerspitzen an- stlßte, eS neugierig betrachtend. „Das nennt man eine Bartbinde," belehrte sie vom Bocke herunter der Kutscher. ' Das Mädchen hob das Gesicht zu ihm ernpor, eS sah aus wie ein großes Fragezeichen, sodaß der Mann laut auslachte. „Tas ist so ein Berschönerungsobjekt von dem geschniegelten Herrchen. Schieben Sie's nur geschwind wieder in die Tasche, sonst wird er gewiß wild, daß Sie eS entdeckt haben." Kathi tat, wie er sie hieß, ohne zu verstehen, was er eigentlich damit meinte. Tie Helle Stimm« der Tante ließ sich jetzt vernehmen. .Kutscher, fahren Sie unsere Sachen zum Gasthofe, wir werden da nächtigen." Frau Rosa trat aus der Tür- gefolgt von der Schwester, sie sagte nach der Reisetasche und beförderte sie wieder in den Wagen hinein. Kathi tat desgleichen mit den anderen Gegenständen, aber das geschah mit einem unmutigen Schwünge. „Gefällt es Dir denn nit bi uns?" fragte sie, und kampfbereit sahen die Braunaugen auf die Dante. Sie dachte daran, wie die Mutter und sie ihr Stübchen «nd die eigenen Betten für die Gäste hergegeben und sich auf Stroh in die Bodenkammer einquartiert hatten, und nun schien das denen nicht einmal gut genug zu sein. Sie sie so etwa- empörte und ärgerte! „Röschen vertragt nit, unter Federbette zu schlafe, und de Julius ok nit," begütigte Frau Amrum. Die Schwester aber sah mit auffallendem Wohl gefallen die hübsche Kathi an, und der Pjan, der sie hergetrieben, reiste immer mehr in ihr. - Sie klopfte ihr die Backen. „Ei, ei, so temperamentvoll, das steht unS aber ganz gut," meinte sie. „Nun beruhige Dich, Kind, mir gefällt- recht gut bei Euch, der gedeckte Tisch mit Deinem selbstgebackenen Kuchen sieht sehr einladend au», nur schlafen können wir nicht in dem kleinen Loche- dafür sind wir zu verwöhnt." Der Herr Bohn, der herangekommen war, erklärte lachend, „sehr verheißungsvoll für Nachtquartier sah da- Gasthaus auch uicht auS! Aber versuchen wir, was wir da kriegen können, das Cousinchen Hilst mir bei der Auswahl der Gemächer. Bitte einzusteigen!" Er hielt den geöffneten Wagenschlag in der Hand und verbeugte sich dabei mit komischer Feierlichkeit. Kathi war ganz verwirrt, sie blickte fragend zu Mutter und Tante hinüber. Die nickten ihr beide freundlich zu, und Frau Rosa drängte. „Geschwind, geschwind, macht, daß Ihr fortkommt, damit Ihr bald wieder hier seid. Ich habe Kaffeedurst!" Nun hüpste das Mädchen flink in den Wagen und gab sich harmlos dem Vergnügen hin, in der GlaS- gttsche durch LaS Dorf zu fahren. Sie war gan- reizend in ihrer »Michen Freude an dieser Fahrt und plauderte lustig mit dem Vetter, den sie rechts auf die stattliche Dorflinde aufmerksam machte und dann wieder links auf den schmucken Taubenschlag beiml-Schulzcn und die schöne Figur auf dem Brunnen. Der Vetter tat ihr denn auch den Gefallen, alles ausnehmend hübsch zu finden, im Grunde genommen dünkte ihm die ganze Geschichte sehr alltäglich, sogar häßlich; hübsch, und zwar ganz außerordentlich hübsch erschien ihm nur der junge Blondkopf an seiner Seite mit den strahlenden Rehaugen. Er dachte, haben wir dies Mädchen bei uns in Friedenau im Gastzimmer, so könnte sie uns haufenweise die Gäste heranziehen, ohne daß sie sich dabei anzustrengen brauchte. So wie sie ist, so frisch, so natürlich, so hübsch, das genügt schon, daß jeder gern kommt, um ein paar Worte mit ihr zu schwatzen! — Vor dem Gasthause zum Adler", wo morgen Kirmestanz war, hielt der Wagen. Der Vetter wollte ihr beim Aussteigen behülflich sein und hielt ihr die Hand hin. Das verstand sie aber nicht, sondern sprang, ohne den Tritt zu benutzen, aus dem Wagen. Äwas schüch tern folgte sie ihm dann in daS Gasthaus. Des Vetters herablassende Art, mit dem Wirte zu sprechen, sowie sein wiederholtes „Rücken Sie mit dem Besten heraus, was Sie haben," verfehlten nicht des Eindrucks auf Kathi, und sie fühlte sich außerordentlich gehoben, wenn Julius sich wiederholt bei dem Cousinchen Rat oder Zustimmung holte. Ersterer bestand bei ihr freilich nur in ein paar undeutlich gemurmelten Worten, letztere in einem stummen Nicken, doch beides schien dem liebenswürdigen Vetter völlig zu genügen. Die beiden Wohnzimmer des Adlerwirts, in die je ein Bett gesetzt werden sollte, waren zu Gnaden mit der Bemerkung angenommen worden: ,Ze nun, man ist eS anders gewohnt, aber man behilft sich für ein paar Nächte. Machen Sie nur alles zurecht!" Der Wirt versicherte, es würde alles auf das nobelste eingerichtet werden für den gnädigen Herrn und für die Dame. Tann ließ er eS sich nicht nehmen, den vor nehmen Gast zum Wagen zu geleiten- und riß dienst fertig den Schlag auf. „Bitte, das Cousinchen zuerst," sagte deren Be gleiter, als daS Mädchen ihm bescheiden den Vorrang lassen wollte. Rasch hüpste sie hinein, der Vetter folgte, und der Sdlerwirt mit dem Käppchen in der Hand machte seine schönsten Komplimente. Kathi meinte, so ehrerbietig habe sie ihn noch nie grüßen sehen, und der geschmeichelte Julius schmunzelte zu der Bemerkung. Tas Mädchen tvar so benommen von den Ein drücken der letzten halben Stunde, war so ganz, be schäftigt gewesen mit dem, waS um sie her vorging, daß sie übersehen hatte, wie eine hochgewachsene Ge stalt im Arbeitsanzuge seitwärts die Stufen zum Gast hause betrat, just in dem Augenblick, als der Vetter sie nötigte, einzusteigen. Hans Ruland war eS, der mit dem Wirte noch eine Verabredung wegen des Kirmestages treffen wollte. Er kam geradewegs von der Arbeit, be staubt und beschmutzt, und wie er nun so in seiner groben Drelljacke neben dem feinen Stadtherrn stand, wurde er sich deS Unterschiedes mit einer gewissen Bitterkeit be wußt und blickte finster auf den Wagen, der sich langsam in Bewegung fetzte. „Ter Strolch, der jetzt da mit dem Wirte spricht, wird von dem nicht so gut bedient werden wie unser einer," erklärte Herr Julius, der Ruland auf den Treppenstufen des Gasthauses bemerkt hatte und nach, lässig mit dem zurückgewandten Daumen auf ihn zeigte. Kathi steckte neugierig den Blondkopf auS dem Fenster, erkannte Hans, der trotz des Gesprächs mit dem Wirte den Wagen nicht aus den Augen gelassen hatte- und nickte und winkte ihm lebhaft zu. Tas versöhnte den jungen Burschen in etwaS, ärgerte aber ein klein wenig den Vetter, sodaß er, al- Kathi wieder Platz genommen hatte, spöttisch fragt«! Die vuchdruckerct von LsngerMuterlied (T. Langer und H. Schmidt) «icsK Goethestraßt Nr. SS hält sich zur Anfertigung nach stehender Drucksachen bet sauberer Ausführung und billigster Preis stellung besten» empfohlen. «Vis, «dreß- und GeschSstS- kartea BrteskSpfe, Brtefleiften Bestellzettel Broschüren. BilletS Deklarationen DanksaguogS» und EtnladuugSbriefe Einlaßkarte» Etiketten aller Art Fakturen, Flugblätter Formulare in dtv. Sorten Frachtbriefe Gebrauchsanweisungen Kremdenzettel Hans» und Fabrik, Ordnungen Geburtsanzeige« HochzettSetaladungen -Zeitungen und »Gedichte Saftenschilder Kostenanschläge Kataloge, Kontrakte Kontobücher Lohnlisten, «ahnbriese Mitteilungen. Menu- Musterbücher. Nota plakat« Programm« PreiSkurante Postkarten, Ouittuugea Rabattmarken Rechuauge» Speisen- «nd Weinkarten Statuten, Taozkarten Stimm-, Theater» «nd Sackzettel Visiten- «nv Verlobung-karten Wechsel, Serke * Zirkulare, Zcugnitz« re. re. re. Massenauflagen für Rotationsdruck. Messer Issedlsß — Amtsblatt — Fernsprechstelle Nr. 20. Telegramm-Adresse r Tageblatt Rt«sa. r,Jst der Mann da, in dem fragwürdigen Werkeltagskleid eine Bekanntschaft meines hübschen Cousinchens?" Diese Ergänzung der Bezeichnung „Strolch" genügte, unr des Mädchens Zorn zu wecken, sie wurde Feuer und Flamme. „Das ist mei beste Fründ, Hans Ruland, kein Strolch nich, sondern an akkurater Brucharbeiter," blitzte , sie ihn an, „Tn wirst es schun noch sehe, daß er ok gautes Tüg hätt und sich nit zu verstecke brukt." Ter Vetter sah sie ordentlich erstaunt an, das war ja ein kleiner Brausekopf, aber das störte ihn nicht, gerade dieser lodernde Eifer stand ihr allerliebst. Mochte doch der lange Kerl da ihr bester Freund, meinetwegen auch ihr Schatz sein, dachte er, das Vergnügen können die zwei ja haben, mich auch später zur Hochzeit ein laden. Jetzt gilt es nur, das hübsche Kind hier loszueisen, in das Gasthaus zu Friedenau zu' verpflanzen und mit Hilfe ihres niedlichen Lärvchens dort gute Geschäfte zu machen. Vorsichtig müßte man dabei zu Werke gehen, damit die Kleine nicht scheu würde und mitzubekommen wäre. Das fuhr ihm so durch den Sinn, als Kathi ihre derbe kleine Hand erhob und ihm drohte: „Gegen de Hans därfst nichts sage, fünften häst schnurstracks mit mi verdorbe!" „Nie, Cousinchen, nie!" versicherte er lachend. Miss nach der noch immer erhobenen Hand des Mädchens und — küßte sie. Kathi, aus das äußerste erschrocken, riß hastig ihre Hand aus der seinen. „Jemersch! So wat dut inan doch nit!" wehrte sie und rieb sich verlegen die Hand am Kleid, als wolle sie den Kuß wegwischen. Er lachte unbändig. „So was lut man wohl, Cousinchen, wenn man seine Hochachtung zeigen will und höflich ist. Komme nur erst mal in die Stadt, dann wirst Du ost sehen, wie die Herren da den -Damen die Hand küssen." Sie hatte etwas davon sagen wollen, daß sie weder eine Dame sei, noch daß sie in die Stadt käme, aber da sie durch vas heruntergelassene Fenster eben bemerkte, wie JochenS Albert neben der Glaskutsche herlies, da- zwischen Purzelbäume schlug und dann wieder sein buntes Taschentuch schwenkte, vergaß sie es darüber. Das war ein lustiger Spaß, Albert tat es doch nur, um sie zu amüsieren, dafür mußte sie durch fröh liches Ricken quittieren. Als er aber jetzt, die verwetterte Mütze schwenkend, rief: „Hurra! det Brutpaar!" wurve sie rot und böse. -Laß Lin dumme Schnack," rief sie heraus und zog mit einem Rucke das Fenster in die Höhe. Auch der Vetter fand kein Vergnügen an diesem Spaß und tat, als hätte er nichts gehört. Bald daraus vereinigte der Kaffeetisch im Häuschen der Witwe eine recht vergnügte Gesellschaft. Kathi hantierte geschickt umher, schenkte ein und forderte mit ihrem allerliebsten Lächeln zum Esten und Trinken aus. Frau Rose beobachtete sie unausgesetzt, lobte den trefflichen Kuchen, daS sauber gehaltene Häuschen, das wie ein Schmuckkästchen aussähe, und das liebe Kind, das flink wie ein Wiesel hin und her springe und die Augen überall habe, wo es etwas zu tun gäbe. Bei diesen Lobsprücheu verfehlte die Frau Restau rationsbesitzerin nicht, wiederholt einen verständnisvollen Blick mit ihrem Sohne zu wechseln. Schwester Jettchen war glücklich über diese rück haltlosen Lobeserhebungen, in die der Neffe in ver stärkter Tonart einstimmte. Das half ihr über den Kummer hinweg, daß Röschen durchaus jede Erinne rung an die bewußten Tassen und das Kännchen ver loren hatte und statt dessen nur gnädig meinte: >,Jch werde Euch mal ein modernes Kaffeeservice aus Berlin schicken, dies hier hat sich doch wohl überlebt." Kathi hatte bei diesen Worten der Tante ein klein wenig das Mäulchen verzogen, wie es ihre Art war, wenn ihr nicht paßte, was der andere sagte, unk Detter Julius hatte sich beeilt, zu versichern, er würde doch allen anderen Tassen seine jetzige vorziehen, denn auf all dem modernen Krimskrams stände doch nie „Aus Liebe", und so schöne Vergißmcinnichts gäbe es auch nicht daraus. Dis Schlußbemerlüng, das Cousinchen sei in. höchst eigener Person ein Vergißmeinnicht, ging bei ihr ick ein Ohr hinein und aus dem anderen hinaus, aber daß er die Tasse gelobt, das freute sie. So waren alle in bester Stimmung; eine Wald» Promenade folgte, und als der Vetter dabei eine Wasser mühle entdeckte, an die sich eine kleine Restauration anschloß, lud er die Damen dort zum Abendessen ein. Solch ein romantisches Plätzchen sei wie geschaffen, um dort im engen Kreise gemütlich ein gutes Abendbrot einzunchmen. Mit der Qualität dieser Magengenüsse haperte es freilich, trotz des vielsagenden Wunsches: es muß alles vom Besten sein; aber vie Großstädter wollten sich die Laune nicht verderben lassen und machten gute Miene dazu. Schwester Jettchen war glücklich über die Freund lichkeit ihres Röschens, und Kathi genoß dieses seltene Vergnügen, auswärts zu Abend zu essen, mit unge teilter Freude. Es war auch gar so wunderschön, hier unter der geschützten Veranda zu sitzen; die Lust war mild, und am Himmel stand der Mond, der sich in dem stillen Mühlteiche spiegelte, tvährend bei der Schleuse das Wasser schäumte und rauschte. Kathi sah ganz verträumt in das Dunkel des Waldes hinein, und dabei hörte sic auf merksam zu, was der Vetter erzählte. Lustige Geschichten waren es, und blendende Schilderungen von dem Leben und den Vergnügungen der Stadt. Einmal beugte er sich ganz nahe zu ihr und fragte: „Cousinchen, woran denkst Du?" Sie fuhr ordentlich zusammen, als er sie anredete, sah ihn groß, wie aus einem Traum erwachend, an und sagte dann langsam: „Es mutz doch ganz wunder, wunder- schin sin bi Luch!" „Versteht sich, Cousinchen, das ist es auch, und Tu mußt das alles kennen lernen," antlvortete er ihr- „ich gebe nicht Ruhe, Lis Du einmal zu uns kommst^ gefallen wird es Dir schon bei uns, da wette ich Kops und Kragen drum." Sie sagte nichts darauf, aber er hatte die Genug tuung, daß er ihre Augen hell auflenchten sah. Fortsetzung folgt. Japanische TateavrSache. Hm Wesen der Totenbestattung bleibt es entscheidend, welchem Elemente, der Erde oder dem Feuer, das Amt zufällt, den irdischen Resten des Verblichenen die ewige Ruhe zu schaffen. Da die Frage auch bei uns in Deutsch land gegenwärtig viel erörtert wird, mag es interessiercn, daß in dem der westlichen Kultur heute nächstsvehcnden Lande, in Japan, der Buddhismus die Leichenverbren nung eingeführt hat. Ter buddhistische Priester Tosho um 700 n. Chr. soll der erste gewesen sein, dessen Leiche ver brannt wurde. Bald folgte der japanische Hof dem Bei spiele: von 703—1644 sind die Leichen sämtlicher japa nischer Kaiser verbrannt worden. Die Folge war, daß die Leichenverbrennung auch im Volke üblich wurde, und heute, wo sie für den Hof abgeschafft ist, hat sie im Volle noch festen Boden. Wie Dr. E. Ohrt im letzten Hefte der Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasicns aussührt, sind in Japan die Totengebräuchc der zwei im Lande herrschenden Religionen, des Shin toismus und des Buddhismus, zu unterscheiden, doch herrscht der Buddhismus bei weitem vor. Seit dem 10. Jahrhundert bestehen infolge des Einflusses chinesischer Sitten Trauervorschristen; man muß sich nach dem Tode eines Verwandten von allen Geschäften fernhalten, eine Vorschrift, die an jüdische Gebräuche erinnert. Tie Sitte des Harakiri, des Selbstmordes eines Folgsmanns nach