Volltext Seite (XML)
1. Beilage zum „Riesaer Tageblatt N-tattonSdruck «bS«lag »« Langer ü Wlaterll» in Riesa. — Fiir di, RedaMo» r««tw»rt»chl Herman» Schmidt i« «les» Seaaabead, S1. Juli 190S, ebenes «2. Jatzrg. 17» O Lmil 88üler*s Xonllitorei vnä Käss G dRGGGG »HMGHGGd» H» Ecke Schlotz- a. Goelhestr. von bekannter Güte. der den auf- Ausschank: Solide Bedienung. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Die Hohenzollern mit dem deutschen Kaiser an Bord ist mit den Begleitschiffen gestern nachmittag kurz nach 4 Uhr in Odde etngetroffen. DaS Wetter war prachtvoll. Nach privaten aus London in Berlin eingegangenen Nachrichten soll König Eduard auf dem Rückweg von Marienbad den Weg über Berlin nehmen und Kaiser Wilhelm einen Besuch abstatte» wollen. Wie die „Köln. DolkSztg." berichtet, hat sich in der Sitzung der Aachener Handelskammer, in der mit allen gegen zwei Stimmen der Beitritt -um Hansa-Vund be schlossen wurde, Kommerzienrat Leo Bossen folgendermaßen geäußert: „Wenn die ZentrumSpartei, die mir lieb und wert ist, und der ich noch immer meine Unterstützung geliehen habe und auch leihen werde, wenn eS sich um religiöse Fragen handelt, sich mit den 2S»/,*/, der Be völkerung verbindet, um Handel und Industrie zu schädigen, dann halte ich e» für meine Pflicht, dem ent gegen zu arbeiten. Da» tun wir, indem wir dem Hansa- Vund bettrrten und dasür sorgen, daß er noch mehr vettretende bekommt.* Wie lt. „L. T. verlautet, wird in der deutschen Marin« wiederum der Dienstgrad der Steuermannsmaate einge- führt werden. Die Ausbildung wird folgende sein: Geeignet«, besonder» tüchtige Signalmaate sollen sofort nach ihrer Beförderung in den praktischen Steuermanns dienst etngeführt und zu diesem Behuf« zu dem bet jeder Ueberseedivision «tngeführten SteuermannSmaatlehrgaug kommandiert werden. Nach Absolvierung de» Lehrkursus von der Dauer eine» Jahre» müssen die Stgnalmaate sich einer Prüfung unterziehen, »ach deren Bestehung sie «in vordkommando von der Dauer von 3 Jahren erhalten. Nach dieser Jett erfolgt ihre Ernennung -um Steuer- mannSmaat. Diese Neuordnung tritt am 1. Oktober IVOS in Kraft, und zwar werden die Linienschiff« und Großen Kreuzer je einen Obersteuermann, «inen Obersteuermann»- maat und zwei SteuermannSmaate erhallen. In dem nächsten Marineetat werden zwei Obermatrosen und zwei Matrosen bet obenbezeichneten SchiffSgattungen gestrichen. Graf Zeppelin lud den Reichstag zur Besichtigung seine» Luftschiffe» in Friedrichshafen am 4. September ein. Einem Telegramm de« kaiserlichen Gouverneur» von Deutsch-Güdwestafrika zufolge sind nach mehrere», von Prospektoren gleichzeitig gemachten, vom DistriktSamt in Warmbad und vom Bezirksamt« in Lüderitzbucht als zuverlässig erklärten Meldungen nahe dem Gouchasstu- Revier, östlich vom Fischflusse Mal», im Bergwerksgebiete der South Afrtcan TerritorteS reichlich Diamanten gefunden worden. Ueber 1200 Felder sind schon belegt. Der Vertreter der South Afrtcan TerrttorieS hat dem DistriktSamte in Warmbad gut« halbkarätige Steine vor gezeigt. Die Kriegervereine haben jetzt zum ersten Male praktische Maßnahmen zur Vorbereitung ausgehobener junger Leute für den Militärdienst ergriffen. In Zabrze (Oberschlesten) wurde vom dortigen Krtegerverein ein regel rechter Unterricht für die angehenden Soldaten einge richtet. Für den Unterricht, der auf dem Hofe der Volks- schul« stattfindet, sind drei Abendstunden in der Woche bestimmt. Die Lehrer werden ehemalige Unteroffiziere sein, die ihre Zöglinge hauptsächlich in Schießübungen unterweisen werden. Natürlich werden diese Uebungen ganz in soldatischer Manier und in soldatischem Sinne vorgenommen werden, so daß der junge Mann hier eine gute Vorschule für da» Militär hat. Oesterreich. DTK. Die evangelische Bewegung geht auch in Steiermark weiter. Im Laufe der letzten drei Monate waren Uebertritte zu verzeichnen in Soeben, Donawitz, Bor- dernberg, Kntttelfeld, Zeltweg, Rottenmann, Bruck, Sem- riach, Peggau, Graz, Gggenberg und Wallendorf bet Graz, BoitSberg, Stainz, Leibnitz, RadkerSburg, St. Egidi, Mar burg, Pettau, Fresen bei Mahrenberg, Eillt und Rann. Auch zahlenmäßig erhalten sich die Uebertritte auf der Höhe der letzten Jahre, sodaß man die Nachrichten der ultra- Die Revolutionäre hätten eine provisorische Regierung eingesetzt. Der Geist der Meuterei unter den Truppen wachst, neun Soldaten wurden bereit» standrechtlich er- schossen. ! Der Minister de» Innern teilt aber mit: Di« Masse der Ausrührer, darunter die Häupter der Bewegung, wur- oen zwischen den Bvrstadtbezirken Clot und Sanmarlin von Kavallerie und Artillerie umzingelt. Nach verzwei feltem Kampfe und furchtbaren Verlusten ergaben sich die Aufrührer mit Massen. ' Stk»Kvff< ist gleichfalls in hellstem Ausruhr. Die Stadt ist ohne Ga» und ohne Wasser. Die Weiber stacheln ihre Männer und Brüder auf, aus di« Behörden und die Zivilgarde zu schießen, und kämpften selbst berzweifelt auf den Barrikaden, so daß ein blutiges Gefecht stjattfand. Mele Personen lSustden getötet. 8« de« »Lmtzse« i« Riffgebiet ist zu konstatieren, daß iüe Meldungen keinen Zweifel darüber lassen, daß die Spanier bis hinter die Wälle Melillas zurückgeworfen wurden. Tag und Nacht wur den die Soldaten von den todesmutigen Mauren in Atem gehalten und ermüdet. Ueber Lissabon hört man, daß die Kabylen am Mittwoch fast rn die Stadt Melilla eingedrungen wären, als plötzlich der Kreuzer „Nu- mancia" und das Kanonenboot „Puizon" vom Hafen aus das Feuer auf den -stürmenden Feind eröffneten. Nur das überraschende Eingreifen der Schiffe habe die Stadt gerettet. Ein amtlicher Bericht aus Melilla vom 29. Juli meldet aber: Nach den Angaben der Eingeborenen soll die Harka bei den Kämpfen am 27. Juli Hundert Tote und mehrere hundert Verwundete gehabt haben. Die Kä- bylcn sollen wieder in ihre Duars zurückgegangen sein. Der Platzkommandant von Alhucemas teilt mit, daß die Artillerie das Feuer gegen die Küste wieder eröffnete, da sich die Führer des Axdirstammes' wegen des gest rigen Angriffes nicht entschuldigten. Aus Melilla ein getroffene Israeliten behaupten, die Verluste der Mau ren seien so ungeheuer groß gewesen, daß sie die Toten zu Hunderten verbrennen mußten, iVil sie diese nicht beerdigten konnten. Die Lage i« Spanien erscheint noch nach wie vor recht düster. Nach einer De- I Pesch« au» San Sebastian sollen sich ähnliche blutige Ereignisse, wie sie sichln Barcelona abgespielt haben, in einer großen Anzahl spanischer StA>te in fast gleicher Weis« wiederholt haben, und es soll sich dabet heraus- geiwllt haben, daß die Regierung keineswegs unbedingt auf die Treue der Armee bauen kann. In der Haupt stadt selbst herrscht eine sehr schwüle Atmosphäre. Vor gestern kam es KL einem Ausbruch d«Ss Volksunwillens gegen Ken König. Große Massen versammelten sich vor den« Kriegsministerium und bewarfen das Gebäude mit Steinen, dann zogen sie vor den Königspalast und schrieen „Meder mit dem Krieg!". Auch des Königs Per son wurde verhöhnt. Unter dem Volke befanden sich viele Soldaten in Uniform. Die Polizei vermochte nicht die Menschenmassen zu vertreiben, die sich erst lange nach Anbruch der Nacht zerstreuten. Wohin die schwere innere Krisis führen wird, ist noch nicht zu sagen. Zuverlässige Nachrichten gehen in sehr beschränktem Maße ein, da die Zensur unverändert Meng gehandhabt und jede Nachricht, die einen schlech ten Eindruck auf das Publikum machen könnte, unter drückt wird. Die oben vermerkten Ereignisse in Madrid werden in einflußreichen Kreisen als Anzeichen einer starken Gefährdung der Dynastie angesehen. Schon vor zwei Monaten veröffentlichte die „Correspondencia d'Espana" einen Artikel, der nachweisen sollte, daß die Dynastie in Gefahr steh«, den Thron zu verlieren. Damals lachte man in Hofkreisen darüber. Stachvem der König aber bei seiner Ankunft in Madrid selbst von seinen Soldaten verhöhnt und beleidigt wor den ist ist die Gefahr nicht mehr abKrleugnen. Die Lage des Königs ish also eine äußerst schwierige. Gr sucht sie dadurch Kl mildern, daß er, wie gutinformierte Kreise meinen, das Parlament wieder einberufen will. Diese Handlung würde den endgültigen Sturz des Ministeriums Maura bedeuten, das dann Wohl einem Militär kabinett Weyler Platz machen müßte. Welche Wen dung nnn auch die Vorgänge nehmen werden — Spanien hat durch den Märokkokrieg und die Revolution großen Schaven im Innern und nach außen erlitten. AuS Barcelona bringt Ker „Morning Leader" eine Beschreibung Barrikadenkämpfe. Die Regierung hat überall in HauptMaßen Artillerie gegen die Revolutionäre fahren lassen, die ein entsetzliches Blutbad anrichtete. Trotzocm verteidigten die Aufrührer hartnäckig ihre Barrikaden und haben die Straßen mit den Leichen von Soldaten besät. Die telegraphische Verbindung zwi schen Barcelona und Madrid ist wieder hergestellt. Die Regierung gibt eine recht matte Schilderung der Ereig nisse in Barcelona und erklärt, sie habe Berichte er halten, daß die Führer der Revolution den Aufstand über ganz Spanien zu verbreiten suchten, der damit be ginnen solle, alle Truppenbewegungen zu verhindern. Zahlreiche Personen sind getötet und viele verhaftet worden. „Daily Mail" verzeichnet sogar das Gerücht, daß der Gouverneur von Barcelona ermordet worden sei. Die Nachtbuben. Erzählung aus dem Bregenzer Walde von F. Wichmann. S Nachdruck verboten. „Nichts geb' ich! heraus," schrie er, „keinen Baum, keine Wurzel, keinen Ast!" > „Das wird sich ausweisen! Grund und Boden da droben am Roßbühl gehören mir!" „Und mir der Wald, der darauf steht, denn meine Großeltern haben ihn gepflanzt!" Der Starzlhofer suchte mit Mühe seinen immer hef tiger werdenden Zorn zu unterdrücken. „Nazl," sagte er, und trat einen Schritt näher, „wir Haben dazumal bei Solfertno Seite an Seite im Kugel regen gestanden, sind immer gute Freunde und. Kame raden gewesen. Soll'S jetzt anders werden?" „Mit einem Räuber, der mir da» meine nehmen Will, hab' ich keine Kameradschaft, brauste der andere auf. Zitternd und erschreckt legte Candida die Hand auf seinen Arm. rFSatrr, laß' es nicht st weit kommen, vertragt Euch UM den Wald, Haß und Zwietracht bringen nur Unglück," Der Bauer stieß sie unsanft zurück, „Erst kommt da» Recht und dann die Liebel" grollte er , „Der Wald ist mein und keinen Stamm geb' ich Kerl" Auf SeS Starzlhofer» Stirn schwollen die blauen Adern des Zornes und unheilvoll flackerte es in seinen Apgen auf. Wie zwei Lcchfeinde standen die bisherigen Freund« einander gegenüber. ,F>a» Witt» sich vor Gericht zeigen, wer im Recht ist!" rstf der Starzlhosbauer, die Faust ballend. »Letzt geh' ich zu» Amtmann und fordere, wa» mein ist, ---- den BKund Md wa» drauf stehlt „Prozessieren willst?" rief der Hirschgrundbauer. „Ist mir auch rächt — freiwillig geb' ich nichts heraus und gezwungen auch nicht — denn das sag' ich Dir, Starzl hofer, wenn Du den Prozeß gewinnst, magst das steinige, öde Feld nehmen; einen Baum sollst nimmer drauf finden," Di« Bauern hatten sich um die beiden streitenden Männer gedrängt, und die letzten Worte riefen ein spöt- triumphierendes Lächeln der Bildegger hervor, die den Nachbarn hinter dem Hügel nicht allzu freundlich gesinnt waren. Dem Starzlhosbauer gönnte es ein jeder, wenn er den Kürzeren zog, und mancher Mochte glauben, wenn man die Flurbücher noch genauer revidiere, so würde viel Eigentum der Feuerbrucker in Wahrheit den Bildeggern gehören. Offenbar hätte der Hirschgrundbauer mit seiner Dro hung das Rechte getroffen, denn seinen einstigen Freund und jetzigen Gegner erstickte schier die Wut und mit wild erhobenen Armen, mit schäumenden Lippen stieß er müh sam die Worte hervor: „Hoho, das werden wir sehen!" Jetzt aber drängten sich auch die Feuerbrucker um den Starzlhofbauern zusammen, in dem sich ein jeder selbst beleidigt fühlte. Was, wenn einer der ihren sein gutes Recht verlangte, wollte man es ihm höhnisch ver weigern? DaS forderte Genugtnung, und die Nachtbuben würden eS den Burschen von Bildegg schon eintränken, daß man sich nicht auf der Nase herumtanzen ließ. Aus dem laute» und erregten Geschrei, da» den Starzlhofer umtobt«, klangen nur einzelne Stimmen deutlich heraus: „DaS dürft Ihr Euch nicht gefallen lassen, Starzl hofer!" » „Eure Sache ist auch die lmsere!" „Habt Ihr gesehen, wie die hochmütige Dirn' auf ihren Vater «inspricht und ihn noch mehr aufhetzt?" „Jetzt soll das Gericht entscheiden, ob er den Wald herauSgibt kü>er nicht!" „Die Gendarmen we-ben eS ihm schon zeigen !" „Gleich müßt Ihr zum Amtmann gehen!" „Ja, Vater, zum Amtmann,ich gehe mit Dir!" Dominik, der plötzlich, von einer Schar junger Bur schen umgeben, vom Wirtshaus herüber auf den Kirch--, platz gekommen war, trat an die Seite des Starzlhofers, ergriff ihn beim Arm« und zog ihn fort, während der Hirschgrundbauer mit seiner Tochter eben am Ende der. Dorfgasse verschwand, — nicht vhne noch einen schmerz lichen Blick aus des schönen Mädchens Augen aus die wilde Schar, als dessen Mittelpunkt sie nur zu wohl den einen erkannte, den ihr Blick unter Tausenden herausgefunden hätte, --- den einen: Hn — Dominik, 3 Im „Adler" zu Feuerbruck hätten sich am gleichen Abend die Nachtbuben zu einem ihrer ausgelassenen Ge lage, die weder die Klagen der Mütter, noch die Entrüstung der ehrbaren Alten verhindern konnten, in staatlicher An zahl znsammengesunden. Aus alter Zeit her hatte sich der Name und das wilde Treiben der Nachtbuben erhalten, und gegen solche Ver mächtnisse der Vergangenheit sind all« sittlichen Macht» machtlos. Die alte, freie Verfassung des Landes, ähnlich der in der benachbarten Schweiz, hatte bis in den Anfang dieses Jahrhunderts das Volk seinen Landamtmann selbst, wählen lassen und an den feierlichen Akt schlossen sich je- de-mal große Lustbarkeiten auf dem Hügel Ker Bezegg, wo. der Ratssaal stand und die Wahl unter freiem Himmel stattfand, die mit Tanzt Trinkgelagen, Schmausereien unds allerlei Kurzweil meist ein paar Wochen dauerten. Auch blutig« Raufereien ereigneten sich dabei, denn das kraft volle Bergvolk mußte sich austoben, und wo eS einen Spmi zwischen dem einen und dem anderen Dorf« auszugleichen! gab, nahm man hierfür ebenfalls diese festliche Gesegy» heit wahr. /