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Riesaer G Tageblatt und Anzeiger Metlall Ml-Ayti-n). Tclegramm-Adrelle O l! I* Femsprcchstckl« .Lageblatt', Rlesa. H-N V U-H> H. Nr. SV der Königs. Amtshauptmannschaft Großenhain, des Königl. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa. 1S4. Freitag, 6. Juli 1894, AveaSS. 47. Jahr,. Da» Riemer LagebLali cncheiui ,«>«" Ta, Albend» nm Ausnahme »er Lonn- uns Festtage. Bteneljährlicher vrz«,»preis bei Abholung in den Expeditionen in Riesa und Strehla, den Ausgabestelle», sowie am Schalter der kauert. Postanstalten l Mart 25 Ps., durch die Träger frei ins HauS I Mark 50 Ps-, durch den BriestMtzer frei in» HauS 1 Mart 65 Pf. Aazri,e»<A»»ah»e fär die Ruaum« deS Ausgabetages bis Bormittag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kastanienstraß« 59. — Für die Redactton verantwortlich: Her». Schmidt in Riesa. Bekanntmachung. Diejenigen Personen, welche noch im laufenden Jahre Anschluß an das Fernsprechnetz zu erhalten wünschen, werden ersucht, ihre Anmeldungen recht bald, späteste«- aber biS -UM 1 August zu bewirken. Anmeldungen nimmt daS Kaiserliche Postamt in Riesa entgegen. Spätere Anmeldungen könne« erst «ach dem 1 April 18VS Berikö- pchttgung finden. Dresden, 30. Juni 1894. Der Kaiserliche Ober-Postdirector. Halte. * Rds. TageSgeschicht«. Der eigenartige Berliner Brief der „P. C ", den wir gestern mittheilten, ist nicht nur uns ausgefallen. Auch die „National-Ztg." schreibt: „Wir hoffen im Interesse der Re. gierung, daß diese eigenthümliche Leistung mcht offiziöser Na. tur ist, obgleich sie sich ausdrücklich auf die angebliche Ansicht des Reichskanzlers beruft. Selbst so weit bei dem Verlan gen nach einem Einschreiten gegen den Anarchismus zunächst kein brauchbarer Borschlag gemacht wird, darf dasselbe nicht auf die gleiche Linie mit den Ausbrüchen der französischen Volkswuth gegen die Italiener gestellt werden; es ist unter Umständen vollkommen berechtigt, eine der Lösung bedürftige Aufgabe zur Diskussion zu stellen, auch wenn man zunächst selbst kein Mittel der Lösung anzugeben vermag. Die Ver besserung der internationalen Polizei, ihre einheitliche Hand- habung, die in erster Reihe gefordert wird, ist aber schon ein solches Mittel. Doch auch das vielfach hervortretende Bemühen, ein wirksames Vorgehen der eigenen Gesetzgebung an den Punkten, wo die sozialistische Agitation den revolu tionären Charakter annimmt, und gegen den ausgesprochenen Anarchismus vorzubereiten, darf nicht mit einem kopflosen Verlangen nach Ausnahmegesetzen gleichgestellt werde-». Frei- lich, wer der Meinung ist, daß die sozialdemokratische Krank heit „dem Erlöschen entgcgenreifr", der mag so geringschätzig von allen Bemühungen denken, die Gesellschaft gegen das anarchistische Berbrecherthum, dessen letzte Ursache jene Krank heit ist, durch besondere Vorkehrungen zu treffen. Aber sollte die Reichsregierung wirklich jene Meinung theilen? Der Schluß der vorstehenden Correspondenz ist so absurd, daß wir auch darum die Regierung bis auf Weiteres nicht für Aeußcrungen verantwortlich machen möchten, welche an Kühn heit der Trivialität die gedankenlosesten Leistungen des Ra dikalismus auf diesem Gebiete übertreffen. In Deutschland ist die Lage der Dinge, im Gegensatz zu den romanischen Ländern, zur Zeit derart, daß die Frage der Bekämpfung des Anarchismus in ruhiger Erwägung erörtert werden kann; aber wer möchte dafür bürgen, daß dies nicht von einem Tag auf den andern sich ändern könnte? Die Quelle anar chistischer Unthaten nach Möglichkeit zu verstopfen, ist es nicht zu früh, bevor solche auch bei uns von Neuem begon nen haben." Deutsches Reich. Wie die „Hamb. N." melden, Hat Kaiser Wilhelm an den König Oskar eine Depesche ge sandt, wonach sich die Kaiserin von Drontheim per Bahn nach Christiania begeben wird, um sich dort an Bord der Kreuzerfregatte „Stein" nach Kiel einzuschiffen. In unserer schnelllebigen Zeit kommen selbst solche Ereignisse, die überall das größte Aussehen erregt und die allgemeinste Aufregung verursacht haben, nur allzu schnell in Vergessenheit. Seit dem 25. Mai schwebt die DiSziplinar- untersuchung gegen den Kanzler Leist, dessen Angelegenheit zur Zeit alle Welt beschäftigt hat, niemand Hal ,eitdem irgend etwas über das Verfahren gehört und niemand scheint noch darnach zu fragen. Ls wäre indessen sehr zu bedauern, wenn diese Sache etwa im Sande verlaufen und wenn die Oeffentlichkeit nicht bald Zuverlässiges über das Ergebniß des Verfahrens erfahren sollte. Nachdem der Staatssekretär Freiherr v. Marschall im Reichstage erklärt hat, daß Dinge bekannt geworden seien, die den Kanzler Leist aufs schwerste belasteten, würde sich ein Vertuschungrsyftem in dieser Frage sicher nicht mehr empfehlen. Das Manövergeschwader, das gegenwärtig seinen Kurs nach Memel zu genommen hat, wird bald nach seiner Rück kehr aus der Danziger Bucht zu den Herbstübungen nach der Nordsee gehen. Außer der TorpedobootSflotille wird es auch von der neu zu bildenden Reservedtvision begleitet sein, die aus vier gleichen Panzerschiffen vierter Klasse bestehen wird. Die Herbstübungen, denen, wie verlaut«, der Erz herzog Stefan von Oesterreich auf besondere Einladung de- deutschen Kaisers beiwohnen wird, sollen unter Zugrunde legung ganz neuer Gesichtspunkte ausgeführt werden. Namentlich ist e« neu und bemerkenswerth, daß die au-zuführeaden tak tischen Aufgaben sowie die Befehle für die einzelnen Ge schwader und Schiffe bereits während des Winters nach dem Vorbilde der Thättgkeit des Großen Generalstabes der Armee für die verschiedenen Manöver von den Offizieren beim Oberkommando der Marine ausgearbeitet sind. Die be treffenden Offiziere werden gleichzeitig an Bord der Schiffe das Schiedsrichteramt als Unparteiische übernehmen. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, steht die Beendigung des Berliner Bierkriegcs nahe bevor. Selbst die sozial demokratischen Führer beginnen «inzusehen, daß sie die Mässen nicht länger zujammcnhatlen können und daß eine Niederlage unabwendbar ist. Vorläufig setzen sie sich allerdings noch aufs hohe Pferd und geben sich den Anschein, als ov sie m der Lage wären, den Gegnern die Friedensvebmgungen zu diktiren. Bald werden sie aber auch diese Maske fallen lassen und demüthig zu Kreuze kriechen müssen. Die Kriegs kosten bezahlen natürlich wieder die Arveuer. D»e Ahlwardlsche Richtung tes AntijemiliSmus ent wickelt sich in Per Richtung nach der Sozialdemokratie weiter. Anfänglich allein gegen das Judenrhum gerichtet, erweiterte tiefer Antisemitismus zunächst seine Angriffsfronc gegen das mobile Kapital überhaupt. Bei der Neuflettlner Wahl rm vorigen Jahre war man bereits zu der Parole „gegen Juden und Junker" fortgeschritten. Das Organ der Richtung, welche» vezeichncnderweife den Tuet „Bundschuh" Mit dem Molto führt: „Wenn die Reform verfäumr wnd, tritt der Umsturz in kraft", liefert neuerdings einen weiteren deutlichen Beweis von der fortschreitenden Entwickelung nach jener Richtung, indem es mit dem „liberalen mit Hebräern reichlich durchsetzten Geldbürger- und yändlerthume" und den Junkern nunmehr auch „Fürsten und Pfaffen" aus die Prostripttons- liste jetzt, als arbeitslose Machthaber, bei bene» dre Sorge um das Massenwohl eitle Heuchelei und Betrug, denen es vielmehr lediglich darum zu lhun fei, sich ein willfähriges, für sie Werlhe schaffendes Arbeirerthum zu erhalten. Diese Worte reden eine nur zu deutliche Sprache. England. Auch in England greift jetzt, nachdem die erste Aufwallung über Carnots Ermorcung verflogen ist, die Meinung Raum, daß Großbritannien besonderer Schutz maßregeln gegen die Anarchisten nicht bedürfe. Ein sachver ständiger Mitarbeiter des „Daily Telegraph" stellt jede Ge fahr seitens der englischen Anarchisten m Abrede; sie zahlten nicht mehr als zehn köpfe und feien der Polizei wohlbe kannt. Der Engländer gebe überhaupt nur einen mittel mäßigen politischen Verschwörer ab; geheime Zetteleien be- hagten ihm nicht und im Uebrigen machte der verhältmß- mäßig große materielle Wohlstand solche überflüssig. Was auf englischem Boden im Punkte der lhätigen Propaganda geleistet werde, gehe von auswärtigen Anarchisten aus, die hier aus Belgien, Frankreich, DeUtfchland, Italien und der Schweiz einwanderten. Diese freilich werden augenblicklich sorgfältig überwacht von einer besonderen Adlheilung der Geheimpolizei, zu welcher ungefähr 90 Mann gehörten; und da Socialisten und Anarchisten glücklicherweise ourch mannig fache Meinungsverschiedenheiten »n viele fich bekämpsenoe Gruppen getheilt wären, so sei rS ter Polizei leicht, ourch Geldspenden ihrem geheimen Treiben auf d,e Spur zu kommen. Die englische Polizei kenne jetzt genau d,e Schlupfwinkel dieser Ausländer. Sie besäßen über 20 Klubs um ungefähr 2000 Mitgliedern, von denen ein Viertel die Anarchie be fürworte; auch sei es nicht unbekannt, daß einige dieser Mit- glieder sich an festländischen Gewaltstreichen brrheiligl hätten. In der Umgebung von Tottenham Court Road befänden sich sechs solcher Klubs; außerdem vereinigten sich die Jtaltcner in Clerkenwell, die Deutschen in Whitechapel und Finsbury, und Ausländer von anarchistischem und kosmopolitischem An striche in Horton und im Ostende. Viele der obengenannten Geheimpolizisten sind nach englischen und auswärtigen Häsen zum Beobachtungsdienste abgeschickt. Im Grunde habe die englische Polizei die Vollmachten viel weiter ausgedehnt, al» das Ausland sich träumen lasse und al» e» nach engltschen Anschauungen gestattet sein sollte. Privathäuser und Klubs wurden rücksichtslos durchsucht, so daß, wenn es sich um Eng ¬ länder statt um Ausländer gehandelt hätte, die Presse längst über Verletzung der persönlichen Freiheit gejammert haßen würde. Auch hat sich die englische Polizei mit der festlän dischen längst in engere Verbindung gesetzt; und jedenfalls war die Auslieferung des Anarchisten Franyoi» eine ziem lich ausgesprochene Abweichung ron der bisherigen englischen Ueberlieferung und ein gewaltiger Schritt auf eben jene« Ziel hin, das jetzt durch förmliche Abmachungen erreicht werden soll. Wie drüben, so wird auch hier unterschiede» zwischen gemeinschaftlichem und persönlichem Vorgehen der Anarchisten. Letzteres ist das gefährlichere, weil eS sich am schwersten bekämpfen läßt. Seine Vertreter waren in Frank reich Ravachol und in England Polti und Farnara. Von den fünf anarchistisch-kommunistischen Blättern, die in London öffentlich verkauft werden, predigte die „Liberty" offen den Präsidentenmord. Es heißt darin: „Als Vaillants Weib und Kind um Begnadigung baten, schlug Carnot es ab, ob- gleich Vaillant Niemand getödter hatte. Wie konnte also Carnot auf Mitleid rechnen, da er selbst kein- besaß!" Wie man sieht, giebt es in England trotz der Beschönigung des Sachverständigen immer noch einen gehörigen Augiasstall auszukehren. OertlicheS mW SSchfifcheS. Riesa, 6. Juli 1894. — An daS hiesige Fernsprechnetz sind zwei neue An schlüsse erfolgt und zwar unter No. 48 Rittergut Gröba und unter No. 49 Firma Tenner u. Co. in Strehla. Gleich zeitig machen wir noch auf die Bekanntmachung des Kaisers. Ober-Postdirectors aufmerksam, wonach Diejenigen, welche noch im laufenden Jahre Anschluß an das Fernsprechnetz zu erlangen wünschen, die Anmeldung recht bald, spätestens bi« 1. August beim hiesigen Kaiser!. Postamt bewirken wollen. — Die Leser unseres Blattes und Freunde der Gustav Adolf-Sache machen wir auf em prächtige« Büchlein aufmerksam, das vor einigen Wochen bei Velhag«! und Klasing in Leipzig erschienen ist. ES heißt „Gustav Adolf. Ein christliches Heldenleben", ist geschrieben von dem Leipziger Pfarrer O. Kaiser und soll eine Gabe für da« deutsche evangelische Volk sein. Warum das Büchlein wobl gerade jetzt erschienen ist? Am 9. Dezember d. Js. begehe» wir die Jubelfeier des 300 jährigen Geburtstages Gustav Adolfs, es soll also eine Jubiläumsgabe sein. Und diesem Zwecke entspricht sein Inhalt. In schöner, edler und doch volksthümlicher Sprache wird das Kindheitsleben des großen Königs vor uns entrollt, du wirfst einen Blick in sein El ternhaus, siehst die Bilder des Elternpaare» in dem Buche, begleitest ihn nach Deutschland, wie er uns, seinen bedräng, ten Glaubensgenossen, zu Hilfe eilt, fliegst mit ihm von Sieg zu Sieg und leidest endlich mit ihm, wie er fällt in der Schlacht bei Lützen. Daß das Büchlein überdies mit vielen Bildnissen der Feldherren aus der Zeit Gustav Adolf» und mit Abbildungen, die besondere Ereignisse aus seinem Leben darstellen, geziert ist, und daß der Leser dieses Buch schon für 50 Pfennig haben kann, wollen wir nicht ver- schweigen. Wer feinen Kindern eine rechte Freude machen will, oder wer sich in trüber Zeit aufrichten will an einem herrlichen Manne, in dem Frömmigkeit und Tapferkeit zu gleich wohnten, der auch unserem Sachsenlande unvergeßliche Liebesdienste erwiesen hat, der greife nach diesem Büchlein. Möchte es in vielen Häusern Einzug halten und der schönen Sache Gustav Adolfs, für die er sein Leben gelassen, neue Freunde gewinnen! — Eine recht hübsche Ansicht erhält jetzt die obere Schützenstraße durch den Aufbau zweier neben einander lie- gender großer Wohnhäuser, welche an derjenigen Stelle der Straßenflucht zur Aufführung gelangen und zum Theil schon aufgeführt sind, an welcher die zum ehemaligeu Rische'schen Grundstück gehörige alte Kegelbahn dem Auge der Vorbei- passtrenden nicht gerade einen glänzenden Anblick bot. Auch der östliche Theil der Kastanienstraße zwischen der Pausttzer- uud der Schulstraße, welcher in den letzten Jahren ziemlich