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Beilage jnm „Riesaer Tageblatt". NotaÜdaldruck und Verlag von Laager L Winterlich l» Riesa. — Für di« Redakttp» vrnmt«rtlich: Arthur HÜHnel tu Ntesa. 888. Dieutzt,g, IS. Oktedcr ebeudS. «7. Jehrg. Belgien ,«f der A«N,geda«k. Die deutsche Heeresverwaltung hat in den Archiven de» belgischen Generalstabes in Brüssel Dokumente ent deckt, deren Besitz eine große gewonnene Schlacht auf wiegt. Eie enthalten so deutlich schlagende Beweise da für, daß unser Einmarsch in Belgien als ein Akt der Notwehr berechtigt war, daß alle ferneren Ausflüchte der englischen Diplomatie daran zu Schanden werden mü''en. An der Darstellung ihres Inhaltes, die durch die „Nordd. Lllg. Ztg." inMifchen der weitesten Oeffent- ltchLit -itgänglich gemacht worden ist, wird gewiß die Enthüllung, daß schon im Jahre 1906 die Entsendung eine- englischen Expeditionskorps nach Belgien für den Fall «ine» deutsch-französischen Krieges, in Aussicht ge nommen war, noch am wenigsten Verwunderung erregen. Dieser Plan würde eS den Intriganten im Londoner Auswärtigen Amt an und für sich immer noch leicht machen, sich damit herauSzureden, daß auf Grund von Publikationen deutscher Militärschriststeller Belgien mit einer Verletzung seiner Neutralität durch Deutschland, und durch diese» allein, hätte rechnen müssen und daher.ge radezu gezwungen gewesen wäre, mit den nichtdeutschen Garantiemächten sich von vornherein über Maßnahmen Kt verständigen, die einer völligen Ueberraschung Vor beugen könnten. Es sind bestimmte, nicht sofort in die Augen springende Einzelheiten, die die wichtigsten An klagen gegen die englische Diplomatie in sich berg ». Dazu gehören die Stellen in dem von der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung erwähnten Schreiben an den bel gischen Kriegsminister vom 10. April 1906, in denen aus Bemerkungen des Oberstleutnant Barnardiston hinge- wiesen wird, wonach man zurzeit auf die Unterstützung Hollands nicht rechnen, wonach die englische Regierung die Absicht habe, die Basis für den englischen Verpfle gungsnachschub nach Antwerpen zu verlegen, sobald die Nordsee von allen deutschen Kriegsschiffen gesäubert sei, und wonach sogar über die Einrichtung eines bel gischen Spionagedienstes in der Rheinprovinz verhandelt worden ist. Zugleich beweisen verschiedene Bemerkungen, daß englisch-belgischen Vereinbarungen schon solche mit dem französischen Generalstabe vorausgegängen waren. Aus alledem geht klar hervor, daß cS sich bei den ganzen Verhandlungen von vornherein nicht um den Schutz der belgischen Neutralität, sondern um eine heimliche Beteiligung Belgien San der vom Dreiverbände gegen Deutschland betrie benen Verschwörung handelt. Daß das keine willkürliche Ausbeutung, sondern eine logische Schluß folgerung ist, beweist der gleichfalls aufgefundene ge heime Bericht des langjährigen belgischen Gesandten in Berlin Baron Greindl an 'den belgischen Minister de» Aeußeren, worin die belgische Regierung offen einer einseitigen Parteinahme zugunsten der Ententemächte beschuldigt wird. Der Gesandte weist darauf hin, daß die Gefahr eines französischen Angriffs auf Deutschland durch Belgien nicht nur im Süden von Luxemburg her, sondern auf der ganzen gemeinsamen Grenze drohe. „Für diese Behauptung", fährt der belgische Staatsmann fort, „sind wir nicht nur auf Vermutungen angewiesen. Wir haben dafür positive Anhaltspunkte." Baron Greindl hebt mit Recht hervor, der Gedanke einer Umsassungsbewegung von Norden her habe zweifellos zu den Kombinationen der Entente cordiale gehört ; denn sonst hätte der Plan, Dlissingen zu befestigen, nicht ein solches Geschrei in Paris und London Hervorrufen kön nen. Die Schelde habe ohne Verteidigung bleiben sollen, um unbehindert eine englische Garnison nach Antwerpen überführen zu können und sich dadurch eine Opera tionsbasis für eine Offensive in der Richtung au? den Niederrhein und Westfalen zu schaffen- Die belgische Regierung kann sich also nicht darauf berufen, daß sie von keiner vertrauenswerten Seite auf die ihr von Frankreich und Englano drohende Gefahr einer Ver letzung der belgischen Neutralität aufmerksam gemacht worden sei; sie kann also nicht zu ihrer Entschuldi gung anführen, daß sie es unterließ, mit Deutschland ähnliche Vereinbarungen zu treffen, wie mit Frankreich und England. Für den deutlichen Einmarsch aber be deutet der Bericht des Barons Greindl die denkbarste Rechtfertigung. Wenn es einem belgischen Staatsmann erlaubt war, angesichts sicherer Anhaltspunkte auszu sprechen, daß Frankreich und England im Falle eines Krieges die belgische Neutralität nicht achten wollten, dann wird wohl in der ganzen Welt kein vernünftiger Mensch mehr der deutschen Heeresverwaltung verargen, daß sie ihren Feinden zuvorkam. Zur Eroverrmsi Antwerpens. Ter Vertreter der „Mo, ningpost" in Antwerpen er zählt: Die Belgier 'sahen schon am 2. ds. Mrs die Uebe.rgab<> der Stadt für unvermeidlich an, faßten aber neuen Mut, als am 3. Oktober morgen die Mitteilung kam, daß englische Hilfe unterwegs sei. Tie eug- liichen Marinesoldaten, die am 4. Oktober ankamen, nach-- dem sie die ganze Nacht hindurch von England gereist waren, bezogen sofort auf dem am stärksten gefährdeten Punkte bei Lierre eine Stellung. Zusammen mit später ankommenden Verhältnissen widerstanden sie den schlimmsten Angriffen, wäbrend sie einem furchtbaren Arttllcriefener ausgesetzt r.u:rcn. Die Deutschen täusch ten die Belgier durch eine List und waren dadurch im stande, die Stellung bei Lierre zu umgehen , wodurch der Rückzug aus dieser Stellung unvermeidlich wurde. Einem Mitarbeiter des „Lokalanzeiger»' schildert ein nach Rcsendaal geflüchteter Belgier die ersten Wir kungen der Beschießung von Antwerpen in folgender Weise: Ein unheimliches Surren und Singen zog durch die Luft. Aus den Häusern stürzten die von, Wahnsinn besessenen Menschen, die schon seit mehreren Tagen Kellcrräumc bewohnten, die sie mit Matratzen schalldicht verschlossen hatten. Die Unglücklichen rqnn- ten ziellos in den vereinsamten Straße» umher- Nie mand kümmerte sich um sie. Biele gerieten in bren nende Straßenzüge und wurden Opfer der schrecklichen Panik, die nicht mehr eingedämmt werden konnte. A» vielen Stellen begegnete man englischen Abteilungen, denen schwarze Fahnen mit einem weiß eingezeichneten Totenschädel vorangetragen wurden. Es wurde mir er zählt, daß diese Soldaten ansgelost worden waren, die Forts bi» zum letzten Mann zu verteidigen, und sich dann in die Luft sprengen M lassen. Ans Antwerpen wird unterm 10. Oktober gemeldet: Die Straßen sowohl der ärmeren als der wohlhaben deren Viertel und die Kais entlang dem Hafen sind allesamt leer und einsam. Sehr wenige Menschen wagen sich heraus. Sie schleichen vorsichtig an den Häusern entlang und kehren möglichst rasch heim. Nur in der Mitte der Stadt auf dem Stadthausplgtze lassen sich einige Bürger sehen, die aus Neugier den Mut fin den, den Deutschen unter die Auge» zu treten- Aber sie sind zu zählen. Die Straßen sind so verödet, daß die deutschen Automobile sie ohne Hupensignale durchfliegen. Alle Läden sind geschlossen, außer wenigen kleinen Kaffeehäusern am Stadthausplatze. Eine große Anzahl von Bränden, die durch die Beschießung entstanden waren, nahm durch die Abwesenheit der Bewohner eine» größeren Umfang an, da niemand zu löschen da war, ein Grund mehr, die umrötige Auswanderung zu beklagen. Sie ist aber erklärlich, da versichert worden war, daß die Stadt bis zum letzten Stein verteidigt »verden solle. Aber davon war keine Rede. Am Freitag früh um 9 Uhr ging der Bürgermeister Devos mit der weißen Flagge in das deutsche Lager, um zu kapitulieren. Es war eigenartig, daß gleichzeitig eine deutsche Abord nung mit weißer Flagge nach der Stadt zu ging. Beide kreuzten einander. Erst nachmittags um 3 Uhr wurde ein Ergebnis erzielt. Gleich darauf zogen die Deutschen in die menschenleere Stadt ein. Sie beschädigten nichts in der Stadt. Die Polizeibeamten dürfen bewaffnet ein- hergehen. Deutsche Soldaten halfen beim Löschen des Brandes. 'Die Zeitung „Telegraaf" meldet: Die Aufforderung des deutschen Kommandanten von Antwerpen, die Be völkerung möge nach Antwerpen zurückkehren, wird nochwenigbefolgt. Die wehrfähigen Männer fürch ten, kn deutschen Dienst treten zu müssen, um an den Verteidigungswerken zu arbeiten. Die Verluste der Belgier «nd Engländer. Tin Berichterstatter der »Daily New«" hebt die un verhältnismäßig starken Verluste der Belgier-an Offi zieren, sowie die erstaunliche Treffsicherheit der deutschen Artillerie hervor. Er schildert die letzten Tage des Bom bardements, die ein wahrhaft entsetzliche» Schauspiel ge boten haben. Halbamtlich wird au» dem Haag gemeldet, daß die Gesamtzahl der auf holländisches Gebiet übergetretenen entwaffneten belgischen und englischen Soldaten etwa 40000 beträgt. Die Mitteilungen der internierten eng lischen Offiziere stimmen mit den amtlichen englischen An- gaben nicht überein. Die Offiziere erklären, von 8000 Engländer», die in Antwerpen waren, seien nur 700 in Sicherheit. Die übrigen würden vermißt oder seien interniert^ General Gnise, der Kommandant Antwerpens, befindet sich in Aachen kriegsgefangen. Ebenso wurde Generalmajor MaeS von der Antwerpener Besatzung nach Köln gebracht. „Telegraaf" meldet auS Sas-van-Gent: Starke deutsche Abteilungen patrouillieren an der Grenze, um versprengte belgische Truppen gefangen zu nehmen oder zmii Betreten holländischen Gebietes zu zwingen. Der Eindruck in England. Die Besetzung Antwerpens hat in tzugluttv sichtlich großen Eindrnck hervorgerufen. Die „Times" schreibt: Der Full Antwerpens wurde in London al« unvermeidlich bedauert, die Nachricht aber mit Fassung ausgenommen. Der moralische Eindruck deS Ereignisses ist bedeutend, be- sonder» weil die Regierung vorher den furchtbaren Charakter de« deutschen Angriffs verschwiegen hatte. Der Besitz Ant werpens erhöht für die Deutschen die Möglichkeit, wenn sie ans Frankreich vertrieben werden, den Krieg in Belgien anstatt in Deutschland fortzusetzen. Antwerpen» endgiltigeS Schicksal hängt von dem Glücke der britischen Truppen im Felde ab. Es lagt. Nach dem Bericht de» Korrespondenten des Lok»An<. herrsch! unter den geflüchteten Belgiern große Wut siege» England. „Die Briten haben unS die Luppe e.«gedeckt I" rief ein fahnenflüchtiger Belgier. Seit zehn Tagen gab «s keinen andere» Herrn mehr in Antwerpen als den eng- lischen Befehlshaber. Der König vermochte seinen Wunsch, die S'adt zu retten, nicht mehr zur Geltung zu bringen, weil ihn- in V" " HwstlNkOr'len gegeben worden warcu. E Die Vorgänge, insbesondere da« unverantwortlich« selbstsüchtige Verhalten England« gegenüber Belgien«, haben in Holland in weiten volklkreisen einen »n«schieden»« Um schwung in den «»sichten zunuguufteu Euglaud» hervor gebracht. E« ist »ine weitoerbrritet« Uedrrz»ugung, daß sür da« Unglück Antwerpen« «»«schließlich England ver antwortlich ist und Deutschland vollkommen recht gehandelt hab». In ganz gleich»», Sinne haben sich velgter geäußert, die der Meinung sind, daß bereit« nach dem Fall von Namur ein« Verständigung mit Deutschland hätte gefunden wrrdeii müssen und entsetzt sind bei dem Eedanken, daß Belgien England gegenüber di« Verpflichtung übernommen hat, bi« zum Ende seine SaL, mit derfrntaen England» zu verbinde». Kugltsch-franjöfische Martuetrupven-Lan-uvaru bet Ostende. ES scheint, daß die Engländer »n Ostende wieder neu« Abteilungen von Martnetrnppen landen «nd daß auch die Franzosen Martnesoldaten herangrsührt habe», die nun bei Gent stehen, so daß nun bei Gent eine Schlacht gegen die neu angekommenen Engländer, Franzose» nnd Reste de« belgischen Heere« zu erwarten ist. Einige kleinere Schar mützel haben bereit« statigefunden. Reuter« verichte aus belgischer Quelle fangen wiederum an, von einem Steg Über die Deutschen zu reden, wie denn auch diese verichte noch eine halbe Stunde vor der Uebergabe Aniwerpen« . einen großen Sieg über die Deutsche» gemeldet haben. Den» „Daily Mail" wird au» Ostende gedrahlet, daß deutsche Kavallerie nahe bei Dlxnnde bemerkt wurde. — (Dixmude liegt 14 Meilen südlich von Ostende.) Der belgische Lügeufeldjug. Belgien setzt durch seine Gesaudtschait in Nom den Lügenfeldzug gegen Deutschland sort. Sie v lösfcntticht eine Note der amerikanischen Regierung, Biüssclcr Behörden (welche?) hätten die Regierung benachrichtigt, daß di« deutsche Besatzung die Bevölkerung ihrer Hilfsquellen be raube und sie Hunger» sterben lasse. Die gleicye» Infor mationen kämen au» anderen Landestellen. Die belgische Regierung protestiere energisch gegen eine solche ekelerre-enbe Barbarei. Vor -em Fall uv- nach dem Fall. Am 26. September, also vor dem Beginn der Be schießung von Aniwerpen, war in einem großen Londoner Blatte zu lesen, Fachleute seien der Meinung, daß die Deutschen nur mit einem Verluste von 100 000 Mann an Toten und verwundeten und der sechsfache» Zahl an Ver wundete« (also 600000 Mann) sich einen Zugang zur Stadt Antwerpen erzwingen können. Am 11. Oktober aber, also nach dem Fall der Gcheldefeste, wurde den Londonern versichert, Antwerpen entsprach nicht den Er wartungen, weil die permanenten Forts in den ausgesetzten Stellungen keine Chancen gegenüber der modernen Artillerie haben. Da» Blatt aber, das dieses herbe Urteil fällte, war wiederum die „TimeS". Sie hat also in 14 Tagen ihre Meinung recht gründlich geändert. Darüber wundern wir un» gerade nicht; denn trotz der gewaltigen Leistungen unserer „42 er" vor Lüttich, Noinur und Maubeuge hofften die Briten immer noch, Antwerpen sei „uneinnehmbar*. Und um ihre Enttäuschung zu verbergen, tun sie jetzt so, als ob es garnicht so weit hergewesen sei mit dieser „un einnehmbaren* Festung. Verwundern dürfen wir un» nur über das Publikum, das diese Weisheiten der Fachleute gläubig hinnimmt. Der russische Rückzug in Galizien Bon unserem Kriegsberichterstatter. OesterccichtscheS KriegSpressequartier, 11. Oktober. Es hat immer mehr den Anschein, als ob die Russen im Rahmen ihres durch unsere überraschende Offensive er zwungenen Rückzuges die Belagerung PrzemyslS aufgeben. Die Verluste, die sie hierin der kurzen Zeit der Zernierung er litten haben, sollen riesig sein. So schätzt man, daß sie bei dem, gleich in den ersten Tagen unternommenen Versuch, zwei Fort« zu stürmen, an 15000 Mann eingebüßt haben. Ihre Versuche, nachher der Festung durch Sappe» beizu kommen, wurden durch die Besatzung, die heldenmütiges Verhalten bewies, erfolgreich gestört. Jeder, von den Ver teidigern unternommene Ausfall kostete den Rusten zahl reiche Gefangene. Der Kommandant der Festung Przemysl, Feldmarschall-Leutnant Kusmanek, hat sich sehr ausgezeichnet. Der Rückzug der Russen vollzieht sich an vielen Stellen überstürzt. Scheinbaren Widerstand leisten sie nur dort, wo bei dem gegenwärtigen schlechten Zustand der Straßen sie ihre schwere Artillerie nicht rasch genug fortbrtngen können. In welch beschleunigtem Tempo ihr Rückzug vor sich geht, beweist am besten die Tatsache, daß tu den Städten, in den noch vor wenigen Tagen russische Be satzung war, heute bereits wieder unsere Behörden amtieren. So in KraSno, Sanok und anderen. Für den russischen Rückzug, der wohl am besten selbst die in alle Welt posaunten Siegesberichte au» Petersburg Lüge» straft, hat folgende Erklärung viel für sich: Ihre Offensive, die ja zögernd genug unternommen worden war, brach zusammen, weil drei Faktoren zusammenwirkten. Erstens da« schlechte Wetter, das in letzter Woche die Flüsse wie Gan, Weichsel, WiSloka zu furchtbaren Hindernissen und die Straßen unpassierbar machte, zweiten» die Cholera, di» im Ruffenheer grauenhaft wüten soll und dritten« die a «kervkdentlichen Schwierigkeiten im MunitionSnachsLvd.